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Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis

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damit umzugehen. Wenn <strong>ich</strong> so im Nachhinein überlege, hat dieser Mathelehrer<br />

uns derart geprägt, dass bei mir wahrscheinl<strong>ich</strong> andere Eigenschaften und andere<br />

Fähigkeiten total unterdrückt worden sind. Als <strong>ich</strong> mal Latein lernen wollte, hat<br />

der glatt gesagt, dass <strong>ich</strong> kein Latein zu lernen brauchte: <strong>ich</strong> würde Mathematik<br />

studieren; da war <strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t vierzehn.<br />

Was den Unterr<strong>ich</strong>tsstoff angeht, konnten mir meine Eltern n<strong>ich</strong>t helfen,<br />

weil sie keine Ahnung davon hatten. Aber in Mathe war das bei mir auch n<strong>ich</strong>t<br />

nötig. Gefördert wurde <strong>ich</strong> durchs Elternhaus in dem Sinn, dass man mir genügend<br />

Zeit ließ für die schulischen Sachen. Und sie haben m<strong>ich</strong> auch gelobt und<br />

bestätigt.<br />

Meine Eltern - mein Vater ist mittlerer Beamter am Ger<strong>ich</strong>t - wollten eigentl<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> Mathe studiere. Sie wollten, dass <strong>ich</strong> auf die PH gehe<br />

und Grund- oder Hauptschullehrer werde. Sie stellten s<strong>ich</strong> damals vor, dass sie<br />

das Dach ausbauen und dass <strong>ich</strong> da oben wohne, als unverheiratete Lehrerin im<br />

gle<strong>ich</strong>en Kaff unterr<strong>ich</strong>te und sie im Alter versorge. Das hatten sie s<strong>ich</strong> toll ausgemalt.<br />

Aber das wollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

In der Berufsberatung riet man mir, <strong>ich</strong> solle mathematisch-technische Assistentin<br />

werden, das wär' das R<strong>ich</strong>tige für ein Mädchen. Aber das gefiel weder<br />

meinen Eltern noch mir.<br />

Ich wollte unbedingt weg von zuhause. Auf kirchl<strong>ich</strong>en Fortbildungswochenenden,<br />

an denen <strong>ich</strong> ein paarmal teilgenommen hatte, merkte <strong>ich</strong>, dass das<br />

Leben außerhalb des Hauses sehr viel angenehmer war. Schließl<strong>ich</strong> durfte <strong>ich</strong><br />

dann doch Mathematik studieren, auch weil die Uni nur vierzig Kilometer entfernt<br />

war und <strong>ich</strong> jedes Wochenende nach Hause fahren konnte. Ich glaub, entscheidend<br />

war, dass sie dachten, sie muss unabhängig werden. Darin haben sie<br />

m<strong>ich</strong> immer unterstützt. Das sehe <strong>ich</strong> sehr positiv ... im Vergle<strong>ich</strong> mit anderen<br />

Frauen, die so erzogen worden sind, dass sie s<strong>ich</strong> nur durch Heirat versorgen<br />

lassen.<br />

Meine beiden Geschwister durften auch studieren, mein Bruder sowieso.<br />

Bei meiner Schwester dachten meine Eltern, dass sie n<strong>ich</strong>t von zuhause weggehen<br />

würde. Dass sie auch n<strong>ich</strong>t mehr zuhause wohnt, macht ihnen sehr zu schaffen.<br />

Sie wohnen auf'm Dorf; und viele Kinder sind nie aus dem Dorf herausge-

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