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Ursel Berger: Georg Kolbe in der NS-Zeit - Georg Kolbe Museum

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<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

Tatsachen und Interpretationen<br />

von <strong>Ursel</strong> <strong>Berger</strong><br />

In <strong>der</strong> Plastikgalerie <strong>der</strong> Schlosskirche Neustrelitz war im Sommer 2009 e<strong>in</strong>e Ausstellung<br />

mit Werken von <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> zu sehen, die sich auf die 1910er und 1920er Jahre konzentrierte.<br />

<strong>Kolbe</strong> hat aber natürlich auch <strong>in</strong> den 1930er und 1940er Jahren – bis zu se<strong>in</strong>em<br />

Tod 1947 – weitergearbeitet. Dass se<strong>in</strong> Spätwerk nach unserer heutigen E<strong>in</strong>schätzung<br />

nicht mehr ganz die Innovationskraft <strong>der</strong> früheren Schaffensphasen aufweist, ist e<strong>in</strong>e weit<br />

verbreitete Ansicht – auch me<strong>in</strong>e – nebenbei bemerkt allerd<strong>in</strong>gs nicht die <strong>der</strong> meisten<br />

<strong>Zeit</strong>genossen von <strong>Kolbe</strong>.<br />

Um die Stellung dieses Bildhauers <strong>in</strong>sgesamt und auch se<strong>in</strong> Nachleben zu begreifen, ist<br />

e<strong>in</strong>e Betrachtung se<strong>in</strong>es Wirkens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> wichtig, wenn nicht sogar ausschlaggebend.<br />

Deshalb hatte ich angeboten, über dieses Thema <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung <strong>in</strong> Neustrelitz zu<br />

sprechen. Ich b<strong>in</strong> überzeugt, dass damit e<strong>in</strong> weit über das <strong>in</strong>dividuelle Künstlerdase<strong>in</strong> h<strong>in</strong>ausgehendes<br />

Beispiel für die Möglichkeiten des Wirkens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diktatur vorgestellt wird.<br />

Bei dem Vortrag hatte ich Ergebnisse me<strong>in</strong>er früheren Recherchen und Publikationen e<strong>in</strong>bezogen.<br />

1 Der Vortragstext ist auf dieser Grundlage nach erneuten Forschungen überarbeitet<br />

worden.<br />

Lebenszeit <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> wurde 1877 geboren und starb 1947. Er durchlebte 70 Jahre deutscher Geschichte<br />

und zwar den <strong>Zeit</strong>raum mit den gravierendsten politischen Entwicklungen, Katastrophen<br />

und E<strong>in</strong>schnitten. Er wuchs im Kaiserreich auf. Um 1910 hatte er als Künstler<br />

erste Erfolge. Als noch recht junger Mann war er im Ersten Weltkrieg (<strong>in</strong> künstlerischer<br />

Aufgabe) tätig. Die größten Erfolge erzielte er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weimarer Republik, speziell <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1920er Jahre – zwischen Inflation und Weltwirtschaftskrise. Er war 56<br />

Jahre alt, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, und bei Kriegsende war er 68.<br />

Zwei Jahre hat er danach noch gelebt. Zwei Weltkriege, die schlimmsten Krisen und mehrere<br />

politische Systeme, darunter die <strong>NS</strong>-Diktatur, hat er also durchlebt.<br />

Forschung – Rezeption<br />

Von den 50 Jahren, <strong>in</strong> denen <strong>Kolbe</strong> künstlerisch tätig war, waren die zwölf Jahre <strong>der</strong> Naziherrschaft<br />

die kompliziertesten. Mit ihnen habe ich mich deshalb bisher überproportional<br />

beschäftigt. Viele <strong>Zeit</strong>zeugen wurden befragt – zu e<strong>in</strong>er <strong>Zeit</strong>, als es diese noch gab. Hun<strong>der</strong>te,<br />

bzw. eher Tausende von Dokumenten habe ich gelesen und <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

systematisch wie<strong>der</strong>gelesen.<br />

Methodisch ist e<strong>in</strong>e solche Forschungstätigkeit nicht e<strong>in</strong>fach; denn die Quellenlage ist<br />

nicht beson<strong>der</strong>s gut, obwohl viel Papier h<strong>in</strong>terlassen wurde. Man muss nämlich davon<br />

ausgehen, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diktatur das, was nicht systemkonform ist, oft nicht angemessen<br />

dokumentiert wird. Zu an<strong>der</strong>en <strong>Zeit</strong>en kann man z. B. unbedenklich se<strong>in</strong>e Kritik <strong>in</strong> Briefen<br />

äußern; <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> war es ratsam, sich hier zurückzuhalten. E<strong>in</strong>e sonst ganz wichtige<br />

Quelle für <strong>Kolbe</strong>s Denken fällt für die <strong>Zeit</strong> von 1933–45 somit spärlicher aus. Erschwerend<br />

ist, dass sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> die verschiedenen Quellen – z. B. öffentliche Aussagen und<br />

private Kommentare – wi<strong>der</strong>sprechen können. Um sich e<strong>in</strong> Urteil zu bilden, was wohl <strong>der</strong><br />

Wahrheit näher ist, muss man sehr viel gelesen haben.<br />

1


An<strong>der</strong>erseits erlebte ich, wie <strong>in</strong> den zurückliegenden Jahrzehnten die Kunst <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> e<strong>in</strong><br />

stets aktuelles bzw. e<strong>in</strong> immer mehr diskutiertes Thema wurde und blieb, über das fast<br />

je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e dezidierte Me<strong>in</strong>ung hat. Oft habe ich den E<strong>in</strong>druck, diese ist umso entschiedener,<br />

je ger<strong>in</strong>ger die Kenntnisse s<strong>in</strong>d. Doch das Verhalten e<strong>in</strong>es Künstlers <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> lässt<br />

sich <strong>in</strong> de Regel nicht mit e<strong>in</strong> paar Schlagworten charakterisieren. Es gab nicht nur<br />

schwarz und weiß, son<strong>der</strong>n sehr viele Graustufen. Im Laufe des Textes werde ich nicht nur<br />

die Fakten auf Dokumentengrundlage vorstellen, son<strong>der</strong>n auch auf e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> häufig wie<strong>der</strong>kehrenden<br />

Argumentationsmuster von Kritikern Bezug nehmen.<br />

Das <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong> besitzt nicht nur den künstlerischen, son<strong>der</strong>n auch den schriftlichen<br />

Nachlass des Bildhauers. Dokumentiert ist somit nicht nur das Werk und das Leben<br />

und z. T. auch das Denken des Künstlers, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch, wie man damit umgegangen<br />

ist, sowohl extern als auch <strong>in</strong>tern – also durch den Künstler selbst und später<br />

durch die Nachlassverwaltung. Seit den 1920er Jahren hatte <strong>Kolbe</strong> e<strong>in</strong>en <strong>Zeit</strong>ungsausschnittdienst<br />

beauftragt und dies wird bis heute fortgeführt. Die Presse-Resonanz zu Lebzeiten<br />

wie auch <strong>in</strong> den sechs Jahrzehnten danach ist also ebenfalls gesammelt und für<br />

Forscher e<strong>in</strong>sehbar.<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant ist auch die <strong>in</strong>terne Aufarbeitung. <strong>Kolbe</strong> selbst gab nach Kriegsende<br />

noch auf e<strong>in</strong>zelne Fragen über se<strong>in</strong>e Haltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> Antwort. Die erste Leiter<strong>in</strong> des<br />

<strong>Museum</strong>s, Margrit Schwartzkopff, die seit 1929 Mitarbeiter<strong>in</strong> des Künstlers gewesen war<br />

(zuerst Fotograf<strong>in</strong>, dann auch Sekretär<strong>in</strong>), wandte sich mit flammenden Thesen gegen<br />

Vorwürfe, <strong>Kolbe</strong> hätte sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> diskreditiert.<br />

Die zweite <strong>Museum</strong>sleiter<strong>in</strong>, <strong>Kolbe</strong>s Enkel<strong>in</strong> Maria Frfr. von Tiesenhausen, gab e<strong>in</strong>e Briefedition<br />

heraus, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> relativ wenig Rechnung getragen wurde.<br />

Etliche beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressante und aufschlussreiche Schriftstücke wurden nicht <strong>in</strong> die<br />

Auswahl aufgenommen. 2 Der schriftliche Nachlass ist neuerd<strong>in</strong>gs, soweit er im <strong>Georg</strong>-<br />

<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong> <strong>der</strong>zeit erhalten ist, über das Internet-Portal Kalliope zu erschließen. Etliche<br />

Schriftstücke, die im Folgenden e<strong>in</strong>e Rolle spielen, s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Website des <strong>Museum</strong>s digital<br />

wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

In den 1970er Jahren war e<strong>in</strong>e Kunsthistoriker<strong>in</strong>, Hella Reelfs, mit Vorarbeiten für e<strong>in</strong><br />

Werkverzeichnis befasst. Sie h<strong>in</strong>terfragte die gängige positive E<strong>in</strong>schätzung von <strong>Kolbe</strong>s<br />

Wirken <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>; Erzählungen von <strong>Zeit</strong>zeugen standen meist unter e<strong>in</strong>em „Persilsche<strong>in</strong>-Verdacht“<br />

und wurden deshalb oft als nicht glaubhaft e<strong>in</strong>geschätzt. Auch die H<strong>in</strong>terlassenschaft<br />

dieser Kunsthistoriker<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> das Archiv des <strong>Museum</strong>s e<strong>in</strong>gegangen.<br />

<strong>Kolbe</strong> und die Politik<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> schrieb 1933: „Ich habe mich niemals politisch betätigt; me<strong>in</strong> ganzes Trachten<br />

galt dem Dienst <strong>der</strong> Kunst.“ 3 Da würde ich E<strong>in</strong>spruch e<strong>in</strong>legen! Natürlich war <strong>Kolbe</strong><br />

ke<strong>in</strong> Politiker und auch ke<strong>in</strong> politischer Künstler. Aber er war persönlich immer wie<strong>der</strong> mit<br />

Politik konfrontiert und er setzte sich mit ihr ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Das Klischee vom unpolitischen<br />

Künstler trifft auf ihn eigentlich gerade nicht zu. Er war e<strong>in</strong> Künstler, <strong>der</strong> sich an se<strong>in</strong>er <strong>Zeit</strong><br />

rieb und auf sie reagierte. Er zog sich nicht nach Worpswede o<strong>der</strong> Güstrow zurück, son<strong>der</strong>n<br />

lebte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Metropole Berl<strong>in</strong>, durchaus <strong>in</strong> Kontakt mit wichtigen Persönlichkeiten aus<br />

Kultur und Politik.<br />

Berührungen mit <strong>der</strong> Politik hatte er lange vor <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>. Zum Beispiel gab es e<strong>in</strong>e Kontroverse<br />

mit Kaiser Wilhelm II., <strong>der</strong> sich im Ersten Weltkrieg gegen e<strong>in</strong>en Entwurf <strong>Kolbe</strong>s für<br />

e<strong>in</strong> Gefallenen-Denkmal aussprach. 4 1915 hatte sich <strong>Kolbe</strong> genau gegen den vom Kaiser<br />

bevorzugten Renommierstil ausgesprochen: „E<strong>in</strong>s aber weiß ich: wie man die Denkmale<br />

nicht gestalten soll. Man unterdrücke das Schwülstige, Prahlerische, denn e<strong>in</strong> Völker-<br />

2


schlacht=Bismarckturm=Bombenstil wird anmaßend auftreten. Der wohlbekannte deutsche<br />

Begriff ›kolossal‹ darf nicht zum Ausdruck kommen. Dann ist schon viel gerettet.“ 5<br />

Als begehrter Porträtist kam <strong>Kolbe</strong> auch <strong>in</strong> Kontakt mit Politikern. Zu Beg<strong>in</strong>n des Ersten<br />

Weltkrieges stellte er den Reichskanzler Bethmann Hollweg dar. Dass sich dieser dabei mit<br />

dem Künstler über die Kriegslage unterhielt, ist im Tagebuch von Gerhart Hauptmann dokumentiert.<br />

6<br />

E<strong>in</strong> Jahrzehnt später schuf <strong>Kolbe</strong> e<strong>in</strong>e Porträtbüste des Reichskanzlers Friedrich Ebert. Über<br />

das posthume Ebert-Bildnis von 1925 kam es zu heftigen Kontroversen, bei denen es vor<strong>der</strong>gründig<br />

um künstlerische Qualität zu gehen schien, doch spielten mit Sicherheit auch<br />

politische Gründe e<strong>in</strong>e Rolle. Der Hauptkritiker, <strong>der</strong> Bildhauer Hugo Le<strong>der</strong>er, trat damals<br />

mehrfach mit rechtsradikalen Parolen hervor. Als <strong>Kolbe</strong> noch e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en sozialdemokratischen<br />

Politiker – den Innenm<strong>in</strong>ister Carl Sever<strong>in</strong>g – porträtierte, konnte man <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Presse lesen, dass die „sozialistische Fraktion des Landtages bei dem Ebert-Verewiger <strong>Kolbe</strong><br />

e<strong>in</strong>e Büste des Obergenossen bestellt“ habe. „Wie erklärt wird, soll sich <strong>Kolbe</strong> auch<br />

schon auf die Schaffung von Büsten an<strong>der</strong>er Genossen vorbereitet haben, damit er gegebenenfalls<br />

auf das schnellste zur Hand se<strong>in</strong> kann.“ 7<br />

Auch durch an<strong>der</strong>e Werke zog <strong>Kolbe</strong> die Kritik <strong>der</strong> Rechtsradikalen auf sich, zum Beispiel<br />

durch se<strong>in</strong>en Rathenau-Brunnen, e<strong>in</strong> Denkmal, das dem Industriellen Emil Rathenau und<br />

se<strong>in</strong>em Sohn, dem 1922 als deutscher Außenm<strong>in</strong>ister ermordeten Walther Rathenau, gewidmet<br />

war. Schon kurz nach <strong>der</strong> Fertigstellung wurde das Denkmal mit großen Lettern<br />

beschmiert: „Der Judenrepublik gewidmet“. 8 Darüber berichtete <strong>der</strong> sozialdemokratische<br />

‚Vorwärts‘ am 20. November 1930: „In <strong>der</strong> Nacht von Mittwoch zu Donnerstag ist <strong>der</strong><br />

Rathenau-Brunnen im Volkspark Rehberge <strong>in</strong> übelster Weise beschmutzt worden. Geme<strong>in</strong>es<br />

Ges<strong>in</strong>del hat das Denkmal beschmiert. Als Visitenkarte prangten Stahlhelm, Hakenkreuz<br />

und ,Front Heil‘. Auch die Reliefs von Emil und Walther Rathenau wurden besudelt.<br />

Das ist <strong>der</strong> Geist des dritten Reiches! Das deutsche Volk wird diesen Elenden e<strong>in</strong>mal tüchtig<br />

auf die schmierigen F<strong>in</strong>ger klopfen müssen.“ 9<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> war <strong>in</strong> den 1920er Jahren zum erfolgreichsten deutschen Bildhauer geworden<br />

und nicht zu unrecht hielt man ihn für e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Repräsentanten <strong>der</strong> Weimarer Republik.<br />

Se<strong>in</strong>e damaligen Erfolge bedeuteten aber nicht, dass er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so engen Abhängigkeitsverhältnis<br />

zu Machthabern stand, wie das für manche an<strong>der</strong>e Künstler zuvor – im<br />

Verhältnis zu Kaiser Wilhelm II. – o<strong>der</strong> danach – im Verhältnis zu Adolf Hitler – zutraf.<br />

<strong>Kolbe</strong> war <strong>in</strong> jener <strong>Zeit</strong> politisch e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ker 10 o<strong>der</strong> vielleicht eher e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ksliberaler. Mit e<strong>in</strong>em<br />

se<strong>in</strong>er damaligen Modelle, e<strong>in</strong>er aktiven Kommunist<strong>in</strong>, Mitglied <strong>der</strong> Agitprop-<br />

Tanzgruppe ,Die roten Tänzer‘ (unter <strong>der</strong> Leitung von Jean Weidt), führte er regelmäßig<br />

politische Diskussionen; so erzählte es mir diese ehemalige Tänzer<strong>in</strong>. Sie g<strong>in</strong>g 1933 nach<br />

Moskau und hat, nach eigener Aussage, von dort aus weiter mit <strong>Kolbe</strong> Kontakt gehalten. 11<br />

Zwar ließ sich <strong>Kolbe</strong> von ihr nicht für die KP anwerben, er hatte jedoch e<strong>in</strong> gewisses Faible<br />

für Russland. Im Sommer 1932 war er auf E<strong>in</strong>ladung des deutschen Botschafters mehrere<br />

