wirkliche Übergabe
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NOTAR.AT<br />
Laurenz Liedermann, NZ 11/2011<br />
Die „<strong>wirkliche</strong> <strong>Übergabe</strong>“ im Schenkungsrecht<br />
hängt etwa die Frage, ob nur die Erklärung des Geschenkgebers<br />
oder der gesamte Vertrag der Form unterliegt,<br />
maßgeblich davon ab, wer durch die Formvorschriften<br />
geschützt werden soll.<br />
i) Beweissicherung<br />
Bereits die Materialien zeigen, dass es einer der Zwecke<br />
des Notariatszwangs war, für eine sichere und dauernde<br />
Aufbewahrung der Urkunden zu sorgen und diese vor<br />
der Gefahr zu bewahren, im Laufe der Zeit verloren zu<br />
gehen. 35 Dass diese Beweise im Falle eines Rechtsstreits<br />
eine erhebliche Erleichterung mit sich bringen, soll nicht<br />
bezweifelt werden. 36<br />
Allerdings sind Beweisschwierigkeiten keine spezielle<br />
Problematik des Schenkungsrechts, sie treten genauso<br />
bei formfreien Geschäften auf. 37 Auch erscheint der<br />
Empfänger einer unentgeltlichen Leistung wenig schutzwürdig.<br />
Behauptet er eine Schenkung, so kann von ihm<br />
durchaus der Beweis der Voraussetzungen verlangt werden.<br />
38 Der unentgeltlich Leistende wird zumindest bei<br />
Unklarheiten in gewissem Maße durch § 915 ABGB geschützt.<br />
Wäre das Beweisproblem speziell bei Schenkungen vorhanden,<br />
so ließe sich auch nicht erklären, warum gerade<br />
die Handschenkung keiner Form bedarf. Gerade hier<br />
sind Situationen denkbar, in denen beispielsweise darüber<br />
gestritten wird, ob eine Sache geliehen oder geschenkt<br />
ist. Konsequenterweise müssten diese auch der<br />
Beweissicherung und damit der Notariatsaktform unterliegen.<br />
Dass Beweisprobleme in der Praxis speziell dann auftreten<br />
können, wenn Schenkungen kurz vor dem Tod des<br />
Geschenkgebers getätigt werden, mag zwar zutreffen.<br />
Allerdings handelt es sich auch hier vielmehr um ein Problem,<br />
das Rechtsgeschäfte kurz vor dem Tod allgemein<br />
betrifft und nicht speziell das Schenkungsrecht.<br />
Auch der Urentwurf, der ausdrücklich den Warnzweck<br />
hervorhebt, zeigt deutlich, dass dieser im Vordergrund<br />
stand. In den Beratungen wurde eine Formvariante, die<br />
ausschließlich Beweissicherungszwecke hat, der Abschluss<br />
in Gegenwart von Zeugen, explizit abgelehnt. 39<br />
In einem Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass der<br />
Beweiszweck bei der Auslegung der Formvorschriften für<br />
35<br />
HHB 16 BlgHH 6. Sess 241.<br />
36<br />
Welser in Rechberger, Formpflicht und Gestaltungsfreiheit 1, 10<br />
FN 39.<br />
37<br />
P. Bydlinski, Die Notariatsaktspflicht 1850 und heute, NZ 1990,<br />
289, 290; vgl auch P. Bydlinski, Die Formpflicht bei der Schenkung<br />
ohne <strong>wirkliche</strong> <strong>Übergabe</strong> (§ 1 Abs 1 lit d NZwG), NZ 1991, 166,<br />
166 f.<br />
38<br />
AA Wilhelm, Anm zu 5 Ob 266/99 z, ecolex 2000/139 der den<br />
Zweck der Formvorschriften durchaus als Schutz des Beschenkten<br />
vor einem „Rückzieher der Gegenpartei” und folglich im Beweis<br />
sieht.<br />
39<br />
Ofner, Ur-Entwurf II 29.<br />
Schenkungsverträge im Vergleich zum Warnzweck eine<br />
