PDF-Download - Bayerische Staatsoper
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BmW<br />
münchen<br />
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bmw-muenchen.de<br />
freude am fahren<br />
<strong>Bayerische</strong><br />
staatsoper<br />
Münchner<br />
Opernfestspiele<br />
23.6.–31.7.<br />
Harmonie im einklang.<br />
2012<br />
Sie faszinieren Tausende von Menschen aus aller Welt und sind für viele der Höhepunkt des Jahres: die Münchner Opernfestspiele.<br />
Mit 30 Opernaufführungen, Liederabenden und zahlreichen Konzerten auf höchstem Niveau erfreut das traditionsreiche Festival<br />
Jahr für Jahr sein Publikum – und das schon seit 1875. Ein Hochgenuss in Harmonie – das fördert BMW gern. Deshalb ist die BMW<br />
Niederlassung München Partner der Opernfestspiele. Tauchen Sie ein in eine Welt voller Glanz und Festlichkeit.<br />
Für glänzende Augenblicke auf der Straße, erleben Sie die perfekte Kombination von Sportlichkeit und Ästhetik – mit dem neuen<br />
BMW 6er Coupé. Mit Ausstattungsmöglichkeiten wie dem Bang & Olufsen High End Surround Sound System, dem intelligenten<br />
Allradsystem BMW xDrive und einem Design, das bewegt.<br />
BmW ist Partner der<br />
müncHner oPernfestsPiele.<br />
Das Magazin der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Partner der Münchner Opernfestspiele<br />
BmW münchen<br />
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,3–5,4 l/100 km, CO 2<br />
-Emission kombiniert: 263–143 g/km.<br />
Als Basis für die Verbrauchsermittlung gilt der ECE-Fahrzyklus.<br />
Cover: © Paul J. Milette/Palm Beach Post/ZUMAPRESS.com<br />
MAX JOSEPH 4 Festspielausgabe 2011 – 2012<br />
Dank an<br />
Gesellschaft zur<br />
Förderung der Münchner<br />
Opernfestspiele.
Editorial9<br />
Geoffrey H. Short, towards another (big bang) theory, 2009, courtesy of Diemar/Noble Photography Gallery, London, and Galerie Florence Moll, Paris<br />
„Wagner und der Ring“ – das wäre die kurze Antwort auf die Frage, was die<br />
<strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong> in der Spielzeit 2011/12 am meisten beschäftigt hat. Rund<br />
sechs Monate betrug allein die Probenzeit für die Neuinszenierung von Richard<br />
Wagners Der Ring des Nibelungen. Die lange Antwort durchmisst einen weiten<br />
Bogen, wie es Richard Wagners Werk jenen, die sich ihm stellen, abverlangt. Beschäftigung<br />
mit Wagner bedeutet Auseinandersetzung, Konfrontation, Eintauchen<br />
in einen extremen, reichen Kosmos. Welch vielgestaltige Brücken sich von dort zu<br />
unserem eigenen Kosmos schlagen lassen, das spiegelt das Programm der diesjährigen<br />
Opernfestspiele wider.<br />
Die Erzählung, die Andreas Kriegenburg und sein Team in der Neuinszenierung<br />
des Ring zu Jahresbeginn entfachten, findet mit Götterdämmerung ihren Abschluss.<br />
Das gemeinschaftliche Ausagieren des Mythos mit den Sängern, Musikern,<br />
Statisten und die Teilhabe des Publikums haben den Mythos Stück für Stück<br />
ins Hier und Jetzt transportiert. Die letzte Premiere markiert aber zugleich auch<br />
einen Auftakt: für die Eröffnung der Münchner Opernfestspiele und die Premieren<br />
der Projekte Rund um den Ring, mit denen wir den Ring diesen Sommer in<br />
die Stadt – die Wagnerstadt München – tragen möchten.<br />
Die Polaritäten, mit denen Wagner uns konfrontiert, waren auch Ausgangspunkt<br />
für diese Festspielausgabe von MAX JOSEPH, die dankenswerterweise von<br />
der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele großzügig unterstützt<br />
wird. Andreas Kriegenburg formuliert seinen persönlichen Stand in der<br />
Arbeit am Ring. In gleißend helles Feuer hat das Fotografenteam Porträts der<br />
Ring-Künstler gelegt, während Wolfgang Koch, der den Alberich singt, sich für<br />
unsere Bildstrecke ins Zwielicht begeben hat.<br />
In den Gesprächen mit den Künstlern der Rund um den Ring-Projekte<br />
rückt auch die Person Wagner selbst in den Fokus. Wagner, der Frauenheld, der<br />
Antisemit, der Größenwahnsinnige, das unnachahmliche Genie? Zwei Projekte im<br />
Haus der Kunst setzen sich dies als Thema: Der Berliner Regisseur Sven Holm<br />
stellt in seinem Musiktheater-Happening Wagnerin die Schicksale der Frauenfiguren<br />
im Ring neben die Strategien einer weiblichen Erbfolge in der Dynastie Wagner.<br />
Die israelische Choreographin Saar Magal verfolgt in Hacking Wagner Spuren<br />
des Wagner-Banns in Israel. Für die Frage nach der Dimension, oder schlicht:<br />
Unfassbarkeit des von Wagner in seinem Opus magnum formulierten Weltendes<br />
findet Romeo Castellucci in seiner installativen Arbeit Dämmerung im Raum der<br />
Allerheiligen Hofkirche konkrete Bilder. Und Elfriede Jelinek legt in ihrem hier in<br />
Auszügen abgedruckten Bühnenessay REIN GOLD eine feinsinnige wie brutale<br />
Phänomenologie dieses Endes, dem Ende der Götterherrschaft und dem Ende<br />
ihrer Protagonisten, vor und fragt: Was bleibt?<br />
Zu einer Suche nach der Antwort laden auch die Arbeiten im öffentlichen<br />
Stadtraum ein. Der Installationskünstler Spencer Tunick wird Hunderte von<br />
Menschen zu szenischen Motiven aus dem Ring formieren. Und Oper für alle<br />
wird, dank unseres langjährigen Partners BMW München bei freiem Eintritt,<br />
einmal mehr zeigen, dass Oper durch ihr gemeinschaftliches Erleben lebendig<br />
wird – und bleibt.<br />
Nikolaus Bachler, Staatsintendant
KULTUR<br />
VERBINDET.<br />
Als eines der weltweit führenden Gase- und Engineeringunternehmen wissen<br />
wir: Technik, Erfahrung und Präzision sind die Voraussetzung für höchste<br />
Qualität. So auch in der Musik. Wir freuen uns, die <strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
als Spielzeitpartner zu begleiten. Wir teilen den Anspruch, kontinuierlich<br />
neue Maßstäbe zu setzen. Ob musikalisch oder technologisch – hinter jeder<br />
hervorragenden Leistung stehen Menschen mit Ambition.
INHALTSVERZEICHNIS<br />
MAX JOSEPH 4<br />
Festspielausgabe Spielzeit 2011–2012<br />
Cover<br />
Das Coverfoto zeigt den Jahrgang 2005 des Indian River<br />
Community College in Florida, USA, Studienfach Brandschutz.<br />
Die Studenten legten den Brand in dem drei -<br />
s töckigen Wohnhaus selbst und übten anschließend, ihn zu<br />
löschen.<br />
2<br />
EXPLOSIONEN<br />
Fotoserie von Geoffrey H. Short, für die der neuseeländische<br />
Fotograf Spezialisten für filmische Special<br />
Effects engagierte.<br />
9<br />
EDITORIAL<br />
Von Nikolaus Bachler<br />
18<br />
CONTRIBUTORS / IMPRESSUM<br />
20<br />
REIN GOLD<br />
Ein Bühnenessay von Elfriede Jelinek (Auszug)<br />
28<br />
GÖTTERMACHT UND MENSCHENWERK<br />
Essay von Karsten Fischer<br />
36<br />
DER SONNENSTRAHL IN DER BRANDWOLKE<br />
Andreas Kriegenburg über Götterdämmerung<br />
Foto: Tanja Kernweiss<br />
40<br />
WAGNERINNEN – GWYNETH JONES UND NINA STEMME<br />
Eine Begegnung mit den beiden großen Wagner-<br />
Sängerinnen. Von Pascal Morché<br />
Inhalt MAX JOSEPH 4<br />
48<br />
ZWISCHENWELTEN<br />
Alberich-Darsteller Wolfgang Koch,<br />
fotografiert im Zwielicht<br />
Foto: Michael Dürr<br />
56<br />
FÜR MEIN EMPFINDEN JEDENFALLS<br />
Ein Porträt der Ring-Choreographin<br />
Zenta Haerter.<br />
Von Dorion Weickmann<br />
62<br />
OPER FÜR ALLE<br />
64<br />
PORTFOLIO<br />
Rachell Sumpter & Abdelkader Benchamma<br />
74<br />
EIN TRAUM, WAS SONST<br />
Hausbesuch bei Hans-Jürgen Syberberg in Nossendorf.<br />
Von Peter von Becker<br />
Bild Schwan: Yvonne Gebauer Foto: Tanja Kernweiss<br />
82<br />
„SCHÖNER IST DIE RUINE EINER SCHÖNEN SACHE“<br />
Ein Gespräch zwischen den Festspielkünstlern<br />
Philine Rinnert, Wiebke Matyschok und Sven Holm<br />
91<br />
Mach’s einer nach und breche nicht den Hals<br />
Graphic novel. Von Patrick Widmer<br />
104<br />
IDEOLOGISCHER SPRENGSTOFF<br />
Richard Wagners Musik in Israel.<br />
Von Na’ama Sheffi<br />
110<br />
HACKING WAGNER<br />
Saar Magal über die Motive ihrer Performance<br />
114<br />
DER MENSCHEN RING<br />
Spencer Tunick an den künftigen Orten seiner<br />
Münchner Installation<br />
Foto: Till Janz<br />
Foto: Patrick Desbrosses<br />
Inhalt<br />
Festspielausgabe<br />
122<br />
„DAS LIED IST KEINE MINIOPER“<br />
Ein Gespräch mit Christian Gerhaher.<br />
Von Bernhard Neuhoff<br />
128<br />
VON EINER EMOTIONALEN GEHIRN-ERSCHÜTTERUNG<br />
Das Theater des Romeo Castellucci.<br />
Von Piersandra Di Matteo<br />
Foto: Luca Del Pia<br />
136<br />
STIRB UND KOMM WIEDER<br />
Träumerei zu Themen von Die Walküre<br />
Eine Erzählung von Brigitte Paulino-Neto<br />
145<br />
RINGORDNER<br />
153 AGENDA<br />
154 PLAKATE DER SPIELZEIT 2011/12<br />
166 KÜNSTLER DER MÜNCHNER<br />
OPERNFESTSPIELE 2012<br />
186 DIE PRODUKTIONEN DER MÜNCHNER<br />
OPERNFEStSPIELE 2012<br />
209 SPIELPLAN<br />
218 UM DIE FESTSPIELE VERDIENT GEMACHT<br />
Der Festspielpreis der Gesellschaft zur Förderung<br />
der Münchner Opernfestspiele<br />
223 ENGLISH EXCERPTS<br />
232 SCHÖNE FERIEN!<br />
Urlaubstipps von Festspielkünstlern
Die Bürgerinnen und<br />
Bürger des Freistaates Bayern<br />
Spielzeitpartner<br />
Hauptsponsoren<br />
BMW Niederlassung München – Opernfestspiele<br />
Dr. h. c. Irène Lejeune – <strong>Bayerische</strong>s Staatsballett<br />
Sal. Oppenheim – <strong>Bayerische</strong>s Staatsorchester<br />
Projektsponsoren<br />
AUDI AG<br />
Roland Berger Strategy Consultants<br />
BMW Niederlassung München<br />
Linde AG<br />
Loyalty Partner GmbH<br />
Siemens AG<br />
UBS Deutschland AG<br />
UniCredit Group<br />
Rudolf Wöhrl AG<br />
Premium Circle Atlantik Networxx AG, AUDI AG,<br />
BayernLB, BayWa AG, Ludwig Beck AG, Roland Berger<br />
Strategy Consultants, LA BIOSTHETIQUE PARIS,<br />
BMW Group, BR-KLASSIK, Clifford Chance, EADS<br />
Deutschland GmbH, GE Central Europe, HERMES<br />
ARZNEIMITTEL GmbH, Knorr-Bremse AG, Linde AG,<br />
Linklaters LLP, Loyalty Partner GmbH, Merck Finck & Co,<br />
Privatbankiers, Munich Re, Rudolf und Rosemarie Schels,<br />
Siemens AG, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG,<br />
Stadtsparkasse München, Süddeutsche Zeitung,<br />
UBS Deutschland AG, UniCredit Group, Oliver Wyman<br />
Partner<br />
Classic Circle Anjuta Aigner-Dünnwald, Axis Re Europe,<br />
Benoist & Company GmbH, Böhmler Einrichtungshaus<br />
GmbH, Chris und Veronika Brenninkmeyer, Peter Graf<br />
von Brühl, Hotel Cristal GmbH, Stephanie und Constantin<br />
von Dziembowski, Konsul Otto Eckart, Field Fischer<br />
Waterhouse LLP, Günter Fleischmann, Hans-Peter und<br />
Marian ne Frericks, Katja und Matthias Geier, Goodrich,<br />
gr_consult gmbh, Dr. h. c. Rudolf und Angelika Gröger,<br />
Christa B. Güntermann, Hannover Leasing GmbH & Co. KG,<br />
Herrenbach Apotheke, Hofbräu München, Dorothea und<br />
Hans Huber, Dirk und Marlene Ippen, Sir Peter Jonas,<br />
Feinkost Käfer Verwaltungs- und Beteiligungs KG<br />
Michael Käfer, Wolf-Otto und Renate Kranzbühler,<br />
Jutta und Bernd Kraus, Klaus Josef und Martina Lutz,<br />
Dr. Joachim und Annedore Maiwald, Prof. Dipl.-Ing. Georg<br />
und Ingrid Nemetschek, nova reisen GmbH, Oberbank AG,<br />
Dr. Leonhard und Gertrud Obermeyer, Oligomo<br />
Management GmbH, Orpheus Opernreisen, Franz und<br />
Katharina von Perfall, Peters, Schönberger & Partner,<br />
Dr. Helmut Röschinger, Schaeffler Holding GmbH & Co. KG,<br />
Dr. Bernhard und Jacqueline Schaub, Christian<br />
Schottenhamel, Dr. Stefan Schulz-Dornburg, Dr. Jürgen<br />
und Dr. Elisabeth Staude, Juana und Otto Steinmetz,<br />
Dr. Martin und Eva Steinmeyer, Süd-Chemie AG, Umzüge<br />
Braun, Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Volk, Wacker Chemie AG,<br />
Marianne Waldenmaier, Juwelier Wempe, Familie<br />
Wickenhäuser, Wirsing Hass Meinhold, Xenium AG<br />
Campus Circle Dieter und Elisabeth Boeck Stiftung,<br />
Erika Kaufmann u. Rolf und Caroli Dienst, Vera und<br />
Volker Doppelfeld-Stiftung, Dr. Joachim Feldges,<br />
Wilhelm von Finck Stiftung, Iris und Kurt Hegerich,<br />
Marco Janezic, Silke und Klaus Murmann, nova reisen<br />
GmbH, Eugénie Rohde, Dr. Helmut Röschinger, Dr. Kurt<br />
und Chiona Schwarz, Dr. Jürgen und Dr. Elisabeth<br />
Staude, Dr. Martin und Eva Steinmeyer, Dr. James Swift,<br />
Susanne Wamsler, Georg und Swantje von Werz<br />
EINZIGARTIG WIE IHRE LIEBE<br />
Patron Circle ALR Treuhand GmbH<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Baker & McKenzie,<br />
Bank Julius Bär Europe AG, Beck et al. Services GmbH,<br />
Willy Bogner, Bürklin OHG, CLEVIS Group, Rolf und<br />
Caroli Dienst, EVISCO AG, Herbert und Claudia Graus,<br />
Marianne E. Haas, Dr. Peter und Iris Haller, Iris und<br />
Kurt Hegerich, Nikolaus und Ingrid Knauf, leasing.de AG,<br />
Gisela und Ulfried Maiborn, Zubin und Nancy Mehta,<br />
Nachmann Rechtsanwälte, Riedel Holding GmbH & Co. KG,<br />
PD Dr. Dr. Hans und Monika Rinecker, Dr. Schnell<br />
Chemie GmbH, Dr. Susanne und Dr. Karl Heinz Weiss<br />
Inner Circle Marlene Ippen, Eugénie Rohde, Marion<br />
Schieferdecker, Susanne Wamsler, Swantje von Werz,<br />
Adelhaid Winterstein<br />
Ballet Circle Dr. Peter und Iris Haller,<br />