Wochen <strong>in</strong> Moskau. Er sei dorth<strong>in</strong> gereist, um sich darüber zu <strong>in</strong>formieren, wie man im<br />

Kommunismus lebe, erklärte er se<strong>in</strong>em Bru<strong>der</strong> und kommentierte: „Die haben auch nichts<br />

zu lachen.“ 12<br />

Nach se<strong>in</strong>er Rückkehr schrieb er am 12. Juli 1932 an e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> <strong>in</strong> Stuttgart: „Russland<br />

hat mich <strong>in</strong>tensiv bee<strong>in</strong>druckt – u. während ich dort den Aufbau e<strong>in</strong>er neuen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

sehen durfte, hat man <strong>in</strong> Deutschland zum Kostüm zurückgefunden. Und wie leicht<br />

siegte dieser Zauber!!! Ich denke, dass man <strong>in</strong> Ihrem Landstrich jetzt sehr zufrieden ist,<br />

denn Sie erzählten mir früher von dem starken Echo, das Hitler dort fand. Ich kann e<strong>in</strong>e<br />

grosse Scham nicht unterdrücken, dass ich auch dabei war, H<strong>in</strong>denburg zur Wie<strong>der</strong>wahl<br />

zu verhelfen. Was ist doch e<strong>in</strong> Künstler für e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fältiger Teufel!“ 13 <strong>Kolbe</strong> bezog sich <strong>in</strong><br />

3


diesem Brief auf die E<strong>in</strong>setzung des sogenannten Kab<strong>in</strong>etts <strong>der</strong> Barone am 1. Juni 1932<br />

mit Franz von Papen an <strong>der</strong> Spitze. Dass dadurch die Tür für Hitler geöffnet würde, hat<br />

<strong>Kolbe</strong> offensichtlich deutlicher gesehen als viele an<strong>der</strong>e (jene Barone e<strong>in</strong>geschlossen). So<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fältiger Teufel, wie er vorgab, war er nämlich gerade nicht. Bei <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

Reichskanzlerwahl hatte er also H<strong>in</strong>denburg gewählt. Die Alternativen waren damals<br />

lediglich Hitler und Thälmann; die SPD hatte beim zweiten Wahlgang ihre Anhänger aufgerufen,<br />

H<strong>in</strong>denburg zu wählen.<br />

Über se<strong>in</strong>e Russlandreise schrieb <strong>Kolbe</strong> e<strong>in</strong>en Text, <strong>der</strong> am 21. Januar 1933 (also neun<br />

Tage vor <strong>der</strong> sogenannten Machtergreifung <strong>der</strong> Nationalsozialisten) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wochenzeitschrift<br />

,Tagebuch‘ veröffentlicht wurde. Dies war e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>ksliberale, deutlich ant<strong>in</strong>azistische<br />

<strong>Zeit</strong>schrift, die dann sehr bald verboten wurde. Dieser ambitionierte Text fehlt <strong>in</strong> den beiden<br />

Quellenveröffentlichungen mit <strong>Kolbe</strong>-Schriften von 1949 und 1987. 14 Offensichtlich<br />

wollte man nicht, dass man <strong>Kolbe</strong> als begeisterten Russlandreisenden zur Kenntnis nimmt.<br />

E<strong>in</strong> paar Ausschnitte seien zitiert:<br />

„In ganz Rußland gibt es ke<strong>in</strong>en Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>hut! Das hat mir sehr gefallen. Es gibt<br />

überhaupt ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Hutladen. Herrenfrühjahrsmode – was trägt man –<br />

schmalen Rand, breiten Rand? Nichts! Mützen tragen sie alle. Schützende Deckel<br />

auf dem Kopf. Fertig!<br />

Salaman<strong>der</strong>s, Leisers Prachtschaufenster fehlen. Ke<strong>in</strong>e Juwelier- und Silberwaren,<br />

ke<strong>in</strong>e Seidenroben führen <strong>in</strong> Versuchung. Verschwunden ist die Dame,<br />

verschwunden <strong>der</strong> Herr mit <strong>der</strong> modefarbenen Krawatte und dem steifen Kragen<br />

– monokelgeklemmt. Luxus ist glatt totgespuckt – wirklich ganz tot –<br />

nicht nur lächerlich gemacht. Ja es fehlt auch das allerletzte Glück <strong>der</strong> Spießer:<br />

Kuchen mit Schlagsahne – Dämmerschoppen. Aus ist das, [...] Wodka alle<strong>in</strong><br />

darf noch Vergessen br<strong>in</strong>gen.<br />

Und die Stadt wimmelt von lebendigen Menschen. Liebe richtige <strong>Zeit</strong>genossen<br />

– ke<strong>in</strong>e Schnauzers, ke<strong>in</strong>e Ekels, ke<strong>in</strong>e Laffen. In den älteren Generationen<br />

sichtbar hart angefaßte leidvolle Lebewesen. Die jungen aber und gar die K<strong>in</strong><strong>der</strong>scharen<br />

bestens geleitet – voller Zukunft […]<br />

Die Kunst <strong>der</strong> Russen liegt nicht auf diesem Gebiet. Sentimentale historische<br />

Sch<strong>in</strong>ken. Viele pathetische Machwerke <strong>in</strong> Plastik und Malerei, alt, neu und<br />

allerneust – sehr westlicher Herkunft […]<br />

Nun ade liebes Moskau! Dicht h<strong>in</strong>ter Len<strong>in</strong>grad liegt die f<strong>in</strong>nische Grenze. Da<br />

g<strong>in</strong>g es wie<strong>der</strong> h<strong>in</strong>aus. Oh Schreck! Direkt wie <strong>in</strong> den Sarottiladen – wie <strong>in</strong>s<br />

Schleckerparadies.<br />

Ade, liebe russische Menschen!“ 15<br />

Es ist e<strong>in</strong> recht unpolitischer, geradezu romantisch verklärter Text, <strong>der</strong> mehr Aufschluss<br />

darüber gibt, was <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> Deutschland nicht gefiel, als dass er e<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> russischen<br />

Zustände geben würde. Aber angesichts <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong>umstände hatte selbst e<strong>in</strong> solcher Text<br />

e<strong>in</strong>e politische Wirkung; <strong>Kolbe</strong> soll zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> deshalb Schwierigkeiten bekommen<br />

haben. 16<br />

An die gleiche süddeutsche Freund<strong>in</strong>, an die <strong>Kolbe</strong> nach se<strong>in</strong>er Russlandreise geschrieben<br />

hatte, wandte er sich am 16. Februar 1933, also gut zwei Wochen nach Hitlers Regierungsantritt:<br />

„Wie glücklich b<strong>in</strong> ich, wenigstens ke<strong>in</strong> Amt zu haben; Welch ekelerregenden<br />

Gesellen mag man da begegnen müssen.“ Man kann mit Sicherheit sagen, dass <strong>Georg</strong><br />

<strong>Kolbe</strong> die sogenannte Machtergreifung <strong>der</strong> Nazis nicht begrüßte, dass er ke<strong>in</strong> Sympathisant<br />

war.<br />

Se<strong>in</strong>er eigentlichen politischen Ausrichtung konnte <strong>Kolbe</strong> nach dem Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges, das er als „Befreiung durch die Russen, als Auferstehung“ erlebte, 17 wie<strong>der</strong><br />

Ausdruck geben. So nahm er an den Anfängen des ‚Klubs <strong>der</strong> Kulturschaffenden‘ und des<br />

4


,Kulturbundes zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands‘ teil. 18 In <strong>der</strong> Presse lobte er<br />

zum ersten Jahrestag <strong>der</strong> Kapitulation die „wahrhafte Pflege <strong>der</strong> Kultur“ durch die sowjetische<br />

Verwaltung – im Gegensatz zu den „Goebbelskreaturen“. 19<br />

<strong>Kolbe</strong> und die <strong>NS</strong>-Kulturpolitik<br />

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> bekanntesten<br />

deutschen Künstler und <strong>der</strong> erfolgreichste Bildhauer <strong>in</strong> Deutschland. 1927 hatte z. B. <strong>der</strong><br />

Kunsthistoriker und <strong>Museum</strong>sleiter Carl <strong>Georg</strong> Heise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er amerikanischen <strong>Zeit</strong>schrift<br />

geschrieben: „Who is the greatest German pa<strong>in</strong>ter? One might give a hundred different<br />

answers. Who is the greatest German sculptor? This question can be answered <strong>in</strong> one way<br />

only. <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>.“ 20 Diese etwas plakative Aussage entsprach <strong>der</strong> Resonanz, die <strong>Kolbe</strong>s<br />

Werk beim Publikum fand. Dies lässt sich beispielsweise an <strong>der</strong> Besucherstatistik <strong>der</strong><br />

Kestner-Gesellschaft <strong>in</strong> Hannover ablesen: Die <strong>Kolbe</strong>-Schau vom Beg<strong>in</strong>n des Jahres 1933<br />

zog 2.700 Besucher an, e<strong>in</strong>e zuvor gezeigte Schlemmer-Picasso-Ausstellung nur 580. 21<br />

<strong>Kolbe</strong> war um 1930 prom<strong>in</strong>ent, stand im öffentlichen Leben, war <strong>in</strong> Kunstverbänden tätig<br />

und äußerte sich immer wie<strong>der</strong> zu kulturellen Fragen.<br />

Als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> bekanntesten Künstler wurde <strong>Kolbe</strong> gleich 1933 auf se<strong>in</strong>e Abstammung untersucht.<br />

22 Politisch wurde er als l<strong>in</strong>ks stehend verdächtigt: Im März 1933 wurde e<strong>in</strong>e bevorstehende<br />

Ausstellung von ihm <strong>in</strong> Chemnitz verboten, weil er als KPD-Sympathisant galt;<br />

das Verbot wurde dann aber bald aufgehoben. Als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Hauptexponenten <strong>der</strong> Weimarer<br />

Republik galt er für manche <strong>der</strong> neuen Machthaber als „belastet“: z. B. durch se<strong>in</strong><br />

Ebert-Porträt, zwei He<strong>in</strong>e-Denkmäler, den Rathenau-Brunnen, se<strong>in</strong>e Mitgliedschaft <strong>in</strong> fortschrittlichen<br />

Künstlerverbänden und nicht zuletzt durch se<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dungen zu jüdischen<br />

Kunsthändlern.<br />

Alfred Flechtheim, <strong>Kolbe</strong>s hauptsächlicher Kunsthändler um 1930, wurde später zu e<strong>in</strong>em<br />

<strong>der</strong> Hauptangriffsziele <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Propaganda im Kampf gegen sogenannte „entartete Kunst“<br />

und den angeblich jüdisch dom<strong>in</strong>ierten Kunstbetrieb <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong> vor 1933. 23 Als Flechtheim<br />

im Herbst 1933 <strong>in</strong>s Exil g<strong>in</strong>g, war allerd<strong>in</strong>gs – nach eigenen Aussagen – nicht er persönlich<br />

angegriffen worden, son<strong>der</strong>n „se<strong>in</strong>e“ Künstler. Am 1. Oktober 1933 schrieb er aus Paris an<br />

den Schweizer Sammler Oskar Re<strong>in</strong>hart: „Ich habe gestern Berl<strong>in</strong> u. zwar für immer verlassen.<br />

Me<strong>in</strong>e Galerie da und <strong>in</strong> Düsseldorf werden geschlossen. Ke<strong>in</strong> Platz mehr für mich. –<br />

Hofer, <strong>Kolbe</strong> und wahrsche<strong>in</strong>lich auch Renée [S<strong>in</strong>tenis] werden diffamiert! Was soll ich<br />

noch da tun? Ich b<strong>in</strong> ohne Geld nach hierher gefahren, um zu sehen, was ich tun kann.<br />

Hätte ich mich nicht mit Hofer, <strong>Kolbe</strong>, Renée, Klee und den Franzosen beschäftigt, kümmerte<br />

man sich nicht um mich! Ja, man hat angedeutet, daß, wenn ich auf diese Künstler<br />

verzichte, ich ruhig weiter Kunsthändler se<strong>in</strong> dürfte!!! Dann lieber richtig arm im Ausland<br />

als e<strong>in</strong> Verräter! Für diese me<strong>in</strong>e Künstler ist im III. Reich ke<strong>in</strong> Platz.“ 24<br />

Dies ist e<strong>in</strong> groteskes Dokument, das gleichzeitig e<strong>in</strong> aufschlussreicher Beleg für den Zickzackkurs<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Kulturpolitik ist: Die genannten Künstler kamen mit kle<strong>in</strong>eren o<strong>der</strong> größeren<br />

Schwierigkeiten durch das Dritte Reich; Flechtheim, dem jüdischen Kunsthändler, wäre<br />

es, wenn er <strong>in</strong> Deutschland geblieben wäre, an<strong>der</strong>s ergangen.<br />

In Berührung mit <strong>der</strong> Kunstpolitik kam <strong>Kolbe</strong> vor allem durch den Kampf <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />

gegen die mo<strong>der</strong>ne Kunst. E<strong>in</strong> Beispiel von mehreren sei herausgegriffen; es betrifft<br />

das Engagement des Bildhauers für den Deutschen Künstlerbund. Anfang 1935 hatte <strong>Kolbe</strong><br />

sich bereit erklärt, den Vorsitz zu übernehmen, zog die Zusage jedoch gleich wie<strong>der</strong><br />

zurück, als man <strong>in</strong> Magdeburg, wo die nächste Ausstellung stattf<strong>in</strong>den sollte, <strong>in</strong> die Autonomie<br />

des Künstlerbundes e<strong>in</strong>greifen wollte. <strong>Kolbe</strong> schrieb dazu, die „geäusserte Bitte, die<br />

bereits getroffene Wahl des Herrn Carl Hofer zum Juror Mitglied rückgängig zu machen,<br />

erleuchtet blitzschnell die Gefahr solch privater E<strong>in</strong>stellung, <strong>der</strong> ich nicht folgen kann, [...]<br />

5


es könnte passieren, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Stadt e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e L<strong>in</strong>ie gehalten wird, die sich,<br />

sagen wir z. B. gegen Schmidt-Rottluffs Kunst wendet. Solchen Mächten zu dienen b<strong>in</strong> ich<br />

nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage und nehme nach reiflicher Prüfung me<strong>in</strong>e Zusage, den Vorsitz zu führen<br />

zurück.“ 25 Schließlich überredete man <strong>Kolbe</strong> doch dazu, die Leitung des Künstlerbundes<br />

auszuüben; auf die Magdeburger Ausstellung jedoch musste man, wie <strong>der</strong> Rundbrief an<br />

die Mitglie<strong>der</strong> des Künstlerbundes vom April 1935 ausführte „aus künstlerischen und kameradschaftlichen<br />

Gründen [...] verzichten“. 26 Wegen <strong>der</strong> Ausstellung expressionistischer<br />

Kunstwerke wurde <strong>der</strong> Deutsche Künstlerbund (weiterh<strong>in</strong> unter <strong>Kolbe</strong>s Vorsitz) 1936 verboten.<br />

Von <strong>Kolbe</strong> gibt es aber auch e<strong>in</strong>ige öffentliche Signale <strong>der</strong> Anpassung. In me<strong>in</strong>er Monographie<br />

über den Künstler, die 1990 erschien (2. Auflage 1994), habe ich all diese zusammengetragen<br />

und seitdem – <strong>in</strong> den folgenden zwei Jahrzehnten – nichts weiteres<br />

mehr gefunden. Folgen<strong>der</strong> Fall sei herausgegriffen: Im August 1934 unterschrieb <strong>Kolbe</strong><br />

den sogenannten „Aufruf <strong>der</strong> Kulturschaffenden“. Nach dem Tod H<strong>in</strong>denburgs war dies<br />

e<strong>in</strong> Plädoyer für die Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Person Adolf Hitlers. Dass <strong>Kolbe</strong>s Me<strong>in</strong>ung von Hitler sich nicht geän<strong>der</strong>t hatte, beteuerte<br />

e<strong>in</strong> Freund, <strong>der</strong> sich regelmäßig mit ihm unterhielt: „Hitler blieb ihm <strong>der</strong> verhasste<br />

Gewaltmensch.“ 27 Warum plädierte er nun für die Aufwertung Hitlers? Dazu gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

Erklärung von <strong>Kolbe</strong>. Unter den Mitunterzeichnern war auch Ernst Barlach, <strong>der</strong> daraufh<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an se<strong>in</strong>en Vetter Karl Barlach erklärte „Ich habe den Aufruf <strong>der</strong> ›Kulturschaffenden‹<br />

mitunterschrieben, b<strong>in</strong> also den Vorwurf, Kulturbolschewismus zu treiben, los, bis<br />

man ihn wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Kiste holt.“ 28 Auffallend ist, dass man Barlach den „Aufruf <strong>der</strong><br />

