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Vortrag von Robert Menasse - rotstift

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diesen „job“ übernommen haben, auf vielfältige Weise steten Widerspruch zu<br />

formulieren, gegen „die da oben“, „die in Brüssel“, „die in ihren Elfenbeintürmen“ und<br />

so weiter? Natürlich ist Ihnen klar, dass dieser Widerspruch nicht auf Freiheit abzielt.<br />

Fürchten Sie, dass Ihr Widerspruch, wenn Sie ihn konsequent formulieren, mit dem<br />

Widerspruch der Ungebildeten verwechselt werden könnte? Wenn nicht: glauben Sie<br />

im Ernst, dass Sie, wenn Sie den Unterschied herausarbeiten, noch die Zustimmung<br />

dieser Menschen, die immerhin ein Drittel unserer Gesellschaft ausmachen,<br />

bekommen würden? Mit anderen Worten: Ist Ihnen klar, dass Sie sofort in<br />

Widerspruch zum Widerspruch geraten würden? Glauben Sie, dass es möglich ist,<br />

diesem Drittel der Gesellschaft Bildung als Anspruch sozusagen „zu verkaufen“?<br />

Noch dazu mit dem Argument, Bildung sei die Voraussetzung für Freiheit? Haben<br />

Sie eine Vorstellung da<strong>von</strong>, was Sie dann zu hören bekommen?<br />

Hier sind wir an einem interessanten Punkt angelangt, der zeigt, wie sehr Bildung als<br />

Begriff und Anspruch in Derivate zerfallen ist und warum er als Voraussetzung nicht<br />

mehr verstanden wird: alles, was Bildung einst versprach, scheint heute eingelöst –<br />

aber nicht durch Bildung. Freiheit? Noch der Dümmste wird die Frage, ob er in<br />

Freiheit lebt, mit Ja beantworten. Was ihm schon alleine durch die Meinungsfreiheit<br />

verbürgt erscheint, also durch die Freiheit, in seiner Freizeit seine Meinung sagen zu<br />

können, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Hegels Satz „Eine Meinung ist mein<br />

und kann ich genauso gut für mich behalten“ wird ihn darin nicht beirren. Und wo er<br />

Freiheit nicht hat oder sich nicht herausnehmen kann, wird er es als individuelles<br />

Versagen in einem System empfinden, das grundsätzlich aber seine Freiheit<br />

garantiert und schützt. Bessere Lebenschancen? Die wird er eher <strong>von</strong> Ausbildung,<br />

denn <strong>von</strong> Bildung erwarten. Menschlichkeit? Licht im Dunklen! Spendenweltmeister!<br />

Tendentiell nicht entfremdete Tätigkeit? Freizeit! Sinn? Konsum! Anerkennung?<br />

Kann man sich durch Überanpassung genauso wie durch Herstellung <strong>von</strong><br />

Abhängigkeitsverhältnissen verschaffen. Am Besten durch beides.<br />

So kann man das durchgehen. Ja, Bildung ist eine universale Voraussetzung, aber<br />

im Einzelnen weiß keiner, wofür. Weil immer schon etwas anderes genau das, was<br />

die Bildung versprach, eingelöst zu haben scheint.<br />

Wenn Sie also Bildung nicht autoritär verordnen wollen – was ein Widerspruch in<br />

sich wäre -, sondern auf eine gesellschaftliche und politische Mehrheit hoffen, durch<br />

die der Anspruch durchgesetzt werden kann, die Bildungsmisere zu beenden und<br />

das Bildungssystem so auszubauen, dass es diesen Namen verdient und jedem<br />

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