Michaela Heilbronner, Integra Treuhandgesellschaft mbH,<br />
Dr. h. c. Irène und Erich J. Lejeune<br />
Förderer<br />
Campus Freunde<br />
Freunde des Nationaltheaters München e. V.<br />
Freunde und Förderer der Musika lischen Akademie<br />
des <strong>Bayerische</strong>n Staatsorchesters e. V.<br />
Freundeskreis des <strong>Bayerische</strong>n Staatsballetts<br />
Gesellschaft zur Förderung der Münchner<br />
Opernfestspiele e. V.<br />
Die <strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong> bedankt sich bei ihren Partnern<br />
für die großzügige finanzielle Unterstützung.<br />
Werden Sie Partner!<br />
Informieren Sie sich unter:<br />
Development – Prof. Maurice Lausberg, Melanie Firley<br />
T 089 – 21 85 10 16, F 089 – 21 85 16 40<br />
development@staatsoper.de<br />
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Gesellschaft zur<br />
Förderung der<br />
Münchner Opernfestspiele<br />
Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung der Münchner<br />
Opernfestspiele reicht zurück bis ins Jahr 1958. Damals<br />
begann der Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Münchner<br />
Nationaltheaters. Im gleichen Jahr, am 11. April 1958,<br />
gründeten mehrere Einzelpersönlichkeiten und Unternehmen<br />
die Gesellschaft. Sie vereint derzeit 425 Opernfreunde in dem<br />
Gedanken, dass die Münchner Opernfestspiele nicht nur ein<br />
hochkultureller „Event“ für wenige sind, sondern auch vom<br />
Bewusstsein der Allgemeinheit getragen werden sollen. Dafür<br />
setzt sich die Gesellschaft sowohl ideell wie gesellschaftlich,<br />
publizistisch und, nicht zuletzt, finanziell ein. In ihren<br />
Gremien sind Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Lebens vertreten, die beispielgebend<br />
die mäzenatische Grundeinstellung der Gesellschaft verkörpern<br />
und aktiv nach außen tragen. Mit den gesammelten<br />
Spenden und Mitgliedsbeiträgen (steuerlich absetzbar) fördert<br />
die Gesellschaft gezielt Neuproduktionen und andere<br />
künstlerische Projekte der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong>.<br />
Gesellschaftlicher Höhepunkt des Vereinslebens ist<br />
der Staats empfang zur Eröffnung der Opernfestspiele. Die<br />
Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele<br />
ist zusammen mit dem <strong>Bayerische</strong>n Ministerpräsidenten<br />
Gast geber dieses glanzvollen Ereignisses in den Räumen der<br />
Münchner Residenz. Eine weitere Möglichkeit zu Information<br />
und freundschaftlichem Miteinander bietet die jährliche<br />
Mitgliederversammlung, bei der die Mitglieder vom Inten -<br />
danten der <strong>Staatsoper</strong> persönlich über Programm und Pläne<br />
seines Hauses informiert werden.<br />
1965 wurde erstmals der Festspielpreis verliehen. Die<br />
Ge sellschaft will damit Persönlichkeiten des Münchner<br />
Opern lebens auf und hinter der Bühne auszeichnen, die<br />
sich besonders um die Festspiele verdient gemacht haben.<br />
Der Preis war 2011 mit 26.000 Euro dotiert und ist zu einer<br />
Tradition geworden. Eine lange Tradition hat auch die<br />
jährlich herausgegebene Festspielpublikation.<br />
Nähere Infos erhältlich über die Geschäftsstelle der<br />
Gesellschaft (T 089 – 37 82 46 47) oder unter<br />
www.opernfestspielgesellschaft-muenchen.de.<br />
Schirmherr<br />
Der <strong>Bayerische</strong> Ministerpräsident<br />
Ehrenpräsidium<br />
Der <strong>Bayerische</strong> Staatsminister für Wissenschaft,<br />
Forschung und Kunst<br />
Der <strong>Bayerische</strong> Staatsminister der Finanzen<br />
Der <strong>Bayerische</strong> Staatsminister für Wirtschaft,<br />
Infrastruktur, Verkehr und Technologie<br />
Der ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft,<br />
Dr. Ing. Dieter Soltmann<br />
Ehrenvorsitzender<br />
Erhardt D. Stiebner<br />
Vorstand<br />
Dieter Rampl, 1. Vorsitzender<br />
Nikolaus Bachler<br />
Axel Bartelt<br />
Friedgard Halter, Schriftführerin und<br />
gesch.führendes Vorstandsmitglied<br />
Dr. Ingo Riedel<br />
Toni Schmid<br />
Dr. Wolfgang Sprißler, Schatzmeister<br />
Dr. Jörg D. Stiebner<br />
Gregor Vogelsang, 2. Vorsitzender<br />
Kuratorium<br />
Prof. Dr. Clemens Börsig, Vorsitzender<br />
Dr. Karl-Hermann Baumann<br />
Karin Berger<br />
Dr. Laurenz Dominik Czempiel<br />
Hanns-Jörg Dürrmeier<br />
Dr. Kurt Faltlhauser<br />
Olga Haindl<br />
Franz Haniel<br />
Dr. Walter Hohlefelder<br />
Marlene Ippen<br />
Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau<br />
Dr. Stefan Lippe<br />
Dr. Helmut Röschinger<br />
Maria-Elisabeth Schaeffler<br />
Dr. jur. Georg Graf von Schall-Riaucour<br />
Michael Schneider<br />
Jeanette Scholz<br />
Dr. Henning Schulte-Noelle<br />
Prof. Dr. Wilhelm Simson<br />
Manfred Wutzlhofer<br />
Nachstehende Persönlichkeiten und Firmen<br />
unterstützen als fördernde Mitglieder die Arbeit der<br />
Gesellschaft in besonderem Maße:<br />
Christian Bahner Erben<br />
Joachim Bringfried Brunckhorst und<br />
Frau I. Julia Brunckhorst<br />
Rosemarie Dieterich<br />
Jan Geldmacher<br />
Dr. Konrad Göttsberger<br />
Dr. Altrud Ute Gottauf<br />
Olga Haindl<br />
Ulrike Hübner<br />
Marlene Ippen<br />
Helga Kreitmair<br />
Doris Kuffler<br />
Traudi Kustermann<br />
Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau<br />
Dagmar Lipp<br />
Dr. Traudl Schäffer-Lissmann<br />
Dr. Jörg Mittelsten Scheid<br />
Dr. med. Margret Rembold<br />
Dr. Christine Reuschel-Czermak<br />
Dr. Helmut Röschinger<br />
Marianne Schaefer<br />
Dr. Friedrich K. Schieferdecker<br />
Rosalie Schlemmer und Jakob Schlemmer<br />
Dr. Dr. h. c. Albrecht Schmidt<br />
Dr. Roland Schulz<br />
Dr. Matthias Schüppen<br />
Prof. Dr. Wilhelm Simson<br />
Walter Singer und Dr. Peter Anton<br />
Dr. Ing. Dieter Soltmann<br />
Ursula Soltmann<br />
Andrea M. Spielmann<br />
Ursula Steiner-Riepl<br />
Bernhard Tewaag<br />
Stefan Vilsmeier<br />
Gregor Vogelsang<br />
Christine Volkmann<br />
Swantje von Werz<br />
Reinhilde Wilhelm<br />
Allianz SE<br />
<strong>Bayerische</strong> Landesbank<br />
<strong>Bayerische</strong> Landesbausparkasse<br />
Burda Creative Group GmbH<br />
Commerzbank AG<br />
Deutsche Bank AG<br />
Donner & Reuschel AG<br />
EADS Deutschland GmbH<br />
Fürst Fugger Privatbank KG<br />
Kunert Holding GmbH & Co.KG<br />
LfA Förderbank Bayern<br />
LHI Leasing GmbH<br />
Molkerei Meggle Wasserburg GmbH & Co. KG<br />
Messe München GmbH<br />
Riedel Holding GmbH & Co. KG<br />
SKF GmbH<br />
Swiss Re Europe S. A.<br />
UniCredit Bank AG<br />
Wacker-Chemie AG<br />
17
Impressum<br />
Contributors<br />
Magazin der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
www.staatsoper.de/maxjoseph<br />
Max-Joseph-Platz 2 / 80539 München<br />
T 089 – 21 85 10 20<br />
F 089 – 21 85 10 23<br />
www.staatsoper.de<br />
Na’ama Sheffi<br />
Seite 104<br />
Piersandra Di Matteo<br />
Seite 128<br />
Philipp Fürhofer<br />
Seite 28<br />
Foto Fürhofer: Marcus Höhn<br />
München<br />
Residenzstrasse 6<br />
089 238 88 50 00<br />
Wien<br />
Am Kohlmarkt 4<br />
01 535 30 53<br />
www.akris.ch<br />
E-Mail<br />
maxjoseph@staatsoper.de<br />
Herausgeber<br />
Staatsintendant Nikolaus Bachler<br />
(V.i.S.d.P.)<br />
Redaktionsleitung<br />
Maria März<br />
Gesamtkoordination<br />
Christoph Koch<br />
Redaktion<br />
Miron Hakenbeck, Rainer Karlitschek,<br />
Olaf A. Schmitt, Benedikt I. Stampfli,<br />
Martina Stütz<br />
Bildredaktion<br />
Yvonne Gebauer, Julia Schmitt<br />
Gestaltung<br />
Bureau Mirko Borsche<br />
Mirko Borsche, Johannes von Gross,<br />
Max Prediger, Judith Schröder<br />
Autoren<br />
Jennifer Becker, Peter von Becker,<br />
Daniel Ender, Karsten Fischer,<br />
Elfriede Jelinek, Simon Keenlyside,<br />
Saar Magal, Piersandra Di Matteo,<br />
Wiebke Matyschok, Nadja Michael,<br />
Pascal Morché, Bernhard Neuhoff, Brigitte<br />
Paulino-Neto, Na’ama Sheffi, Harald B. Thor,<br />
Dorion Weickmann<br />
Fotografen & Illustratoren<br />
Abdelkader Benchamma, Sydney<br />
Couldridge, Patrick Desbrosses, Michael<br />
Dürr, Martin Fengel, Philipp Fürhofer,<br />
Yvonne Gebauer, Gian Gisiger,<br />
Martin Haake, Wilfried Hösl, Till Janz,<br />
Tanja Kernweiss, Benjamin Krieg,<br />
Paul J. Milette (Palm Beach Post/<br />
ZUMAPRESS.com), Jindrich Novotny,<br />
Geoffrey H. Short (mit bestem Dank an die<br />
Diemar/Noble Photography Gallery, London,<br />
und die Galerie Florence Moll, Paris),<br />
Sebastian Stadler, Rachell Sumpter,<br />
Patrick Widmer<br />
Übersetzungen<br />
Ed Einsiedler, Fränk Heller,<br />
Raffaella Marini, Laura Schieferle,<br />
Adina Stern, Dawn Stinson<br />
Marketing<br />
Laura Schieferle<br />
T 089 – 21 85 10 27 / F 089 – 21 85 10 33<br />
marketing@staatsoper.de<br />
Schlussredaktion<br />
Christiane Fritsche<br />
Anzeigenleitung<br />
<strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong>:<br />
Imogen Lenhart<br />
T 089 – 21 85 10 06 / anzeigen@staatsoper.de<br />
Verlag:<br />
Doris Bielstein<br />
T 040 – 27 17 20 95 / doris.bielstein@jalag.de<br />
Lithografie<br />
MXM Digital Service, München<br />
Druck<br />
Gotteswinter, München<br />
ISSN<br />
1867-3260<br />
Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Na’ama Sheffi ist promovierte<br />
Historikerin und Leiterin<br />
der School of Communication<br />
am Sapir College in<br />
Sderot, Israel. Die Autorin<br />
von mehreren Büchern hat<br />
den Stellenwert Richard<br />
Wagners in Israel intensiv<br />
untersucht, u. a. in Der Ring<br />
der Mythen. Die Wagner-<br />
Kontroverse in Israel (2002).<br />
In dieser MAX JOSEPH-<br />
Ausgabe zeichnet sie die<br />
Geschichte dieses Konflikts<br />
nach und spricht auch von<br />
ihrer persönlichen Begegnung<br />
mit Wagners Musik.<br />
Ab S. 104.<br />
Till Janz<br />
Seite 74<br />
Dem Zauber eines besonderen<br />
Tages ist es geschuldet,<br />
dass die Bilder zur MAX<br />
JOSEPH-Geschichte über<br />
den Filmregisseur Hans-<br />
Jürgen Syberberg nicht nur<br />
in eine, sondern in zwei<br />
Richtungen veröffentlicht<br />
wurden. Aus dem Wagnis des<br />
Besuchs des Berliner<br />
Fotografen, der in London<br />
lebt, wurde ein Spiel, und<br />
Syberberg, ganz Meisterregisseur,<br />
setzte das Fotografenteam<br />
selbst in Szene.<br />
Die Fotografien sind zu<br />
sehen ab S. 74 und unter<br />
www.syberberg.de<br />
Piersandra Di Matteo<br />
veröffentlicht und verwirklicht<br />
ihre Gedanken über<br />
Theater als Dramaturgin und<br />
freie Kuratorin, als Forscherin<br />
der Universität von<br />
Bologna und als Mitbegründerin<br />
der Plattform Mont<br />
Analogue. Seit 2008 arbeitet<br />
sie mit dem italienischen<br />
Regisseur Romeo Castellucci<br />
zusammen, der zu den<br />
Opernfestspielen seine<br />
Installation Dämmerung<br />
zeigen wird. Für MAX<br />
JOSEPH formuliert sie das<br />
Innere seines faszinierenden<br />
Theaters. Ab S. 128.<br />
Tanja Kernweiss und<br />
Patrick Desbrosses<br />
Seiten 36, 56, 84, 130<br />
Die Fotografen Tanja Kernweiss<br />
und Patrick Desbrosses<br />
haben für diese Ausgabe<br />
ihre Porträts von Festspielkünstlern<br />
in Feuer gelegt –<br />
nicht im übertragenen Sinn,<br />
nicht digital, sondern material:<br />
Feuerzeugflammen und<br />
Feuer werkskörper flogen für<br />
die Dauer der Langzeitbelichtung<br />
über ihre Bilder. Das<br />
Handwerk zur Experimentierfreude<br />
haben beide Foto grafen<br />
während des Fotodesign-<br />
Studiums in München und des<br />
Meisterkurses 2009 an der<br />
Ostkreuzschule Berlin erlernt.<br />
Die Leuchtkästen von Philipp<br />
Fürhofer, die den Essay dieser<br />
Ausgabe bebildern, kann man<br />
wie Guckkästen betrachten:<br />
von vorne ein räumliches<br />
Motiv, von der Seite die<br />
Illusion sichtbar machend.<br />
Die Nähe zum Bühnenbild ist<br />
nicht zufällig. Fürhofer, der<br />
2008 die Meisterklasse der<br />
Berliner Akademie der Künste<br />
abschloss, hat 2011 mit<br />
Regisseur Stefan Herheim<br />
das Bühnenbild für Parsifal in<br />
Amsterdam entworfen.<br />
Welches Thema die Leuchtkästen<br />
haben? Den Ring des<br />
Nibelungen. Ab S. 28.<br />
Peter von Becker<br />
Seite 74<br />
Peter von Becker lebt als<br />
Schriftsteller und Kulturautor<br />
des Tagesspiegel in Berlin,<br />
dessen Kulturredaktion er bis<br />
2005 leitete. Seine Texte und<br />
Bücher erschienen seit den<br />
1970er Jahren in den führenden<br />
Zeitungen und Verlagen.<br />
Er gehört dem Direktorium<br />
des Forum du Théâtre<br />
Européen an und hat für die<br />
Berliner Universität der<br />
Künste weltweit über Theater<br />
und Literatur gelesen. Sein<br />
Text über die Begegnung<br />
mit dem Filmregisseur<br />
Hans-Jürgen Syberberg ist zu<br />
genießen ab S. 74.<br />
Foto von Becker: DER TAGESSPIEGEL/Mike Wolff Foto Kernweiss: Lena Alger<br />
Akris steht für selbstverständlich wirkende<br />
Mode, die den Bedürfnissen der Frau von<br />
heute entspricht. Für eine Mode, die genuine<br />
Kreativität und technische Innovation mit<br />
Tragbarkeit verbindet und dank ihrer klaren,<br />
architektonisch anmutenden Linienführung<br />
über den Tag hinaus Gültigkeit besitzt.