Kulturschaffenden“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht ankreidet, <strong>Kolbe</strong> dagegen schon. Ob Barlach damals<br />

– also 1934 – mehr bedrängt war, ist durchaus fraglich. Zum<strong>in</strong>dest wurden von beiden<br />

Künstlern <strong>in</strong> jener <strong>Zeit</strong> gleich viele Werke aus <strong>der</strong> Öffentlichkeit weggeräumt.<br />

Die meisten Forscher, die sich von außen her mit <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> beschäftigen, sehen zuerst<br />

e<strong>in</strong>mal nur die öffentlich geäußerten Positionen wie jenen „Aufruf <strong>der</strong> Kulturschaffenden“.<br />

Was ist nun aber gewichtiger o<strong>der</strong> aussagekräftiger, die öffentliche Aussage pro Hitler,<br />

o<strong>der</strong> die private Ablehnung im Gespräch mit Freunden? Solch e<strong>in</strong>e veröffentlichte Position<br />

soll nicht beschönigt werden, schon gar nicht wegen ihrer Außenwirkung. Ich b<strong>in</strong> mir aber<br />

sicher, dass sie nicht <strong>Kolbe</strong>s tatsächliche Me<strong>in</strong>ung wie<strong>der</strong>gibt.<br />

<strong>Kolbe</strong>s Stilän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>Kolbe</strong> hat, das ist anfangs schon angesprochen worden, <strong>in</strong> den 1930er Jahren se<strong>in</strong>en Stil<br />

geän<strong>der</strong>t. Weit verbreitet ist die Me<strong>in</strong>ung, dass er dies <strong>in</strong> Anpassung an die <strong>NS</strong>-Ideologie<br />

tat. Trifft dies zu? Zuerst muss e<strong>in</strong>mal dargelegt werden, dass <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s Werk stets<br />

den <strong>Zeit</strong>geist wi<strong>der</strong>spiegelte. Wie <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong>geist än<strong>der</strong>te sich auch se<strong>in</strong> Stil: 1910 arbeitete<br />

er an<strong>der</strong>s als 1915, wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s 1920, 1925, 1930 o<strong>der</strong> 1935. Mit <strong>der</strong> stilistischen Entwicklung<br />

än<strong>der</strong>ten sich auch die Modelle. So waren vor dem Ersten Weltkrieg Tänzer <strong>der</strong><br />

Ballets Russes se<strong>in</strong>e Idealmodelle und <strong>in</strong> den 1920er Jahren bekannte Ausdruckstänzer<strong>in</strong>nen.<br />

Um 1930 bee<strong>in</strong>druckten ihn e<strong>in</strong> groß gewachsener, muskulöser Tänzer aus den USA<br />

(Ted Shawn) und danach e<strong>in</strong> Zehnkämpfer, <strong>der</strong> gleichzeitig promovierter Kunsthistoriker<br />

war; somit verband er Sport, Geist und den Bezug zur Kunst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Person.<br />

Die stilistischen Än<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>Kolbe</strong>s Werk waren nie durch äußere Vorgaben hervorgerufen<br />

worden, son<strong>der</strong>n wohl e<strong>in</strong> <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktives Reagieren auf den <strong>Zeit</strong>geist. Vielleicht war es<br />

aber auch umgekehrt, vielleicht hat e<strong>in</strong> Künstler wie <strong>Kolbe</strong> den <strong>Zeit</strong>geist nicht nur rezipiert,<br />

son<strong>der</strong>n auch geprägt bzw. zum<strong>in</strong>dest mitgeprägt. (Dass <strong>Kolbe</strong> bei allen Stilän<strong>der</strong>ungen<br />

im Kern se<strong>in</strong>er idealistischen figürlichen Ausdrucksweise treu blieb, und diese jeweils nur<br />

variierte, ist e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Thema.)<br />

6


Bei <strong>Kolbe</strong>s stilistischen Än<strong>der</strong>ungen um 1930 spielte nicht nur (wie zuvor) <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong>geist<br />

e<strong>in</strong>e Rolle, son<strong>der</strong>n diesmal auch das persönliche Schicksal des Künstlers. Der größte E<strong>in</strong>schnitt<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben war <strong>der</strong> tragische Tod se<strong>in</strong>er Ehefrau im Jahr 1927; vermutlich war<br />

sie freiwillig aus dem Leben geschieden. Danach fand <strong>der</strong> Bildhauer nie wie<strong>der</strong> zu se<strong>in</strong>en<br />

heiteren, leicht bewegten Frauenfiguren zurück, die zuvor se<strong>in</strong> Werk geprägt hatten. Den<br />

Grundton se<strong>in</strong>es vorangegangenen Werkes, e<strong>in</strong>e durchaus auch erotisch motivierte Freude<br />

an schönen weiblichen Körpern, sche<strong>in</strong>t er nun bewusst unterdrückt zu haben. Es sieht so<br />

aus, als ob damit die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit se<strong>in</strong>es künstlerischen Schaffens<br />

unterbrochen worden wäre. Statt aus dem Fühlen zu gestalten, wird <strong>der</strong> künstlerischen<br />

Gestaltung nun e<strong>in</strong> Filter, e<strong>in</strong> Denkvorgang vorgeschaltet.<br />

<strong>Kolbe</strong> wollte den Tod se<strong>in</strong>er Frau künstlerisch verarbeiten und zwar mit männlichen Gestalten,<br />

womit er sich zuvor nur ausnahmsweise beschäftigt hatte. Diese Statuen übernahmen<br />

e<strong>in</strong>e bestimmte Rolle, denn <strong>der</strong> Künstler bemühte sich, mit Hilfe se<strong>in</strong>er Kunst se<strong>in</strong>e Lebenskrise<br />

zu überw<strong>in</strong>den.<br />

E<strong>in</strong>samer, 1927 Jüngl<strong>in</strong>g, 1927/28 Aufsteigen<strong>der</strong>, 1930 Zarathustra, 1932/33<br />

Die Statue des ‚E<strong>in</strong>samen‘ steht für die unmittelbare Phase nach dem Tod se<strong>in</strong>er Frau –<br />

e<strong>in</strong>e hagere Männergestalt sche<strong>in</strong>t ganz ihrer Trauer h<strong>in</strong>gegeben. Auf den gebeugten ‚E<strong>in</strong>samen‘<br />

folgte 1927/28 die Statue e<strong>in</strong>es ‚Junge Mannes‘, e<strong>in</strong>e Bronze, die <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Skulpturenhof aufstellte. Er nannte sie „Asketenjüngl<strong>in</strong>g“. Die Figur sollte nach <strong>Kolbe</strong>s<br />

Worten die Aufgabe haben, über ihn zu wachen: „Mir soll er <strong>in</strong> schwachen Stunden beistehen.“<br />

29<br />

Der zwar aufgerichtete, aber noch asketisch-schlanke ‚Junge Mann‘ war nur e<strong>in</strong> Zwischenglied<br />

<strong>in</strong> <strong>Kolbe</strong>s Trauerarbeit. In den folgenden Jahren, eigentlich bis zu se<strong>in</strong>em eigenen<br />

Tod, stand die Gestalt e<strong>in</strong>es aufsteigenden Mannes im Mittelpunkt se<strong>in</strong>es Schaffens. „Ich<br />

arbeite viel an e<strong>in</strong>em sehr grossen aufsteigenden Mann, werde ihn aber kaum bewältigen“,<br />

schrieb er e<strong>in</strong>mal. 30 Wie eng auch diese Figur mit <strong>Kolbe</strong>s Bemühen verbunden ist,<br />

aus se<strong>in</strong>er Lebenskrise herauszuf<strong>in</strong>den, macht e<strong>in</strong> weiteres Briefzitat deutlich. Vom ‚Aufsteigenden<br />

Mann‘ schrieb er, dass Ludwig Justi, <strong>der</strong> damalige Direktor <strong>der</strong> Nationalgalerie,<br />

ihn ke<strong>in</strong>es Blickes gewürdigt habe: „Es mag mehr se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Lehmbruck statt e<strong>in</strong> <strong>Kolbe</strong> zu<br />

se<strong>in</strong> – aber dann wäre ich auch nicht um den Gastod herumgekommen.“ 31 Damit sagte er<br />

auf drastische Weise, dass sich Lehmbruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Krisensituation das Leben nahm, er<br />

selbst dagegen versuchte, die Krise durch se<strong>in</strong>e Kunst zu bewältigen. 1932 war das Modell<br />

des „Großen Emporsteigenden“ offensichtlich weit gediehen; doch wurde es we<strong>der</strong> gegossen,<br />

noch ist <strong>der</strong> Gips erhalten.<br />

1932/33 entstand dann e<strong>in</strong>e zweite überlebensgroße Version des aufsteigenden Mannes,<br />

<strong>der</strong> die sanfte Gelassenheit <strong>der</strong> ersten Fassung h<strong>in</strong>ter sich lässt. Die Männergestalt <strong>in</strong> energischer<br />

Bewegung erhielt schließlich den Titel ‚Zarathustras Erhebung‘. Damit wurde die<br />

7


Statue zur Symbolfigur für e<strong>in</strong> Nietzsche-Denkmal. Der Gedanke dazu war dem Bildhauer<br />

schon Jahre zuvor gekommen, unmittelbar nach dem Tod se<strong>in</strong>er Frau. Dies bezeugt e<strong>in</strong><br />

Brief vom Mai 1927, <strong>in</strong> dem er erklärt, er sei „unfähig, von e<strong>in</strong>er bildhauerischen Widmung<br />

[…] für Nietzsche abzusehen“. 32<br />

Nietzsche wurde zum Bezugspunkt von <strong>Kolbe</strong>s gesamtem späterem Schaffen. Die skizzierte<br />

Vorgeschichte demonstriert deutlich, dass es <strong>Kolbe</strong> dabei nicht um e<strong>in</strong>e Interpretation<br />

vom Werk des Philosophen g<strong>in</strong>g, son<strong>der</strong>n, dass er se<strong>in</strong>e eigene Krise – mit Unterstützung<br />

durch Nietzsches pathetische Schrift „Also sprach Zarathustra“ – zu überw<strong>in</strong>den versuchte.<br />

Dies wird aus se<strong>in</strong>en eigenen Worten deutlich: „Der große, kraftvolle Mann, <strong>der</strong> sich selbst<br />

befreite, das war die Aufgabe, das war auch <strong>der</strong> Weg zur eigenen Freiheit.“ 33 Auch die<br />

damals vollendete erste Fassung <strong>der</strong> Zarathustra-Figur von 1932/33 ist we<strong>der</strong> erhalten<br />

noch gegossen worden: Es folgten etliche weitere – auch wie<strong>der</strong> mehr zurückgenommene<br />

– Fassungen; und als <strong>Kolbe</strong> 1947 starb, war die letzte Version unfertig. 34<br />

<strong>Kolbe</strong>s Entwicklung zu den kraftvollen Männerfiguren begann also vor <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> und<br />

erklärt sich aus se<strong>in</strong>em eigenen Schicksal. Sie hat nichts mit dem Erstarken <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<br />

Bewegung zu tun, gegen die sich <strong>Kolbe</strong> gerade damals deutlich aussprach.<br />

Wie sieht <strong>NS</strong>-Kunst aus?<br />

Nicht nur von <strong>Kolbe</strong> aus gesehen ist <strong>der</strong> oft geäußerte Vorwurf <strong>der</strong> stilistischen Anpassung<br />

falsch, son<strong>der</strong>n auch aus <strong>der</strong> umgekehrten Richtung betrachtet. Es stellt sich nämlich die<br />

Frage: Woran hätte sich <strong>Kolbe</strong> denn anpassen sollen? Viel zu wenig wird bedacht, dass es<br />

1933 ke<strong>in</strong>en „<strong>NS</strong>-Stil“ gab. Die ersten Jahre <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Herrschaft waren von erheblichen<br />

Kontroversen im Kunstbereich geprägt.<br />

Der <strong>Zeit</strong>zeuge Paul Ortw<strong>in</strong> Rave berichtete, dass „Hitler bei den Gebieten von Malerei und<br />

Bildhauerei immer von dem reden konnte, was abzulehnen und zu verfolgen sei, und<br />

nichts namhaft zu machen wusste, was an die Stelle des Auszumerzenden zu setzen wäre,<br />

vielmehr stets nur vage von Hoffnungen und Erwartungen <strong>in</strong> dieser Richtung sprach.“ 35<br />

Ironisch kommentierte Paul Westheim 1933: „Daß die deutsche Kunst heroisch, heldisch,<br />

nordisch, germanisch, bluthaft, rauschhaft, urhaft, mythisch, beseelt, bodenständig... und<br />

gefällig zu se<strong>in</strong> habe, darüber herrscht E<strong>in</strong>mütigkeit. Fatal ist nur, daß man sich nicht e<strong>in</strong>igen<br />

kann, wie so etwas <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis aussieht.“ 36<br />

Da es ganz unklar war, welche Stilrichtung genehm se<strong>in</strong> würde, verfielen viele Künstler, die<br />

sich dem neuen Regime andienen wollten, darauf, sich mit Porträts von Hitler o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Nazi-Größen e<strong>in</strong>zuschmeicheln. Die Existenz solcher Bildnisse ist <strong>der</strong> Gradmesser <strong>der</strong><br />

Anpassungswilligkeit. <strong>Kolbe</strong> hat ke<strong>in</strong>en <strong>der</strong> führenden <strong>NS</strong>-Politiker porträtiert; 37 allerd<strong>in</strong>gs<br />

nahm er 1938 den Auftrag für e<strong>in</strong> Franco-Bildnis an. 38<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> gab es noch e<strong>in</strong>e engagierte Kampfrichtung zu Gunsten des Expressionismus,<br />

die sogar <strong>in</strong> Parteikreisen verbreitet war. Dabei wurde argumentiert, dass diese<br />

urdeutsche Kunstrichtung <strong>der</strong> „Bewegung“ entspreche. Erst mit <strong>der</strong> Ausstellung „Entartete<br />

Kunst“ 1937 und Hitlers Rede zur Eröffnung des Hauses <strong>der</strong> Deutschen Kunst <strong>in</strong> München<br />

stand endgültig fest, dass <strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong> Rehabilitierung des Expressionismus gescheitert<br />

war. Danach konnte ke<strong>in</strong> Zweifel mehr daran bestehen, dass große Bereiche <strong>der</strong> bedeutendsten<br />

Entwicklung <strong>der</strong> deutschen Kunst des ersten Drittels des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts geächtet<br />

wurden. <strong>Zeit</strong>schriften, die die Mo<strong>der</strong>ne propagiert hatten, wurden verboten, <strong>Museum</strong>sdirektoren<br />

entlassen, Galerien geschlossen.<br />

Die Mehrzahl <strong>der</strong> Künstler, vor allem die Nicht-Avantgardisten und erst recht die rückständigen<br />

Maler und Bildhauer, arbeiteten jedoch e<strong>in</strong>fach so weiter wie bisher. Schon aus den<br />

Katalogen <strong>der</strong> Ausstellungen im Haus <strong>der</strong> Deutschen Kunst <strong>in</strong> München wurde deutlich,<br />

8


dass nur recht wenige Werke ausgestellt waren, die nicht auch schon vor 1933 hätten<br />

entstanden se<strong>in</strong> und im Vorgängerbau – dem Münchner Glaspalast – hätten ausgestellt<br />

worden se<strong>in</strong> können. 39 Dies bestätigt auch die Website mit den Abbildungen <strong>der</strong> ausgestellten<br />

Werke. 40 Insgesamt hat die <strong>in</strong>tensive kritische Beschäftigung mit <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> zu <strong>der</strong><br />

irreführenden Vorstellung geführt, dass es e<strong>in</strong>e breite <strong>NS</strong>-Kunstströmung gegeben hätte;<br />

vermutlich wird die Bedeutung <strong>der</strong> Kunst im politischen System des Nationalsozialismus<br />

<strong>in</strong>sgesamt überschätzt.<br />

An<strong>der</strong>s als bei den Malern, von denen die bekannteren sich aus dem Blickfeld mehr o<strong>der</strong><br />

weniger zurückzogen, blieben die meisten Bildhauer weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit präsent.<br />

