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6 Papst – Hintergrund 21. März 2013 <strong>KirchenZeitung</strong> Diözese Linz<br />

Antonio Reiser, der in Argentinien auf der Todesliste der Militärjunta stand, sagt, der Papst war nicht mit der Junta verbandelt<br />

Nicht Show, sondern Lebensweg<br />

„Es sind schon viele Päpste gewählt worden,<br />

auch gute. Dieser Papst gehört zu den<br />

Guten!“ – So spricht der heute 81-jährige<br />

laiisierte argentinische Priester Antonio<br />

Reiser über den neuen Papst. Reiser – mit<br />

langjährigen Kontakten zum Linzer<br />

Betriebsseelsorger Hans Gruber – stand 1977<br />

als Befreiungstheologe auf der Todesliste der<br />

Militärdiktatur und musste fliehen.<br />

ERNST GANSINGER<br />

Reiser ist ein unverdächtiger Zeuge gegen die<br />

(vom Vatikan scharf als Verleumdung zurückgewiesene)<br />

Meldung, dass Bergoglio, damals<br />

Jesuitenprovinzial, mit der Militärjunta kollaboriert<br />

und zwei Jesuiten denunziert hätte.<br />

Kein Verrat. Reiser wolle nicht sagen, dass<br />

Bergoglio ein Linker sei. Aber er ist „sozial bewusst<br />

und auf Seite der Armen“. Er sprach sich<br />

nie öffentlich für die Befreiungstheologie aus,<br />

im persönlichen Gespräch zeigte er aber Sympathie<br />

dafür. Es stimme nicht, dass er in der<br />

Militärdiktatur Menschen verraten hätte. „Alle<br />

waren damals ängstlich und man konnte nicht<br />

viel tun. Aber die Kirche hat sich gut eingesetzt<br />

für die zwei Jesuiten (um die es in den Anschuldigungen<br />

gegen Papst Franziskus geht, Anm.),<br />

dass sie ausgewiesen, nicht ermordet wurden.“<br />

Der Einsatz für die Armen. Reiser weist darauf<br />

hin, dass heute Regierungskreise davon<br />

reden, Bergoglio hätte sich damals nicht für<br />

die Menschenrechte eingesetzt. Das sei entschieden<br />

von vielen zurückgewiesen worden.<br />

Auch ein Teil der „Mütter vom Mai-Platz“<br />

sage, dass es nicht stimmt. „Von der Militärjunta<br />

Verfolgte haben nach Bekanntwerden<br />

der Vorwürfe sofort reagiert und betont, dass<br />

Bergoglio kein Kollaborateur gewesen ist und<br />

Antonio Reiser stand als Priester<br />

und Befreiungstheologe auf der<br />

Todesliste der argentinischen<br />

Militärjunta. Er musste fliehen,<br />

ließ sich laiisieren und setzt<br />

sich heute mit seiner Indio-Frau<br />

für die 50 Indio-Stämme in der<br />

Region Mesiones ein. Das in<br />

Oberösterreich aktive „Freundschaftskomitee<br />

Argentina-Austria“<br />

unterstützt diese Arbeit. PRIVAT<br />

vielen sogar geholfen hat.“ Mit großer Sympathie<br />

weist Antonio Reiser auf Bergoglios<br />

Praxis der Zuwendung zu den Armen hin. Er<br />

hat sich bei der Regierung unbeliebt gemacht,<br />

denn er kritisierte öffentlich und entschieden<br />

die Regierung, weil sich diese nicht für die<br />

Armen einsetzt. Er selbst ging oft in die<br />

Elendsviertel, ganz alleine, ohne Polizeischutz.<br />

Bei fanatischen, der Regierung nahestehenden<br />

Abgeordneten (die bei einer Sitzung<br />

im Parlament waren, als die Nachricht<br />

von Bergoglios Wahl eintraf), stieß daher diese<br />

Meldung auf keine Begeisterung, wie im argentinischen<br />

Fernsehen zu sehen war.<br />

Samt und Seide werden verschwinden<br />

Die Steyler Missionsschwester Juliane Maria<br />

Schindlauer stammt aus Oberwang bei<br />

Mondsee und ging 1974 in die Mission nach<br />

Argentinien. Sie leitet das Provinzhaus in<br />

Buenos Aires, in ihrem Pfarrgebiet leben<br />

100.000 Menschen.<br />

PRIVAT<br />

Wie haben Sie von der Wahl erfahren?<br />

Sr. Juliana: Wir haben es am Fernseher miterlebt.<br />

Sie können sich den Jubel gar nicht vorstellen.<br />

So eine Freude! Dann haben wir sofort<br />

ein Schnapserl geholt und auf den neuen<br />

Papst angestoßen.<br />

Das hätte sich niemand gedacht, dass Kardinal<br />

Bergoglio Papst wird. Hier in Argentinien<br />

waren alle auf den „Österreicher“ eingestellt,<br />

wie Kardinal Schönborn hier genannt wurde.<br />

Kennen Sie den neuen Papst?<br />

Er ist in ganz Argentinien berühmt und bekannt.<br />

Unser Provinzhaus in Buenos Aires, in<br />

dem ich lebe, liegt zwar nicht in seiner Diözese,<br />

aber wir haben mit ihm Kontakt durch<br />

seine pastoralen Initiativen. Seine Weite<br />

ist unglaublich. Er nimmt sich sehr um die<br />

Stadtpastoral an. Im Buenos Aires leben rund<br />

fünf Millionen Menschen.<br />

Was heißt Stadtpastoral?<br />

Elf- bis zwölfjährige Kinder sind drogenabhängig,<br />

die Kriminalitätsrate ist enorm, die<br />

Arbeitslosigkeit ist enorm. Und da sagt er<br />

ohne Wenn und Aber: Gott wohnt in der<br />

Stadt, in unserer Stadt. Er hat ein positives<br />

Bild von den Menschen der Stadt.<br />

Es ist unglaublich, welche neuen Wege er<br />

geht: So ist er am Gründonnerstag nie in der<br />

Kathedrale. Er feierte die Fußwaschung in<br />

den letzten Jahren im Gefängnis, bei Aids-<br />

Kranken, in einem Kinderspital.<br />

Was erwarten Sie von ihm als Papst?<br />

Es wird so mancher Samt und so manche Seide<br />

verschwinden. Er wird Akzente setzen.<br />

Wird er sich in Rom durchsetzen können?<br />

O ja! Das zeigte er hier mit der Regierung.<br />

Er hat eine eiserne Hand mit einem Seidenhandschuh.<br />

Wie erleben Sie ihn als Mensch?<br />

Er ist sehr calido, sehr calido – wie sagt man<br />

bei ihnen? – Er ist sehr warmherzig. Bei Reden<br />

ist er ernst, aber im Umgang ist er sehr<br />

warmherzig. JOSEF WALLNER

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