Elfriede Jelinek<br />
Auszug21<br />
REIN GOLD<br />
Ein Bühnenessay<br />
Bild Yvonne Gebauer, Seite 24–25<br />
B: Brünnhilde<br />
W: Wotan, der Wanderer<br />
[…]<br />
W: […] Du auch, Kind. Du wirst auch brennen, und du wirst<br />
das auch wollen. Alle wollen es, alle brennen darauf zu brennen.<br />
Es wird uns Götter, die wir uns sind, die wir für uns sind,<br />
und heute gehört uns Walhall und morgen nichts mehr, denn es<br />
wird uns nicht mehr geben. Es wird besser sein. So. Wenn die<br />
Menschen sich in Lügen und Widersprüche verwickeln, wie der<br />
Staat sich verwickelt, wenn alle mehr sein wollen, als sie sein<br />
können, dann sind wir überflüssig. Der Leviathan, der Staat in<br />
kurzen Ärmeln, dafür mit vielen Armen, will sich für die Ewigkeit<br />
setzen, wie wir Götter, und wir alle sind tot, bevor wir<br />
gelebt haben. Wir verstehen nichts mehr, jetzt schon. Ich zum<br />
Beispiel verstehe das mit dem rosa Panther nicht mehr, das<br />
schnall ich nicht, ich habe den Film nicht gesehen (oder es ist<br />
zu lang her, daß ich ihn sah), den hätte ich vielleicht noch verstanden,<br />
aber ich verstehe nicht, was aus dem Panther geworden<br />
ist. Das verstehe ich nicht mehr. Daß diese Menschen mit<br />
ihrer Pistole den Staat zum Einstürzen bringen wollten. Das<br />
verstehe ich nicht. Sie hätten sich auf uns, die Götter, verlassen<br />
können. Wir machen das schon. Wir wollen ja auch nichts anderes,<br />
na ja, vielleicht nicht alle von uns, aber ich jedenfalls<br />
will, daß alles zusammenbricht, was ich gebaut habe, ich will<br />
mein Werk aufgeben, ich will es beim Wandern nicht mitnehmen<br />
müssen, und auch wenn ich dann zu Hause sein werde, will<br />
ich mit meinem Werk zusammen untergehen, das haben die<br />
Deutschen schon immer gewollt, und so wird es auch gemacht,<br />
so ist es ausgemacht, ich will das Ende, nur eins noch, und das<br />
ist auch: das Ende. Und noch eins: das Ende. Mehr fällt mir<br />
nicht ein, das Ende heißt ja, daß es danach nicht weitergeht,<br />
doch eins geht und geht immer noch, das Ende, und danach<br />
noch einmal: das Ende. Aber das Ende ist noch nicht das Ende,<br />
bevor man nicht auch das Gedächtnis gelöscht hat. Dann erst<br />
Ende. Ich sehe, daß das Gedächtnis bereits sorgfältig gelöscht<br />
wurde. Wo wir etwas zu sehen glaubten, ist es leer. Da muß<br />
einer irrtümlich den Ring berührt haben, und jetzt kann er<br />
nicht mehr davon lassen. Der Wohnwagen fliegt in die Luft, die<br />
Wohnung brennt, die Katzen vorher ausgelagert, damit ihnen<br />
nichts passiert, das arme Pferd aber darf ins Feuer springen.<br />
Die Katzen gerettet, das Pferd nicht. Das Selbstopfer ist beschlossen,<br />
aber die Pistole werden sie noch finden, mehrere<br />
Pistolen und andre Metallwaren werden sie finden, nachdem<br />
das Opfer gebracht worden ist, die Selbstverbrennung, der<br />
Sprung in die Flammen, die Walküre hätte sich retten können,<br />
du, Kind, hättest eine Ausnahme sein können, aber du willst ja<br />
nicht, und wir sind jetzt auch alle tot. Größer im Entsagen sind<br />
wir, als wir je Morde, Tote begehrten. Zehn Menschen erschossen,<br />
aber am größten sind wir, wenn wir uns opfern wie Wotan,<br />
wie ich, das Selbstopfer ist also beschlossen, größer im Entsa-
REIN GOLD 23<br />
gen, ja, wir sagten es schon und entsagen uns jetzt, daß wir<br />
noch leben sollen. Wir entsagen dem, was wir begehrten, und<br />
das ist immer das Leben, doch wir haben den Tod gebracht,<br />
und jetzt ist das unser Ende, es darf unser Ende sein, wir opfern<br />
uns wie Wotan, wie ich, wir haben kein Kind, für das wir<br />
uns opfern, na, opfern wir uns halt einfach so, denn wir fühlen<br />
uns jetzt allmächtig und fähig, uns zu opfern. Der Wille wird<br />
zur Tat, die wir bereits zehnmal ausgeführt haben, jetzt gegen<br />
uns, warum sollte das schwieriger sein, nun ja, es ist schwieriger,<br />
sich selbst zu opfern als andre zu opfern. Das Feuer. Das<br />
Ende. Wir haben da keine Furcht mehr, wir haben auch keine<br />
Vorurteile gegen das Ende mehr, es kann kommen, wir haben<br />
es ursprünglich abgelehnt, wenn auch nur für uns, nicht für<br />
andre, für die haben wir es herbeigeführt, aber jetzt können<br />
wir das Ende auch für uns herzlich begrüßen, bitte Ende, komm<br />
doch herein, du bist willkommen! Keine Furcht, kein Bangen<br />
können uns mehr fesseln, keine Angst vor dem Tod. Mit derselben<br />
Leidenschaft, mit der wir früher das Leben begehrten, indem<br />
wir es anderen nahmen, ganzen zehn Personen genommen<br />
haben, nehmen wir es jetzt uns selbst. Gibt es einen, der sich<br />
freiwillig meldet, der für uns weiterleben will und in dem wir<br />
weiterleben können? Noch mehr Helden? Meldet sich keiner?<br />
Nicht wenigstens einer? Kein Freiwilliger? Dann ist es eben<br />
nur für uns das Ende, und die Walküre darf zünden und gehen.<br />
Dem Fremden sind feindlich wir, aber er ist uns doch das<br />
Liebste, denn er darf fallen, durch uns. Klingt komisch, ist aber<br />
wahr. So wie Wotan vom Ring total angefixt war, obwohl man<br />
ihm ja gesagt hatte, der wird sein Ende sein, die Selbstvernichtung,<br />
indem man etwas will. Gut, wir gehen jetzt in die Flammen.<br />
Wir erschießen uns, einer den andern, dann der letzte<br />
sich selbst, und Abmarsch in die Flammen. Was bleibt? Was<br />
bleibt von uns? Diese lustige Figur, dieser Panther, der ist die<br />
eine Münze zuviel, daß dem Onkel Dagobert der Speicher einstürzt.<br />
Eigentlich ist er ein Edelstein gewesen, einmal ein echter<br />
Edelstein, etwas Kostbares, den Namen verdankt er einer<br />
seltsamen Einsprengung, einer pantherförmigen Rune, so habe<br />
ich es verstanden. So lebt er fort, außer, man zündet ihn an.<br />
Egal. Das Schwert ist geschmiedet, von Helden gemacht, nur<br />
der eine oder der andre kann es, das Schmieden aus Eisenfeilspänen,<br />
und er benutzt es auch, dieses Können. Während du,<br />
Kind, sorglos schläfst, hüpft der nette Panther also ums Feuer<br />
herum. Bis zum Ende. Daß ihm das nicht langweilig wird! Nein,<br />
er kann jetzt aufhören, das ist schon das Ende. Man endet<br />
selbst, sonst ist es kein richtiges Ende. Nur dieses Ende, daß<br />
man selbst endet, ist auch eins. Du siehst ihn nicht, aber er ist<br />
da, er ist immer da, bis er zu Ende ist. Er will nicht mehr weiter,<br />
er kann nicht mehr weiter, er will und bekommt das Ende.<br />
Wo die Denker am Ende sind, fangen die Tiere an zu denken,<br />
und dann fangen sogar die Künstler damit an. Du merkst es<br />
gar nicht. Dich stört er nicht, Kind. Nichts stört dich mehr.<br />
Mich auch nicht, aber ich verstehe ihn nicht. Ein Plüschtier, ein<br />
bloßes Zeichen, dazu auch noch gezeichnet, gezeichnet wie wir<br />
vom Tod, gezeichnet wie das Leben von Zerstörung, überzeichnet<br />
wie eine Aktie, die begehrt ist, gleich nach der Ausgabe,<br />
man kriegt gar keine mehr, gleich überzeichnet, auch in Plüsch<br />
erhältlich, eine Trickfigur wie die lustige Geldvermehrung, in<br />
der alles gipfelt, was es nicht bis auf den Gipfel schafft! Der<br />
Ehrgeiz bringt diese Leute dorthin. Die bringen Leute um, die<br />
Germanen, die aber auch enden, wie wir, ihre Götter, wie alles,<br />
wie der Göttervater im Führerbunker, wie seine Gattin, die<br />
nicht immer dasselbe wollte wie er, aber dasselbe bekommen<br />
hat, den Tod, alle wollen enden, das ist das Ende von allen, von<br />
uns haben sie es schließlich gelernt, wie man Schluß macht.<br />
Macht viel Arbeit, ist aber befriedigend bis genügend. Ausreichend.<br />
Alle im Feuer verbrannte Arbeit ist vergangene Arbeit.<br />
Alle ans Töten verwendete Arbeit ist vergangene Arbeit, bevor<br />
sie noch beginnt. Sie wurde bereits zehnmal eingesetzt, mindestens!,<br />
und verbraucht. Ende der Arbeit und aus. Was bleibt?<br />
Gegenstände. Sonst nichts. Der Schatz wieder im Rhein, das<br />
Schätzchen in seiner Zelle, alle lieb zueinander und zu einem<br />
oder mehreren andren zu Lebzeiten, wenn auch nicht zu uns,<br />
wenn auch nicht zu zehn Personen, sonst zu vielen, vielleicht zu<br />
allen, lieb, sie waren trotzdem da, sie waren da, und jetzt haben<br />
sie geendet. Alle tot, was nicht heißt, daß sie auch alle geendet<br />
hätten, aber alle tot jetzt. Was bleibt? Gegenstände, Schutt,<br />
Müll. Ich mache mir nicht die Mühe, mir auf sie einen Reim zu<br />
machen, gereimt ist hier alles, doch darauf kann ich mir keinen<br />
Reim machen, eigentlich schade, alle tot, alle tot, was bleibt:<br />
Autogrammkarte Cindy aus Marzahn, 3D-Brille, Katzenimpfpass,<br />
Gutschein Zähnebleaching, Halstuch mit Panther-, nein,<br />
Leopardenmuster, Lederschnürstiefel, Bügeleisen Microstar,<br />
rote Weihnachtsmannmütze in Übergröße, Socken rot-weißblau-braun<br />
geringelt, Aschenbecher mit acht Kippen, fast verbrannt,<br />
doch nicht ganz, Nintendo-Spiel, das Buch „1000 – Die<br />
besten Backrezepte“. Das könnte auch in andren Wohnungen<br />
sein, allein oder mit anderen. Schon seltsam, was alles ein Feuer<br />
übersteht! Zu früh gelöscht vielleicht die Lohe. Bloß die<br />
Zwerge hämmern immer noch drauf, obwohl da nichts mehr<br />
liegt, das sich noch formen ließe. Zu Ende. Es bleibt allein übrig,<br />
was es auch ist. Kind, du bist jetzt auch allein. Die sind alle<br />
tot, wir werden alle enden, falls sie es noch nicht getan haben,<br />
ich werde wissen, daß nichts geblieben ist, nichts von mir, meine<br />
Kinder alle tot, aber wenn ich untergehen muß, dann richtig,<br />
dann will ich meine Welt nicht solchen Leuten überlassen.<br />
Ich weiß jetzt aber nicht einmal, wer diese Leute überhaupt<br />
sind. Mein Fehler. Ich weiß nur, daß ich ihnen nichts lassen<br />
möchte. Entschuldige, Kind. Du hast viel aushalten müssen mit<br />
mir, weil ich so streng war. Du hast deinen Vater ertragen, du<br />
hast ihm folgen müssen. Jetzt darfst du schlafen. Ruh dich aus,<br />
Kind! Schlaf auf dem Felsen, schlaf weiter, schlaf, wenn ich es<br />
dir doch sage, Kind! Du jammerst zwar ununterbrochen, als<br />
wärst du nicht meine Tochter: Papa liebt mich nicht, er hat<br />
mich nie geliebt, er muß immer was Neues lieben, aber nie<br />
mich!, so geht das in einem fort. Nicht die Tochter. Alle anderen,<br />
bloß nicht die eigene Tochter! Aber die Liebe ist kein<br />
Selbstzweck. Wenn du sie nicht kriegst, dann hast du sie eben
REIN GOLD 27<br />
nicht. Dann hat sie ein andrer, oder es gibt sie gar nicht. Die<br />
Katzen wurden gerettet, die Männer sind tot und entflammt<br />
von sich selbst. Die paar Gegenstände übrig, nichts wert. Nichts<br />
wert, für niemanden etwas wert. Nur der Wert selbst ist ewig.<br />
Der Wert ist meins. Ich bin für die Werte zuständig, auch wenn<br />
sie von jemand anderem kommen, auch wenn sie mir aufgezwungen<br />
werden von der Gattin, sie sind und bleiben doch<br />
Werte. Viele sterben für sie. Auch ich könnte für sie sterben.<br />
Die Werte sind meine Kinder. Meine Kinder sterben auch, und<br />
ich sterbe für sie und wegen ihnen. Alles tot. Alles, was ist,<br />
endet. Die Liebe der Zweck, aber auch sie verrate ich ja. Nur<br />
das Geld ist ewig. Das Geld bleibt, nur hat es ein andrer. Dem<br />
bleibt das Geld dann, auf ewig, oder es bleibt ihm eben nicht.<br />
Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist Selbstzweck, was<br />
meine Liebe zu euch nicht ist, obwohl ihr dann alle tot seid, nur<br />
das Geld als Kapital, geschaffen unschuldig von Zwergen, später<br />
riesig, Kapital, angewachsen zu einem gigantischen Haufen<br />
(schade, daß die Riesen das nicht mehr sehen!), den Menschen<br />
nicht mehr übersehen, umschließen, forttragen, schaffen, wieder<br />
ausgeben, vergeuden, dem Menschen nichts mehr antun<br />
können, denn das Geld ist unzerstörbar, und die Verwertung<br />
des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung<br />
der Zirkulation, die einfach, nein, nicht einfach, aber<br />
doch: Natur ist. Alles, was Natur ist, endet. Dies aber nicht.<br />
Dies ist das einzige, das nicht endet, das nie endet. Wir springen<br />
ins Feuer, andre verbrennen, wir verbrennen wieder andre,<br />
aber dies endet nie! Alles, was wird, stirbt, das aber nicht. Der<br />
Wohnwagen brennt, die Wohnung ist entflammt, alles steht in<br />
Flammen, doch keiner ist für uns entflammt. Nur eines lebt.<br />
Da regt sich was und vermehrt sich! Wir könnens nicht sein,<br />
aber da bewegt sich noch was. Die Bewegung des Kapitals ist<br />
ja maßlos. Die hört nicht auf. Aber du, Kind, jammerst, weil<br />
dich der Papa nicht liebt! Schau dir das Geld an, das muß nicht<br />
geliebt werden, obwohl selbstverständlich alle es tun. Vom Kapitalisten<br />
geht das Geld aus, zu ihm kehrt es wieder zurück,<br />
immer mehr, als es war. Er ist der Ausgangspunkt, und er ist<br />
die Brust, zu der es zurückkehrt, das Geld. Schmatz! Sogar ich,<br />
ein Gott, bin tot, typisch, Gott ist für euch gestorben, aber das<br />
Geld lebt. Da lebt noch was, Gott sei Dank, oh, Entschuldigung,<br />
keiner mehr da, dem wir dafür danken können! Nur das<br />
Geld als Sein, als Selbst, als Zweck, als Ich ist noch da. Die<br />
Verwertung des Werts, der objektive Inhalt seines Wanderns,<br />
wie meines Wanderns früher, als ich noch konnte, als ich noch<br />
gehen konnte, als ich meine liebe Lanze noch hatte, bevor ein<br />
Idiot sie mir zerbrochen hat, das waren noch Zeiten! So, aber<br />
das Geld wandert, ohne daß es gehen könnte, das ist sein<br />
Zweck, und nur die immer mehr zunehmende Anhäufung und<br />
die immer fortwährende Aneignung von Reichtum ist das Motiv<br />
seiner Verrichtungen und meiner Vernichtung. Schau nur,<br />
Kind, wie brav das Geld es macht! Nimm dir ein Beispiel! Es<br />
wird nie müde. Es geht und kommt wieder, mehr als es war.<br />
Aber du jammerst, willst schlafen, mußt einschlafen, der Papa<br />
will es. Du zirkulierst nicht mehr, bist nicht mehr in Umlauf,<br />
man sieht dich nirgends mehr, daher verlierst du deinen Wert.<br />
Der Held wird dich vergessen, weil du dich nicht bewegst, um<br />
mehr zu werden, was bedeutet: sein zu bleiben. Du hättest<br />
schon auch selber was dazu tun müssen, daß der Held dir bleibt.<br />
Aber es macht nichts. Der Kapitalist, nicht als Person, da ist er<br />
völlig uninteressant, sondern personifiziertes, mit Willen und<br />
Bewußtsein begabtes Kapital! Das begabte Kind ist nichts dagegen!<br />
Nicht einmal der Gewinn ist etwas, das zählt! Nicht einmal<br />
der Gewinn ist wichtig, nichts ist wichtig, nur das rastlose<br />
Gewinnen, die rastlose Bewegung des Gewinnens, die Rastlosigkeit,<br />
nicht die, zu wandern, sondern die, mehr zu werden.<br />
Der Kapitalist wird zum Geld. Der Besitzer wird zu seinem<br />
Schatz. Diese leidenschaftliche Jagd! Schau, wie dein Papa es<br />
macht: So ist es recht. So ist es gut. Soll ich es dir am Beispiel<br />
des Schatzes erläutern? Nein, ich werde es dir nicht am Beispiel<br />
des Schatzes erläutern, aber ich könnte es tun, weil die<br />
blöden Riesen und die depperten Zwerge und noch mindestens<br />
zweihundert Personen, die gar keine richtigen Personen sind,<br />
manche sind nur Geschöpfe, Wesenheiten, Waldgeschöpfe, die<br />
packen und fassen mögen, nichts andres können sie, weil die<br />
alle, nein, nicht alle, aber ein paar von ihnen dermaßen hinter<br />
diesem Schatz her sind. Das ist schon ein Thema, finde ich, wir<br />
könnten es in unserer nächsten Sendung behandeln, die nie abgeschickt<br />
und auch keiner Behandlung bedürfen wird. Mein<br />
Börsenberater sagt immer: kein Thema. Aber es ist eins. Es ist<br />
ein großes Thema. […]<br />
Der Text ist dem Bühnenessay<br />
REIN GOLD von<br />
Elfriede Jelinek entnommen.<br />
Copyright ©<br />
Elfriede Jelinek, 2012<br />
Aufführungsrechte:<br />
Rowohlt Theater Verlag,<br />
Reinbek bei Hamburg<br />
REIN GOLD –<br />
Ein Bühnenessay<br />
Urlesung am Sonntag,<br />
1. Juli 2012,<br />
Prinzregententheater<br />
Elfriede Jelinek ist Autorin eines<br />
umfangreichen Werks von Romanen,<br />
Theaterstücken, Hörspielen<br />
und Essays. Zuletzt wurden das<br />
„Begleitstück“ FaustIn and out<br />
(2012) und Kein Licht (2011) in<br />
Zürich und Köln uraufgeführt. Für<br />
ihre wortgewaltigen Texte erhielt<br />
die Österreicherin 2004 den Nobelpreis<br />
für Literatur und zählt zu<br />
den wichtigsten literarischen<br />
Stimmen der Gegenwart. Sie lebt<br />
in Wien und München.
28<br />
Göttermacht und<br />
Menschenwerk<br />
29<br />
Von der Entwicklung der<br />
Demokratie dank Selbstbewusstsein<br />
und Selbstbeschränkung<br />
Essay Karsten Fischer<br />
Bilder Philipp Fürhofer<br />
Siegfried II, 2012<br />
Acryl und Öl auf Acrylglas, Haushaltsschwämme, Lappen<br />
und Fotodruck, 124 x 122 x 10 cm<br />
Politischer Wandel<br />
als Frage der Perspektive<br />
Bis weit in die europäische Neuzeit hinein<br />
haben Gesellschaften politische<br />
Machtwechsel mit geradezu apokalyptischen<br />
Befürchtungen verbunden.<br />
Denn gleich, ob man an eine für Götter<br />
wie Menschen verbindliche Weltordnung<br />
glaubte, wie sie die Ma’at im<br />
alten Ägypten bezeichnete, oder an<br />
eine vom souveränen Schöpfergott<br />
gewünschte Ordnung des weltlichen<br />
Geschehens – stets musste eine Änderung<br />
in dieser Ordnung als Frevel<br />
empfunden werden und begleitete<br />
sie also der im Vorspiel zu Wagners<br />
Götterdämmerung von den Nornen<br />
geäußerte Weltuntergangsverdacht:<br />
„Der ewigen Götter Ende dämmert<br />
ewig da auf.“<br />
Dies weiß man heute ideologiekritisch<br />
als Wirkung repressiver Herrschaftsmythen<br />
aufzuklären, die zur Stabilität<br />
autoritärer Regime beitragen. Doch<br />
die auf Aristoteles zurückgehende<br />
Idee, dass politisch-soziale Ordnung<br />
der natürlichen Bestimmung des Menschen<br />
entspricht und deren Gegenteil<br />
nichts weiter als einen widernatürlichen<br />
Aufruhr bedeutet, hat nicht<br />
bloß eine über zwei Jahrtausende<br />
währende Wirkungsgeschichte. Bis<br />
heute ist sie außerhalb der westlichen<br />
Welt in Teilen noch virulent, und in<br />
Form der immer wieder aufflackernden<br />
Skepsis gegenüber Parteien und<br />
Interessengruppen sogar in westlichen<br />
Demokratien. Die Sehnsucht nach einer<br />
harmonischen oder gar homogenen<br />
Gesellschaft anstelle eines individualistischen<br />
Pluralismus lässt dabei<br />
gerne übersehen, dass Konflikte ein<br />
Lebenselixier von Gesellschaften sind,<br />
und politischer Wandel eine Form der<br />
Konfliktbearbeitung ist.<br />
Eine Änderung der traditionellen<br />
Herrschaftsauffassung ergab sich erst<br />
in der europäischen Neuzeit, als sich<br />
die Vorstellung, Ordnung sei natürlich<br />
und Unordnung widernatürlich, ins Gegenteil<br />
verkehrte. Unter dem Eindruck<br />
jahrzehntelanger (Bürger-)Kriege sah<br />
man Unordnung infolge von Aufruhr<br />
als natürliche Neigung des Menschen<br />
und Ordnung als künstliche und also<br />
fragile, vertragliche Vereinbarung, die<br />
von der rationalen Erkenntnis der<br />
eigenen (Überlebens-)Interessen abhängt.<br />
Die Ordnung wurde dabei aber<br />
lediglich anders gedacht und begründet;<br />
ihre unbedingte, alternativlose<br />
Geltung blieb hiervon unberührt, wie<br />
sich exemplarisch und wirkungsmächtig<br />
ab Mitte des 17. Jahrhunderts bei<br />
Thomas Hobbes zeigte.<br />
Doch war einmal die Künstlichkeit<br />
von Ordnung zum Gemeingut<br />
geworden, konnten in der Moderne<br />
bewusste Alternativen zur bestehenden<br />
Ordnung zum positiven Ziel politischen<br />
Handelns erklärt werden. Nicht<br />
umsonst ist die Moderne das Zeitalter<br />
der Revolutionen, die mit dem Sturz<br />
überkommener Ordnungen regelrechte<br />
Heilserwartungen zu verbinden begannen.<br />
Auch politischer Umsturz, oder<br />
kurz und neutral: politischer Wandel,<br />
ist also eine Frage der Perspektive.<br />
Doch um zu erfassen, was unsere heutige,<br />
demokratische Sicht der Dinge<br />
auszeichnet, müssen wir zurück zum<br />
historischen Ursprung der Politik, wie<br />
wir sie verstehen, nämlich zu dem, was<br />
der Althistoriker Christian Meier mit<br />
dem Titel seines berühmten Buches<br />
Die Entstehung des Politischen bei den<br />
Griechen genannt hat.