Selbst Werke von Künstlern, von denen Arbeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung „Entartete Kunst“<br />

ausgestellt waren, wie Wilhelm Lehmbruck, Ernst Barlach o<strong>der</strong> Gerhard Marcks, konnten<br />

später, zum<strong>in</strong>dest auf Nebenschauplätzen, weiterh<strong>in</strong> gezeigt werden. Vere<strong>in</strong>zelt wurden<br />

sie weiterh<strong>in</strong> publiziert und öffentlich angekauft; <strong>in</strong> privaten Kunsthandlungen und Sammlungen<br />

spielten sie weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Dabei mussten diese Künstler, bzw. ihre<br />

Erben, allerd<strong>in</strong>gs stets befürchten, dass vielleicht doch e<strong>in</strong> Ausstellungs- o<strong>der</strong> Arbeitsverbot<br />

erfolgen würde. So hatte zum Beispiel Gerhard Marcks nicht, wie häufig behauptet wird,<br />

e<strong>in</strong> Ausstellungsverbot; dies wurde ihm jedoch angedroht, und er durfte zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>ige<br />

bestimmte frühe Arbeiten nicht mehr ausstellen. Auch die Beschlagnahmung von Werken<br />

„entarteter Kunst“ aus Museen führte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht zu e<strong>in</strong>em Ausstellungsverbot. (Sie<br />

betraf marg<strong>in</strong>al auch <strong>Kolbe</strong>.)<br />

Der Kampf <strong>der</strong> Nationalsozialisten gegen die sogenannte „entartete Kunst“ richtete sich im<br />

Wesentlichen gegen Werke, die vor 1933 entstanden waren. Diese waren nicht als Protest<br />

gegen die <strong>NS</strong>-Ideologie geschaffen worden; an<strong>der</strong>erseits waren auch Werke, die nicht<br />

bekämpft wurden, ebenfalls <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel unabhängig von dem konzipiert, was die <strong>NS</strong>-<br />

Partei goutierte (was immer das se<strong>in</strong> mochte). <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s Plastiken wurden überwiegend<br />

nicht als „entartet“ e<strong>in</strong>gestuft; lediglich die Stilphase von 1919–23 bildete e<strong>in</strong>e Ausnahme.<br />

Vergleiche mit geför<strong>der</strong>ten Werken vom Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

Wenn aber <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s Stilentwicklung <strong>in</strong> den 1930er Jahren nicht als positive Reaktion<br />

auf den Nationalsozialismus gewertet werden kann, und es an<strong>der</strong>erseits anfangs auch<br />

überhaupt noch ke<strong>in</strong>en kanonisierten <strong>NS</strong>-Stil gab, an den sich <strong>der</strong> Bildhauer hätte anpassen<br />

können, dann muss gefragt werden, wie <strong>Kolbe</strong>s damals neueste Werke von den <strong>NS</strong>-<br />

Machthabern und <strong>der</strong> Parteipresse e<strong>in</strong>geschätzt wurden. Konnte <strong>Kolbe</strong> den E<strong>in</strong>druck haben,<br />

dass se<strong>in</strong> neuer Stil positiv aufgenommen wurde? Das würde bedeuten, dass er –<br />

wenn auch unbewusst – den erwünschten, zukünftigen <strong>NS</strong>-Stil vorausgeahnt hätte? Aus<br />

<strong>der</strong> Sicht von <strong>Kolbe</strong> muss man auch diese Frage verne<strong>in</strong>en.<br />

Der Künstler musste erleben, dass etliche se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> den Jahren zuvor öffentlich aufgestellten<br />

Werke „weggeräumt“ wurden, nicht nur He<strong>in</strong>e- und Rathenau-Denkmäler o<strong>der</strong> die<br />

Ebert-Büste, die aus politischen o<strong>der</strong> rassistischen Gründen beseitigt wurden, son<strong>der</strong>n<br />

auch Werke <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong> um 1930, die we<strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlich noch stilistisch <strong>in</strong> die Angriffsl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong><br />

Nationalsozialisten passten. So sorgte Hermann Gör<strong>in</strong>g dafür, dass <strong>Kolbe</strong>s marmorne Genius-Figur<br />

aus dem Berl<strong>in</strong>er Opernhaus verschwand und Joseph Goebbels vertrieb die große<br />

,Nacht‘ aus dem Berl<strong>in</strong>er Rundfunkhaus von Hans Poelzig. Sie wurde durch die Gruppe<br />

‚Symbol <strong>der</strong> Rundfunke<strong>in</strong>heit‘ ersetzt, die e<strong>in</strong>en SA-Mann beim Hitlergruß zeigte, flankiert<br />

von e<strong>in</strong>em „Arbeiter <strong>der</strong> Stirn“ und e<strong>in</strong>em „Arbeiter <strong>der</strong> Hand“, e<strong>in</strong> Werk von Hans Schellhorn<br />

und Hermann Fuchs.<br />

9


<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, Nacht, 1926/29<br />

Hans Schellhorn, Hermann Fuchs, S<strong>in</strong>nbild <strong>der</strong> Rundfunke<strong>in</strong>heit, 1933<br />

Die <strong>in</strong> vergröbertem neusachlichem Stil ausgeführte Gruppe entspricht <strong>in</strong>haltlich <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<br />

Propaganda wie kaum e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Werk; diese programmatischste aller Plastiken <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<br />

<strong>Zeit</strong> sucht man allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den wissenschaftlichen Veröffentlichungen über <strong>NS</strong>-Kunst<br />

vergeblich.<br />

Goebbels sorgte auch dafür, dass <strong>Kolbe</strong> nicht Leiter des Meisterateliers für Bildhauerei an<br />

<strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Künste wurde. Der Bildhauer war von <strong>der</strong> Akademie gebeten worden,<br />

diese Stelle zu übernehmen und hatte se<strong>in</strong>e Bereitschaft erklärt. Berufen wurde jedoch <strong>der</strong><br />

Maler und Bildhauer Arnold Waldschmidt, im Vergleich mit <strong>Kolbe</strong> e<strong>in</strong> relativ unbekannter<br />

Künstler. Er besaß an<strong>der</strong>e Qualitäten: „Prof. Waldschmidt ist Pg. 54 und <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> im M<strong>in</strong>isterium<br />

wohlbekannt.“ Dies berichtete Oskar Schlemmer. 41 <strong>Kolbe</strong> dagegen war ke<strong>in</strong> Mitglied<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Partei. Von Waldschmidt kennt man e<strong>in</strong>e monumentale plastische Arbeit aus<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>, den Relieffries am ehemaligen Reichsluftfahrtm<strong>in</strong>isterium, e<strong>in</strong>e grobe Übersetzung<br />

expressionistischer Formen mit staccato-artigen Reihungen. 42 Auch <strong>der</strong> skulpturale<br />

Stil dieses Künstlers, <strong>der</strong> sowohl bei Goebbels als bei Gör<strong>in</strong>g, dem Hausherrn des Luftfahrtm<strong>in</strong>isteriums,<br />

gut angeschrieben war, ist weit von <strong>Kolbe</strong>s Schaffen entfernt.<br />

Natürlich hatte <strong>Kolbe</strong> auch vor 1933 nicht jeden Wettbewerb gewonnen, nicht alles erreicht,<br />

was er sich wünschte, aber solche Zurücksetzungen wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> hatte er zuvor<br />

nicht erleben müssen. Dazu passt e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Beispiel: Als man <strong>in</strong> Weimar 1935 e<strong>in</strong>e<br />

Nietzsche-Halle und <strong>der</strong>en plastische Ausstattung plante, fragte man nicht bei <strong>Kolbe</strong> wegen<br />

e<strong>in</strong>er großen Nietzsche-Plastik an (immerh<strong>in</strong> war 1933 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Akademie <strong>der</strong><br />

Künste die erste Gipsversion von ‚Zarathustras Erhebung‘ ausgestellt und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse viel<br />

beachtet worden), son<strong>der</strong>n bei den Bildhauern Emil Hipp und Fritz Müller-Kamphausen;<br />

zwei Künstler, die heute kaum jemand mehr kennt.<br />

Mit Hipp zum<strong>in</strong>dest sollte man sich jedoch beschäftigen, denn er war <strong>der</strong> erste Liebl<strong>in</strong>gsbildhauer<br />

Adolf Hitlers, bevor Josef Thorak und Arno Breker <strong>in</strong> dessen Blickfeld gerieten.<br />

Hitler lernte Hipps Formensprache durch das Projekt für e<strong>in</strong> Richard-Wagner-Denkmal für<br />

Leipzig kennen: er legte 1933 den Grundste<strong>in</strong> für das Denkmal. Hipp gestaltete am liebsten<br />

ätherisch schwebende Figuren. Solche hatte er für das Wagner-Denkmal vorgesehen<br />

und damit dekorierte er auch den Kam<strong>in</strong> <strong>in</strong> Hitlers Arbeitszimmer im ‚Führerbau‘ <strong>in</strong> München.<br />

Paul Schultze-Naumburg, <strong>der</strong> Hipp begünstigte und dessen Berufung nach Weimar<br />

betrieben hatte, stellte ausgerechnet diese blutleeren Gestalten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch über nordische<br />

Schönheit als positive Beispiele vor. 43 Von <strong>Kolbe</strong>s Zarathustra-Stil s<strong>in</strong>d auch die Werke<br />

dieses anfangs bevorzugten <strong>NS</strong>-Bildhauers weit entfernt.<br />

Nachdem Hipp <strong>in</strong> Weimar gescheitert war, fragten die Vettern Nietzsches schließlich doch<br />

noch bei <strong>Kolbe</strong> wegen e<strong>in</strong>er Nietzsche-Statue an; <strong>der</strong> Bildhauer glaubte sich am Ziel se<strong>in</strong>er<br />

Wünsche. Es musste jedoch noch die Genehmigung Hitlers e<strong>in</strong>geholt werden. Nach langer<br />

10


Wartezeit kam die Nachricht, dass Hitler <strong>Kolbe</strong>s Zarathustra-Figur ablehne; Gründe wurden<br />

nicht genannt. 44<br />

Schon vorher hatte <strong>Kolbe</strong> die Erfahrung gemacht, dass Werke se<strong>in</strong>es neuesten Stils – jene<br />

kraftvollen Männerfiguren – gerade nicht beson<strong>der</strong>s goutiert wurden. So bekämpfte die<br />

Nazi-Partei se<strong>in</strong> Kriegerdenkmal für Stralsund. 45 Se<strong>in</strong>e Athletengestalten für das Berl<strong>in</strong>er<br />

Olympiagelände waren umstritten. 46 Gerade solche Werke, <strong>in</strong> denen nicht wenige Kunsthistoriker<br />

heute e<strong>in</strong>e Anpassung an <strong>NS</strong>-Kunst erkennen wollen, wurden damals von den<br />

an ihrer neuen Macht berauschten Parteigenossen abgelehnt.<br />

Das heißt aber ke<strong>in</strong>eswegs, dass <strong>Kolbe</strong>s Werke <strong>in</strong> Deutschland während <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

Anerkennung fanden, ganz im Gegenteil. <strong>Kolbe</strong> konnte weiterh<strong>in</strong> von se<strong>in</strong>er großen Bekanntheit<br />

und Beliebtheit zehren. Das zwar reduzierte, aber noch vorhandene bürgerliche<br />

Feuilleton begeisterte sich weiterh<strong>in</strong> für se<strong>in</strong>e Werke. Se<strong>in</strong>e Beiträge zu den Ausstellungen<br />

im Haus <strong>der</strong> Deutschen Kunst <strong>in</strong> München (1937: drei Statuen, sonst stets nur e<strong>in</strong> Werk<br />

unter jeweils weit mehr als 1.000 ausgestellten Objekten) wurden besprochen, im Katalog<br />

abgebildet und zweimal staatlicherseits angekauft. 47 <strong>Kolbe</strong> konnte die fortgesetzte Anerkennung<br />

se<strong>in</strong>es Werkes aber nicht als beson<strong>der</strong>e Auszeichnung im Rahmen des <strong>NS</strong>-<br />

Systems sehen; denn e<strong>in</strong>e solche Zustimmung war er ja gewöhnt. Neu dagegen war, dass<br />

ihm – wie gezeigt – drittklassige Künstler durch die <strong>NS</strong>-Machthaber vorgezogen wurden.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs waren selbst unter den tonangebenden Politikern die Reaktionen auf <strong>Kolbe</strong>s<br />

Werke unterschiedlich. So berichteten die <strong>Zeit</strong>ungen, dass Hitler, <strong>der</strong> später die Zarathustra-Statue<br />

ablehnte, 1934 beim Besuch <strong>der</strong> Biennale <strong>in</strong> Venedig bewun<strong>der</strong>nd vor <strong>Kolbe</strong>s<br />

‚Zehnkampfmann‘ stehen geblieben sei. Später kam die Statue nur durch e<strong>in</strong>e private<br />

Spende aufs Olympiagelände, war aber weiterh<strong>in</strong> umstritten, denn zwischenzeitlich lud<br />

man sie e<strong>in</strong>fach mal nachts vor <strong>Kolbe</strong>s Haustür ab. 48<br />

Für die E<strong>in</strong>schätzung se<strong>in</strong>er eigenen Lage <strong>in</strong> jener <strong>Zeit</strong> ist e<strong>in</strong> Briefentwurf vom 1. Oktober<br />

1935 an die Frau des deutschen Botschafters <strong>in</strong> Tokio aufschlussreich: „Es war für mich<br />

e<strong>in</strong>e aufrichtige Freude, daß ihr Mann als Jubiläumsgabe e<strong>in</strong> Werk me<strong>in</strong>er Hand wählte.<br />

Ich kann Ihnen nicht mit Worten andeuten, was das <strong>in</strong> unseren <strong>Zeit</strong>läuften sagen will. Es<br />

s<strong>in</strong>d die letzten, allerletzten B<strong>in</strong>dungen. B<strong>in</strong>dungen, die nunmehr nur noch dazu da s<strong>in</strong>d,<br />

zerrissen zu werden. Merken Sie wohl, Sie s<strong>in</strong>d draußen im Dienst <strong>der</strong> Nation, im Dienst<br />

<strong>der</strong> großen Werbung. Dort gelten die weiten Aspekte. Herrlich! Zuhause s<strong>in</strong>d solche D<strong>in</strong>ge<br />

enger bemessen. Da kann es sich geben, daß man für die gleiche Mentalität, die nach<br />

außen erlaubt, vielleicht sogar erwünscht ist, <strong>in</strong>s Feuer geworfen wird. So will es offenbar<br />

aller Geist <strong>der</strong> Revolution. Und so habe ich von hier, von mir zu berichten, daß ich zu den<br />

großen Aufgaben durchaus nicht Verwendung f<strong>in</strong>de.“ 49<br />

Bauplastik auf dem Berl<strong>in</strong>er Olympia-Gelände<br />

In <strong>der</strong> plastischen Ausstattung des Berl<strong>in</strong>er Olympiageländes sieht man heute meist e<strong>in</strong><br />

Musterbeispiel für die Bildhauerei <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>, zu Unrecht, denn dieses Projekt war gerade<br />

ke<strong>in</strong> typisches Nazi-Großunternehmen. Die Nationalsozialisten hatten ursprünglich<br />

die <strong>in</strong>ternationale Olympia-Bewegung abgelehnt, orientierten sich jedoch 1933 um und<br />

entschieden sich für e<strong>in</strong>en Stadionneubau für die Olympischen Spiele 1936 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e<br />

bildhauerische Ausschmückung war anfangs nicht vorgesehen. Erst 1935 wurde dafür e<strong>in</strong><br />

Kunstausschuss e<strong>in</strong>gesetzt. E<strong>in</strong>en eigenen Etat gab es nicht; mit Mitteln von Sponsoren<br />

und M<strong>in</strong>isterien wurde dennoch e<strong>in</strong> ambitioniertes Skulpturenprogramm realisiert. Dabei<br />

gab <strong>der</strong> Architekt Werner March den Ton an: Er verlangte e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung unter die architektonische<br />

Raumplanung sowohl im Format als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Strenge des Stils. Dies geht<br />

aus den erhaltenen Akten des Kunstausschusses hervor. Salopp könnte man sagen, auch<br />

<strong>in</strong> diesem Gremium wusste man nicht genau, was <strong>NS</strong>-Bildhauerei se<strong>in</strong> sollte. In Unkennt-<br />

11


nis <strong>der</strong> sich gerade entwickelnden Vorliebe Hitlers für Josef Thorak lehnte <strong>der</strong> Kunstausschuss<br />

im Juli 1935 e<strong>in</strong>en Beitrag von ihm ab. Erst kurz vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Spiele, im März<br />

1936, wurde bekannt, dass Hitler diesen österreichischen Bildhauer beson<strong>der</strong>s schätzte.<br />

