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Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

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Fundierungsverhältnisses. Für sie ist die „menschliche Realität“ das Konkrete und das Für-sich-sein<br />

die abstrakte transzendental-philosophische Grundlage dieser Realität. Wildenburg schreibt dazu<br />

Folgendes:<br />

„Auch hier wird also wiederum nach den Bedingungen der Möglichkeit zurückgefragt, und dies führt<br />

ihn zunächst zur Analyse der Unaufrichtigkeit, von der aus dann schließlich, im zentralen Kapitel von<br />

Das Sein und das Nichts, die un<strong>mit</strong>telbaren Strukturen des Für-sich aufgezeigt werden.<br />

Die Tatsache, daß <strong>Sartre</strong> <strong>mit</strong> diesem letzten Schritt zu den Grundlagen alles Selbstbewusstseins<br />

zurückführt, kann auch daran deutlich gemacht werden, daß er zwischen den Begriffen „Mensch“<br />

oder „menschliche Realität“ einerseits und dem „Für-sich“ andererseits unterscheidet. Während er<br />

<strong>mit</strong> den erstgenannten Begriffen den Bereich des Konkreten beschreibt, erhebt er sich <strong>mit</strong> dem<br />

letztgenannten auf eine abstraktere - nämlich transzendentalphilosophische - Ebene, auf der das<br />

konkret Gegebene in seinem Bedingungsgefüge erklärt wird, und diese Bewegung kann vor dem<br />

Hintergrund dessen interpretiert werden, was <strong>Fichte</strong> als „gelehrte Erkenntnis“ bezeichnet.<br />

Ausgehend von den Tatsachen des Bewußtseins, ausgehend also vom konkreten Lebensvollzug, wird<br />

nach den Bedingungen desselben zurückgefragt und auf diese Weise auf eine Ebene zurückgeführt,<br />

auf der das Wie der Konstitution des Selbstbewußtseins und da<strong>mit</strong> seine fundamentalen Grundlagen<br />

aufgezeigt werden.“<br />

(Wildenburg, Ist der Existentialismus ein Idealismus, Seite 89)<br />

Man muss Wildenburg grundsätzlich den Vorwurf machen, dass sie <strong>mit</strong> Halbwahrheiten operiert. Es<br />

ist richtig, dass <strong>Sartre</strong> vom Konkreten, das heißt der menschlichen Realität, ausgeht und dann<br />

versucht, die abstrakten Bedingungen dieser Realität zu erforschen. Es ist auch richtig, daß er auf<br />

diesem Wege die Konstitution des Selbstbewußtseins beschreibt. Insoweit erläutert Wildenburg den<br />

Sachverhalt richtig. Aber dann behauptet sie, <strong>mit</strong> der Konstitution des Selbstbewußtseins seien die<br />

fundamentalen Grundlagen des konkreten Lebensvollzuges dargelegt worden, und da<strong>mit</strong> liegt sie<br />

total daneben. <strong>Der</strong> entscheidende Punkt bei <strong>Sartre</strong> ist vielmehr, dass die Konstitution des<br />

Selbstbewusstseins, also die Struktur des Für-sich-seins, nicht die menschliche Realität in ihrer<br />

Ganzheit darstellen kann, sondern dass diese menschliche Realität ein prekäres Gebilde ist, Für-sichfür-Andere<br />

genannt, welche die komplexe und diffizile Struktur der Komplementarität aufweist.<br />

<strong>Sartre</strong> beschreibt diese komplexe Struktur der Komplementarität folgendermaßen:<br />

„ Aber wenn auch dieser metastabile Begriff „Transzendenz-Faktizität“ eines der Basisinstrumente<br />

der Unaufrichtigkeit ist, so ist er doch nicht der einzige seiner Art. Man benutzt ebenso eine andere<br />

Duplizität der menschlichen- Realität, die wir grob umschreiben können, indem wir sagen, ihr Fürsich-sein<br />

impliziert komplementär dazu eine Für-Andere -sein. Es ist immer möglich, auf irgendeine<br />

meiner Verhaltensweisen zwei Blicke, den meinen und den des Anderen, konvergieren zu lassen.<br />

Doch das Verhalten wird in beiden Fällen nicht dieselbe Struktur aufweisen. Aber wie wir später<br />

sehen werden, wie es jeder empfindet, besteht zwischen diesen beiden Aspekten meines Seins kein<br />

Unterschied von Schein und Sein, als ob ich mir selbst die Wahrheit meiner selbst wäre und als ob ein<br />

anderer nur ein entstelltes Bild von mir besäße. Die gleiche Seinswürde meines Seins für Andere und<br />

meines Seins für mich selbst ermöglicht eine ständig sich auflösende Synthese und ein ständiges<br />

Entwischspiel des Für-sich zum Für-Andere und des Für-Andere zum Für-sich.“<br />

(<strong>Sartre</strong>, Das Sein und das Nichts, Seite 137)<br />

<strong>Sartre</strong> weist hier auf die fundamentale Bedeutung des Unterschiedes zwischen dem<br />

Eigenbewusstsein und dem Fremdbewusstsein hin. Das Für-sich-sein bezieht sich nur auf das<br />

Eigenbewusstsein, nicht auf das Fremdbewusstsein. Das Eigenbewusstsein ist auch nicht die<br />

Grundlage des Fremdbewusstseins, sondern dieses muss eigenständig betrachtet werden und hat<br />

auch seine eigene „Würde“, wie <strong>Sartre</strong> sich ausdrückt. Das Fremdbewusstsein ist also auf keine<br />

Weise im Eigenbewusstsein fundiert. Es ist vielmehr eines neues Faktum, eine faktische<br />

Notwendigkeit, wie <strong>Sartre</strong> sagt. Es mag sein, dass auch die Theorie des Fremdbewusstseins, also die

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