OM Deutsch 2010 Internet-Ausgabe.pdf
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Unter der Knute der Willkür:<br />
Die unumschränkte Macht des<br />
NKWD – verhaften und liquidieren<br />
Die sowjetische Geheimpolizei war mit den von ihr<br />
praktizierten Methoden des psychologischen und<br />
physischen Terrors ein Erfüllungsorgan der totalitären<br />
Herrschaft der Kommunistischen Partei. Im ersten<br />
Jahr der sowjetischen Besatzung stand sie unter<br />
der Bezeichnung NKWD (aus dem Russischen für<br />
„Volkskommissariat des Innern“) und NKGB (für<br />
„Volkskommissariat für Staatssicherheit“).<br />
Hauptaufgabe des NKWD war es, „antisowjetische<br />
Elemente“ und „Klassenfeinde“ zu verfolgen und „unschädlich<br />
zu machen,“ wobei er sich der äußeren Bespitzelung und<br />
eines umfassenden Netzes von Informanten und Zuträgern<br />
bediente. Um die Verfolgungen zu legalisieren, wurden<br />
neue Gesetze an die Gesetzgebung der UdSSR bzw. der<br />
Russischen Föderation angepaßt und diesen rückwirkende<br />
Gültigkeit verliehen.<br />
Dem Kommissar für Staatssicherheit der Lettischen SSR,<br />
Semjon Schustin, sowie dem Volkskommissar für Inneres,<br />
Alfons Noviks, wurden uneingeschränkte Befugnisse bei der<br />
Erfüllung der kommunistischen Parteibeschlüsse eingeräumt:<br />
Die Unterschrift eines von ihnen war ausreichend, um über<br />
einen Inhaftierten die Todesstrafe zu verhängen. Zu ersten<br />
Verhaftungen kam es bereits vor der Annexion Lettlands<br />
am 5. August 1940. Nach Artikel 58 des Strafgesetzbuches<br />
der Russischen SFSR konnte ein jeder sich des Vorwurfs<br />
„antisowjetischer Aktivitäten“ oder der „Illoyalität gegenüber<br />
dem sowjetischen Regime“ ausgesetzt sehen.<br />
Das am 7. November 1940 mit sowjetischer Symbolik<br />
zum Jahrestag der Oktoberrevolution ausstaffierte – im<br />
Volksmund „das Eckhaus“ genannte – Gebäude des NKWD/<br />
KGB der Lettischen SSR in Riga an der Ecke der Brīvības und<br />
Stabu iela. Text: „23. Oktober“ in russischer Sprache.<br />
Im Herbst 1940 im NKWD-Gebäude eingerichteter<br />
Gefängnistrakt mit Häftlingszellen.<br />
In den Kellerräumen des NKWD-Gebäudes in Riga wurden<br />
Gefängniszellen eingerichtet, in denen den Inhaftierten<br />
zum Teil während wochenlanger Verhöre Geständnisse<br />
abgepreßt wurden, was in der UdSSR gesetzlich zulässig<br />
war. Die übliche Strafe war Tod durch Erschießen oder<br />
langjährige Gefängnishaft, die unter menschenunwürdigen<br />
Verhältnissen in den Speziallagern des GULAG zu verbüßen<br />
war.<br />
Entgegen der unter der nationalsozialistischen Besatzung<br />
verbreiteten Behauptung, der NKWD habe sich hauptsächlich<br />
aus jüdischen Mitarbeitern rekrutiert, belegen neuere Studien,<br />
daß der NKWD-Apparat zum überwiegenden Teil aus Russen<br />
bestand. Lediglich einige Führungspositionen in Lettland<br />
bekleideten Juden wie Schustin, der Volkskommissar des<br />
NKGB, was die Nazipropaganda schamlos ausschlachtete.<br />
Klar ist auch, daß der NKWD, ohne eine größere Zahl an<br />
lettischen Mitarbeitern, an deren Spitze Alfons Noviks stand<br />
und deren Sprach- und Ortskenntnisse unersetzlich waren,<br />
seine Aufgabe in Lettland nicht hätte erfüllen können.<br />
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