31<br />
Walküre II, beleuchtet, 2012<br />
Acryl und Öl auf Spionspiegelleuchtkasten, Leuchtstoffröhren, Buntstifte<br />
und Plastikfolien, 124 x 122 x 10 cm<br />
Walküre II, unbeleuchtet, 2012, 124 x 122 x 10 cm<br />
Am Anfang war eine<br />
Götterdämmerung<br />
Wie bereits angedeutet, war die politisch-soziale<br />
Ordnung in den Hochkulturen<br />
des alten Orients ebenso wie<br />
im antiken Judentum (und hernach<br />
wieder im mittelalterlichen Christentum)<br />
als übernatürlich bestimmt und<br />
der menschlichen Verfügbarkeit entzogen<br />
gedacht worden. Doch in der<br />
griechischen Antike, genauer gesagt<br />
im Zuge der Entwicklung der freiheitlichen<br />
und demokratischen Stadtstaaten<br />
(póleis) seit dem 8. Jahrhundert v.<br />
Chr., verstand man das Politische als<br />
Angelegenheit, die ausschließlich den<br />
Entscheidungen freier Bürger unterworfen<br />
war, und verzichtete also auf<br />
Essay<br />
jegliche, fortan als unpolitisch verstandene<br />
Bezugnahme auf außerweltliche,<br />
übernatürliche Größen. Damit ist es<br />
möglich geworden, das Problem der<br />
Herrschaft konsequent von der Freiheit<br />
her zu denken – nicht mehr bloß,<br />
wie im alttestamentarischen Israel, als<br />
dem Exodus zu verdankende Freiheit<br />
zum Leben unter dem Gesetz Gottes,<br />
sondern als umfassende Freiheit, deren<br />
einzige Begrenzungen durch die<br />
politische Entscheidung der Bürgerschaft<br />
gezogen werden, durch Selbstgesetzgebung,<br />
Autonomie also. Diese<br />
„Entstehung des Politischen bei den<br />
Griechen“ ist folglich auch mit einem<br />
neuen Rechtsdenken verbunden, das<br />
eine Emanzipation von vermeintlichen<br />
Forderungen und Befindlichkeiten der<br />
Gottheiten und damit die Überwindung<br />
archaischer Praktiken wie der<br />
Blutrache bedeutet. Verdichtet findet<br />
sich dies in der Orestie des Dichters<br />
Aischylos, deren Uraufführung 458 v.<br />
Chr., drei Jahre nach der Entmachtung<br />
des Areopags, des athenischen Adelsrates,<br />
stattfand. Diese Tragödie erzählt<br />
von der Opferung der Iphigenie durch<br />
ihren Vater Agamemnon, der hiermit<br />
die ihn am Auslaufen seiner Flotte<br />
hindernde Flaute beenden will, nach<br />
seiner siegreichen Heimkehr aus dem<br />
Trojanischen Krieg aber von seiner<br />
Gattin Klytaimnestra ob der Tötung<br />
der gemeinsamen Tochter erschlagen<br />
wird. Diese Tat wiederum wird von<br />
In Aischylos’ Orestie sind beileibe<br />
nicht alle Götter damit einverstanden,<br />
das Urteil über Orest<br />
den Bürgern zu überantworten und<br />
die Erinyen, die Rachegöttinnen,<br />
gewissermaßen zu Schutzgöttinnen<br />
der Stadt umzuschulen. Das ist<br />
etwa so, als ob die Walküren<br />
zu Kindergärtnerinnen des noch<br />
ungeborenen Siegfried bestimmt<br />
worden wären.<br />
Orest mit dem Muttermord an Klytaimnestra<br />
vergolten, woraufhin ihn<br />
die Rachegöttinnen, die Erinyen, unerbittlich<br />
verfolgen. In dieser Situation<br />
greift die Göttin Athene ein und wirft<br />
den Erinyen vor, deren Wahrung des<br />
traditionellen, gnadenlosen Rechts sei<br />
zerstörerisch. Die Göttin der Weisheit<br />
erklärt Orests Vergehen zur Rechtsfrage,<br />
die ein ergebnisoffenes Gerichtsverfahren<br />
auf der Basis von Beweiserhebung,<br />
Gerechtigkeitskriterien und Urteilsfolgenabschätzung<br />
erfordert. Diese<br />
erste, rudimentäre Erscheinungsform<br />
säkularer Rechtsstaatlichkeit soll nun<br />
der pólis, also der demokratischen<br />
Selbstregierung der freien Bürger im<br />
Stadtstaat, überantwortet werden. Mit
33<br />
Rheingold III, beleuchtet, 2012<br />
Acryl und Öl auf Spionspiegelleuchtkasten, Buntstifte, Wasserpistolen<br />
und Leuchtstoffröhren, 124 x 122 x 10 cm<br />
Rheingold III, unbeleuchtet, 2012, 124 x 122 x 10 cm<br />
dieser Lösung sind beileibe nicht alle<br />
Götter einverstanden, und die Erinyen<br />
verlieren gar ihre angestammte<br />
Aufgabe und müssen gewissermaßen<br />
einer Umschulung zu Schutzgöttinnen<br />
der Stadt, sogenannten Eumeniden,<br />
zustimmen. Das ist, scherzhaft wagnerianisch<br />
illustriert, als wären die Walküren<br />
im dritten Akt der Walküre zu<br />
Kindergärtnerinnen des noch ungeborenen<br />
Siegfried bestimmt worden.<br />
Wie dann erst wieder in den neuzeitlichen<br />
Demokratien wird im Zuge<br />
der „Entstehung des Politischen bei<br />
den Griechen“ das Recht als legitimes<br />
Ergebnis politischer Entscheidung und<br />
das heißt: menschlicher Verfügung verstanden.<br />
Gemessen an der Tradition<br />
Essay<br />
ist dies fürwahr eine Götterdämmerung,<br />
nicht nur für die Erinyen. Denn<br />
Politik wird nun als eigengesetzlicher,<br />
menschlicher Handlungsbereich unter<br />
Bedingungen der Freiheit verstanden,<br />
in dem nur Argumente und Mehrheitsentscheidungen<br />
gelten, nicht aber die<br />
Berufung auf göttliches Geheiß, und<br />
auch nicht, wie Richard Wagner es<br />
sich erträumt hat, auf Wahrheit und<br />
Liebe. Freiheitliche und demokratische<br />
Politik bedeutet, unter Bedingungen<br />
unvollständigen Wissens eine<br />
Entscheidung treffen zu müssen und<br />
sie gerade deshalb fehlerfreundlich<br />
und möglichst revidierbar vorzunehmen.<br />
Wäre man im Besitz der Wahrheit<br />
oder lebten alle Gesellschaftsmitglieder<br />
in Liebe zueinander, bedürfte<br />
es demokratischer Politik nicht. Doch<br />
in der gegebenen Wirklichkeit gibt es<br />
keine humane Alternative zum Eingeständnis<br />
der Fehleranfälligkeit<br />
menschlichen Handelns und zu der<br />
Lösung, deswegen auf breiter Basis<br />
immer wieder neu zu entscheiden.<br />
Daher ist es politisch problematisch,<br />
dass Richard Wagner mit Wotans<br />
Scheitern im Ring des Nibelungen<br />
die Herrschaft durch Verträge denunzieren<br />
wollte. Dementgegen müssten<br />
die Bürgerinnen und Bürger in einer<br />
Demokratie Wotans Klage über die<br />
vertraglichen „Bande, die mich binden“<br />
im zweiten Akt der Walküre<br />
gänzlich anders bewerten, nämlich als<br />
zutiefst bejahenswerte, rechtsstaatliche<br />
Selbstbeschränkung der Politik,<br />
wie sie die liberalen Gesellschafts- und<br />
Herrschaftsvertragslehren im neuzeitlichen<br />
politischen Denken vorgesehen<br />
haben.<br />
Die demokratische Normalität<br />
der Unterscheidung<br />
von Person und System<br />
Doch bis zu dieser neuzeitlichen Entwicklung<br />
war es, vom antiken Griechenland<br />
aus betrachtet, noch ein weiter<br />
Weg. Denn der beschriebene, erste<br />
politische Säkularisierungsschritt der<br />
Geschichte geriet mit dem spätantiken<br />
Siegeszug des Christentums und seiner<br />
„Politischen Theologie“ zunächst<br />
wieder für lange Zeit in Vergessenheit.<br />
Es gibt keine humane Alternative<br />
dazu, sich die Fehleranfälligkeit<br />
men schlichen Handelns einzugestehen<br />
und deswegen auf breiter Basis<br />
immer wieder neu zu entscheiden.<br />
Daher ist es politisch problematisch,<br />
dass Richard Wagner mit Wotans<br />
Scheitern die Herrschaft durch Verträge<br />
denunzieren wollte.
Anstelle dessen entwickelte sich eine<br />
eigentümliche Besessenheit von der<br />
Furcht vor dem Verfall der gesamten<br />
Kultur aufgrund staatszersetzender<br />
Raffgier, selbstsüchtigen Konsums, luxuriösen<br />
Müßiggangs und geschmackloser<br />
Vergnügungen: Dekadenz wurde<br />
zum Dauerfaszinosum, und diese „Verfall-Sucht“<br />
war schon im alten Rom ein<br />
politischer Faktor ersten Ranges und<br />
ist es bis heute geblieben. Dies zeigt die<br />
in den USA in Form eines Buchtitels<br />
von Cullen Murphy verbreitete, besorgte<br />
Frage Are We Rome? Auch die<br />
Propaganda islamischer Fundamentalisten<br />
gegen die sittliche Verkommenheit<br />
des dekadenten Westens macht<br />
die Präsenz dieser politischen Größe<br />
deutlich, ebenso wie der Versuch<br />
Guido Westerwelles, seine sozialpolitischen<br />
Vorstellungen mit der Warnung<br />
vor „spätrömischer Dekadenz“<br />
zu verbinden.<br />
Dabei funktioniert das Dekadenzmotiv<br />
politisch gerade dank seiner inhaltlichen<br />
Offenheit und Instrumentalisierbarkeit.<br />
Einerseits dient es nämlich<br />
von jeher der republikanischen Selbstkritik<br />
an sozio-moralisch bedenklichen<br />
Entwicklungen. Andererseits eignet es<br />
sich immer wieder als Polemik gegen<br />
politische Gegner, wie Kaiser Augustus<br />
beispielhaft vorgemacht hat, als<br />
er die Skandalisierung des angeblich<br />
dekadenten Lotterlebens seines Rivalen<br />
Marcus Antonius mit Kleopatra<br />
in Ägypten zur Festigung seiner<br />
römischen Machtposition zu nutzen<br />
verstand, indem er sich als schlachterprobter,<br />
aber friedliebender, asketischer<br />
Landesvater zu präsentieren<br />
vermochte.<br />
Doch das opferbereite Heldentum<br />
als Gegenmodell zum vergnüglichen<br />
Lebensgenuss hat auch seine ganz<br />
eigenen Probleme. Denn kein Held<br />
bleibt verschont von seinem Sturz, der<br />
bestenfalls ein tragisches Ende ist, wie<br />
dasjenige Siegmunds in Wagners Ring,<br />
und schlimmstenfalls ein schmähliches<br />
Scheitern, wie die in Homers Ilias erdichtete<br />
Raserei des Ajax im Trojanischen<br />
Krieg. Siegfried liegt im Ring gewissermaßen<br />
zwischen diesen Alternativen:<br />
Zwar ist seine ausgebliebene Sozialisation<br />
durch Mime ebenso tragisch<br />
wie seine schließliche Verstrickung in<br />
Essay<br />
die Intrigen der Gibichungen, aber er<br />
ist und bleibt auch ein gewaltbereiter,<br />
gedankenloser Tor.<br />
So nimmt es auch nicht Wunder,<br />
dass Brünnhildes Entfesselung des<br />
Weltenbrandes am Ende der Götterdämmerung<br />
eine alle konstruktiveren<br />
Handlungsalternativen verleugnende<br />
Radikalität besitzt. Diese kann man,<br />
wie Nike Wagner es anlässlich der<br />
Ring-Inszenierung David Aldens in<br />
der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> 2003 getan<br />
hat, auf die apokalyptische Logik fundamentalistischer<br />
Selbstmordattentate<br />
in unserer Zeit reimen. Mindestens<br />
aber folgt Brünnhildes Radikalität<br />
einer schon von Nietzsche in Der Fall<br />
Wagner angedeuteten resignativ-nihilistischen<br />
Logik, deren Absurdität man<br />
mit einer Songzeile Bob Dylans beschreiben<br />
kann: „She knows there’s no<br />
success like failure, and that failure’s<br />
no success at all.“<br />
Gerade weil diese Form von Verfall-<br />
Sucht in der Politik unserer Tage leider<br />
so wenig überwunden ist wie das kulturkritische<br />
Dekadenzlamento, muss<br />
man darauf aufmerksam machen, welche<br />
Verheißung die moderne Demokratie<br />
bietet. Mit der Glorious Revolution<br />
in England Ende des 17. Jahrhunderts<br />
ist sie nach fast 2.000 Jahren wieder erstarkt<br />
und durch die Idee eines fiktiven<br />
Gesellschafts- und Herrschaftsvertrages<br />
zwischen den Menschen mit einer<br />
zeitgemäßen Begründung ausgestattet<br />
worden. Als solche ist die neuzeitliche<br />
Demokratie mit einer die Verfallsfurcht<br />
entspannenden, gesellschaftlichen<br />
Differenzierung verbunden: Vormoderne<br />
Gesellschaften unterschieden<br />
noch nicht zwischen gesellschaftlichen<br />
Funktionssystemen; es waren überschaubare<br />
Gesellschaften mit einem<br />
hohen Grad wechselseitiger persönlicher<br />
Bekanntschaften, Verflechtungen<br />
und Verpflichtungen. Moderne Gesellschaften<br />
hingegen unterscheiden Politik,<br />
Wirtschaft, Recht, Wissenschaft,<br />
Religion und Kunst und richten Ämter<br />
und Organisationen zur Erfüllung<br />
ihrer Funktionen ein. So lehrt es die<br />
soziologische Systemtheorie Niklas<br />
Luhmanns. An die Stelle der Vertrautheit<br />
persönlicher Bekanntschaften<br />
und des Vertrauens auf die Intentionen<br />
von Bekannten treten damit komplexe<br />
Institutionen, die ohne Ansehung<br />
von Personen arbeiten (sollten), weil<br />
zwischen Person und Rolle differenziert<br />
wird. Daher ist eine Demokratie<br />
als System stabil, auch wenn einzelne<br />
Politiker oder ganze Parteien stürzen.<br />
Solche Stürze gehören sogar zur demokratischen<br />
Normalität und beweisen<br />
ihre Stabilität und Vitalität, weil sich<br />
Änderungsbedarf an austauschbaren<br />
Personen abarbeiten kann und so die<br />
Systemfrage nicht gestellt werden<br />
muss. Nur in Autokratien, also Selbstbeziehungsweise<br />
Alleinherrschaften, in<br />
denen politische Macht nicht verliehen,<br />
sondern erbeutet worden ist, muss man<br />
gleich das ganze politische System stürzen,<br />
um einzelne Personen loszuwerden<br />
und, umgekehrt, Personen stürzen, um<br />
das politische System zu ändern.<br />
Hierfür haben die sogenannten<br />
friedlichen Revolutionen in Mittelund<br />
Osteuropa 1989/90 einen schönen<br />
Beweis erbracht. Und obwohl sich die<br />
Brüchigkeit politischen Fortschritts<br />
darin zeigt, dass wir seither etliche<br />
autokratische Regressionen erleben<br />
mussten, gibt es, wie jüngst mit den<br />
Erhebungen in Nordafrika und der<br />
arabischen Welt, doch auch weitere<br />
Hoffnungsschimmer des universellen<br />
Strebens nach Freiheit und Demokratie.<br />
Immer wieder gilt also für undemokratische<br />
Gewaltherrscher, was Loge<br />
am Ende des Rheingold den in Walhall<br />
einziehenden Göttern prophezeit: „Ihrem<br />
Ende eilen sie zu, die so stark im<br />
Bestehen sich wähnen.“<br />
Karsten Fischer ist Inhaber des<br />
Lehrstuhls für Politische Theorie an<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München.<br />
Die Leuchtkästen von Philipp Fürhofer<br />
sind inspiriert von den Bühnenbildentwürfen<br />
Josef Anton Hoffmanns<br />
zum ersten Ring in Bayreuth 1876.<br />
Sie machen Richard Wagners Themen<br />
wie auf kleinster Bühne für die zeitgenössische<br />
Wahrnehmung zugänglich.<br />
Licht an, Licht aus. Wer Augen<br />
hat, der sehe …<br />
Mehr über den Künstler auf S. 18<br />
Fürhofers Leuchtkästen wurden fotografiert<br />
von Henning Moser.<br />
Embrace an incredible world<br />
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37<br />
Der<br />
Sonnenstrahl<br />
in der<br />
Brandwolke<br />
Regisseur Andreas Kriegenburg<br />
über Götterdämmerung<br />
Fotografie Tanja Kernweiss
Die Premiere von Götterdämmerung,<br />
und<br />
damit der Abschluss<br />
der Neuinszenierung von<br />
Wagners Der Ring<br />
des Nibelungen, steht<br />
im Mittelpunkt der<br />
Opernfestspiele. Eine<br />
Momentaufnahme<br />
mit Regisseur Andreas<br />
Kriegenburg.<br />
Andreas Kriegenburg<br />
Das Ende von Siegfried erzählt von einer<br />
utopisch aufgeladenen Liebe. Götterdämmerung hingegen<br />
steuert unaufhaltsam in die Katastrophe. Wo endet diese<br />
Reise des Ring für Sie?<br />
Die Bitterkeit in der Götterdämmerung<br />
entsteht durch den Perspektivwechsel. Wenn wir die<br />
Beziehung von Siegfried und Brünnhilde, aber auch von<br />
Siegmund und Sieglinde anschauen, dann liegen darin alle<br />
Möglichkeiten zur Liebe, zur Freude, zur Utopie. In Götterdämmerung<br />
zoomen wir auf und zeigen auch die Gesellschaft.<br />
Dann verliert man sofort die Utopie und sieht fast<br />
eine Schicksalhaftigkeit der Katastrophe. Die Menschen<br />
als einzelne, als wünschende Wesen hätten die Möglichkeit<br />
zur Schönheit, zur Liebe, aber dennoch reihen wir eine Katastrophe<br />
an die andere, weil wir uns – durch Wotan initiiert<br />
– von der Natur entfernt und versucht haben, die Natur uns<br />
unterzuordnen. Sie schlägt aber immer wieder zurück. Für<br />
uns als Team ist der Bezug zu Fukushima wichtig, nicht nur<br />
der Tsunami, sondern auch in der Miniatur: das Atom, das<br />
nicht kontrollierbar ist, das sich wehrt – für uns das Synonym<br />
für das Feuer, das die Gesellschaft verbrennt. Zwischen diesen<br />
beiden Polen bewegt man sich immer: der Utopie, und der<br />
Folge von Katastrophen, an der die Nornen entlanggehen.<br />
Gibt es für Sie in Götterdämmerung noch Momente<br />
von Schönheit, von Liebe, oder fährt alles von Anfang<br />
an auf die Katastrophe zu?<br />
Das Schlimme ist ja, dass es diesen Moment in jedem<br />
zweiten Schritt gibt, die Möglichkeit, in die andere<br />
Richtung abzubiegen; zum Beispiel als Hagen<br />
vorschlägt, Siegfrieds Wesen zu manipulieren, könnte<br />
Gutrune sagen: „Nein, da bin ich dagegen!“ Es gibt<br />
immer wieder Momente der freien Entscheidung, nur<br />
ist die gesellschaftliche Konditionierung der Figuren<br />
so, dass sie egoman und rücksichtslos reagieren. Insofern<br />
werden all diese Möglichkeiten ausgeschlagen<br />
und die Katastrophen damit folgerichtig, als Folge<br />
dessen, was ich gewählt habe zu tun.<br />
Fukushima , Tokio – ganz gegenwärtige Bilder spielen für<br />
Sie bei der Inszenierung eine große Rolle. Wie gegenwärtig<br />
erachten Sie den Verlauf der Geschichte, wie zeitgenössisch<br />
ist Wagner?<br />
Er war schon sehr weitsichtig, wobei ein Teil der Bitterkeit<br />
sich darin ausdrückt, dass der Zug hin zur Katastrophe<br />
der schlimmste Faden ist, der die Menschheitsgeschichte<br />
durchzieht. Man muss gar nicht einmal die Reihe der großen<br />
Kriege der Geschichte durchgehen, sondern der Umgang<br />
des Menschen mit der Natur nimmt immer größere Rücksichtslosigkeit<br />
an. Insofern ist Wagner sehr modern, aber ist<br />
es vielleicht in 50 Jahren immer noch, wenn das bestehende<br />
System sich völlig auslöscht. Wir versuchen, in einem Ursprungsmythos<br />
zu starten und in einer fatalerweise nicht<br />
mehr allzu fernen Zukunft anzukommen. Fukushima ist für<br />
uns nur ein Vehikel. Irgendwo passiert demnächst wieder<br />
eine Katastrophe, die das Ende einleitet.<br />
Wie prägt es Sie persönlich, wenn Sie sich nun<br />
monatelang mit einer Geschichte beschäftigen, deren<br />
katastrophaler Ausgang von Anfang an klar ist?<br />
Der Sonnenstrahl in der Brandwolke<br />
Ich spüre in mir – weniger durch die Anstrengungen<br />
der Arbeit und die immer größer werdende Erschöpfung<br />
– einen Fluchtimpuls. Ich bemerke, wie<br />
mich die Unausweichlichkeit der Katastrophe, auch<br />
des Endes der Liebe zwischen Siegfried und Brünnhilde,<br />
immer stärker bedrängt. Das hat auch damit zu<br />
tun, dass Wagner nicht nur durch die Dimension des<br />
Ganzen, sondern auch durch die inhaltliche Zuspitzung<br />
mir als Mensch zusetzt. Wagner und dem Kompositionsvorgang<br />
folgend, igle ich mich immer mehr<br />
ein, ich werde immer abgewandter, asozialer. Ich gehe<br />
tatsächlich Gesprächen und Menschen aus dem Weg,<br />
vermeide Abendgesellschaften, sitze nach der Probe<br />
nicht mehr in der Kantine. Das kommt natürlich auch<br />
aus einer vernunftgesteuerten Kräfteökonomie heraus,<br />
aber auch weil mich die Geschichte nicht im romantischen,<br />
sondern im körperlichen Sinne gefangen<br />
nimmt. Als wäre man wochenlang von einer dünnen<br />
Schicht Schweiß bedeckt, die man nicht weggewaschen<br />
kriegt.<br />
Die Katastrophe bietet auch die Möglichkeit für einen<br />
Neuanfang. Über die letzte Melodie der Götterdämmerung,<br />
die Sieglindes Worte vom „hehrsten Wunder“ aus der Walküre<br />
wieder aufgreift, ist viel geschrieben worden. Welche Möglichkeiten<br />
sehen Sie in dieser Zerstörung?<br />
Für mich bietet auch hier die Natur die ideale Metapher:<br />
Es gibt viele Nadelbäume, die den Waldbrand brauchen, damit<br />
die Tannenzapfen überhaupt neu wachsen können. Als<br />
Regieteam behaupten wir mit fast starrsinnigem Optimismus,<br />
die Geschichte aus der Perspektive von danach zu<br />
erzählen. Wir versuchen eine Situation auf der Bühne zu<br />
imaginieren, wo die Individualität nicht mehr so wichtig ist.<br />
Das meint nicht, gesichtslos zu sein, sondern dass man einem<br />
Gemeinsam-sein dienen kann. Jeder dient jedem. Man<br />
findet wieder zu einem anderen Umgang mit der Natur. Für<br />
Wagner reicht es, in diese Brandwolke einen einzigen Sonnenstrahl<br />
zu schicken, um zu zeigen, dass danach etwas<br />
kommen könnte. Natürlich kommt etwas. Der fatalistische<br />
Gedanke wäre, wenn auch das wieder nur der Beginn von<br />
etwas Zyklischem, vom Ablauf der nächsten Katastrophen<br />
ist. Aber man muss sich dem wohl verweigern und sagen:<br />
„Wir kriegen das hin.“<br />
Ganz individualistisch gefragt: Was macht Andreas<br />
Kriegenburg, wenn dieser Probenprozess vorbei<br />
ist?<br />
Ich kehre zu meiner Familie zurück. Es gibt<br />
tatsächlich zwei gleichberechtigt nebeneinanderstehende<br />
Ziele: Zum einen meinen ersten Ring zu<br />
vollenden. Das ist auch für mich überraschend, wenn<br />
ich trotz all der Anstrengung nun sage, da blieb so<br />
viel auf der Strecke, das Werk ist so reichhaltig, dem<br />
könnte ich mich irgendwann nochmals stellen. Und<br />
zum anderen: Ich kehre zu meiner Familie zurück, zu<br />
meinen Kindern, meiner Frau, ich baue mich wieder<br />
zusammen als sozialen Menschen.<br />
<br />
Das Gespräch führte Olaf A. Schmitt.
