OM Deutsch 2010 Internet-Ausgabe.pdf
OM Deutsch 2010 Internet-Ausgabe.pdf
OM Deutsch 2010 Internet-Ausgabe.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Moskau schafft Ordnung:<br />
Zentralisierung und<br />
Restalinisierung<br />
Die Absetzung der Nationalkommunisten und die<br />
Einsetzung einer moskautreuen Parteiführung in<br />
Lettland fielen in eine Zeit, als die KPdSU ihre führende<br />
zentrale Rolle in Ideologie und Wirtschaftsplanung<br />
wiederherzustellen und zu festigen begann. Mit der<br />
zunehmenden Industrialisierung und dem damit<br />
einhergehenden beschleunigten Zuwanderungsprozeß<br />
setzte in Lettland eine systematische Kolonisierung ein,<br />
die die Stammbevölkerung Lettlands an die äußerste<br />
Grenze des ethnischen Überlebens brachte.<br />
Die internen Machtkämpfe in Moskau mündeten im Oktober<br />
1964 in einem Umsturz innerhalb des Zentralkomitees der<br />
KP, bei dem Chruschtschow seines Amtes enthoben wurde.<br />
Außenpolitisch hatte Chruschtschow 1956 gewaltsam den<br />
Ungarnaufstand niedergeschlagen und auf der internationalen<br />
politischen Bühne provokatorische Auftritte absolviert.<br />
Schließlich hatte er 1962 mit der Stationierung von<br />
Atomraketen auf Kuba die USA herausgefordert. In seine<br />
Amtszeit fiel auch der Bau der Berliner Mauer. Innenpolitisch<br />
hatte Chruschtschow 1956 in einer Geheimrede auf dem<br />
XX. Parteitag der KPdSU das Stalinregime verurteilt und<br />
einen liberaleren ideologischen Kurs eingeführt. Unter ihm<br />
wurde die Wirtschaft dezentralisiert und der Herstellung<br />
von Konsumgütern größere Aufmerksamkeit gewidmet.<br />
Gleichzeitig erwiesen sich seine umfangreichen Initiativen<br />
zur Reformierung der Landwirtschaft wie die Erschließung<br />
der mittelasiatischen Steppen, der Anbau von Mais und<br />
die verstärkte Gründung von Sowchosen (staatlichen<br />
Sowjetwirtschaften) als wenig erfolgreich.<br />
Zum neuen Sekretär der KPdSU, später auch<br />
Generalsekretär, wurde Leonid Breschnew ernannt. Seine<br />
Amtszeit hat sich als Zeit der „Stagnation“ eingeprägt. Sie<br />
war geprägt von einer zunehmenden Bürokratisierung, einer<br />
Zentralisierung des Wirtschaftslebens und im Rahmen des<br />
Wettrüstens des Kalten Krieges dem Ausbau der Schwerund<br />
militärstrategischen Industrie. Damit einher ging ein<br />
merklicher Rückgang der zivilen Industriegüterproduktion,<br />
was eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit<br />
Konsumgütern unmöglich machte. Im gesellschaftlichen<br />
Leben hielten in der Breschnew-Zeit gewisse<br />
Repressionsmethoden der Stalinzeit erneuten Einzug.<br />
Lettland wurde in diesem Zeitraum zu einem kolonisierten<br />
Land, dessen wirtschaftliches und politisches Leben von<br />
Moskau bzw. der Führung der moskautreuen Lettischen KP<br />
bestimmt wurde.<br />
Die Partei im Volksmund<br />
Augusts Voss, Erster Sekretär des ZK der KPL, auf<br />
einem ZK-Plenum: „Genossen! In letzter Zeit ist das Gerücht<br />
aufgetaucht, daß statt meiner eine Puppe in meinem Wagen<br />
durch die Stadt gefahren würde. Ich verkünde hier mit vollem<br />
Verantwortungsbewußtsein, daß es sich bei diesen Gerüchten<br />
um verbrecherische Verleumdungen der Partei handelt. Die<br />
Wahrheit ist vielmehr, daß statt der Puppe ich selbst durch die<br />
Stadt gefahren werde!“<br />
Nikita Chruschtschow antwortet nach seiner Rückkehr aus<br />
den USA auf die Frage, wie die Amerikaner leben: „Sollen<br />
sie ruhig versuchen, den Kommunismus aufzubauen, dann<br />
werden sie schon sehen, wie es geht.“<br />
Genosse Meņnihs, der Leiter der Weiterbildungsabteilung<br />
beim ZK der KPL, wird nach einer Vorlesung gefragt:<br />
„Genosse Meņnihs, wie steht es mit dem Kampf der<br />
Kommunistischen Partei für den Weltfrieden?“ – „Genossen!<br />
Die Kommunistische Partei kämpft derart für den Weltfrieden,<br />
daß im imperialistischen Lager kein Stein auf dem anderen<br />
bleibt.“<br />
Nomenklatura<br />
Während der Amtszeit Breschnews stattete sich die kommunistische<br />
Elite, die Schicht der Nomenklatura bzw. die Funktionärshierarchie<br />
in Partei- und Staatsapparat, mit zahlreichen Privilegien wie<br />
höheren Gehältern, Einkaufsmöglichkeiten in Geschäften mit<br />
Sonderversorgung, höheren Pensionen und anderen Vorteilen<br />
aus. In Lettland bestand die Nomenklatura aus Mitgliedern des<br />
Politbüros des ZK der KPdSU, des ZK-Büros der Lettischen<br />
KP sowie den kommunalen Parteileitungen der Städte und<br />
Rajons. Die Führung des ZK der KPL war gleichzeitig Teil der<br />
Nomenklatura des ZK der KPdSU. Die Mitarbeiter des ZK der<br />
KPL konnten nur mit Zustimmung des ZK selbst eingesetzt bzw.<br />
abberufen werden. Auf einer etwas niedrigeren Stufe standen<br />
die treu ergebenen Anhänger des Systems: Ihnen wurden neue<br />
Wohnungen zugewiesen, ihre medizinische Versorgung erfolgte<br />
in speziellen Krankenhäusern und Sanatorien. Die üblichen<br />
jahrelangen Wartezeiten beim Autokauf blieben ihnen erspart.<br />
Sie durften in speziell belieferten Geschäften einkaufen und<br />
Urlaubsreisen ins westliche Ausland unternehmen.<br />
Einladung zur<br />
Geburtstagsfeier.<br />
Veranstaltungsort<br />
ist die Kantine der<br />
Parteiveteranen in<br />
Riga.<br />
Mitgliedsausweis der<br />
Kommunistischen Partei der<br />
Sowjetunion.<br />
103