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Wolfram Ette

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schehen hintergründig projiziert, tieferer Sinn ist oder sich der Komplexitätsreduktion<br />

verdankt, zu der sich jede dramatische Darstellung gezwungen sieht. Auch<br />

darin erscheint die Kunst – in einem transzendentalen, also durchaus schwerwiegendem<br />

Sinn – »heiter«. Sie weigert sich schlicht der Auskunft darüber, ob sie mehr<br />

oder weniger sein will als das Leben und changiert merkwürdig zwischen Oberflächlichkeit<br />

und Tiefe. Das Drama kritisiert den Schein seiner Form und hofft,<br />

durch seine Selbstkritik der Wahrheit näher zu kommen.<br />

Anmerkungen<br />

1 Der erste Autor, der »Wallenstein« als geschichtswissenschaftliche Leistung würdigt, ist<br />

Heinrich Sbrik gewesen (Wallensteins Ende, 1920). Er geht allerdings ein wenig erkenntnistheoretisch<br />

naiv davon aus, dass es Schiller darum zu tun gewesen sein, im Drama das<br />

nachzuliefern, woran er in der »Geschichte des dreißigjährigen Krieges« gescheitert war,<br />

nämlich die Erkenntnis darüber, ›wie es wirklich gewesen war‹. Kritik daran übt Theodor<br />

Schieders »Schiller als Historiker« (1959). Oskar Seidlins »Wallenstein: Sein und Zeit«<br />

(1963) ist der herausragende Text einer Epoche, in der geltend gemacht wurde, dass es in<br />

Schillers Drama nicht bloß darum gehe, eine bestimmte, klar umgrenzte Episode der deutschen<br />

Geschichte zu explizieren, sondern an ihr ein Grundsätzliches über die Geschichte zu<br />

verlautbaren. Ein wichtiger Text, der Schillers theoretische Interessen während der »Wallenstein«-Zeit<br />

berücksichtigt und hierbau vor allem auf den Text »Über das Erhabene«<br />

aufmerksam macht, ist Wolfgang Riedels »Weltgeschichte ein erhabenes Object. Zur Modernität<br />

von Schillers Geschichtsdenken« (2002) dar, das die positiven Aspekte des Geschichtsdenkens<br />

der späten neunziger Jahre andeutet. Vgl außerdem Hofmann (1999), Janz<br />

(2006) und Feger (2006). Aber schon einige Jahre vorher wurde durch den Oldenbourg-<br />

Band von Michael Hofmann und Thomas Edelmann (1989) eine Auffassung quasi schulverbindlich,<br />

die die Modernität der Geschichtskonzeption des »Wallenstein« hervorhebt.<br />

2 Die skeptische Position wird etwa von der Mehrheit der genannten Autoren vertreten. Beispielhaft<br />

für sie ist etwa Hofmann (1999), 242: Als erste Voraussetzung eines angemessenen<br />

Zugangs zu dem Drama ... erweist sich somit die Tatsache, daß dieses einen durchaus<br />

modernen, und das heißt desillusionierten Blick auf den geschichtlichen Prozess bietet.<br />

Schillers Stück zeigt mit auch heute noch bestürzender Eindringlichkeit, daß das historischpolitische<br />

Handeln nicht in der Lage ist, abstrakte Ideen von Fortschritt, Frieden und menschenwürde<br />

zu verwirklichen, daß es vielmehr von strategischem Denken, Machtgier und<br />

Eigennutz beherrscht ist. Später dann wird der Geschichtsprozess einfach als vernunftwidrig<br />

bezeichnet (ebd., 248). Die Geschichtsskepsis stützt sich nicht allein auf den Vers Das<br />

ist das Los des Schönen auf der Erde (Wallensteins Tod, 3180), der dem Tod der Liebenden<br />

einen Resonanzraum in der gesamten Kunst eröffnet, sondern auch auf das dezidiert<br />

geschichts-feindliche Gedicht »Der Antritt des neuen Jahrhunderts«, dessen letzte Strophe<br />

lautet: In des Herzens heilig stille Räume | Mußt du fliehen aus des Lebens Drang, | Freiheit<br />

ist nur in dem Reich der Träume, | Und das Schöne blüht nur im Gesang (Schiller<br />

1966, II 823). Auch Marquard folgt dieser Annahme einer Schillerschen Geschichtsskepsis,<br />

die aus den Erfahrungen der französischen Revolution in Kunst und Natur als einziger<br />

Chance für das Menschliche flüchtete (Marquard 2000, 85). – Zum stoischen Hintergrund<br />

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