Kurzentschlossen stellte man daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e riesige Boxerfigur im abgelegenen „Anger“<br />

auf.<br />

Auch Arno Breker hatte sich am ersten Wettbewerb für Skulpturen auf dem Olympiagelände<br />

beteiligt und war positiv aufgefallen: „Brecker, e<strong>in</strong> figürlicher Bildhauer mehr realistischer<br />

Art, soll [...] für die beiden großen Figuren am Haus des deutschen Sports <strong>in</strong> Aussicht<br />

genommen werden.“ 50 Der Künstler, von dem die Schreibweise se<strong>in</strong>es Namens damals<br />

noch nicht geläufig war, wurde durch andauernde Kritik dazu gebracht, von se<strong>in</strong>er<br />

naturnahen Modellierung abzugehen. Erhalten ist die locker modellierte, bekleidete Modellfigur<br />

se<strong>in</strong>er ‚Speerwerfer<strong>in</strong>‘ 51 , die <strong>in</strong> stilistischem Gegensatz zur ausgeführten, glatten<br />

Großbronze steht.<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, Ruhen<strong>der</strong> Athlet, Vorstudie, 1935 <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, Ruhen<strong>der</strong> Athlet, 1935<br />

Auch <strong>Kolbe</strong>s Entwurf für e<strong>in</strong>en ‚Ruhenden Athleten‘ wurde kritisiert: „Die Haltung des<br />

übergeschlagenen Be<strong>in</strong>es soll weniger locker gefaßt werden.“ 52 An<strong>der</strong>s als Breker än<strong>der</strong>te<br />

<strong>Kolbe</strong> se<strong>in</strong>en Entwurf nicht, was <strong>der</strong> Vergleich vom kle<strong>in</strong>en Modell mit <strong>der</strong> Großbronze<br />

verdeutlicht.<br />

Die Kontroversen zwischen den Künstlern und dem Kunstausschuss wurden <strong>in</strong> den Akten<br />

nur verkürzt wie<strong>der</strong>gegeben, dies macht e<strong>in</strong> Kommentar von <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> jenem schon zitierten<br />

Entwurf e<strong>in</strong>es Briefes an die Frau des deutschen Botschafters <strong>in</strong> Tokio deutlich: „Heute<br />

sende ich Ihnen e<strong>in</strong> Foto des großen liegenden Mannes, den ich im Auftrag des Preuß.<br />

Kultusm<strong>in</strong>isteriums für das hiesige Sportforum schuf. Doppelt lebensgroß ist die Figur. Sie<br />

ist gut gelungen, sie sieht nach etwas aus, sie ist gewiß ke<strong>in</strong> Dreck. Aber: sie ist garnicht<br />

das, was man da draußen will. Gewiß sie ist als Placement auch abseits stehend – ganz<br />

und garnicht als Werbung für die große Stadionsache gedacht. – Aber selbst an <strong>der</strong> ihr<br />

zugemessenen Stelle am Schwimmschulbecken, also abseits aller Olympiasiegese<strong>in</strong>stellung,<br />

wird sie als e<strong>in</strong>seitig künstlerisch empfunden. Erwägen Sie selbst, ich möchte ja nur<br />

berichten!“ 53<br />

C. G. Heise, <strong>der</strong> von den Nationalsozialisten entlassene Lübecker <strong>Museum</strong>sdirektor, betonte<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Besprechung des Olympiageländes die stilistische Diskrepanz: „Unstreitig die<br />

re<strong>in</strong> plastisch bedeutendste Arbeit ist <strong>der</strong> ruhende Athleten-Jüngl<strong>in</strong>g von <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>,<br />

zugleich aber auch – und das ist symptomatisch – diejenige, die sich am schwersten <strong>der</strong><br />

Architektur e<strong>in</strong>ordnen läßt.“ 54<br />

Das ,Reichssportfeld‘ war die erste große Anlage <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>, die Architektur und monumentale<br />

Plastik verband. Es war wegweisend für die späteren Großprojekte, allerd<strong>in</strong>gs<br />

mehr <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass man dort an<strong>der</strong>s vorg<strong>in</strong>g: Ke<strong>in</strong>e Wettbewerbe, ke<strong>in</strong> debattieren<strong>der</strong><br />

Kunstausschuss, ke<strong>in</strong>e breite Beteiligung von Künstlern und nicht mehr <strong>der</strong> strenge<br />

archaistische Stil, <strong>der</strong> die meisten <strong>der</strong> Olympiafiguren prägt.<br />

12


<strong>NS</strong>-Klassizismus<br />

Nach den ersten Jahren mit Kontroversen um das, was deutsche Kunst sei, und wie e<strong>in</strong>e<br />

dem Nationalsozialismus entsprechende Kunst auszusehen habe, gab es zwar nie e<strong>in</strong>e<br />

endgültige und allumfassende Klärung, allerd<strong>in</strong>gs wurde e<strong>in</strong>e Art von Neoklassizismus mit<br />

dem Architekten Albert Speer und den Bildhauern Arno Breker und Josef Thorak an <strong>der</strong><br />

Spitze zur exponiertesten Richtung während <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>. Eigentlich ist das absurd; denn<br />

diese Stilform ist ke<strong>in</strong>eswegs deutsch und schon gar nicht völkisch; sie war ke<strong>in</strong> eigener<br />

Beitrag, denn <strong>in</strong> den 1930er Jahren war solch e<strong>in</strong> Neoklassizismus <strong>in</strong> Europa und den USA<br />

weit verbreitet. Diese Richtung passte eigentlich gar nicht zur <strong>NS</strong>-Ideologie. Damit stand<br />

sie im Gegensatz zum ideologisch besser entsprechenden Heimatstil, <strong>der</strong> partiell ebenfalls<br />

weitergeführt wurde.<br />

Arno Breker und Josef Thorak sche<strong>in</strong>en sich für ihre heroischen Bildwerke an <strong>Kolbe</strong>s Nietzsche-Figuren<br />

und se<strong>in</strong>em ‚Zehnkampfmann‘ orientiert zu haben. Immerh<strong>in</strong> brachte <strong>der</strong><br />

Journalist G. H. Theunissen dies schon 1935 zur Sprache, als er anlässlich e<strong>in</strong>er Thorak-<br />

Ausstellung anmerkte: „Thorak ist nicht ungeschickt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachahmung <strong>der</strong> <strong>Kolbe</strong>schen<br />

Plastik [...] ob <strong>der</strong> „Zarathustra“-Weg <strong>Kolbe</strong>s auch für Thorak bestreitbar ist, kann man,<br />

angesichts des „Boxer“-Aktes, kaum für möglich halten. Diese Pathetik endet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

falschen Heroismus.“ 55 Angesprochen wurde dabei die schon genannte große Bronze, die<br />

später am Rande des Berl<strong>in</strong>er Olympiageländes Aufstellung fand.<br />

Die heroischen E<strong>in</strong>zelgestalten, aber auch Zweiergruppen, wie sie Breker und Thorak<br />

mehrfach für große Staatsaufträge ausführten, lassen sich nicht selten als vergröberte und<br />

monumentalisierte Bearbeitungen von Kompositionen <strong>Kolbe</strong>s aus <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong><br />

1930er Jahre erkennen. Kann man dies <strong>Kolbe</strong> vorwerfen? Ist e<strong>in</strong> Künstler dafür verantwortlich,<br />

wie se<strong>in</strong>e Werke kopiert o<strong>der</strong> weiterverarbeitet werden, zumal wenn sich dabei<br />

<strong>der</strong> Geist und die Qualität des Vorbildes verflüchtigen? An solchen Zusammenhängen liegt<br />

nun aber die recht verbreitete Vorstellung, dass sich <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> angepasst habe.<br />

Doch nicht weil <strong>Kolbe</strong> sich anpasste, er<strong>in</strong>nern e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Arbeiten irgendwie an Werke<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Starbildhauer, son<strong>der</strong>n weil <strong>Kolbe</strong>s Statuen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Zusammenhang<br />

entstanden waren, von den Staatsbildhauern rezipiert und dabei nazifiziert wurden.<br />

<strong>Kolbe</strong> hätte die versuchte Gleichsetzung unter heutigen Kritikern sicherlich sehr verwun<strong>der</strong>t.<br />

Nach se<strong>in</strong>er eigenen E<strong>in</strong>schätzung stand er weit entfernt: In se<strong>in</strong>er Stellungnahme<br />

zum Spruchkammerverfahren Arno Brekers, betonte er, dass nach dessen „Annäherung an<br />

Hitler […] e<strong>in</strong>e Wandlung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Kunstanschauung sichtbar [wurde], die früher <strong>der</strong> französischen<br />

Auffassung nahe stand und nun unter stärkstem Nazie<strong>in</strong>fluss absank.“ 56 Für sich<br />

selbst konnte er e<strong>in</strong>en solchen Zusammenhang nicht sehen.<br />

Bildhauerpraxis <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

Mit Arno Breker und Joseph Thorak s<strong>in</strong>d die beiden Bildhauer genannt, die – auf völlig<br />

an<strong>der</strong>e Weise als <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> – <strong>in</strong> das <strong>NS</strong>-Regime <strong>in</strong>volviert waren. Sie wurden mit hochdotierten<br />

Aufträgen bedacht, erhielten Professuren und riesige Ateliers und an<strong>der</strong>e Immobilien.<br />

Ihre Nähe zur Machtelite lässt sich durch e<strong>in</strong>e Bildsuche im Internet aufs Schnellste<br />

verifizieren. Da sieht man Hitlers Besuch im eroberten Paris <strong>in</strong> Begleitung von Breker und<br />

Albert Speer o<strong>der</strong> man sieht Thorak zu Gast auf Hitlers Berghof. 57 Von <strong>Kolbe</strong> gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

vergleichbaren Bil<strong>der</strong>. E<strong>in</strong> Freund des Bildhauers erklärte, dieser vermied „jede Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>es ›allerhöchsten‹ Staatsbesuchs, wie er vielen an<strong>der</strong>en Bildhauern zuteil wurde. Außer<br />

Schirach hat ke<strong>in</strong> führen<strong>der</strong> Staats- o<strong>der</strong> Parteimann ihn besucht.“ 58 Auffallend ist auch,<br />

dass <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> – ganz an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den Jahrzehnten zuvor – bei öffentlichen<br />

E<strong>in</strong>weihungen se<strong>in</strong>er Plastiken nicht anwesend war. Er wollte ansche<strong>in</strong>end ke<strong>in</strong>em <strong>der</strong><br />

„ekelerregenden Gesellen“ begegnen (S. 4).<br />

13


Nach Kriegsende schrieb <strong>Kolbe</strong>: „Ich war diese Jahre dankbar, mich abseits halten zu können.“<br />

59 Das ist bestimmt ke<strong>in</strong>e nachträgliche Schönfärberei, allerd<strong>in</strong>gs doch nicht so e<strong>in</strong>deutig.<br />

In jenem schon mehrfach zitierten Brief von 1936 hatte sich <strong>Kolbe</strong> beklagt, dass er<br />

„zu den großen Aufgaben durchaus nicht Verwendung f<strong>in</strong>de“. Natürlich wünscht sich ke<strong>in</strong><br />

Künstler, ke<strong>in</strong>en Erfolg zu haben. Diese zwiespältige Haltung lässt sich mit <strong>der</strong> von Gerhard<br />

Marcks vergleichen, <strong>der</strong> 1939 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an den Bildhauerkollegen Bernhard<br />

Hoetger geschrieben hatte: „Wir s<strong>in</strong>d so glücklich mit Staatsaufträgen verschont zu bleiben,<br />

wir haben es also verhältnismäßig leicht, e<strong>in</strong>e saubere Tradition fortzuführen, da ke<strong>in</strong>er<br />

uns missbrauchen will.“ 60 Aber auch Marcks zog sich nicht völlig zurück, auch er suchte<br />

den öffentlichen Auftritt. Intensiv arbeitete er an e<strong>in</strong>em Auftrag für Posen, e<strong>in</strong>er großen<br />

Wagenlenker<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em Pferdegespann. 61 Das Skulpturenprogramm für Posen stand im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Germanisierung <strong>der</strong> Stadt. 62 Während Marcks e<strong>in</strong>e stolze Sieger<strong>in</strong><br />

vorschlug und ausarbeitete, wollte <strong>Kolbe</strong> – aus Arbeitsüberlastung – e<strong>in</strong> älteres Projekt für<br />

Posen realisieren, e<strong>in</strong>en ‚Stürzenden‘ – da die Stadt Posen „doch genug Anlass habe, stürzen<strong>der</strong><br />

Menschen symbolisch zu gedenken“. 63<br />

Mehr als aus <strong>Kolbe</strong>s eigenen Worten geht aus Briefen von Freunden hervor, dass diese<br />

me<strong>in</strong>ten, <strong>der</strong> Künstler hätte <strong>in</strong> jener <strong>Zeit</strong> e<strong>in</strong>e größere Anerkennung verdient. Karl Schmidt-<br />

Rottluff, <strong>der</strong> es als ehemaliger Brücke-Maler <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> weitaus schwerer hatte als <strong>Kolbe</strong>,<br />

schrieb 1942 an se<strong>in</strong>en Freund angesichts dessen 65. Geburtstags: „Ich hoffe, Sie haben<br />

<strong>in</strong>zwischen Ihren Geburtstag gut überstanden u. nicht nur das heimliche Deutschland<br />

– auch das offizielle – hat sich Ihrer an dem Tage er<strong>in</strong>nert.“ 64<br />

Zu den Kunstprojekten, die immer mal wie<strong>der</strong> als angebliche <strong>NS</strong>-Kunstpropaganda <strong>in</strong> die<br />

Kritik geraten, gehört das Skulpturenprogramm am Maschsee <strong>in</strong> Hannover. E<strong>in</strong> Brief im<br />

<strong>Kolbe</strong>-Nachlass zeigt jedoch, dass die Idee dafür auf Justus Bier, den jüdischen Kunsthistoriker<br />

und Leiter <strong>der</strong> Kestner-Gesellschaft (die 1936 verboten wurde, weil sie sich nicht von<br />

Bier trennen wollte) zurückgeht. Er bat <strong>Kolbe</strong> um Unterstützung, denn es drohte, dass <strong>der</strong><br />

Stadtbaurat „irgende<strong>in</strong>en ihm bequemen Bildhauer“ verpflichten würde. Bier dagegen<br />

schlug e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>geschränkten Wettbewerb vor, zu dem zwei hannoversche Bildhauer sowie<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> und Gerhard Marcks e<strong>in</strong>geladen werden sollten. 65 Bei e<strong>in</strong>em zweiten,<br />

dann doch weiter gefassten Wettbewerb siegte <strong>Kolbe</strong> mit se<strong>in</strong>em ‚Menschenpaar‘ (s.<br />

S. 16).<br />

Häufig wird <strong>Kolbe</strong> vorgeworfen, dass er an den Ausstellungen im Haus <strong>der</strong> Deutschen<br />

Kunst <strong>in</strong> München teilnahm. Manchen zeitgenössischen Briefen an den Bildhauer entnimmt<br />

man jedoch die Klage, dass <strong>Kolbe</strong>s jeweilige Figur dort zu schlecht, zu peripher<br />

aufgestellt gewesen sei. 66 E<strong>in</strong> <strong>Zeit</strong>zeuge erklärte <strong>Kolbe</strong>s Haltung: „Der Kunstrummel <strong>in</strong><br />

München war ihm restlos zuwi<strong>der</strong>. An all diesen Münchner Ausstellungen hat er sich mehr<br />

pflichtmäßig mit je e<strong>in</strong>er Figur beteiligt.“ 67 Der Begriff „pflichtgemäß“ ist aus heutiger<br />

Sicht schwer verständlich; damals erschien es aber offensichtlich etlichen Freunden des<br />

Bildhauers wichtig, dass <strong>der</strong> öffentliche Kunstbetrieb nicht ganz den Günstl<strong>in</strong>gen und<br />

Ewiggestrigen überlassen würde, und deshalb wünschten sie, dass <strong>Kolbe</strong>s Werke mehr<br />

Geltung bekämen.<br />

In <strong>der</strong> Rückschau hat man sich angewöhnt, <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Handlung während <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Stellungnahme, gar e<strong>in</strong>e billigende, bestätigende Stellungnahme zum <strong>NS</strong>-Regime zu erkennen.<br />

Gleichzeitig sah man <strong>in</strong> allen Auszeichnungen e<strong>in</strong>e Bestätigung durch „die Nazis“.<br />

1942 erhielt er zum 65. Geburtstag die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft und<br />