Wagner innen<br />
Die Sopranistin Nina<br />
Stemme wird in<br />
Götterdämmerung die<br />
Partie der Brünnhilde<br />
singen. Dame Gwyneth<br />
Jones wird für das<br />
Projekt Wagnerin an die<br />
<strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
zurückkehren.<br />
Eine Begegnung mit<br />
den beiden<br />
Wagner-Sängerinnen,<br />
und mit Wagners Frauen.<br />
41<br />
Text Pascal Morché Illustrationen Sydney Couldridge<br />
„Gleichwohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes<br />
nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich.“ Was für ein<br />
Satz, und noch dazu im 19. Jahrhundert. Es ist der letzte<br />
Satz, den Richard Wagner schreibt. Die Worte „Liebe – Tragik“<br />
fügt er noch hinzu, dann fällt ihm die Feder aus der<br />
Hand, und er stirbt. Es ist früher Nachmittag, am 13. Februar<br />
1883 in Venedig, im Palazzo Vendramin – dort, wo heute in<br />
der Spielbank einarmige Banditen einen Krach wie in Nibelheim<br />
machen. Cosima, vom Hausmädchen gerufen, springt<br />
von der Mittagstafel auf und stürmt aus dem Esszimmer zu<br />
Wagner: „Eine Gewalt leidenschaftlichen Schmerzes drückte<br />
sich darin aus; dabei stieß sie sich so stark an dem halbgeöffneten<br />
Türflügel, daß dieser fast zerbrach“, erinnerte sich<br />
Sohn Siegfried später. So sind Wagner-Frauen: Ekstase, Emphase<br />
und in der „Gewalt leidenschaftlichen Schmerzes“ zerbrechen<br />
sie schon einmal einen Türflügel. Eben immer<br />
der gewisse touch too much: 25 Stunden lang sitzt Cosima<br />
starr und stumm neben Richards Leiche. In Worten: fünfundzwanzig<br />
Stunden! So sind Wagners Frauen. Wagner-<br />
Frauen. Sind sie so? Von Senta bis Kundry – nicht nur<br />
dramatisch, sondern immer „hoch“-dramatisch, „unter ekstatischen<br />
Zuckungen“ emanzipiert und bereit, den Mann<br />
oder gleich die ganze durch männliche Macht und Libido aus<br />
den Fugen geratene Welt zu erlösen – selbstverständlich<br />
durch nichts Geringeres als durch ihren eigenen Tod. Und so<br />
gibt es sie eben, die Wagner-Heldin, verklärt auch „Wagner-<br />
Heroine“ genannt. Mit den Namen anderer Opernkomponisten<br />
will sich das Wort „Heroine“ nicht wirklich verbinden.<br />
Gwyneth Jones und Nina Stemme: zwei Frauen, zwei<br />
Generationen Wagner-Heroinen. Beide berühmte Darstellerinnen<br />
der Brünnhilde im Ring des Nibelungen, beide weltweit<br />
geübt in der Darstellung „leidenschaftlichen Schmerzes“<br />
und in dem, was Richard Wagner sich als Frau der<br />
Zukunft erträumte: „Ein Weib, das sich aus Liebe opfert.“<br />
Dieses Weib sollte aber, so Wagner, nicht mehr „die heimatlich<br />
sorgende, vor Zeiten gefreite Penelope des Odysseus“<br />
sein. Nein, Frauen am Herd waren dem Gesamtkunstwerker<br />
ein Gräuel: „Dem herrischen Manne gehorcht sie fortan, am<br />
Herde sitzt sie und spinnt, aller Spottenden Ziel und Spiel!“<br />
Soweit Wotan, wenn er Brünnhilde bestraft, soweit Wagner,<br />
wenn er die erbärmlichste Situation einer Frau beschreibt.<br />
Er, Richard Wagner, wollte die emanzipierte, selbstbestimmte<br />
und selbstbestimmende Frau; wollte „das Weib überhaupt,<br />
aber das noch unvorhandene, ersehnte, geahnte, unendlich<br />
weibliche Weib, – ...: das Weib der Zukunft“.<br />
Konfrontiert mit der Wucht solcher Wagner-Worte<br />
vom „ersehnten weiblichen Weib“ muss die schwedische Sopranistin<br />
Nina Stemme herzlich lachen: „Diese Zukunft sollte<br />
inzwischen Gegenwart sein, für Wagners Frauenfiguren<br />
auf der Bühne ebenso wie für die Frauen im Leben überhaupt.“<br />
Auch Gwyneth Jones, zur „Dame“ geadelt („manche,<br />
die den Verdienstorden des British Empire nicht<br />
kennen, fragen: Wollen Sie eine Dame sein?“), hat am
Wagner’schen Idealbild der modernen, emanzipierten Frau<br />
auf allen Bühnen gearbeitet. Akribisch wie Leporello die<br />
Liebschaften seines Herrn notierte Dame Gwyneth diese Arbeit<br />
in ihren Ring-Klavierauszügen. Nun wandert ihr Zeigefinger<br />
über das Vorsatzpapier: „106 Mal habe ich die<br />
Brünnhilde in der Walküre gesungen. 45 Mal die Siegfried-<br />
Brünnhilde und 57 Mal die Brünnhilde in der Götterdämmerung,<br />
darunter auch im Chéreau-Boulez-Ring in Bayreuth<br />
von 1976 bis 1980.“ Mit dabei im Schlussbild, in dem die durch<br />
Brünnhildes Tod von göttlichen Verstrickungen befreiten<br />
Menschen an die Bühnenrampe treten und ins Publikum<br />
schauen, war damals auch ein Kind, ein kleines Mädchen:<br />
Dame Gwyneth’ Tochter. Heute ist Susanne selbst Sängerin,<br />
„damals hatte sie Angst, dass ihre Mutter auf der Bühne<br />
verbrannt wird“, erzählt Gwyneth Jones. Auch Nina Stemme<br />
hat Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Darin sind die<br />
beiden hochdramatischen Sängerinnen also gar keine Wagner-Frauen:<br />
Mit der Ausnahme Sieglindes bekommt keine<br />
von Wagners Frauenfiguren ein Kind, weshalb schon Nietzsche<br />
spottete: „Sie können’s nicht ... Siegfried ‚emancipirt<br />
das Weib‘ – doch ohne Hoffnung auf Nachkommenschaft. –<br />
Eine Thatsache, die uns fassungslos lässt: Parsifal ist der<br />
Vater Lohengrin’s! Wie hat er das gemacht?“ Ja, wie? Zwar<br />
wird Mutternot von Wagner häufig bedichtet (Erda oder Parsifals<br />
Herzeleide), doch gibt es in Wagners Musikdramen an<br />
Schwangeren nur eine (Sieglinde). Der Töchter aber gibt es<br />
viele und in maßloser Leidenschaft liebende Frauen jede<br />
Menge. Brünnhilde, Wotans Lieblingswalküre, die ihm die<br />
allwissende Erda gebar und die sich seinem Willen, Siegmund<br />
zu vernichten, widersetzt, ist dabei sicher die (neben<br />
Kundry) tiefgründigste und tiefenpsychologisch facettenreichste<br />
Frauengestalt und Bühnenfigur in Wagners Werk.<br />
„Allein schon die gewaltige Entwicklung dieser Figur von<br />
der jungen, liebenden Tochter zur reifen, starken, mutigen<br />
Dame Gwyneth Jones<br />
Foto Seite 42<br />
„Man muss kaltblütig<br />
mit diesen Wagner-Partien<br />
umgehen: kaltes Blut.<br />
Kühle Luft. Heißes Herz.“<br />
— Nina Stemme<br />
Die Waliserin Dame Gwyneth Jones gehört seit Jahrzehnten zu<br />
den vielseitigsten Sängerinnen der Welt. Ausgebildet in London<br />
sowie in Siena, Zürich und Genf, ist sie seit den 1960er Jahren vor<br />
allem als Verdi-, Strauss-, Puccini- und Wagner-Sängerin, aber<br />
auch in Werken von Bellini, Cherubini und Weill aufgetreten. Sie<br />
ist seit ihrem Debüt am Royal Opera House in London weltweit an<br />
allen großen Bühnen und Festspielen zu sehen gewesen. Bei den<br />
Bayreuther Festspielen war sie nicht nur Venus und Elisabeth in<br />
Götz Friedrichs Tannhäuser, sondern auch die Brünnhilde in Chéreaus<br />
„Jahrhundert-Ring“. 1986 wurde sie in den Adelsstand erhoben.<br />
Sie ist Wiener und <strong>Bayerische</strong> Kammersängerin und Commandeur<br />
de l’Ordre des Arts et des Lettres. An der <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Staatsoper</strong> debütierte sie bereits 1966 als Leonore (Il trovatore)<br />
und war darüber hinaus u. a. als Elektra, Salome, Marschallin (Der<br />
Rosenkavalier), Helena (Die ägyptische Helena), Cio-Cio-San (Madama<br />
Butterfly), Turandot und zuletzt 2007 als Herzkönigin in<br />
Unsuk Chins Alice in Wonderland zu hören. Zu den Münchner<br />
Opernfestspielen 2012 kehrt sie für das Projekt Wagnerin zurück.<br />
Gwyneth Jones und Nina Stemme<br />
Frau ist absolut einzigartig“, sagt Nina Stemme von dieser<br />
Partie beeindruckt wie von kaum einer anderen. Und Dame<br />
Gwyneth meint: „Brünnhilde beginnt als Walküre, kommt<br />
als ‚kühnes herrliches Kind‘ wie ein Teenager auf die Bühne,<br />
singt 14 Mal, ‚Hojotoho‘. Wenn man dann aber diese anfängliche<br />
Unbekümmertheit mit jener Frau aus dem Finale der<br />
Götterdämmerung vergleicht, so ist das schon ein enormer<br />
Unterschied.“ Ach, Walküren! „Mädchen, die erst dann Beziehungen<br />
zu Männern haben, wenn diese Männer tot sind“,<br />
sagte damals Patrice Chéreau. „Stimmt, wir schlafen ja nicht<br />
mit den Toten. Wir bringen sie nur nach Walhall“, sagt Dame<br />
Gwyneth und ist ebenfalls beeindruckt von der „unendlich<br />
reichen Entwicklung“, die Richard Wagners Brünnhilde<br />
über drei Werke auf der Bühne erlebt. Sie sei zweifellos „die“<br />
beherrschende Figur im Ring!<br />
Die Zeiten ändern sich, die Gesellschaftssysteme, die<br />
Frauenbilder – doch Brünnhilde? Ist sie ein Archetyp, über<br />
alle Zeiten erhaben, oder wird sie heute anders gesehen, anders<br />
interpretiert als vor 30 oder 40 Jahren? Die Frau der<br />
Zukunft „in“ einer Zukunft, die längst begonnen hat und die<br />
doch gegenwärtig Begriffe wie „Frauenquote“ oder „Herdprämie“<br />
nicht zu überwinden vermag? „Jede Generation<br />
muss Wagners Frauenfiguren neu lernen und neu verstehen“,<br />
sagt Stemme, „auf der Bühne ebenso wie im Publikum“.<br />
Eine Tosca oder auch Marschallin, die sie gerade in<br />
Wien probe, seien da weniger komplex. „Ich habe nicht viel<br />
darüber gelesen, wie Brünnhilde früher interpretiert wurde,<br />
und ich glaube auch, diese starken Frauenfiguren von Wagner<br />
kann man sehr unterschiedlich gestalten. Aber Brünnhilde<br />
war zweifellos schon immer eine moderne Frau“, da ist<br />
sich Nina Stemme sicher. Sie selbst habe diese Figur erst seit<br />
vergangenem Jahr richtig kennengelernt innerhalb ihres ersten<br />
kompletten Ring-Zyklus in San Francisco. Nun hat<br />
Stemme alle drei Brünnhilden „drauf“ und fügt mit der<br />
Opernsängern eigenen Sportlichkeit hinzu: „Ich bin noch<br />
frisch!“ Dame Gwyneth ergänzt: „Brünnhilde weiß als Tochter<br />
von Erda einfach alles. Es ist ja ihre Idee, dass Vater<br />
Wotan zu ihrem Schutz am Ende der Walküre ein Feuer um<br />
sie lodern lässt. Damit sie eben nicht zur Beute eines ‚herrischen<br />
Mannes‘ wird, dem sie am Herde sitzend gehorcht.<br />
Brünnhilde selbst inszeniert das ja alles“, erklärt Gwyneth<br />
Jones, „ihr wird schließlich auch das Siegfried-Motiv zuerst<br />
in den Mund gelegt“. Das sieht auch Nina Stemme so:<br />
Nina Stemme<br />
Foto Seite 43<br />
Nina Stemme stammt aus Schweden, ist Mitglied der Königlich<br />
Schwedischen Musikakademie. Sie wurde u. a. als Königlich<br />
Schwedische Hofsängerin ausgezeichnet, jüngst, im April 2012,<br />
auch als Österreichische Kammersängerin. Sie sang an allen großen<br />
Opernhäusern der Welt, u. a. in Göteborg, Wien, Genf, Zürich,<br />
Barcelona, München, New York sowie bei den Festivals von Bayreuth,<br />
Salzburg und Glyndebourne. Ihr Repertoire umfasst Partien<br />
wie Katerina (Lady Macbeth von Mzensk), Gräfin (Le nozze di<br />
Figaro), Marschallin (Der Rosenkavalier), Elisabeth (Tannhäuser),<br />
Sieglinde (Die Walküre), Senta (Der fliegende Holländer), Leonora<br />
(La forza del destino), Isolde (Tristan und Isolde) sowie die Titelpartien<br />
in Arabella und Salome. In der Festspielpremiere der Götterdämmerung,<br />
in der Neuinszenierung des Ring-Zyklus von Andreas<br />
Kriegenburg, wird sie die Brünnhilde singen.<br />
45<br />
Es war Thomas Mann,<br />
der über Richard Wagners<br />
„Heldinnen“ sagte, sie<br />
kennzeichne „ein Zug<br />
von Edelhysterie, etwas<br />
Somnambules, Verzücktes<br />
und Seherisches, das<br />
ihre romantische Heroik<br />
mit eigentümlicher und<br />
bedenklicher Modernität<br />
durchsetzt“.<br />
„Brünnhilde ist selbstständig. Sie ist stark. Sie stellt sich<br />
Problemen ohne Angst. Vor allem aber ist sie emanzipiert<br />
und klug genug, Erfahrungen, die sie gewonnen hat, zu nutzen.<br />
Lieben heißt verstehen, und Brünnhilde versteht den<br />
liebenden Siegmund. Das ist ihre wesentliche, ihre neue Erfahrung.“<br />
Und was macht sie aus dieser Erfahrung? Zunächst<br />
Befehlsverweigerung ihrem Vater Wotan gegenüber. Dann<br />
aber, so Dame Gwyneth, „bringt Brünnhilde die Welt wieder<br />
in Ordnung, indem sie den Ring den Rheintöchtern zurückgibt“.<br />
Damit begleiche sie schließlich auch jenen Naturfrevel,<br />
den zwei Männer einst begangen haben: „Alberich hat das<br />
Gold geraubt und Wotan analog den Speer aus der Weltesche<br />
gebrochen. Beide hatten sie so auf jeweils ihre eigene<br />
Weise die Natur versehrt.“<br />
Die „Welt wieder in Ordnung“ zu bringen, das könnte<br />
nun auch eine politische Tat sein? Doch dieser Interpretation<br />
widersetzen sich die beiden Brünnhilden-Darstellerinnen<br />
gleichermaßen entschieden. „Eine denkende, eine kluge, eine<br />
liebende Frau ist diese Brünnhilde. Eine politische aber ist<br />
sie gewiss nicht!“, tönt es im Duett. Zumal Wagner das „politische<br />
Weib“ sein Leben lang zutiefst verhasst war. Die Figur<br />
der Ortrud im Lohengrin nennt er 1852 in einem Brief an<br />
Franz Liszt ein solches „politisches Weib“ und Wagner<br />
schreibt sich dabei in Rage: „Ein politischer Mann ist widerlich,<br />
ein politisches Weib aber grauenhaft.“ Nein, Brünnhildes<br />
Entscheidungen rein politisch zu motivieren, kommt<br />
auch Nina Stemme nicht in den Sinn. Gleichwohl auch sie<br />
Brünnhilde unbedingt als eine Frau verstanden wissen will,<br />
die aus dem rein Privaten heraustritt, „weil sie eben mehr zu<br />
tun hat als eine Isolde, deren Programm es ist, ‚der Liebe nur<br />
zu leben‘“, sagt Stemme, „Siegfried besteht doch hauptsächlich<br />
aus Hormonen, während Brünnhilde ahnt, dass da schon<br />
noch etwas größere Taten vor ihr liegen“. Brünnhilde sehe zu<br />
Beginn der Götterdämmerung die Zukunft viel differenzierter<br />
als Siegfried. Und unsicherer: „Schließlich weiß sie ja<br />
nicht, was es heißt, ein liebendes Weib zu sein“, sagt Nina<br />
Stemme. Und auch Dame Gwyneth scheint zu zweifeln an<br />
einem nur oberflächlichen Liebesrausch zu Beginn der Götterdämmerung.<br />
Dass Brünnhilde Siegfried „zu neuen Taten“<br />
so einfach ziehen lässt, das wäre dann doch ein wenig blauäugig:<br />
„Weil man als Frau eben glaubt, wenn man einen Mann<br />
freilässt, dann kommt er auch zurück.“ Doch wie kommt<br />
Siegfried zurück? In der Maske Gunthers. „Was könntest du<br />
wehren, elendes Weib!“, sagt Brünnhilde zu sich und erkennt<br />
dabei: Ich bin keine Göttertochter mehr. Ich bin eine Frau.<br />
Es war Thomas Mann, der über Richard Wagners<br />
„Heldinnen“ sagte, sie kennzeichne „ein Zug von Edelhysterie,<br />
etwas Somnambules, Verzücktes und Seherisches, das<br />
ihre romantische Heroik mit eigentümlicher und bedenklicher<br />
Modernität durchsetzt“. Elegant streicht sich Dame<br />
Gwyneth eine ihrer weißblonden Strähnen aus dem Gesicht:<br />
„Ich hoffe doch sehr, dass ich edel bin; aber nicht hysterisch!“<br />
Denn, wirklich: „Um nur hysterisch zu sein, dafür denken<br />
Wagners Frauenfiguren viel zu sehr und viel zu entschieden.<br />
Das gilt besonders für Brünnhilde.“ Es könne zwar sein, dass<br />
die Liebe Emotionen vervielfache und dass „under the influence<br />
of drinks“ der Verstand wie in Tristan und Isolde schon<br />
mal ausgeschaltet wird, gibt Gwyneth Jones zu bedenken,<br />
„aber grundsätzlich sind die Frauen bei Wagner viel aufgeräumter<br />
im Kopf und ihre Handlungen viel logischer als jene<br />
der Männer“. Auch deshalb entfernen sich Wagners Frauenfiguren<br />
deutlich von der klassischen Rollenverteilung der<br />
Frau in der Männergesellschaft des 19. Jahrhunderts. Dem<br />
noch weit bis ins vergangene 20. Jahrhundert tradierten Postulat,<br />
das sie in erster Linie Kinder, Küche, Kirche zuordnete,<br />
wird von Senta, Elisabeth, Elsa, Sieglinde, Brünnhilde,<br />
Isolde, Eva, Kundry entschieden widersprochen. Sie alle stehen<br />
einer Hedda Gabler gleich für ein neues, ein modernes,<br />
emanzipiertes Frauenbild. Vielleicht ist das Frauenbild, das<br />
Wagner für die Bühne entwarf, so stringent, so eindeutig<br />
emanzipiert, weil es in seinem eigenen Leben so widersprüchlich<br />
war? Da ist seine erste Ehefrau, die Schauspielerin<br />
Minna Planer, die ihren Richard lieber bürgerlich als Kapellmeister<br />