untergeordnete Rolle spielt.<br />
ii) Gläubigerschutz<br />
Der Gläubigerschutz stand nie im Vordergrund bei der<br />
Schenkungsform, 40 auch wenn dies von mancher Stimme<br />
in der L vertreten wird. 41 Die überwiegende L sieht den<br />
Gläubigerschutzaspekt im Hintergrund, 42 insbesondere,<br />
da ohnehin die Möglichkeit der Anfechtung besteht. 43<br />
Der Schutz durch die Anfechtung geht weit über den des<br />
Notariatsakts hinaus. Dieser ist nämlich in keinem öffentlichen<br />
Register verzeichnet und aus diesem Grund auch<br />
für den Gläubiger nicht sichtbar. Dass ein Notariatsakt<br />
mehr Zeit als eine formlose Verfügung in Anspruch<br />
nimmt, und der Gläubiger deswegen die Chance hat,<br />
dass die vermögensmindernde Verfügung noch nicht abgeschlossen<br />
wurde, kann wohl nicht als Begründung für<br />
einen Formzwang angeführt werden. Auch vor Scheingeschäften<br />
bietet die Schenkungsform nur mäßig Schutz,<br />
da die Parteien sowohl einen Notariatsakt zum Schein errichten,<br />
als auch scheinbar eine <strong>wirkliche</strong> <strong>Übergabe</strong> vornehmen<br />
können.<br />
iii) Aufklärungspflichten<br />
Den Notar trifft die Pflicht zu überprüfen, ob das Geschäft<br />
frei von Willensmängeln ist, die Parteien rechtlich<br />
zu beraten und bei der Vertragsgestaltung zu unterstützen.<br />
44 Bereits daraus ergibt sich die Aufklärung als<br />
möglicher Zweck der Notariatsaktform. Zwar sind die<br />
grundlegenden Rechtsfolgen eines Schenkungsvertrags,<br />
der Vermögensverlust ohne Gegenleistung, weitgehend<br />
bekannt, was aber die Details des Schenkungsvertrags<br />
betrifft, etwa dass dieser nicht so leicht gelöst<br />
werden kann wie letztwillige Verfügungen, ist oft unbekannt.<br />
45<br />
Allerdings bestehen auch hier ernsthafte Bedenken dagegen,<br />
dass die Aufklärung eine zentrale Rolle für die Begründung<br />
der Schenkungsform einnimmt. Zum einen besteht<br />
ebendieser Belehrungsbedarf genauso bei der<br />
Handschenkung, bei der eine Belehrung aber gerade<br />
40<br />
Vgl HHB 16 BlgHH 6. Sess 241: „die keineswegs bloß zu Gunsten<br />
der Gläubiger des Geschenkgebers, sondern weit mehr zu Gunsten<br />
der Contrahenten eingeführt werden müsse“.<br />
41<br />
Stanzl in Klang, ABGB IV/1 2 611.<br />
42<br />
P. Bydlinski, Die Formpflicht bei der Schenkung ohne <strong>wirkliche</strong><br />
<strong>Übergabe</strong> (§ 1 Abs 1 lit d NZwG), NZ 1991, 166, 166; speziell<br />
für Schenkungen zwischen Ehegatten P. Bydlinski, Die Notariatsaktspflicht<br />
1850 und heute, NZ 1990, 289, 290.<br />
43<br />
Binder in Schwimann, ABGB Praxiskommentar IV 3 § 943 Rz 1;<br />
Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, Kurzkommentar<br />
zum ABGB 3 § 943 Rz 4; tendenziell auch Bittner in GedS Hofmeister<br />
73, 75 obwohl die Anfechtung die physisch vollzogenen<br />
Schenkungen betrifft, während das NotAktG die nicht übergebenen<br />
betrifft.<br />
44<br />
Gruber in Rechberger, Formpflicht und Gestaltungsfreiheit 55, 65.<br />
45<br />
Gruber in Rechberger, Formpflicht und Gestaltungsfreiheit 55, 83.<br />
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