Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis
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ren Seite zu Wissenschaft im ganz allgemeinen Sinn. Denn <strong>ich</strong> kann sagen, es ist<br />
doch vernünftig, so etwas zu untersuchen, und wenn das untersuchbar ist, wie<br />
könnten wir das denn untersuchen, und können wir etwas dabei rauskriegen. Da<br />
trifft beides zusammen, Kopf und Bauch, und das finde <strong>ich</strong> interessant.<br />
Wie <strong>ich</strong> dazu kam, kann <strong>ich</strong> schlecht beschreiben. Es hängt aber schon mit<br />
der Studentenbewegung zusammen und mit dem, was man damals las und was<br />
da diskutiert wurde. Das war eben n<strong>ich</strong>t nur die Marx'sche Theorie, da ist n<strong>ich</strong>t<br />
so viel mit Bauch, sondern auch Psychoanalyse, und das ist sozusagen der reine<br />
Bauch, Re<strong>ich</strong> und Freud. Der erste Schub kam mit diesen Raubdrucken aus den<br />
zwanziger und dreißiger Jahren, Charakteranalyse, Massenpsychologie des Faschismus<br />
und Funktion des Orgasmus. Das Kapital müsste man gelesen haben<br />
und diese psychoanalytischen Sachen. Alle lasen das, auch die Leute, die <strong>ich</strong> im<br />
Mathe-Institut kannte. Alle haben s<strong>ich</strong> irgendwie mit diesen Fragen beschäftigt.<br />
M<strong>ich</strong> hatte, glaub' <strong>ich</strong>, schon immer stärker die subjektive Seite daran interessiert,<br />
die Frage, wie es kommt, dass s<strong>ich</strong> ein Individuum so oder so entscheidet.<br />
Ich wollte zum Beispiel wissen, warum wird jemand Faschist, also auf die subjektive<br />
Seite hin akzentuiert und n<strong>ich</strong>t, warum wird man Faschist. Diese soziologischen<br />
Ableitungen mit Arbeitslosigkeit und so weiter konnte <strong>ich</strong> zwar gut<br />
verstehen und fand sie auch okay - aber total platt. Deswegen las man auch beides,<br />
Marx und Re<strong>ich</strong>.<br />
Neu ist für m<strong>ich</strong>, dass man den Bauch auch mit den Naturwissenschaften<br />
verbinden kann. Dabei interessiert m<strong>ich</strong> im Moment n<strong>ich</strong>t so sehr, ob das, was<br />
wir tun, immer ganz streng zu den naturwissenschaftl<strong>ich</strong>en Rastern passt oder ob<br />
das eher zu anderen Wissenschaftsgebieten gehört. Aber die Tatsache, dass es da<br />
Verbindungen gibt und dass das irgendwie 'nen Sinn macht, für m<strong>ich</strong> wie auch<br />
für den Unterr<strong>ich</strong>t, das ist eben das neue. Und <strong>ich</strong> sehe auch, dass man das tatsächl<strong>ich</strong><br />
hinkriegen kann, solche Verbindungen, und das mach' <strong>ich</strong> eben und<br />
find' es gut.<br />
Leider hat s<strong>ich</strong> das hier im Kollegium n<strong>ich</strong>t so besonders gut entwickelt.<br />
Ich fühle m<strong>ich</strong> jetzt auch wieder zieml<strong>ich</strong> distant und mach' halt meinen Stiefel,<br />
den kann <strong>ich</strong> im Moment noch machen, wie lange, weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Ich denke inzwischen,<br />
<strong>ich</strong> muss wieder mal was anderes machen. Das liegt an der allgemeinen<br />
Entwicklung und auch daran, wie s<strong>ich</strong> das bei uns hier niederschlägt. Wahr-