denn als revolutionären Komponisten sah; da ist<br />
die zu Minna so gegensätzliche, leidenschaftliche Beziehung<br />
mit der unbürgerlichen Züricher Seidenhändlersgattin Mathilde<br />
Wesendonck, die ihn regelmäßig „in Tristanstimmung“<br />
brachte; da sind die Affären mit diversen Sängerinnen<br />
und schließlich die Ehe mit der männlichen und doch<br />
sich demütig aufopfernden Cosima, der er morgens ironisch<br />
zum Frühstück vorsang: „Stolzes Frauchen freue dich, dein<br />
Richard komponiert für dich.“ Wagner kannte persönlich<br />
sehr genau die Zwänge, die Mann und Frau zwingen. Der<br />
Inhalt jenes Textes, den er zwei Tage vor seinem Tod beginnt<br />
und der Über das Weibliche im Menschlichen heißt, ist dafür<br />
bezeichnend: Emanzipation als Freiheit von Zwängen. Grund<br />
für den „Verfall der menschlichen Racen“ seien schließlich<br />
die „auf Eigenthum und Besitz berechneten Konventions-<br />
Heirathen“, schreibt Wagner und erkennt zum wiederholten<br />
Male in seinem Leben die Ehe als eine zivilisatorische Idee<br />
gegen die Natur.<br />
Für Nina Stemmes hochdramatischen Sopran gibt es<br />
auch in puncto Wagner-Gesang nichts „Hysterisches“ an
„Es ist Brünnhildes Idee,<br />
dass Wotan zu ihrem<br />
Schutz ein Feuer um sie<br />
lodern lässt. Damit sie<br />
eben nicht zur Beute eines<br />
‚herrischen Mannes‘ wird,<br />
dem sie am Herde sitzend<br />
gehorcht. Brünnhilde<br />
selbst inszeniert das ja<br />
alles.“<br />
— Dame Gwyneth Jones<br />
Wagnerinnen<br />
Brünnhilde zu entdecken. „Im Gegenteil! Man muss kaltblütig<br />
mit diesen Partien umgehen: kaltes Blut. Kühle Luft.<br />
Heißes Herz.“ Bietet Skandinavien Idealbedingungen für<br />
den Wagner-Gesang? Diese Frage hört Stemme oft – ja,<br />
„kühle Luft“ sei sicher gut für Stimmbänder und Lungenflügel.<br />
„Doch vor allem ist es die Ruhe und die Weite der Natur“,<br />
von der sie glaube, dass die Stimmen großer Brünnhilden<br />
vom Schlage einer Kirsten Flagstad, Astrid Varnay,<br />
Ingrid Bjoner, Birgit Nilsson oder Catarina Ligendza geprägt<br />
wurden. „Wir sind sehr bodenständig.“ Auch die Stimme der<br />
Britin Gwyneth Jones aus Wales dürfte von der Ruhe der<br />
Natur geprägt sein und – von der Klugheit ihrer Besitzerin:<br />
„Es macht mir große Sorgen, wenn ich sehe, wie früh heute<br />
viele Sängerinnen hochdramatische Partien singen.“ Mit 28<br />
Jahren sang Jones erstmals die Sieglinde. „Ich habe diese<br />
Rolle damals in München bei Hans Hotter im Wohnzimmer<br />
am Esstisch erarbeitet! Improvisiert wurde daraus Hundings<br />
Esstisch.“ Und obschon Dirigenten wie Rudolf Kempe oder<br />
Sir Georg Solti sie früh zu großen Partien drängten, „habe<br />
ich immer ‚nein‘ gesagt. Und genau das traut sich heute doch<br />
keine junge Sängerin mehr“, ist es Dame Gwyneth schmerzlich<br />
bewusst. „Ich durfte kleine Rollen im Ring an der Seite<br />
von Josef Greindl, Gottlob Frick, Wolfgang Windgassen und<br />
Birgit Nilsson singen und habe dabei unendlich viel gelernt.“<br />
1972, Marschallin in München im legendären Carlos-Kleiber-<br />
Rosenkavalier, „da war ich 35 Jahre alt, und erst zwei Jahre<br />
später habe ich mich dann an alle drei Brünnhilden in Bayreuth<br />
gewagt“. Vor allem aber: „Wagner sollte man stets wie<br />
große italienische Oper singen. Das hält die Stimme biegsam,<br />
elastisch.“ Gwyneth Jones hat das immer getan und ist mit<br />
ihren Kräften klug ökonomisch umgegangen. Um den Umgang<br />
mit ihren Kräften zu beschreiben, benutzen Opernsänger<br />
und -sängerinnen stets ihr Lieblingswort „haushalten“.<br />
Lange Karrieren und Opernabende stehen für kluges Haushalten.<br />
So klingen in jeder Sängerinnen-Generation die Vorbilder<br />
nach. Nina Stemme: „Ich wiederum habe viel von<br />
Gwyneth Jones und Hildegard Behrens gelernt. Von dramatischen<br />
Stimmen, als ich noch Mimi und Pamina sang.“ Ja, es<br />
sei Wahnsinn, wie früh heute Stimmen buchstäblich verschlissen<br />
würden. „Viele scheinen ein wenig Angst vor der<br />
Mittellage zu haben, um in die Höhe zu kommen“, diagnostiziert<br />
Nina Stemme die Krise des Wagner-Gesangs. Diese sei,<br />
so Jones, auch der Tatsache geschuldet, dass „heute jedes<br />
Stadttheater und jedes kleine Festival meint, hochdramatische<br />
Werke und möglichst den Ring spielen zu müssen“.<br />
Denn wo im Wagner-Jahr Opernhaus draufsteht, da ist auch<br />
ein Ring drin. Weltweit.<br />
„Mein Erbe nun nehm ich zu eigen. – Verfluchter Reif!<br />
Furchtbarer Ring!“, singt Brünnhilde am Ende der Götterdämmerung.<br />
Auch das scheint ein Leitmotiv im weiblichen<br />
Kosmos Richard Wagners zu sein: Mit dem klassisch dynastischen<br />
Modell, nach dem der Stammhalter und Thronfolger<br />
stets männlichen Geschlechts zu sein hat, wird in der Wagner-Welt<br />
gründlich gebrochen. Nicht der Held erbt, sondern<br />
die Heldin. Im Leben wie auf der Bühne: Das Wagner’sche<br />
Erbe treten Frauen an. Trotz der langen Regentschaft von<br />
Wolfgang (und der zuvor kurzen seines Bruders Wieland)<br />
waren es doch Cosima und Winifred und sind es heute Katharina<br />
und Eva, die das Bayreuther Erbe pflegten und pflegen<br />
„grad recht nach ihrer Art“ (Meistersinger). Im Werk<br />
aber ist dieses Motiv noch auffälliger: Ob Elsa im Lohengrin<br />
oder Brünnhilde in der Götterdämmerung – Frauen gehen<br />
mit ihrem Erbe verantwortungsvoll um. Nina Stemme:<br />
„Erbe ist eine Verantwortung; es ist immer eine Erfahrung.<br />
Auch das weiß Brünnhilde.“ Und die Männer? Egal, ob sie<br />
nun erben oder vererben – verantwortungslos kümmert sie<br />
das wenig: „All mein Hab und Gut vererb ich noch heute“, so<br />
Tristan („jauchzend“, so die Regieanweisung!). Mehr noch<br />
Siegfried: „Einzig erbt ich den eig’nen Leib – lebend zehrt ich<br />
den auf.“ Die Frauen, die bei Wagner Macht erben, sie aber<br />
tun damit Kluges. Wie sagte doch Dame Gwyneth? „Brünnhilde<br />
bringt die Welt wieder in Ordnung.“ Die Welt braucht<br />
Frauen wie Brünnhilde! Nicht nur auf der Bühne: liebend<br />
und emanzipiert. Emanzipiert liebend wen und wie „sie“<br />
wollen. Und wenn diese Emanzipation nur unter „ekstatischen<br />
Zuckungen“ möglich ist – nun denn.<br />
Pascal Morché lebt als Journalist und Texter in München und<br />
schreibt für führende Tageszeitungen und Magazine. In Buchform<br />
veröffentlichte er u. a. den Roman Fernwärme sowie die<br />
Anthologien Venedig im Gedicht und Rom im Gedicht. In weiteren<br />
Publikationen beschäftigt er sich mit dem Thema Mode und<br />
Gesellschaft.<br />
Götterdämmerung<br />
Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen<br />
von Richard Wagner<br />
Festspielpremiere am Samstag, 30. Juni 2012,<br />
Nationaltheater<br />
Weitere Termine im Spielplan ab S. 209<br />
Wagnerin. Ein Haus der Kunstmusik<br />
Ein Abend ohne Götter und Helden, für Cosima, Winifred, Gudrun<br />
und Katharina Wagner, viele Blaue Mädchen, Herrenensemble<br />
und übrig gebliebene Posaunisten des Festspielorchesters<br />
von Sven Holm<br />
Sonntag, 24. Juni 2012, und Montag, 25. Juni 2012,<br />
Haus der Kunst, Westflügel<br />
Es sind die Details, die den<br />
Unterschied machen<br />
Als Mitglied des<br />
Classic Circle unterstützt<br />
PSP seit 2005 die<br />
<strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong>.<br />
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PETERS, SCHÖNBERGER & PARTNER GBR<br />
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STEUERBERATER<br />
Schackstraße 2 (Am Siegestor)<br />
80539 München<br />
www.psp.eu
48<br />
Zwischenwelten<br />
Fotografie Michael Dürr<br />
Der Bariton Wolfgang<br />
Koch ist als Alberich<br />
in der Münchner<br />
Neuinszenierung im<br />
gesamten Ring präsent.<br />
Für MAX JOSEPH<br />
hat er sich vor der<br />
Premiere der<br />
Götterdämmerung<br />
ins Zwielicht begeben.<br />
Eine fotografische Erzählung
Bevor Wolfgang Koch sich<br />
in die, wenn auch nur<br />
fotografische, Zwischenwelt<br />
des Pötzleinsdorfer Schlossparks<br />
begab, sprach er<br />
mit MAX JOSEPH-Autor<br />
Daniel Ender über die Figur<br />
des Alberich und über<br />
seinen Umgang mit Erfolgsdruck.<br />
Interview Daniel Ender<br />
53<br />
MAX JOSEPH Alberich in Wagners Ring ist weit mehr<br />
als eine Nebenfigur, sondern im Grunde die zentrale Triebkraft<br />
des Ganzen. Ohne ihn würde die gesamte Handlung<br />
nicht passieren. Wie verstehen Sie diesen komischen Kauz,<br />
der am Anfang des Ganzen steht, das Drama auslöst und<br />
dann meist im Hintergrund bleibt?<br />
WOLFGANG KOCH Eigentlich ist er ja, wenn man so will,<br />
die Titelfigur. Wagners Titel lautet nicht Der Ring der Nibelungen,<br />
sondern Der Ring des Nibelungen. Und damit ist<br />
Alberich gemeint. Er ist der Auslöser des Ganzen, er fungiert<br />
als Medium der Triebkräfte, die das Drama letztendlich<br />
auslösen. Alberich ist der von Gier Getriebene, der ewig<br />
zu kurz Gekommene, der ständig abgewiesen wurde. Er ist<br />
der, der die Drecksarbeit macht. Dann schwingt er sich zum<br />
Gegenspieler Wotans auf und macht eigentlich das, was Wotan<br />
vielleicht gerne täte. Der ist aber immer an Verträge gebunden<br />
und muss darauf achten, dass er durch seine Tricks<br />
keine Rechtsbrüche begeht. Alberich ist das alles egal.<br />
MJ Er arbeitet ja an einem totalitären System und er<br />
hätte als Gegenspieler von Wotan das Potenzial und<br />
vor allem den Ehrgeiz, den Gott auch zu besiegen.<br />
WK Absolut. Wenn er nicht so überdrehen und in<br />
seiner Großmacht und Selbstgefälligkeit aufgehen<br />
würde, würde er sich auch nicht hereinlegen lassen.<br />
Das ist ja ein Faszinosum, dass jemand, der so talentiert<br />
ist und diese Potenz hat, alles an sich zu reißen,<br />
sich seinen Erfolg oft kurz vor dem Ziel kaputt macht.<br />
Man sieht das auch bei manchen Politikern, ohne<br />
jetzt Namen zu nennen, die irrsinnige populistische<br />
Erfolge einfahren. Und wenn es dann darauf ankommt,<br />
verlieren sie kurz vor der Ziellinie alles durch<br />
einen dummen Lapsus, den sie in ihrer Überheblichkeit<br />
begehen. Das ist vielleicht nicht so extrem wie<br />
bei Alberich, der dann wirklich alles verliert, er ist<br />
hierfür aber ein sehr drastisches, plakatives Beispiel.<br />
MJ Alberich ist ja auch eine Karikatur, wie so oft bei Wagner,<br />
mit mehreren Witzen und Drehungen. Dieser größte<br />
Egomane tritt ausgerechnet als Zwerg in Erscheinung und<br />
wird dann in eine Kröte verwandelt. Wichtiger ist vielleicht<br />
noch der psychologische Kniff, dass er eigentlich das<br />
Menschsein und die Liebe verleugnen muss, um überhaupt<br />
in Aktion treten zu können. Damit ist er eine psychologisch<br />
sehr ambivalente Figur.<br />
WK Im Prinzip sind ja an allem die Rheintöchter schuld<br />
(lacht). Alberich kommt zu Beginn in eine Welt, die er<br />
nicht kennt. Da liegen plötzlich diese schönen Damen, vergnügen<br />
sich, und er kennt bisher nur die verwachsenen,<br />
hässlichen Zwerge aus der Unterwelt, diese Arbeiter, dieses<br />
unsinnliche Leben bar jeder Ästhetik. Dann kommt er<br />
dort hin und ist völlig überrascht, stellt sich aber fürchterlich<br />
ungeschickt an: „Hehe! Ihr Nicker!“, musikalisch noch<br />
dazu mit diesen Dissonanzen, ich glaube, so ist man nicht<br />
besonders erfolgreich. Außerdem lässt er durchblicken,<br />
dass es ihm eigentlich völlig egal ist, welche er bekommt,<br />
er will nur eine, irgendeine. Wenn Sie drei Damen zur Auswahl<br />
haben und sagen, es ist Ihnen wurscht, welche, dann<br />
sind sicher alle drei nicht sonderlich amused.<br />
MJ Die Unterwelt, aus der Alberich kommt, symbolisiert<br />
auch das Destruktive, Ziellose, Maßlose. Was<br />
sind für Sie die interessanten Facetten der ganzen<br />
Geschichte?<br />
WK Die interessanten Facetten sind natürlich, wie<br />
sehr schnelle Veränderungen der Umwelt und der<br />
Umgebung und Attribute wie plötzlicher, schneller<br />
Reichtum, Macht oder auch Unterdrücktsein Menschen<br />
verändern, welche Energien und Triebe plötzlich<br />
zutage treten. Dieses völlige Abgehobensein:<br />
Ich kann alles, mich kriegt keiner, und wenn ich etwas<br />
will, schnipse ich mit dem Finger, und alles<br />
wird genauso, wie ich mir das vorstelle – das ist unglaublich<br />
faszinierend. Ich glaube, das ist zeitlos.<br />
MJ Gerade in der heutigen Zeit ist die Eigendynamik des<br />
Erfolgs, aber auch der Erfolgsdruck auf extreme Weise<br />
ausgeprägt. Wie gehen Sie selbst damit um?<br />
WK Es ist nicht einfach, damit umzugehen, wenn man es<br />
noch nicht so gewöhnt ist. Mit der Zeit pendelt es sich ein.<br />
Man ist aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen,<br />
ist irgendwo, völlig anonym und erlebt diese Einsamkeit,<br />
den Probenprozess, den Entstehungsprozess. Dann geht es<br />
hin zur Premiere, man ist plötzlich ausgestellt, und damit<br />
wächst natürlich auch der Druck. Und dann geht man da<br />
hinein, ist fokussiert, Tage vorher kümmert man sich schon<br />
nicht mehr um irgendwelche banalen Dinge des Lebens.<br />
Und plötzlich fällt dieser Druck ab wie ein Ventil, das sich<br />
öffnet. Es gibt Kollegen, die unglaublich professionell mit<br />
diesem Druck umgehen können.<br />
MJ Und wenn eine Karriere an Dynamik gewinnt<br />
und sich zu einem Höhenflug entwickelt, ist natürlich<br />
auch immer der Abgrund sichtbar.<br />
WK Ja, dann kommt fast immer diese Angst dazu:<br />
Jetzt stürze ich ab, jetzt wird alles eine Katastrophe,<br />
und alles, was aufgebaut wurde, ist plötzlich durch<br />
eine Vorstellung vernichtet, was natürlich Unsinn
„Wie sehr schnelle Veränderungen<br />
und Attribute<br />
wie plötzlicher, schneller<br />
Reichtum, Macht<br />
oder auch Unterdrücktsein<br />
Menschen verändern –<br />
das ist für mich eine der<br />
interessantesten Facetten<br />
im Ring.“<br />
ist. Aber solche Gedanken sind einem nicht fremd.<br />
Man versucht manchmal, diesen Druck zu kanalisieren,<br />
das ist keine Frage. Da man sich als Sänger<br />
übermäßigen Alkoholkonsum nicht leisten kann –<br />
ich meine nicht finanziell – oder zumindest auf Dauer<br />
nicht, versucht man das halt zu kompensieren,<br />
indem man sich etwas Schönes gönnt oder sich einmal<br />
eine Auszeit nimmt. Das ist sehr wichtig und<br />
schützt auch vor Burnout-Symptomen. Diese Gefahr<br />
besteht natürlich schon.<br />
MJ Gehen Ihnen eigentlich manche Figuren über die Proben-<br />
und Aufführungsphase hinaus nahe?<br />
WK Bei manchen wenigen Rollen ist das schon einmal vorgekommen,<br />
aber meistens eher nicht, weil vor allem Wagners<br />
Rollen eher Archetypen von menschlichen Handlungen<br />
und Emotionen, Verfehlungen und Irrwegen darstellen.<br />
MJ Bei Alberich sind Sie sicher, dass das nicht passieren<br />
wird? Oder was müsste dazu passieren?<br />
WK Das weiß ich nicht, aber das ist eben das Schöne,<br />
dass man immer wieder überrascht wird im Probenprozess,<br />
von der musikalischen Seite, von der szenischen<br />
Seite. Diese Überraschungen sind das Salz, das<br />
die ganze Arbeit so besonders macht. Wenn es einfach<br />
nur Routine wäre, dann könnte man einpacken.<br />
Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich keine<br />
meiner Rollen sehr oft gesungen habe und viele verschiedene<br />
Partien übernommen habe, was mir manchmal<br />
sehr zugesetzt hat. Aber solche Phasen gibt es im<br />
Leben, dass manchmal ganz viel passiert und man<br />
einfach nicht Nein sagen kann, weil man etwas unbedingt<br />
machen möchte. Da muss man halt durch.<br />
Daniel Ender ist Chefredakteur der Österreichischen Musikzeitschrift<br />
und ständiger freier Mitarbeiter des Standard (Wien)<br />
und der Neuen Zürcher Zeitung. Der promovierte Musikwissenschaftler<br />
lehrt an der Musikuniversität Wien sowie an<br />
den Universitäten Wien, Salzburg und Klagenfurt.