1944 wurde er wie über 1.000 an<strong>der</strong>e Künstler vom Kriegsdienst freigestellt (er kam auf<br />

die sogenannte „Gottbegnadetenliste“). Auch bei solchen Ehrungen war die E<strong>in</strong>schätzung<br />

von <strong>Zeit</strong>genossen unter Umständen ganz an<strong>der</strong>s. Als <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> <strong>der</strong> Goethe-Preis zugesprochen<br />

wurde, war Schmidt-Rottluffs Kommentar, dieser sei ja „noch e<strong>in</strong> liberalistischer<br />

Preis“. 68 In <strong>der</strong> Stadt Frankfurt a. M. war <strong>Kolbe</strong> seit über zwei Jahrzehnten dank <strong>der</strong> Unterstützung<br />

durch den <strong>Museum</strong>sleiter <strong>Georg</strong> Swarzenski beson<strong>der</strong>s präsent. Es war nun die-<br />

14


ser jüdische Kunsthistoriker, <strong>der</strong> – aus se<strong>in</strong>em städtischen Amt längst entlassen, als Direktor<br />

des privaten Städelschen Kunst<strong>in</strong>stitutes jedoch noch aktiv – <strong>Kolbe</strong> als erster von <strong>der</strong><br />

geplanten großen Ehrung unterrichtete. Und sicherlich war er an <strong>der</strong> ungewöhnlichen<br />

Entscheidung – denn <strong>der</strong> Goethepreis war zuvor nur an Schriftsteller vergeben worden –<br />

beteiligt gewesen. 69<br />

Wo <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> Mechanismen des bürgerlichen Kunstbetriebs <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

<strong>Zeit</strong>en (Weimarer Republik und Kaiserreich) noch funktionierten, bzw. teilweise noch funktionierten,<br />

muss von Fall zu Fall geklärt werden. Das ist selbst aus dem Rückblick nicht<br />

e<strong>in</strong>fach, wie viel schwieriger war die Orientierung für die Künstler und Kunstvermittler jener<br />

Jahre, die die erste deutsche Diktatur durchleben mussten.<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, <strong>der</strong> – wie anfangs gezeigt – Hitler und se<strong>in</strong>e Bewegung sehr kritisch sah,<br />

entschied sich aber nicht dafür, se<strong>in</strong>e Art, wie er als Künstler tätig war, völlig zu än<strong>der</strong>n.<br />

Erst se<strong>in</strong>e Bildhauergeneration hatte sich weitgehend von <strong>der</strong> Auftragssituation befreit: sie<br />

präsentierte Kunstwerke <strong>in</strong> Ausstellungen und wartete auf Käufer o<strong>der</strong> Besteller – <strong>Kolbe</strong><br />

hatte dies <strong>in</strong> sehr großem Maße getan. Sollte <strong>der</strong> Künstler nun, nur weil die Regierung sich<br />

geän<strong>der</strong>t hatte, die Präsentation se<strong>in</strong>er Werke än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> aufgeben? Bisher hatte er unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Kunstauffassung <strong>der</strong> Machthaber gearbeitet, sollte er nun – wenn auch<br />

nur im Umkehrschluss – darauf e<strong>in</strong>gehen, <strong>in</strong>dem er sich zurückzog? Sollte er, noch drastischer<br />

ausgedrückt, se<strong>in</strong>en Beruf aufgeben?<br />

Manchmal wird argumentiert, dass <strong>Kolbe</strong> doch so bekannt war und so gut verdiente, dass<br />

er am damaligen Kunstbetrieb gar nicht hätte teilnehmen müssen! 70 Allerd<strong>in</strong>gs hatte <strong>Kolbe</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Weimarer Republik nur von 1926–29 sehr gut verdient. Zuvor und während <strong>der</strong><br />

Weltwirtschaftskrise war er dagegen von den Krisen direkt betroffen gewesen, Anfang <strong>der</strong><br />

1930er Jahre sogar dramatisch. Natürlich haben die meisten an<strong>der</strong>en Künstler <strong>in</strong>sgesamt<br />

noch weniger verdient, aber <strong>Kolbe</strong> hatte gerade se<strong>in</strong> Haus gebaut und kam dadurch <strong>in</strong><br />

Bedrängnis. Es hätte sich für <strong>Kolbe</strong>s Kasse gravierend ausgewirkt, wenn er sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<br />

<strong>Zeit</strong> vollständig zurückgezogen und nur e<strong>in</strong> paar Privataufträge ausgeführt hätte. Obwohl<br />

er das nicht tat, schrumpfte se<strong>in</strong>e „Produktion“: 1927 hatte ihm die Gießerei 58 Bronzen<br />

geliefert, 1933 waren es nur 14! Zwar gab es 1937 mit 42 Bronzen noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> sehr<br />

erfolgreiches Jahr, anschließend – 1938 – fiel die Produktion mit 21 Bronzegüssen jedoch<br />

zurück auf die Hälfte des Vorjahres. 71 Im Zweiten Weltkrieg brach durch das kriegsbed<strong>in</strong>gte<br />

Verbot von Bronzegüssen <strong>Kolbe</strong>s „Geschäft“ weitgehend e<strong>in</strong>.<br />

„Prototypen arischer Auslesemuster“?<br />

Der gravierendste Vorwurf, <strong>der</strong> Aktstatuen aus <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> gemacht wird, besteht dar<strong>in</strong>,<br />

dass diese die rassische <strong>NS</strong>-Ideologie wi<strong>der</strong>spiegeln würden. Solche Behauptungen werden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht durch Belege <strong>der</strong> zeitgenössischen Rezeption abgesichert; auch e<strong>in</strong> Abgleich<br />

mit rassistischen Publikationen <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> unterbleibt. Wenn man e<strong>in</strong> Kunstwerk als<br />

rassistisch <strong>in</strong>fiziert kennzeichnen will, wird gerne <strong>der</strong> Begriff „arisch“ verwendet, obwohl<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kunstberichterstattung <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> kaum e<strong>in</strong>e Rolle spielt; nicht „arisch“, son<strong>der</strong>n<br />

„nordisch“ wünschte sich Paul Schultze-Naumburg die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kunst dargestellten<br />

Menschen.<br />

Auch <strong>in</strong> Werke von <strong>Kolbe</strong> wird im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>NS</strong>-Ideologie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><strong>in</strong>terpretiert. H<strong>in</strong>weise<br />

auf rassistische Gedankengänge lassen sich im schriftlichen Nachlass <strong>Kolbe</strong>s jedoch nicht<br />

f<strong>in</strong>den. Auch se<strong>in</strong>e weitgehend erhaltene Bibliothek enthält nichts E<strong>in</strong>schlägiges. Wie wenig<br />

es ihm um Schemata <strong>der</strong> am höchsten geschätzten „nordischen Rasse“ g<strong>in</strong>g, zeigt sich<br />

schon alle<strong>in</strong> daran, dass Frauengesichter slawische Backenknochen aufweisen können o<strong>der</strong><br />

Männerköpfen <strong>der</strong> ausladende „nordische H<strong>in</strong>terkopf“ fehlen kann. Die Nasen s<strong>in</strong>d im<br />

S<strong>in</strong>ne des Schemas meist zu flach.<br />

15


Wie die angebliche Freilegung rassistischer Inhalte durch spätere Kritiker funktioniert, zeigt<br />

z. B. e<strong>in</strong>e Internetseite, auf <strong>der</strong> sich die Autor<strong>in</strong> „erschrocken und neugierig“ mit Skulpturen<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> beschäftigt. 72 Von <strong>Kolbe</strong>s ,Menschenpaar‘ am Maschsee <strong>in</strong> Hannover wird<br />

behauptet: „Sie wissen, wofür sie stehen. Er mit dumpf entschlossener Miene, den muskulösen<br />

Körper <strong>in</strong> gera<strong>der</strong> Haltung, er steht für Krieg. Vorher wird er noch e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zeugen<br />

mit se<strong>in</strong>em tadellosen Genital [...]. Sie, mit dem duldsam sanften Gesicht wird e<strong>in</strong>e deutsche<br />

Mutter werden [...]. Sie ist [...] naiv (o<strong>der</strong> treu) genug, ke<strong>in</strong>e Fragen zu stellen, wenn<br />

ihr Held aus dem Kampf zurückkehren wird. […] E<strong>in</strong> Lebewesen e<strong>in</strong>geschlossen und festgeschrieben<br />

durch Biologie und Geschlecht. Vermehrungsmaterial.“ 73<br />

Krieg und Rassenwahn, die Hauptverbrechen im Namen des Nationalsozialismus, werden<br />

mit diesem Bildwerk <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht, als dessen Bedeutung heraus-, beziehungsweise<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gelesen. Diese Deutung ersche<strong>in</strong>t aus mehrerer H<strong>in</strong>sicht absurd. Zu bedenken<br />

ist, dass das Modell für die männliche Figur Ivan Loewy (Hans Levi) war und für die Frauengestalt<br />

dessen Schwester Renate posierte; beide standen mehrfach für <strong>Kolbe</strong> Modell (s.<br />

S. 18). Die „nichtarischen“ Geschwister, er Musiker, sie Tänzer<strong>in</strong>, verkörpern e<strong>in</strong> Paar, das<br />

<strong>Kolbe</strong> als Freunde darstellen wollte. Die Autor<strong>in</strong> <strong>der</strong> zitierten Internetseite weiß über den<br />

Künstler und die Entstehungsbed<strong>in</strong>gungen des Werkes nichts, sie sche<strong>in</strong>t auch nichts wissen<br />

zu wollen.<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, Menschenpaar, Gips, 1937 <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, Menschenpaar, 1931/32<br />

<strong>Kolbe</strong> variierte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gruppe e<strong>in</strong> früheres Menschenpaar von 1931/32. Dabei handelte<br />

es sich um se<strong>in</strong>en ersten großen Entwurf für e<strong>in</strong> Nietzsche-Denkmal (neben <strong>der</strong> Zarathustra-Gestalt<br />

experimentierte <strong>Kolbe</strong> anfangs auch mit e<strong>in</strong>em Paar). Der Zusammenhang mit<br />

<strong>Kolbe</strong>s Versuchen, Symbolfiguren für Nietzsches Werk und Bedeutung zu schaffen, ist<br />

auch noch für die hannoversche Gruppe bestimmend, die <strong>Kolbe</strong> mit e<strong>in</strong>em direkten Nietzsche-Zitat<br />

als „Menschen hoher Art“ charakterisierte. Der Bildhauer gab selbst e<strong>in</strong>e Interpretation<br />

se<strong>in</strong>er Bronzegruppe, die zu <strong>der</strong> oben zitierten <strong>NS</strong>-Interpretation <strong>in</strong> deutlichem<br />

Wi<strong>der</strong>spruch steht. Werden da – entsprechend dem, was man von <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Ideologie weiß<br />

– die Unterschiede zwischen Mann und Frau betont, so erklärte <strong>Kolbe</strong> dagegen: „Die Körper<br />

s<strong>in</strong>d von gleichem Wuchs, gleich <strong>in</strong> <strong>der</strong> äußeren und <strong>in</strong>neren Haltung“. Sah die Interpret<strong>in</strong><br />

von heute den S<strong>in</strong>n dieses Paares vorrangig dar<strong>in</strong>, sich zu vermehren, so waren die<br />

Gestalten für <strong>Kolbe</strong> „als Freunde vere<strong>in</strong>t“. Verkörpern wollte er: „e<strong>in</strong> Vorbild menschlicher<br />

Würde“ 74 .<br />

16


<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, Hüter<strong>in</strong>, 1938<br />

Wolfgang Willrich, Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art<br />

Bei e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Plastik von <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> wird <strong>der</strong> Titel als Beweis für e<strong>in</strong>e rassistische<br />

Absicht genommen. Zwei Kunsthistoriker publizierten die Ansicht, dass se<strong>in</strong>e Statue<br />

,Hüter<strong>in</strong>‘ eigentlich ‚Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art‘ heißen müsse, deshalb wurde das Werk e<strong>in</strong>fach umbenannt.<br />

75<br />

Damit bezog man sich auf e<strong>in</strong>e gleichnamige Darstellung des Zeichners und Pamphletisten<br />

Wolfgang Willrich, an <strong>der</strong> sich <strong>Kolbe</strong> orientiert haben soll, um damit e<strong>in</strong> „rassistisches<br />

Leitbild“ vorzustellen. 76 Willrichs blonde Frauengestalt legt ihre Hände auf den schwangeren<br />

Bauch, <strong>in</strong> dem offensichtlich „rassenre<strong>in</strong>er“ Nachwuchs heranwächst. <strong>Kolbe</strong>s Figur ist<br />

we<strong>der</strong> als schwanger gekennzeichnet noch ist ihre Haltung me<strong>in</strong>es Erachtens so verwandt,<br />

dass e<strong>in</strong> Bezug <strong>der</strong> beiden Darstellungen naheliegen würde. E<strong>in</strong>e ähnliche Armhaltung wie<br />

bei <strong>der</strong> ,Hüter<strong>in</strong>‘ gibt es bei <strong>Kolbe</strong> schon 25 Jahre vorher. 77 Dass sich <strong>der</strong> Bildhauer am<br />

Werk e<strong>in</strong>es fünftklassigen Malers <strong>in</strong>spiriert haben könnte, ist sowieso schon e<strong>in</strong>e absurde<br />

Vorstellung. Zu <strong>der</strong> Gegenüberstellung <strong>der</strong> beiden ,Hüter<strong>in</strong>nen‘ wurde kommentiert: „Für<br />

die Art <strong>der</strong> Umsetzung und Überhöhung des Themas ,Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art‘ leistete <strong>Kolbe</strong> mehr.<br />

Der allgeme<strong>in</strong>er gefaßte Titel se<strong>in</strong>er Statue konnte aus <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> zeitgenössischen<br />

Phraseologie leicht verstanden werden.“ 78 Allerd<strong>in</strong>gs war <strong>der</strong> Begriff „Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art“<br />

damals, wie auch vorher o<strong>der</strong> nachher, nicht gebräuchlich, 79 gehörte also we<strong>der</strong> zur <strong>NS</strong>-<br />

Phraseologie noch sonst zum deutschen Sprachgebrauch. Somit ist <strong>der</strong> Schluss, e<strong>in</strong>e ‚Hüter<strong>in</strong>‘<br />

sei zweifellos e<strong>in</strong>e ‚Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art‘, unzutreffend.<br />

In <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Kunstforschung ist Willrichs ,Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art‘ e<strong>in</strong> wichtiges Werk; <strong>in</strong> Hildegard<br />

Brenners bahnbrechen<strong>der</strong> Untersuchung zur „Kunstpolitik des Nationalsozialismus“ ist es<br />

abgebildet. 80 Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich mit <strong>NS</strong>-Kunst beschäftigt, kennt es; <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> dagegen<br />

war Willrichs ‚Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art‘ kaum bekannt. Es sei denn, man goutierte Willrichs üble<br />

Schmähschrift „Säuberung des Kunsttempels“, wo sie als Frontispiz ersche<strong>in</strong>t. 81 Es ist übrigens<br />

sehr wahrsche<strong>in</strong>lich, dass <strong>Kolbe</strong> dem Verleger <strong>Georg</strong> Biermann half, gegen das Buch<br />

gerichtlich vorzugehen. 82<br />

Der Vorwurf des Rassismus, <strong>der</strong> mit jener Gleichsetzung <strong>der</strong> beiden ,Hüter<strong>in</strong>nen‘ gemacht<br />

wurde, ist e<strong>in</strong> extrem schwerer; macht er doch aus dem Künstler den Komplizen e<strong>in</strong>es<br />

völkermör<strong>der</strong>ischen Regimes. Dafür konnte allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong> Beleg gefunden werden. Nach<br />

17


dem Gesagten kl<strong>in</strong>gt es beson<strong>der</strong>s grotesk, dass das Modell für <strong>Kolbe</strong>s ‚Hüter<strong>in</strong>‘ mit großer<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit Evelyn Künnecke gewesen ist, die Tochter des Operetten-Komponisten<br />

Eduard Künnecke, <strong>in</strong> den frühen 1930er Jahren Stepptänzer<strong>in</strong> und Aktfotomodell,<br />

später Sänger<strong>in</strong>, Schauspieler<strong>in</strong>, frivole Ulknudel und ganz zuletzt <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> bühnenwirksamen „Drei alten Schachteln“! 83<br />

Vor allem die Figuren des Olympiageländes waren <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten als rassistische<br />

Leitbil<strong>der</strong> <strong>in</strong>terpretiert worden. Hilmar Hoffmann zum Beispiel hatte sie als Werke<br />

nach „<strong>NS</strong>-Redaktionsanweisungen“ gesehen, als „Prototypen arischer Auslesemuster“,<br />

