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§ 19. Die Ergebnisse der Revolution und die<br />
Aufgaben der Sozialdemokratie.<br />
Der Krieg hat ganz Europa m eine Revolutionskrise gestürzt. Aber schon<br />
nach wenigen Wochen wurde die Demobilisierungskrise in den westeuropäischen<br />
Ententestaaten übervmnden. Schon 1919 und 1920 erlitt das<br />
Proletariat in Deutschland und in Ungarn, in Frankreich und Italien<br />
eine Reihe schwerer Niederlagen. Schon seit 1921 ist das internationale<br />
Proletariat in die Defensive gedrängt. Die internationale Offensive<br />
der Bourgeoisie ist aus wirtschaftlichen und aus sozialen Gründen<br />
besonders heftig "und besonders gewaltsam. Aus wirtschaftlichen Gründen:<br />
die Verarmung Europas durch den I^rieg, die Notwendigkeit, die tief<br />
gesunkene Akkumulationsrate zu erhöhen, die Schwierigkeit des<br />
Konkurrenzkampfes auf dem von schwerer Industriekrisc befallenen, durch<br />
die Zerrüttung der Währungen deroutierten Weltmarkt treiben zum Lohndruck<br />
und zur Rückbildung des Arbeiterscliutzes. Aus sozialen Gründen:<br />
die Bourgeoisie, durch die Heftigkeit des revolutionären Ansturms 1918<br />
und 1919 erschreckt, fühlt sich, nicht mehr sicher genug, sich mit den<br />
Herrschaftsmitteln, die ihr vor dem Kriege genügt haben, zu bescheiden. In<br />
allen Staaten östlich des Rheins — Österreich ist die einzige Ausnahme —<br />
hat sie sich mit den Waffen der Ausnahmegesetzgebung, der Beschränkung<br />
der Vereins-, Versammlungs-, Preßfreiheit und der Schwurgerichte ausgerüstet.<br />
In vielen dieser Staaten — auch Österreich ist unter ihnen —<br />
greift sie zu den Waffen der fascistischen Gewaltorganisationen. So ist<br />
in ganz Europa der Revolutionskrise von 1918/19 schwerer Rückschlag<br />
gefolgt.<br />
Aber die Revolutionskrise von 1918/19 hat die durch den Ivrieg aufgeworfenen<br />
Probleme nicht gelöst. Es ist dem Imperialismus de'r Siegermächte<br />
nicht gelungen, das deutsch-französische Reparationsproblem zu<br />
lösen,<br />
die Sowjetrepublik dem europäischen Staatensystem einzugliedern, in<br />
dem Raum der einst russischen „Randvölker" und der einst österreichischen<br />
„Nachfolgestaaten" dauerhaften Frieden zu begründen, die;<br />
revolutionäre Gärung zwischen dem Bosporus und dem Tigris, zwischen<br />
dem Nil und dem Ganges zu beendigen. Scheint der amerikanische Kapitalismus<br />
die schvs^ere Industriekrise der Nachkriegszeit schon überwunden<br />
zu haben, so wird die Erholung des europäischen Kapitalismus durch<br />
politische Krisen und politische Unruhe gehemmt. Wirtschaftlicher Druck<br />
und-^ politische Krisen verschärfen die soziale Unruhe und treiben neuen<br />
sozialen Erschütterungen zu.<br />
So scheint die gegenwärtige Entwicklungsphase nur eine Übergangsperiode<br />
zwischen zwei revolutionären Prozessen zu sein: zwischen der<br />
schweren revolutionären Erschütterung, die Europa 1918/19 erlebt hat, und<br />
neuen schweren kyegerischen, revolutionären oder konterrevolutionären<br />
Erschütterungen, zu denen die durch den Krieg aufgeworfenen, immer<br />
noch ungelösten Probleme zutreiben.<br />
Dieser allgemeinen europäischen Entwicklung entspricht auch die<br />
i]ntwicklung auf dem Boden, den einst die Habsburgermonarchie beherrscht<br />
hat. Auch hier ist der revolutionäre Prozeß zunächst unterbrochen.<br />
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