Für mein Empfinden<br />
jedenfalls<br />
Die Neuinszenierung des Ring sähe<br />
anders aus ohne die Arbeit der Schweizer<br />
Choreographin Zenta Haerter, seit<br />
Jahren eine der engsten Mitarbeiterinnen<br />
von Andreas Kriegenburg. Ein Porträt.<br />
57<br />
Text Dorion Weickmann<br />
Fotografie Tanja Kernweiss
Ein wollweißes, weiches Gewebe,<br />
hauchzart gestrickt, liegt auf dem<br />
Tisch. Der Faden ist so fein, jede Masche<br />
so filigran, als wäre eine Handarbeitsmeisterin<br />
zugange. Aber dieses<br />
Wunderwerk wächst ganz nebenbei,<br />
ist Muntermacher und Beruhigungsmittel<br />
zugleich. Morgens um halb<br />
sieben, wenn die übrige Theaterwelt<br />
noch im Schlummer liegt, um sich<br />
den Proben- oder Premierenkater aus<br />
Haupt und Gliedern zu schlafen, sitzt<br />
Zenta Haerter schon am Küchentisch.<br />
Der kann daheim in Zürich stehen, in<br />
Dresden oder Berlin, wo sie gerade mit<br />
Andreas Kriegenburg die Vollendung<br />
der Münchner Ring-Tetralogie vorbereitet.<br />
Da sitzt sie also, trinkt Kaffee<br />
und strickt sich in den Tag. Und was<br />
in aller Herrgottsfrüh entsteht – asymmetrische<br />
Pullis, extravagante Kleider<br />
oder eine farbenfroh schillernde<br />
Stola –, das wandert in die Schränke<br />
von Freunden und Freundesfreunden.<br />
Nie käme Zenta Haerter auf die Idee,<br />
mit der Textilkunst schnöde Geschäfte<br />
zu machen oder eigene Schubladen<br />
zu füllen. Überhaupt geht es nicht ums<br />
formschöne Resultat der Nadelarbeit,<br />
sondern einzig und allein: „ums Tun“.<br />
Wer Zenta Haerter treffen will und<br />
vorab ein paar Informationen braucht,<br />
sollte einen Detektiv engagieren. Die<br />
üblichen Quellen anzuzapfen, ist vergebliche<br />
Liebesmüh: Das Internet<br />
spuckt nur ein paar dürre Sätze aus –<br />
„Schauspiel- und Opernchoreographin,<br />
ausgebildet an der Juilliard School in<br />
New York“ –, eine Homepage gibt es<br />
nicht, auch keine Facebook-Seite und<br />
schon gar keinen Twitter-Account.<br />
„Meine Person ist nicht wichtig, sondern<br />
das, was ich tue. Außerdem mag<br />
ich mich nicht festlegen und festlegen<br />
lassen. Was vor 20 Jahren war, hat im<br />
Netz nichts zu suchen – das ist doch<br />
eine Horrorvorstellung!“, erklärt eine<br />
feste Stimme am Telefon, um gleich danach<br />
vorsichtig anzufragen, ob eine Verabredung<br />
um zehn Uhr morgens wohl<br />
zumutbar wäre. Zenta Haerter ist keine,<br />
die ihre Spielregeln für allgemein<br />
verbindlich hält: „Für mein Empfinden<br />
jedenfalls“, lautet die leitmotivische<br />
Wendung, die viele ihrer Sätze abrundet.<br />
Aber zugleich ist sie geradeheraus<br />
und entschieden, mit Lösungen schnell<br />
Für mein Empfinden jedenfalls<br />
Ein Porträt<br />
bei der Hand und keine Freundin von<br />
Umstandskrämereien: „Kommen Sie<br />
am besten in die Wohnung unserer<br />
Kostümbildnerin, dann haben wir’s<br />
ruhig.“ So findet sich die Journalistin<br />
mitten in Kreuzberg wieder, auf einem<br />
Gründerzeitbalkon, über dem bleigraue<br />
Frühlingswolken vor sich hin dunsten.<br />
Zenta Haerter will geschwind noch<br />
eine rauchen. Kein Allerwelts-Glimmstängel,<br />
sondern ein schmales Zigarettchen<br />
schaukelt zwischen ihren Fingern,<br />
gewissermaßen eine Tabak-Doublette<br />
ihrer eigenen, zierlichen Proportionen.<br />
Murmelgroße blaugraue Augen tanzen<br />
in Haerters Gesicht, während sie über<br />
die Dächer hinweg in Richtung Osten<br />
zeigt: „Da hinten, da werde ich bald<br />
hinziehen, kennen Sie die Gegend?“<br />
Nichts deutet darauf hin, dass die Zürcherin<br />
im Berliner Kreativboden erst<br />
noch Wurzeln schlagen muss. Nur ein<br />
Anflug von Schwyzerdütsch federt<br />
durch ihr temperamentvolles Erzählen,<br />
während die lässig gefaltete Strickjacke<br />
und das rastalockige, von Seidenbändern<br />
gehaltene Haar an präraffaelitische<br />
Madonnen erinnern. Oder an jene<br />
Ikonen der Belle Époque, die Moden<br />
und Manierismen links liegen ließen,<br />
um nichts und niemandem außer der<br />
Stimme des eigenen Stilgewissens zu<br />
folgen. Lou Andreas-Salomé gehörte<br />
ebenso zu ihnen wie Franziska zu Reventlow,<br />
und wenn Zenta Haerter gesprächsweise<br />
nach den Stationen ihres<br />
Lebens tastet, schimmern zwischen den<br />
Zeilen die Züge dieser notorischen Rebellinnen<br />
auf. Nicht der Hang zu Sensation<br />
und Skandal stiftet hier wahlverwandtschaftliche<br />
Nähe, sondern<br />
das fortwährende Ringen um Neues, die<br />
unzähligen Häutungen, durch die diese<br />
zarte Person – oft zufällig – gegangen<br />
ist, eben darin den aufsässigen Jahrhundertwende-Töchtern<br />
verbunden.<br />
Am Anfang stand eine frühe, felsenfeste<br />
Entscheidung: „Ich werde<br />
Tänzerin, das wusste ich mit elf, zwölf<br />
Jahren.“ Der Vater, Ingenieur mit eigenem<br />
Büro, reagiert verschnupft.<br />
Dass die Tochter von Kindesbeinen an<br />
Ballettunterricht bei Vera Pasztor hat,<br />
einer renommierten ungarischen Ex-<br />
Ballerina – „Ausdruck war ihr mindestens<br />
so wichtig wie Technik“ –, ändert<br />
nichts an seiner Ablehnung. Immerhin<br />
hat die Kleine seinen lebhaften Sinn für<br />
Mathematik geerbt und könnte ohne<br />
Weiteres der Familientradition folgen.<br />
Die einschlägige Prägung begleitet sie<br />
jedenfalls bis heute: „Für mich hat jede<br />
Zahl eine Farbe, schon immer gehabt.<br />
Und weil die Welt voller Zahlen ist, ist<br />
meine Welt total bunt!“ Wie bitte, Drei<br />
ist also anders als Fünf, und Fünf anders<br />
als Sieben? „Ja, die Drei ist rot,<br />
die Fünf ist gelb, und die Sieben ist<br />
braun – ich hatte nie Probleme, mir<br />
Telefonnummern zu merken, weil alles<br />
Zenta Haerter Nicht der Hang<br />
59<br />
zu Sensation und<br />
Skandal stiftet<br />
bei Zenta Haerter<br />
Nähe zu Ikonen<br />
der Belle Époque,<br />
sondern das fortwährende<br />
Ringen<br />
um Neues, die<br />
unzähligen Häutungen,<br />
durch die<br />
diese zarte Person<br />
gegangen ist.<br />
über Farben geht.“ Kurze Pause, leichtes<br />
Zögern: „Vielleicht gehe ich deshalb<br />
auch nie ins Kino, obwohl das schrecklich<br />
peinlich ist – um mich herum sind<br />
lauter Cineasten, lauter Schauspieler,<br />
die damit ihr Geld verdienen. Aber ich<br />
bade halt den ganzen Tag in Farben,<br />
also brauche ich das Kino nicht.“<br />
Der Milchkaffee wird kalt, während<br />
Zenta Haerters Blicke über das eigene<br />
Lebenspanorama schweifen, mal hierhin<br />
abzweigen, mal dort verweilen, die<br />
Höhen vermessen und die Täler nicht<br />
aussparen. Der Vater also bleibt störrisch,<br />
bis eine Parisreise mit Abstecher<br />
ins choreographische Atelier von Carolyn<br />
Carlson die Wende bringt. Von<br />
deren Hand stammen minimalistischabstrakte<br />
Geniestreiche, die den Papa<br />
am Ende bekehren: „Wenn du das<br />
machen willst – na gut! Aber dann suchen<br />
wir das Beste.“ Das Beste ist New<br />
York. Dort hat Martha Graham ihr<br />
Hauptquartier, die Doyenne des Modern<br />
Dance, mit dem die halbwüchsige<br />
Zenta schon Bekanntschaft gemacht<br />
und dabei „totale Seligkeit“ erfahren<br />
hat: „Das strikte Korsett des Balletts<br />
zu verlassen, war eine Wohltat.“<br />
Die Kaderschmiede schlechthin jedoch<br />
ist die Juilliard School, nur kann<br />
sich dort niemand ohne Highschool-<br />
Abschluss einschreiben. Das Zürcher<br />
Mädel ist die Ausnahme: „Ich bin zum<br />
Aufnahmetest und wollte nur sehen, ob<br />
ich Chancen habe – und dann haben die<br />
mich zugelassen!“ So zieht die 15-Jährige<br />
in den Big Apple, wohnt zur Untermiete<br />
bei einer Schauspielerin, paukt<br />
binnen eines Jahres den Schulabschluss<br />
durch – und wechselt das Fach:<br />
„Die Tänzerkonkurrenz war irre, also<br />
habe ich bei der Leitung vorgesprochen<br />
und gesagt, dass ich gerne ins Kostümwesen<br />
möchte.“ Kein Einspruch, auch<br />
nicht von den Eltern. Denen nämlich<br />
verschweigt das vorzeitig flügge gewordene<br />
Kind seinen Entschluss. Wenn<br />
es eine Konstante in Zenta Haerters<br />
Leben gibt, dann ist es diese Radikalität:<br />
Was beschlossen ist, wird durchgesetzt,<br />
Punktum. Kein Blick zurück,<br />
schon gar keiner im Zorn: „Ich kann<br />
mich sehr gut verabschieden, jeden<br />
Ballast abwerfen, weil nur so etwas<br />
Neues beginnt.“ Nicht umsonst wird<br />
das Gepäck im Lauf der Jahre und<br />
Jahrzehnte immer leichter, gerät jeder<br />
Umzug zur Entschlackungskur. Briefe,<br />
Andenken, den ganzen Krimskrams,<br />
den andere Leute als Allerheiligstes<br />
hüten, mustert das Trennungstalent<br />
leichthändig aus. Von Haerters frühen<br />
Arbeiten gibt es weder Fotos noch Videos,<br />
ja nicht einmal Besetzungszettel.<br />
Wer wie sie mit zwei Luftzeichen<br />
durchs Leben tänzelt – „Sternzeichen<br />
Zwilling, Aszendent Wassermann“ –,<br />
den erdrückt schon der bloße Gedanke<br />
an Klarsichthüllen und Aktenordner.<br />
Wohl auch deshalb nimmt Zenta Haerter<br />
lieber eine Karriere mit Sprüngen,<br />
Stockungen und Mäandern in Kauf, als<br />
sich dem Normallauf der Dinge anzubequemen.<br />
Auf die Juilliard-Gewandmeisterei<br />
folgt ein Zürcher Interim samt Salto<br />
rückwärts in den Tanz, der wenig später<br />
am Stadttheater Hagen aufsetzt.<br />
Dort ist Janez Samec Ballettchef und<br />
braucht ein best girl für „die Barfußund<br />
Wallehaar-Rollen“, das ihm nebenbei<br />
assistieren kann. Zenta Haerter ist<br />
als Rundum-Sorglos-Artistin bestens<br />
geeignet, denn sie erwärmt sich sogar<br />
für jenes Pflichtprogramm, das Tänzer<br />
üblicherweise naserümpfend abspulen:<br />
„Ob Oper, Operette oder Musical-Einsätze,<br />
ich fand alles toll, es gab immer<br />
was zu lernen.“ Samec treibt die Mittzwanzigerin<br />
an, sich choreographisch<br />
auszuprobieren, und so entsteht in der<br />
sauerländischen Provinz ein Erstling<br />
mit dem wolkigen Titel Hinter dem Perlenvorhang.<br />
Ein Schauspieler, zwei Musikanten<br />
und ein betagtes Tänzerpaar<br />
bestreiten den lyrischen Abend: „Alte<br />
Leute haben mich immer interessiert,<br />
und wenn es ein Projekt gibt, das ich<br />
unbedingt machen möchte, dann ist es<br />
eine Choreographie mit älteren Tänzern.<br />
Nur fehlen mir Zeit und Zähigkeit,<br />
das zu organisieren.“<br />
An Durchhaltewillen mangelt es<br />
Zenta Haerter nicht, aber ihre Schicksalsdisziplin<br />
ist eher der Sprint. Denn<br />
in ihrem Leben biegt fast alles so unverhofft<br />
um die Ecke, dass es nicht<br />
lohnt, langfristige Pläne zu schmieden.<br />
Die Liebe beispielsweise stellt sich bei<br />
einem Zwischenhalt in Klagenfurt ein,<br />
in Gestalt eines Opernsängers. Es folgen<br />
Ehe, zwei Söhne und eine Tochter,<br />
dann Umzug mit Kind und Kegel an<br />
den Zürichsee, also Rückkehr in den<br />
Schoß der Herkunftsfamilie. Zunächst<br />
trübt kein Schatten das Traumidyll:<br />
„Nach jeder Geburt dachte ich – das<br />
war’s, jetzt machst du nicht weiter.<br />
Jetzt bist du glücklich.“ Pustekuchen.<br />
Nach ein, zwei Jahren Schürzendasein<br />
hat die Mutter jeweils die Nase voll,<br />
gastiert mal hier, mal da als Tänzerin,<br />
legt sich mit Preisjuroren an – „Diesem<br />
Mist gebt ihr den ersten Preis? Dann<br />
will ich den zweiten nicht haben!“ –<br />
und verzweifelt an der Doppelbödigkeit<br />
des Theaters: „Ich hatte immer einen<br />
Reinheitsanspruch, eine gehörige Portion<br />
Idealismus, wenn da etwas nicht<br />
stimmt, rebelliert mein Körper und<br />
bremst mich aus.“ Denn dieser Körper<br />
behauptet sich als unbestechlicher<br />
Seismograf, der kleinste Erschütterungen<br />
registriert und dabei vollkommen<br />
offenporig bleibt: „Ob ich gehe, stehe<br />
oder liege, es fühlt sich ganz durchlässig<br />
an. Mein Körper endet nicht an der<br />
Haut, ich spüre jede Emotion als physische<br />
Reaktion.“<br />
Auf die Dauer hinterlässt die Querfeldein-Tingelei<br />
jedoch Leere, Einsamkeit<br />
und anfallsweise Schwermut. „Was<br />
ich will, gibt es nicht auf der Welt – ich
in allein mit meiner Suche“, grübelt<br />
die Lebensnomadin, die schwarze Galle<br />
wird zur Dauerkrise. Einmal mehr<br />
sehnt sie sich nach Aufbruch und Ausstieg,<br />
einmal mehr macht sie Tabula<br />
rasa. Verabschiedet sich aus der Ehe,<br />
leiert eine Umschulung zur Webdesignerin<br />
an. Kaum hat sie die Anmeldung<br />
in der Hand, klingelt das Telefon: Ob<br />
sie in einer Inszenierung von Andreas<br />
Kriegenburg am Schauspielhaus Zürich<br />
mitwirken will? Es ist der Beginn einer<br />
engen, fast symbiotischen Arbeitsbeziehung,<br />
die beide schließlich zur ersten<br />
Operninszenierung nach Magdeburg<br />
führt. Zwischen dem gelernten Tischler<br />
und der gelernten Tänzerin spannt sich<br />
eine Bilderwelt auf, die auf wortlosem<br />
Einverständnis gründet, auf Empathie.<br />
„Wenn Andreas im Raum ist, nehme<br />
ich seine Sichtweise auf, ich umarme<br />
das, nehme es in mich hinein, weil<br />
ich gar nicht anders kann.“ Einerseits<br />
bringt diese Einfühlungsgabe den<br />
Ego-Bauchnabel zum Verschwinden,<br />
andererseits löscht sie die Nahtstelle<br />
von Gesang, Sprache und Tanz aus.<br />
Die tänzerische Inszenierungsdreingabe<br />