„Herrenmenschen“, „unspezifisch tra<strong>in</strong>ierte, zu je<strong>der</strong> Untat bereite Muskelmänner“. 84 Dazu<br />

noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Blick auf die Figur des ‚Ruhenden Athleten‘, dessen Modell man kennt. Es<br />

handelt sich um Ivan Loewy (eigentlich Hans Levi). Diese Identifizierung, die im <strong>Kolbe</strong>-<br />

Archiv nicht dokumentiert ist, wurde mir aus drei verschiedenen Überlieferungen zugetragen.<br />

Jedes mal wurde erzählt, dass Loewy mit beson<strong>der</strong>em Stolz se<strong>in</strong>e Freunde und<br />

Freund<strong>in</strong>nen aufs Olympiagelände führte, um vorzuführen, für welche prachtvolle Gestalt<br />

er – als Jude (nach <strong>der</strong> damaligen Def<strong>in</strong>ition ,Halbjude‘) – Modell gestanden habe (s. auch<br />

oben S. 16). Er war auch das männliche Modell für das ‚Menschenpaar’ am Maschsee <strong>in</strong><br />

Hannover gewesen.<br />

Künstler <strong>in</strong> <strong>Zeit</strong>en <strong>der</strong> Diktatur<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> war ke<strong>in</strong> Nazi und hatte nicht das Ziel, <strong>NS</strong>-Inhalte zu verkörpern. Indem er ab<br />

<strong>der</strong> Machtübernahme <strong>der</strong> Nationalsozialisten weiterh<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Beruf ausübte – und zwar<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Weise, wie er dies zuvor getan hatte – trat er mit se<strong>in</strong>en Werken an die Öffentlichkeit,<br />

wodurch se<strong>in</strong> Schaffen Kritik und Interpretation – ob positiv, ob negativ – ausgeliefert<br />

war. Auch zuvor entsprach die Rezeption nicht immer den Wünschen und Vorstellungen<br />

des Künstlers; <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diktatur jedoch können unangemessene Interpretationen problematische<br />

Folgen haben.<br />

<strong>Kolbe</strong> war sich im Übrigen durchaus bewusst, dass er nicht allgeme<strong>in</strong> verstanden wurde.<br />

Interessant ist e<strong>in</strong>e Briefstelle, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er auf Kritik aus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Diez an <strong>der</strong> Lahn reagierte,<br />

die e<strong>in</strong> Gefallenen-Denkmal von ihm wünschte. Am 19. April 1929 schrieb er: „E<strong>in</strong>esteils<br />

spricht man vom grossen Künstler und an<strong>der</strong>nteils von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, dass die<br />

grosse Masse se<strong>in</strong> Werk verstehen müsse. Entschuldigen Sie – das gibt es nicht und hat es<br />

nie gegeben. Wenn ich nicht etwas aus mir heraus erf<strong>in</strong>den darf – son<strong>der</strong>n mich zw<strong>in</strong>gen<br />

soll, etwas zu suchen – was <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerschaft von Diez – die unmöglich <strong>in</strong> Kunstsachen<br />

e<strong>in</strong> Urteil haben kann, –gefällt – so würde das e<strong>in</strong> grosses Rätselraten für mich werden,<br />

welches mir jede Intention töten müsste.“ 85 Dieses Zitat belegt gleichzeitig, dass <strong>Kolbe</strong> –<br />

auch dann, wenn er Aufträge annahm – darauf bestand, e<strong>in</strong>en Beitrag nach eigenen Vorstellungen<br />

zu liefern; e<strong>in</strong>fach Vorgaben <strong>der</strong> Auftraggeber umzusetzen, entsprach nicht<br />

se<strong>in</strong>er Künstlerauffassung. Auch nach 1933 behielt er diese Haltung bei.<br />

<strong>Kolbe</strong>s Stilän<strong>der</strong>ung nach 1927 führte dazu, dass se<strong>in</strong>e neueren Plastiken für öffentliche<br />

Aufgaben auch nach 1933 geeignet blieben. Zu dem Grundtenor se<strong>in</strong>es gesamten Werkes,<br />

<strong>der</strong> Darstellung schöner junger Menschenkörper, kam nun e<strong>in</strong> größerer Ernst und<br />

stärker betonte Idealität. Von diesen Figuren wurden e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit aufgestellt<br />

und noch mehr <strong>in</strong> Ausstellungen gezeigt. In <strong>der</strong> Regel wurden sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse als Kunstwerke<br />

verstanden und nicht als Interpretationen <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Ideologie.<br />

Dass e<strong>in</strong>e solche Sehweise aber nicht ausgeschlossen war, belegt e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Zitat<br />

von 1938. Da heißt es, „dass <strong>Kolbe</strong>, <strong>in</strong> jenen Jahren, <strong>in</strong> denen diese neue Welt anfängt<br />

Wirklichkeit zu werden, aus sich heraus und als logisches Ergebnis e<strong>in</strong>er folgerichtigen<br />

Entwicklung, dazu kam, Menschengestalten zu formen, die den Anfor<strong>der</strong>ungen, die die<br />

neue <strong>Zeit</strong> an die Kunst stellt, <strong>in</strong> höchstem S<strong>in</strong>ne gerecht zu werden vermögen.“ 86 Dem-<br />

18


nach hätte <strong>Kolbe</strong> „aus sich heraus“ Figuren geschaffen, die den „Anfor<strong>der</strong>ungen“ des <strong>NS</strong>-<br />

Regimes entsprochen hätten. Wenn dies e<strong>in</strong>er breiten E<strong>in</strong>schätzung entsprochen hätte,<br />

dann hätte e<strong>in</strong>e Inanspruchnahme des Künstlers für politische Ziele des <strong>NS</strong>-Regimes eigentlich<br />

viel weiter gehen müssen o<strong>der</strong> können, als sie tatsächlich erfolgte. Denn das, was<br />

man <strong>Kolbe</strong> aus <strong>der</strong> heutigen <strong>Zeit</strong> gerne vorwirft, dass er sich habe „vere<strong>in</strong>nahmen“ lassen,<br />

lässt sich kaum belegen. Ganz offensichtlich ist, dass sich ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> führenden Parteigrößen<br />

ernstlich für <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong>teressierte und engagierte. An<strong>der</strong>s erg<strong>in</strong>g es den neuen<br />

Star-Bildhauern Breker und Thorak; aber Goebbels und Hitler begeisterten sich auch für die<br />

Arbeiten des älteren Bildhauerkollegen Fritz Klimsch!<br />

Das umfangreiche <strong>Zeit</strong>ungsausschnitt-Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s belegt, dass die<br />

Rezeption <strong>der</strong> Werke <strong>Kolbe</strong>s auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> überwiegend auf die traditionellen Bereiche<br />

des bürgerlichen Kunstbetriebs beschränkt blieb: Artikel im Feuilleton und Ausstellungsberichte.<br />

Im Vergleich mit <strong>der</strong> früheren Rezeption hatte sich so sehr viel nicht geän<strong>der</strong>t.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs blieb e<strong>in</strong>e schleichende Anpassung <strong>der</strong> Diktion angesichts <strong>der</strong> diktatorischen<br />

Überwachung <strong>der</strong> Presse nicht aus.<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, se<strong>in</strong>e Freunde und die Verehrer se<strong>in</strong>er Kunst waren überwiegend <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung,<br />

dass bei ihm e<strong>in</strong>e Anpassung an den <strong>NS</strong>-Geist nicht erfolgt sei. Spätere Kritiker sahen<br />

das nicht selten genau umgekehrt. Die Wahrheit liegt dazwischen. Das bedeutet<br />

nicht, es sei hier wie<strong>der</strong>holt, dass sich <strong>Kolbe</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Ideologie anpassen wollte, son<strong>der</strong>n<br />

dass die meisten <strong>Zeit</strong>genossen <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Diktatur zunehmend gar nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />

waren, sich völlig von <strong>der</strong> Propaganda-Umwelt zu distanzieren und dass <strong>Kolbe</strong>s Werke das<br />

Bildgedächtnis <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> mitgeprägt haben.<br />

1<br />

<strong>Ursel</strong> <strong>Berger</strong>: ,E<strong>in</strong> verdienter Altmeister‘. Die Rolle des Bildhauers <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> während <strong>der</strong> Nazizeit, <strong>in</strong>: Kunst<br />

und Kunstkritik <strong>der</strong> Dreißigerjahre, Akademie <strong>der</strong> Künste Berl<strong>in</strong> Ost 1990; Dies.: <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> – Leben und<br />

Werk. Mit dem Katalog <strong>der</strong> <strong>Kolbe</strong>-Plastiken im <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>, Berl<strong>in</strong> 1990; 2. Auflage Berl<strong>in</strong> 1994, S.<br />

109–150; Dies.: Die Athleten von Olympia-Berl<strong>in</strong>. Wie nazistisch s<strong>in</strong>d die Skulpturen von 1936, <strong>in</strong>: Der Tagesspiegel,<br />

19.2.1993 (Nachdruck <strong>in</strong>: Sportstadt Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Geschichte und Gegenwart, Jahrbuch 1993 des Sportmuseums<br />

Berl<strong>in</strong>, Berl<strong>in</strong> 1993, S. 116–120); Dies.: „Die Empf<strong>in</strong>dung ist alles“. Die Figurenplastik <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s,<br />

<strong>in</strong>: dies. (Hrsg.): <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> 1877–1947, Ausst. Kat. <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong> Berl<strong>in</strong>, Gerhard Marcks-Haus<br />

Bremen, München 1997, S. 23–32; Dies.: „Herauf nun, herauf du großer Mittag“. <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s Statue für die<br />

Nietzsche-Gedächtnishalle und die gescheiterten Vorläuferprojekte, <strong>in</strong>: Hans Wil<strong>der</strong>otter, Michael Dorrmann<br />

(Hrsg.): Wege nach Weimar. Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit von Kunst und Politik, Ausst.Kat. Weimar, Berl<strong>in</strong><br />

1999, S. 177–194; Dies.: „Mo<strong>der</strong>ne Plastik“ gegen „Die Dekoration <strong>der</strong> Gewalt“. Zur Rezeption <strong>der</strong> deutschen<br />

Bildhauerei <strong>der</strong> zwanziger und dreißiger Jahre nach 1945, <strong>in</strong>: Penelope Curtis (Hrsg.): Tak<strong>in</strong>g Positions. Untergang<br />

e<strong>in</strong>er Tradition. Figürliche Bildhauerei und das Dritte Reich, Ausst.Kat. Henry Moore Institute Leeds,<br />

Großbritannien, <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong> Berl<strong>in</strong>, Gerhard-Marcks-Haus Bremen, Leeds 2001, S. 60–75.<br />

2<br />

Maria von Tiesenhausen (Hrsg.): <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>. Briefe und Aufzeichnungen, Tüb<strong>in</strong>gen 1987, S. 25.<br />

3<br />

Ebd.<br />

4<br />

<strong>Ursel</strong> <strong>Berger</strong>: <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> Istanbul 1917/18, Ausst.Kat. <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong> Berl<strong>in</strong>, Berl<strong>in</strong> 2011.<br />

5<br />

Manuskript im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>.<br />

6<br />

Gerhart Hauptmann: Tagebücher 1914 bis 1918, hrsg. von Peter Sprengel, Berl<strong>in</strong> 1997, S. 122.<br />

7<br />

<strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), S. 80f. (<strong>Zeit</strong>ungsausschnitt im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

8<br />

Joseph<strong>in</strong>e Gabler: <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>, <strong>in</strong>: <strong>Berger</strong> 1997 (wie Anm. 1), S. 87–95, Abb. S. 88.<br />

9<br />

<strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), S. 80f. (<strong>Zeit</strong>ungsausschnitt im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

10<br />

In <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zigen Veröffentlichung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kolbe</strong>s politische Ausrichtung benannt wird, bezeichnete man ihn<br />

als e<strong>in</strong>en L<strong>in</strong>ken (1924 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er italienischen <strong>Zeit</strong>schrift. Übersetzung <strong>in</strong>: <strong>Berger</strong> 1990/94 [wie<br />

Anm. 1], S. 190).<br />

11<br />

Zu dem Modell Eva Rechl<strong>in</strong> vgl. <strong>Ursel</strong> <strong>Berger</strong>: <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> und <strong>der</strong> Tanz, Ausst.Kat. <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, Edw<strong>in</strong> Scharff <strong>Museum</strong> Neu-Ulm, Berl<strong>in</strong> 2003, S. 77–81.<br />

12<br />

Privatbesitz, Nachlass Rudolf <strong>Kolbe</strong>.<br />

13<br />

Brief an Julia Hauff (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

14<br />

Ivo Beucker (Hrsg): <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>. Auf Wegen <strong>der</strong> Kunst. Schriften, Skizzen, Plastiken, Berl<strong>in</strong> 1949;<br />

Tiesenhausen 1987 (wie Anm. 2).<br />

19


15<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>: In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Land…, <strong>in</strong>: Das Tagebuch, hrsg. von Leopold Schwarzschild, München<br />

21.1.1933, S. 112f.<br />

16<br />

Aussagen des <strong>Zeit</strong>zeugen Kurt Me<strong>in</strong>hardt (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

17<br />

Brief an Erich Cohn, New York (<strong>Berger</strong> 1990/94 [wie Anm. 1], S. 147). Welche Resonanz die berühmte Weizsäcker-Rede<br />

von 1985 fand, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Kapitulation Deutschlands als Befreiung bezeichnet wurde, belegt, wie<br />

sehr <strong>Kolbe</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Zeit</strong> voraus war. Vgl. auch das Unverständnis von M. v. Tiesenhausen gegenüber <strong>Kolbe</strong>s<br />

Äußerung (Tiesenhausen 1987 [wie Anm. 2], S. 187).<br />

18<br />

Vgl. die Briefe an Johannes R. Becher und Klaus Gysi (GK.469, Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

19<br />

Tägliche Rundschau, Berl<strong>in</strong>, 9.5.1946.<br />

20<br />

Carl <strong>Georg</strong> Heise: <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, <strong>in</strong>: Art <strong>in</strong> America, April 1927, S. 136–138, hier S. 136.<br />

21<br />

Wieland Schmied: Wegbereiter zur mo<strong>der</strong>nen Kunst. 50 Jahre Kestner-Gesellschaft, Hannover 1966, S. 237.<br />

22<br />

Joseph Wulf: Die Bildenden Künste im Dritten Reich. E<strong>in</strong>e Dokumentation, Frankfurt a. M. 1966, S. 324.<br />

23<br />

Ottfried Dascher: Alfred Flechtheim. Sammler, Kunsthändler, Verleger, Wädenswil 2011.<br />

24<br />

Archiv Sammlung Oskar Re<strong>in</strong>hart am Römerholz, W<strong>in</strong>terthur (<strong>Ursel</strong> <strong>Berger</strong>: Renée S<strong>in</strong>tenis ... e<strong>in</strong>mal Gött<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong>mal Tierfreund<strong>in</strong>, <strong>in</strong>: <strong>Museum</strong>sJournal, April 2008, S. 22–24, hier S. 23f.).<br />

25<br />

<strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), S. 125 (Briefkonzept im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

26<br />

Marianne Lyra-Wex: Die Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes im Hamburger Kunstvere<strong>in</strong> 1936,<br />

Ausst.Kat. Bonn 1988, S. 92.<br />

27<br />

Mitteilungen von Kurt Me<strong>in</strong>hardt (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

28<br />

Brief vom 31.8.1934. (Friedrich Dross: Ernst Barlach. Die Briefe II, München 1969, S. 490).<br />

29<br />

Brief vom 31.8.1931 an Ottilie Schäfer (Handschriftenabteilung Staatsbibliothek Berl<strong>in</strong>).<br />

30<br />

Ebda., Brief vom 9.5.1930.<br />

31<br />

Ebda., Brief vom 15.1.1931.<br />

32<br />

Brief vom 28.5.1927 an Rudolf G. B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g, Privatbesitz.<br />

33<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>: Zu Zarathustra’s Erhebung, <strong>in</strong>: Beucker 1949 (wie Anm. 14), S. 31.<br />

34<br />

Sie wurde aber dennoch gegossen und im Garten des <strong>Museum</strong>s aufgestellt (<strong>Berger</strong> 1990/94 [wie Anm. 1],<br />

Kat. 144).<br />

35<br />

Paul Ortw<strong>in</strong> Rave: Kunstdiktatur im Dritten Reich, Hamburg 1949, S. 49.<br />

36<br />

Paul Westheim: Kulturbil<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> deutschen Gegenwart, <strong>in</strong>: <strong>der</strong>s.: Kunstkritik aus dem Exil, hrsg. von<br />

