intervention bei jugendlichen - Mbr
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Fazit: Ausbreitung rechtsextremer Orientierungen im vorpolitischen<br />
Raum<br />
POLITISIERUNG UND REKRUTIERUNG<br />
Rechtsextreme Orientierungen und Identifikationen unter Jugendlichen entwickeln<br />
sich dadurch, dass rechtsextreme Weltbilder auf verschiedensten Wegen in jugendtypische<br />
Lebenswelten einsickern: über Musik, angesagte Kleidungsstile, das Internet,<br />
Kneipen und Szeneläden. Rechtsextreme Erlebniskultur und rechtsextreme Infrastruktur<br />
schaffen ein soziokulturelles Milieu, in dem Mädchen und Jungen sowie junge Erwachsene<br />
<strong>bei</strong>derlei Geschlechts in unterschiedlichen Abstufungen »rechte«, »rechtsextrem-orientierte«<br />
oder »rechtsextreme« Lebensstile und Identitäten entwickeln<br />
können. In diesem Milieu werden Unterhaltung, soziale Kontakte und Jobs gesucht<br />
und gefunden. Rechtsextreme Kultur lässt sich damit nicht mehr nur in einschlägigen<br />
Veranstaltungen, wie z.B. Konzerten ausleben, sondern durchdringt die verschiedensten<br />
alltäglichen Lebensbereiche. Anders als <strong>bei</strong> so genannten »Parallelwelten« sind<br />
rechtsextrem mitbestimmte Erlebniswelten nicht von der Außenwelt abgeschottet,<br />
sondern sie haben relativ durchlässige Grenzen. Diese sorgen für personellen Nachwuchs<br />
und machen deren Attraktivität aus.<br />
Die kulturellen Angebote rechtsextremer Erlebniswelten haben sich ausdifferenziert.<br />
In ihnen existieren inzwischen unterschiedliche Szenen, so dass sich rechtsextrem(-orientiert)e<br />
Ausdrucksformen nicht mehr auf einzelne ästhetische Formen wie<br />
z.B. die Skinheadkultur reduzieren lassen. Dadurch erfahren Konsument/innen ideologische<br />
Bestätigung über die Grenzen von kulturellen Genres hinweg.<br />
Die große Nachfrage nach kulturellen Angeboten mit rechtsextremen Inhalten<br />
wird durch die große Verbreitung rechtsextremer Musik ebenso deutlich wie durch die<br />
Erfolgsgeschichte des Modelabels »Thor Steinar«. Mit der Ausdehnung rechtsextrem<br />
mitbestimmter Alltagskultur geht ein finanzieller Nutzen derjenigen einher, die die Szenen<br />
mit immer neuem Material versorgen. Durch das Ineinandergreifen von Angebot<br />
und Nachfrage wird sowohl die rechtsextreme Szene im engeren Sinne finanziell und<br />
infrastrukturell unterstützt, als auch die Langlebigkeit und nachhaltige alltagskulturelle<br />
Verankerung rechtsextremer Erlebniswelten gefördert. Rechtsextreme Orientierungen<br />
und Identifikationen entstehen also im vorpolitischen Raum. Dennoch werden sie politisch<br />
wirksam, weil sie das soziale Klima in den jugendkulturellen Milieus verändern<br />
und (mit)bestimmen, was angesagt und cool ist. In diesen Milieus können sich Rechtsextrem-Organisierte<br />
»wie Fische im Wasser« bewegen und versuchen, Jugendliche<br />
und junge Erwachsene stärker zu politisieren und einzubinden.<br />
Die Bedeutung des politisch organisierten Kerns der rechtsextremen Szene im Rahmen<br />
rechtsextremer Erlebniswelten besteht darin, dass er Angebote macht, durch die<br />
rechtsextreme Orientierungen und Teil-Identifikationen von Jugendlichen zu auch subjektiv<br />
eindeutigeren politischen Identitäten und Lebensweisen werden können.<br />
Im Hinblick auf die Politisierung und Rekrutierung von Jugendlichen sind insbesondere<br />
jene rechtsextremen Strukturen relevant, deren Organisations- und Aktionsformen<br />
aktionsorientiert sind und in denen das Mitmachen daher Erlebnischarakter gewinnt.<br />
In Berlin sind dies die miteinander kooperierenden Kameradschaften jüngerer<br />
Prägung und teilweise auch NPD/JN-Strukturen. In diesem Abschnitt werden diese<br />
rechtsextremen Strukturen sowie ihre Aktionsformen und Strategien dargestellt.<br />
AKTIONSORIENTIERTE STRUKTUREN:<br />
KAMERADSCHAFTEN, JUNGE NATIONALDEMOKRATEN (JN)<br />
Prototyp aktionsorientierter rechtsextremer Strukturen sind die so genannten Kameradschaften.<br />
Dieses Organisationsmodell wurde in bewusster Abgrenzung zu den bis<br />
dahin existierenden überregionalen parteilichen und parteiähnlichen formellen Strukturen<br />
entwickelt. Hintergrund der konzeptionellen Weiterentwicklungen waren repressive<br />
Maßnahmen und eine Reihe von Organisationsverboten, mit denen der Staat auf<br />
ein Erstarken des rechtsextremen Lagers nach der Wiedervereinigung reagierte. Der<br />
Hamburger Rechtsextreme Thomas Wulff, ehemaliger Vorsitzende der 1995 verbotenen<br />
Nationalen Liste, war einer der wesentlichen Ideengeber. Er empfahl eher lose<br />
Bündnisse rechtsextremer Kräfte zu schaffen, die sich in erster Linie über eine gemeinsame<br />
Weltanschauung und weniger über Parteizugehörigkeiten definieren sowie stärker<br />
an den Bedürfnissen der Aktiven und den lokalen Gegebenheiten orientiert sind.<br />
Im Vergleich zu Parteien sind Kameradschaften eher informelle Zusammenschlüsse einer<br />
überschaubaren Anzahl von Personen, die dezentral, regional und weisungsunabhängig<br />
agieren, meist keine ausgeprägte formelle Hierarchie haben und deutlich aktionsorientiert<br />
sind.<br />
Innerhalb des Kameradschaftsspektrums in Berlin sind es insbesondere Aktivist/innen<br />
und Kader mit langjähriger Erfahrung innerhalb der rechtsextremen Szene, die<br />
rechtsextrem-orientierte Jugendliche und junge Erwachsene politisieren und für ihre<br />
Zwecke rekrutieren. Dieses rechtsextreme Personenspektrum steht für das Konzept des<br />
»autonomen Nationalismus«, mit dem eine Neuausrichtung in Stilen, Aktionsformen<br />
und Strategien verbunden ist. Sie haben die Monokultur des klassischen rechtsextremen<br />
Skins hinter sich gelassen, spielen Mainstream- und linke Musik auf Demonstrationen<br />
und Kundgebungen und eignen sich traditionell linke Symbole, Kleidungsstile<br />
und Aktionsformen an, wie z.B. einen militanten »Nationalen Black Block« in Anleh-<br />
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