Tanja Frank, Hanau 1985, S. 34–41, hier S. 35.<br />

37<br />

Aus Erzählungen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong> Liselott Specht-Bücht<strong>in</strong>g ist bekannt, dass <strong>Kolbe</strong> gebeten worden war, e<strong>in</strong><br />

Hitler-Bildnis zu modellieren. Darauf soll er gesagt haben, er hätte Herrn Müller und Herrn Meier porträtiert,<br />

warum solle er nicht Herrn Hitler darstellen. Daraufh<strong>in</strong> sei auf <strong>Kolbe</strong>s Hitler-Bildnis verzichtet worden (<strong>Berger</strong><br />

1990/94 [wie Anm. 1], S. 129).<br />

38<br />

Als <strong>Kolbe</strong> 1946 von dem befreundeten New Yorker Sammler Erich Cohn gefragt wurde, warum er Franco<br />

porträtiert habe, antwortete er: „Erstens erkannte ich die Wirklichkeit nicht klar und zweitens war das e<strong>in</strong><br />

Privatauftrag, formal gesehen <strong>in</strong>teressant, <strong>der</strong> mir das Kennenlernen Spaniens ermöglichte.“ (Tiesenhausen<br />

1987 [wie Anm. 2], S. 187). Das ist nun wirklich ke<strong>in</strong>e befriedigende Antwort. Angesichts <strong>der</strong> Nachrichtensperre<br />

über den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> deutschen Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg wird <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat aus <strong>der</strong><br />

gleichgeschalteten Presse nur ungenügend über die Zustände <strong>in</strong> Spanien <strong>in</strong>formiert gewesen se<strong>in</strong>.<br />

39<br />

www.bayerische-landesbibliothek-onl<strong>in</strong>e.de/glaspalast<br />

40<br />

www.gdk-research.de<br />

41<br />

Brief von Oskar Schlemmer an Ferd<strong>in</strong>and Möller, 19.12.1936 (Eberhard Roters: Galerie Ferd<strong>in</strong>and Möller,<br />

Berl<strong>in</strong> 1984, S. 281).<br />

42<br />

Bruno E. Werner: Die deutsche Plastik <strong>der</strong> Gegenwart, Berl<strong>in</strong> 1940, Abb. S. 170f. Dieses Relief wurde h<strong>in</strong>ter<br />

e<strong>in</strong>em ebenfalls politischen Kunstwerk versteckt, dem Kachel-Wandbild von Max L<strong>in</strong>gner.<br />

43<br />

Paul Schultze-Naumburg: Nordische Schönheit. Ihr Wunschbild im Leben und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kunst, München-Berl<strong>in</strong><br />

1937, Abb. S. 198f.; Relief zum Wagner-Denkmal, Leipzig, Abb. S. 201. Als vorbildliche Gegenwartskunst wird<br />

außerdem nur e<strong>in</strong> Porträt e<strong>in</strong>er Dän<strong>in</strong> von dem Maler Wilhelm Petersen (Abb. S. 200) vorgestellt.<br />

44<br />

In Weimar hielt man diese Entscheidung für „e<strong>in</strong>e Sauerei“ (<strong>Berger</strong> 1999 [wie Anm. 1], S. 190).<br />

45<br />

Am 3.12.1934 schrieb Kreisleiter Kieckhöfer an den Oberbürgermeister von Stralsund: „Weite Kreise <strong>der</strong><br />

Bevölkerung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Parteigenossenschaft <strong>der</strong> N.S.D.A.P. s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ansicht, dass diese Figurengruppe<br />

ke<strong>in</strong>e symbolhafte Verkörperung des Frontsoldatentums darstellt. Das Modell stellt vielmehr e<strong>in</strong>e Verkörperung<br />

des sportlichen Gedankens dar. Nicht die gestraffte Kraft des Mannes alle<strong>in</strong> darf die hervortretende Ausdrucksstärke<br />

des Frontsoldatentums se<strong>in</strong>. M. E. muß vielmehr sichtbar das heroische Erlebnis des großen Krieges <strong>in</strong><br />

den Vor<strong>der</strong>grund treten, was dieses Modell aber vermissen läßt.“ (Stadtarchiv Stralsund, M 3840, Nr. 156;<br />

Werner Stockfrisch: Ordnung gegen Chaos. Zum Menschenbild <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>s, Diss. Berl<strong>in</strong> 1984, S. 172; <strong>Berger</strong><br />

1990/94 [wie Anm. 1], S. 133). Später wurde <strong>Kolbe</strong>s Gruppe jedoch mehrfach rezipiert.<br />

46<br />

<strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), S. 132–134.<br />

47<br />

Allerd<strong>in</strong>gs bemängeln <strong>Kolbe</strong>s Freunde <strong>in</strong> Briefen die schlechte Position von <strong>Kolbe</strong>s Statue (Archiv des <strong>Georg</strong>-<br />

<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>)<br />

48<br />

<strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), S. 133.<br />

20


49<br />

Typoskript im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s (mit Notiz von M. Schwartzkopff, dass <strong>der</strong> Brief <strong>in</strong> dieser<br />

Fassung nicht abgesandt wurde.<br />

50<br />

Protokolle <strong>der</strong> drei Sitzungen des Kunstausschusses: Bundesarchiv, R 18, Bd. 5612, S. 115–119, 235–241,<br />

359–365.<br />

51<br />

Galerie Volker Westphal Berl<strong>in</strong>, ausgestellt 2006 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung: „Skulpturen im Olympia-Gelände. Modelle,<br />

Fotografien, Dokumente“, <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>, Berl<strong>in</strong>.<br />

52<br />

Protokoll <strong>der</strong> Sitzung vom 7.3.1935 (Bundesarchiv, Berl<strong>in</strong>. Rep. 320, Nr. 608, Bl. 115).<br />

53<br />

Typoskript im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>. Das beigelegte Foto wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er japanischen<br />

<strong>Zeit</strong>schrift abgebildet.<br />

54<br />

C. G. Heise: Reichssportfeld – künstlerisch gesehen, <strong>in</strong>: Frankfurter <strong>Zeit</strong>ung, 3.8.1936.<br />

55<br />

Kölnische <strong>Zeit</strong>ung, 28.3.1935.<br />

56<br />

Durchschlag im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>.<br />

57<br />

Vgl. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz (http://bpkgate.picturemaxx.com/).<br />

58<br />

Aussagen des <strong>Zeit</strong>zeugen Kurt Me<strong>in</strong>hardt (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>). Baldur von Schirach<br />

besaß e<strong>in</strong>e Statue von <strong>Kolbe</strong>. Zu e<strong>in</strong>em staatlichen Auftrag für Braunschweig, <strong>der</strong> anvisiert war, kam es nicht,<br />

diesen erhielt stattdessen Emil Hipp. Werke von <strong>Kolbe</strong> erwarb auch die Ehefrau des Außenm<strong>in</strong>isters Joachim<br />

von Ribbentrop, <strong>der</strong>en Vater und Onkel – die Sektfabrikanten Henkell – <strong>Kolbe</strong> <strong>in</strong> den 1920er Jahren porträtiert<br />

hatte. Unterstützung fand <strong>Kolbe</strong> durch den „Reichsarbeitsdienstführer“ Konstant<strong>in</strong> Hierl, e<strong>in</strong>en Nachbarn im<br />

Berl<strong>in</strong>er Westend (<strong>Berger</strong> 1990/94 [wie Anm. 1], S. 142–144).<br />

59<br />

<strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> an Erich Cohn (Tiesenhausen 1987 [wie Anm. 2], S. 187).<br />

60<br />

Arie Hartog: E<strong>in</strong>e saubere Tradtion? Überlegungen zur deutschen figürlichen Bildhauerei, <strong>in</strong>: Penelope Curtis<br />

(Hrsg.): Tak<strong>in</strong>g Positions. Untergang e<strong>in</strong>er Tradition. Figürliche Bildhauerei und das Dritte Reich, Ausst.Kat.<br />

Henry Moore Institute Leeds, Großbritannien; <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong> Berl<strong>in</strong>; Gerhard-Marcks-Haus Bremen,<br />

Leeds 2001, S. 30–41, hier S. 31.<br />

61<br />

Günter Busch, Mart<strong>in</strong>a Rudloff: Gerhard Marcks. Das plastische Werk, Frankfurt a. M., Berl<strong>in</strong>-Wien 1977,<br />

WVZ Nr. 387–389, 392, 424.<br />

62<br />

Adam S. Labuda: Das Kunstgeschichtliche Institut an <strong>der</strong> Reichsuniversität Posen, <strong>in</strong>: Jutta Held, Mart<strong>in</strong><br />

Papenbrock (Hrsg.): Schwerpunkt: Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus, <strong>in</strong>: Kunst und<br />

Politik. Bd. 5, 2003, S. 143–160, hier S. 151. Seltsamer Weise wird Marcks unter den beteiligen Bildhauern<br />

nicht genannt, angeführt werden dagegen: „Abel, Albiker, Avenarius, Bleeker, Bronisch, Cauer, von<br />

Graevenitz, Klimsch, <strong>Kolbe</strong>, Nuss und Scheibe.“<br />

63<br />

Brief vom 14.3.1942 an den Oberbürgermeister von Posen (Durchschlag im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<br />

<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

64<br />

Brief vom 19.4.1942 (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

65<br />

Brief vom 29.10.1935 (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

66<br />

Vgl. z. B. <strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), S. 141.<br />

67<br />

Mitteilungen von Kurt Me<strong>in</strong>hardt (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>).<br />

68<br />

Brief von August 1936, Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>.<br />

69<br />

Am 19.6.1936 deutete er <strong>Kolbe</strong> an: „aber bitte, ganz, ganz vertraulich …, daß <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung … hier noch<br />

etwas an<strong>der</strong>es, und zwar sehr erfreuliches, mit Dir geplant ist.“ (Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>)<br />

70<br />

Hella Reelfs: Bildhauer im Dritten Reich. Zur Karriere von <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong>, <strong>in</strong>: Neue Züricher <strong>Zeit</strong>ung, 31.8.1977.<br />

71<br />

Rechnungen <strong>der</strong> Gießerei im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>.<br />

72<br />

Die Autor<strong>in</strong> heißt Susanne Gerber (www.kuukuk.de/text/natio.html).<br />

73<br />

www.kuukuk.de/text/natio.html (letzter Zugriff: 24.3.2013).<br />

74<br />

Typoskript im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>.<br />

75<br />

Klaus Wolbert: Die Nackten und die Toten des „Dritten Reiches“. Folgen e<strong>in</strong>er politischen Geschichte des<br />

Körpers <strong>in</strong> <strong>der</strong> Plastik des deutschen Faschismus, Gießen 1982, Abb. S. 41.<br />

76<br />

Hans Ernst Mittig: Künstler auf <strong>der</strong> Seite des <strong>NS</strong>-Regimes, <strong>in</strong>: Constanze Peres, Dieter Schmidt (Hrsg.): Erneuerung<br />

als Tradition. 100 Jahre Dresdner Kunst und Kunstakademie im (<strong>in</strong>ter)nationalen Zusammenhang, Dresden<br />

1997, S. 137–152, hier S. 148. „Den Titel ,Die Hüter<strong>in</strong>‘ [...] erkannte schon Wolbert 1982 als H<strong>in</strong>weis auf<br />

e<strong>in</strong> rassistisches Leitbild, das Willrich mit se<strong>in</strong>er ,Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art‘ 1937 umgesetzt hatte. Deren Körperhaltung<br />

weist schon für sich genommen auf <strong>Kolbe</strong>s teilweise gleichnamiges Werk voraus.“<br />

77<br />

‚Mädchenfigur‘, 1912, <strong>in</strong>: <strong>Berger</strong> 1990/94 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 21.<br />

78<br />

Ebd. S. 149.<br />

79<br />

Das Grimm’sche Wörterbuch kennt den Ausdruck ebenso wenig wie Büchmanns ,Geflügelte Worte‘. Auch <strong>in</strong><br />

Viktor Klemperers Beobachtungen über die Sprache des Dritten Reiches fehlt er. Aber auch <strong>in</strong> <strong>NS</strong>-Publikationen<br />

habe ich ihn nicht nachweisen können, außer bei Willrich selbst, <strong>der</strong> vemutlich den Begriff erfunden hat. Dass<br />

<strong>der</strong> Begriff „Hüter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Art“ <strong>in</strong> den zahlreichen <strong>Zeit</strong>ungsausschnitten zu <strong>Kolbe</strong>s Statue im Archiv des <strong>Georg</strong>-<br />

<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s nicht vorkommt, belegt, dass es den Zusammenhang von <strong>Kolbe</strong>s Figur und Willrichs rassistischer<br />

Darstellung nicht gibt.<br />

80. Hildegard Brenner: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus, Re<strong>in</strong>bek 1963, Abb. 23.<br />

81<br />

Wolfgang Willrich: Säuberung des Kunsttempels, München, Berl<strong>in</strong> 1937. Außerdem wurde die Darstellung<br />

(übrigens ke<strong>in</strong> Gemälde, wie meist angenommen, son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong>e Zeichnung) nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Kunstzeitschrift<br />

21


‚Das Bild‘ im Dezember 1934 abgebildet, als sie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung ‚Die Auslese‘ zu sehen war, wo<br />

sich e<strong>in</strong> „Klüngel“ (Rave 1949 [wie Anm. 35], S. 44) als bahnbrechende Künstlerschaft für das neue System<br />

vorzustellen versuchte.<br />

82<br />

<strong>Kolbe</strong> beantwortete e<strong>in</strong>e Anfrage Biermanns vom 8. November 1937 direkt am folgenden Tag (Tiesenhausen<br />

1987 [wie Anm. 2], S. 159). Biermanns Schreiben ist nicht erhalten; mit Sicherheit hatte <strong>der</strong> Verleger <strong>Kolbe</strong>,<br />

dem er eigentlich nicht nahe stand, darüber <strong>in</strong>formiert, was er plante. Durch e<strong>in</strong>en Brief des Kunsthändlers<br />

Ferd<strong>in</strong>and Möller an Emil Nolde wissen wir, worum es sich handelte: „Professor Biermann hat den Herausgeber<br />

des Buches ,Säuberung des Kunsttempels‘ Willrich wegen Beleidigung verklagt und hat mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>stweiligen<br />

Verfügung erreicht, daß das Buch [...] nicht mehr verkauft werden darf.“ (Roters 1984 [wie Anm. 41], S. 278).<br />

Mittig allerd<strong>in</strong>gs missverstand den Brief <strong>Kolbe</strong>s an Biermann „als Zeugnis <strong>der</strong> Anpassung“.<br />

83<br />

Mehrfach wurde <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong> mitgeteilt, dass Evelyn Künnecke <strong>Kolbe</strong>-Modell gewesen sei. Sie selbst soll<br />

behauptet haben, für die große ‚Nacht‘ im Berl<strong>in</strong>er Rundfunkhaus Modell gestanden zu haben; damals war sie<br />

jedoch erst acht Jahre alt! Anzunehmen ist, dass sie sich an das Modellstehen mit erhobenen Armen er<strong>in</strong>nerte,<br />

somit kommt nur die ‚Hüter<strong>in</strong>‘ <strong>in</strong> Frage. Deren Proportionen belegen, dass e<strong>in</strong>e sehr große Frau – wie<br />

Künnecke – das Vorbild gewesen war.<br />

84<br />

Süddeutsche <strong>Zeit</strong>ung, 23./24.1.1993.<br />

85<br />

Durchschlag im Archiv des <strong>Georg</strong>-<strong>Kolbe</strong>-<strong>Museum</strong>s, Berl<strong>in</strong>.<br />

86<br />

Hermann Usener: <strong>Georg</strong> <strong>Kolbe</strong> – e<strong>in</strong> deutscher Bildhauer, <strong>in</strong>: Deutsche Kultur im Leben <strong>der</strong> Völker, Mitteilungen<br />

<strong>der</strong> Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und zur Pflege des Deutschtums / Deutsche Akademie,<br />

XIII. Jg., H. 1, S. 1–9, hier S. 9. Das ist <strong>der</strong> – dem <strong>Zeit</strong>geist geschuldete – Schlusssatz e<strong>in</strong>er sonst recht<br />

differenzierten Darstellung von <strong>Kolbe</strong>s Entwicklung. Der Autor war nach dem Krieg Ord<strong>in</strong>arius für Kunstgeschichte<br />

<strong>in</strong> München und Marburg mit dem Spezialgebiet Mittelalter. Die <strong>Zeit</strong>schrift war das Mitteilungsorgan<br />

<strong>der</strong> Vorgänger<strong>in</strong>stitution des Goethe-Instituts ‚Deutsche Akademie‘, 1925 gegründet und nach 1933 schleichend<br />

nazifiziert.<br />

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