als solche fällt gar nicht mehr<br />
auf, und eben darin besteht die Kunst.<br />
Sein persönliches Steckenpferd kann<br />
schließlich jedermann, auch jeder Choreograph,<br />
mehr oder weniger passabel<br />
reiten. Aber fremde Ideen und Visionen<br />
aufzusaugen, um ihnen en passant<br />
ein Glanzlicht aufzusetzen, das verlangt<br />
nach Bescheidenheit, nach Enthaltsamkeit<br />
jenseits aller Monomanie.<br />
Zudem gehorcht die Opern- und<br />
Schauspielchoreographie anderen Gesetzen<br />
als das Metier der Profipirouetten:<br />
„Ich kann nicht von mir selbst<br />
ausgehen, sondern ich schaue – wo<br />
will der Körper hin, den ich da vor mir<br />
habe? Jeder Mensch hat eine natürliche<br />
Eigendynamik, und die muss ich<br />
herauskitzeln.“ Was dicke Fallstricke<br />
birgt, fürchten doch die meisten Sänger<br />
beim kleinsten Bewegungsmanöver<br />
um ihren empfindlichen Stimmapparat,<br />
während Schauspieler vor lauter Textmasse<br />
zu kopflastigem Agieren neigen<br />
und „gar nicht wissen, was halsabwärts<br />
passiert“. Zenta Haerters Mission ist<br />
die Befreiung von solchen Handicaps,<br />
und sie zielt nicht unbedingt auf den<br />
Premierentermin. Der innigste, der<br />
Zenta Haerter<br />
„Wenn Andreas im<br />
Raum ist, nehme<br />
ich seine Sichtweise<br />
auf, ich umarme<br />
das, nehme es in<br />
mich hinein, weil<br />
ich gar nicht anders<br />
kann.“ – Zenta<br />
Haerter<br />
fruchtbarste Moment ist ein anderer,<br />
ist „die vollkommene Selbstvergessenheit“,<br />
das Eintauchen und Aufgehen im<br />
Akt der Schöpfung.<br />
Dieser Augenblick stellt sich regelmäßig<br />
auch in der Arbeit mit Statisten<br />
ein, nur bedarf es dafür eines längeren<br />
Anlaufs – zumal sich Zenta Haerter in<br />
der Münchner Ring-Inszenierung einer<br />
100-köpfigen Komparserie gegenübersah,<br />
die eine Art Natur- und Gesellschaftspassepartout<br />
bildet. Für sie hat<br />
Zenta Haerter eigens Workshops gegeben<br />
– „bis Probenbeginn mussten alle<br />
auf Zack sein.“ In dieser Anfangsphase<br />
stehen freilich weder Bewegungstechnik<br />
noch schieres Training im Vordergrund.<br />
Vielmehr geht es um die Erkundung<br />
dessen, was – mit Amateuren –<br />
möglich ist und was der Vision des Regisseurs<br />
entspricht. So wird zunächst<br />
die „atmosphärische Färbung“ angelegt,<br />
und sobald Andreas Kriegenburg<br />
diesem Raster sein Plazet gibt, arbeiten<br />
beide Hand in Hand weiter. Trotzdem<br />
kann es auf den letzten Metern passieren,<br />
dass seine Gegenwart zum Hemmschuh<br />
wird: „Wenn ich bei Proben wirklich<br />
etwas tun möchte, dann muss er<br />
gehen, weil ich seinen Blickwinkel nicht<br />
wegdenken kann.“ Was aber, wenn er<br />
das Ergebnis besichtigt und womöglich<br />
verwirft? „Dann lege ich es halt zur Seite<br />
und fang was Neues an.“<br />
Selbst Enttäuschungen können<br />
dieser Künstlerin des Abschieds und<br />
Neubeginns nichts anhaben. Als kürzlich<br />
Kriegenburgs Münchner Walküre<br />
ihren Debütritt absolvierte und dem<br />
Fortissimo im Orchestergraben ein<br />
Haerter’scher Prolog voraneilte, war<br />
das Publikum not amused. Dabei verlängert<br />
der klanglose Walküren-Aufmarsch<br />
den Schauder der Vorlust und<br />
lässt Wagners orgiastischen Gewitterdonner<br />
danach umso heftiger krachen.<br />
Die Ausgebuhte nimmt es nonchalant:<br />
„Auch so etwas muss man ablegen,<br />
wegbuchen, halt sein lassen, wie es<br />
war.“ Trotzdem bleibt das geschmähte<br />
Vorspiel eine aufwendig kalligraphierte<br />
Visitenkarte aus der Haerter-Werkstatt:<br />
Nichts wird im Namen der Wirkung<br />
plastiziert, nichts in abgegriffene<br />
Formeln gestanzt. Betörend zittert die<br />
Luft, wenn die Walküren-Tänzerinnen<br />
am Ende um den Felsen schwingen,<br />
sich an ihn schmiegen, zuletzt Schulter<br />
an Schulter beieinander kauern wie auf<br />
einem Jugendstil-Fries. Bei aller Fragilität<br />
im Detail sind es bestechend<br />
wuchtige Bildkompositionen, die einer<br />
wohldosierten Mischung von Experiment<br />
und Ekstase entspringen.<br />
Eine Zeitlang hat Zenta Haerter ihrer<br />
exzessiven Probenleidenschaft im<br />
Verborgenen gefrönt. Schauplatz war<br />
ein eigens angemietetes Studio, in das<br />
sie sich einschloss, mutterseelenallein<br />
für zwei, drei Stunden am Tag. Sie dokumentierte<br />
ihre Sessions auf Videobändern<br />
und nahm sogar irgendwann<br />
Ecstasy, „weil ich wissen wollte, ob<br />
man im Drogenrausch tatsächlich was<br />
Besseres produziert“. Das Resultat war<br />
niederschmetternd. Stricken erwies<br />
sich als prima Alternative zu jedem herkömmlichen<br />
Dope. Für das Empfinden<br />
von Zenta Haerter jedenfalls. <br />
Dorion Weickmann ist Tanzkritikerin<br />
und Autorin u. a. für die Süddeutsche<br />
Zeitung, die ZEIT und Tanz.<br />
Die Historikerin promovierte über die<br />
Kulturgeschichte des Balletts, mit<br />
ihrer Studie Der dressierte Leib. Sie<br />
lebt in Berlin.<br />
Mehr über die Fotografin auf S. 18<br />
Der Ring des Nibelungen<br />
Bühnenfestspiel für drei Tage und<br />
einen Vorabend von Richard Wagner<br />
— Das Rheingold<br />
Vorstellungen am Dienstag,<br />
3. und Dienstag, 10. Juli 2012<br />
— Die Walküre<br />
Vorstellungen am Mittwoch,<br />
4. und Mittwoch, 11. Juli 2012<br />
— Siegfried<br />
Vorstellungen am Freitag,<br />
6. und Freitag, 13. Juli 2012<br />
— Götterdämmerung<br />
Premiere am Samstag, 30. Juni 2012<br />
Weitere Termine im Spielplan<br />
ab S. 209<br />
klenzestraße 41 // 80469 münchen // www.talbotrunhof.com
„Das diesjährige Programm verspricht wieder ein rauschvolles<br />
Musikfest. Das wahre Herzstück der Oper für alle ist allerdings das<br />
großartige Publikum. Erst die Begeisterung der Menschen<br />
auf dem Platz lässt die Abende zu unverwechselbaren Erlebnissen<br />
werden. Ich freue mich schon jetzt wieder auf ein<br />
be sonders festliches Wochenende im Zeichen von Oper und Konzert.“<br />
Michael Rahe, Leiter der BMW Niederlassung München<br />
„Wie könnte man 15 Jahre Oper für alle und die intensive und<br />
erfolgreiche Zusammen arbeit zwischen der <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Staatsoper</strong> und BMW besser begehen als mit dem Giganten<br />
Richard Wagner?“ Nikolaus Bachler, Staatsintendant<br />
Oper für allE<br />
In diesem Jahr feiert Oper für alle sein 15. Jubiläum.<br />
Wieder werden der Max-Joseph-Platz und die Straßen<br />
rund um das Nationaltheater auf eine be törende Weise<br />
erfüllt sein von Musik, wenn auf dem Platz vor der Oper<br />
außen zu innen, und innen zu außen wird: Beim Festspielkonzert<br />
am 14. Juli wird das <strong>Bayerische</strong> Staatsorchester<br />
unter der Leitung von Kent Nagano Ausschnitte<br />
aus dem Ring des Nibelungen spielen und das Jugendorchester<br />
ATTACCA Teile aus Howard Shores Filmmusik<br />
zu The Lord of the Rings. Am 15. Juli werden die<br />
Zuschauer die Live-Übertragung der Götterdämmerung<br />
mit erleben können, die den neuen Ring-Zyklus in der<br />
Inszenierung von Andreas Kriegenburg beschließt.<br />
OPER FÜR ALLE<br />
Götterdämmerung<br />
Dritter Tag des Bühnenfestspiels<br />
Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner<br />
Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem<br />
Nationaltheater<br />
Sonntag, 15. Juli 2012, Max-Joseph-Platz<br />
Eintritt frei<br />
Festspiel-Konzert Oper für alle<br />
Samstag, 14. Juli 2012, Marstallplatz<br />
Howard Shore – Orchestersuite aus<br />
The Lord of the Rings<br />
ATTACCA-Jugendorchester des <strong>Bayerische</strong>n<br />
Staatsorchesters<br />
Richard Wagner – Der Ring – ein Abenteuer<br />
für Orchester (arr. von Henk de Vlieger)<br />
<strong>Bayerische</strong>s Staatsorchester<br />
Eintritt frei<br />
Weitere Informationen im Spielplan ab S. 209<br />
Illustration Martin Haake<br />
63<br />
Mit Howard Shores Filmmusik an der Seite des Ring des Nibelungen<br />
klingt an, welch epochale Wirkung das Werk Richard<br />
Wagners bis zum heutigen Tag entfaltet. So darf Wagner<br />
als der Künstler gelten, der die Kunstform des Films<br />
antizipiert hat. Zielte doch seine Vision des Gesamtkunstwerks<br />
darauf, das Publikum zu überwältigen und die einzelnen<br />
Bestandteile der Aufführung für die Sinne nicht mehr<br />
unterscheidbar zu machen. Offensichtliches Beispiel hierfür<br />
ist der berühmte abgedeckte Orchestergraben im Bayreuther<br />
Festspielhaus. Und beinahe sprichwörtlich geworden ist<br />
Wagners Aussage, nachdem er das unsichtbare Orchester erfunden<br />
habe, müsse er nun noch das unsichtbare Theater erfinden.<br />
Nichts anderes passiert, wenn der Kinozuschauer in<br />
seinem Sessel versinkt, und die Filmtechnik auf immer ausgefeiltere<br />
Weise, mit THX Dolby Surround System und 3-D-Technik,<br />
Mittel für das unmittelbare Erleben bildlicher Erzählung<br />
sucht. Der Projektor befindet sich in einem anderen Raum und<br />
ist: unsichtbar. Und natürlich, ähnlich geeignet für manipulative<br />
Zwecke, ist es kein Zufall, dass die Nationalsozialisten sowohl<br />
den Film als auch Wagners Werk instrumentalisierten –<br />
und beides die gewünschte Wirkung auf grausamste Weise<br />
auch erzielte.<br />
Noch deutlicher als die Kunstform aber ist die Filmmusik<br />
ein direkter Nachfahre Richard Wagners. Bis in fast jede<br />
Einzelheit basiert sie bis heute auf den kompositorischen<br />
Prinzipien Wagners, seiner Leitmotivtechnik, den breiten Orchesterklängen<br />
und der illustrativ konkreten Sprache (Siegfrieds<br />
Kampf mit dem Drachen ist aus heutiger Perspektive<br />
Filmmusik). J. R. R. Tolkiens Roman The Lord of the Rings, die<br />
literarische Vorlage für das Filmepos und heute anerkannt<br />
als grundlegendes Werk der Fantasy-Literatur, hält eine weitere<br />
Volte bereit: Um einen Ring, mit dessen Vernichtung die<br />
böse Macht untergeht, geht es dort – wie hier, möchte man sagen,<br />
und doch hat Tolkien jeglichen Einfluss Wagners vehement<br />
verneint: „Beide Ringe waren rund, und da hören die Gemeinsamkeiten<br />
auch schon auf.“ Diesen Beteuerungen zum<br />
Trotz lässt sich nach Auffassung einer breiten Forschungsgemeinde<br />
hierzu nicht leugnen, dass Tolkiens Werk von Wagners<br />
Ring beeinflusst sein muss, wenn etwa seine Figuren Sätze<br />
sprechen wie „Ride to ruin and the world’s ending“ – Brünnhilde<br />
verdichtet auf acht Worte, wie Alex Ross im New Yorker in<br />
unschlagbarer Logik anmerkte.<br />
Wie auch immer man jede einzelne Verästelung wahrnehmen<br />
mag – Fakt ist, dass Wagners Ring ein nicht wegzudenkender<br />
Teil unserer kulturellen Überlieferung ist, der bis<br />
heute jeden Zuhörer, jeden Rezipienten und vor allem jeden<br />
Künstler zu Höchstleistungen herausfordert. Und Teil dieser<br />
Herausforderung mag sein, immer wieder neu zu denken, wie<br />
Kunst gemeinsam erlebt werden kann, wie die Oper sich neuem<br />
Publikum öffnen und in welchen Räumen Wagners Musik<br />
uns rauschhaft überwältigen kann. In dieser Hinsicht darf<br />
Oper für alle, in der Dimension, in der es seit 15 Jahren mit<br />
BMW ermöglicht wird, doch auf ein Augenzwinkern des Meisters<br />
hoffen. <br />
~ MM/OAS
Polaritäten <br />
Portfolio<br />
Rachell Sumpter<br />
Abdelkader Benchamma
Rachell Sumpter<br />
Abdelkader Benchamma<br />
In der diesjährigen<br />
Festspielausgabe<br />
versammeln wir uns<br />
noch einmal im<br />
Blick auf Richard<br />
Wagner. Sein Werk<br />
umspannt die ganze<br />
Welt, changiert<br />
zwischen hell und<br />
dunkel, laut und<br />
leise, Hoffnung und<br />
Utopie auf der einen<br />
Seite, Verzweiflung<br />
und Depression auf<br />
der anderen Seite.<br />
Die Widersprüche<br />
werden nicht<br />
vermittelt, Wagner<br />
interessiert sich<br />
für die Extreme. In<br />
unserem Portfolio<br />
haben wir versucht,<br />
den Spannungen<br />
nachzukommen und<br />
Bilder für diese<br />
Gefühlswelten zu<br />
finden. Dabei sind<br />
wir auf die beiden<br />
Zeichner Abdelkader<br />
Benchamma<br />
(*1975) und<br />
Rachell Sumpter<br />
(*1972) gestoßen,<br />
deren Arbeiten auf<br />
ganz unterschiedliche<br />
Weise ins Kosmologische<br />
drängen.<br />
Ihre Bilder<br />
sind von unzählbaren<br />
namenlosen<br />
Einzelnen bevölkert,<br />
von Menschenansammlungen,<br />
die<br />
sich im unendlichen<br />
Weltenraum behaupten<br />
müssen. Abdelkader<br />
Benchamma,<br />
Sohn algerischer<br />
Eltern, lebt und<br />
arbeitet in Montpellier.<br />
In seinem<br />
schwarz-weißen<br />
Universum, das von<br />
Winden gepeitscht<br />
und von Explosionen<br />
heimgesucht<br />
wird, scheinen die<br />
winzigen Kreaturen<br />
gänzlich verloren<br />
und haltlos zu sein.<br />
Rachell Sumpter,<br />
in Los Angeles<br />
geboren, hat sich<br />
auf die hellere<br />
Seite der Welt<br />
gestellt. Ihre Arbeiten<br />
feiern den<br />
cosmic dance und<br />
beschwören das<br />
Abenteuer. Die<br />
Menschengruppen,<br />
die sie porträtiert,<br />
bewegen sich<br />
in schwerelosen<br />
Traumwelten. Wir<br />
sehen Lagerfeuer,<br />
Geister, Gräber<br />
und Zeichen aus<br />
uralter Zeit. Es ist<br />
das Vermächtnis<br />
von Generationen,<br />
an das sie appelliert.<br />
Und wir<br />
werden Zeuge des<br />
Wunders. – YG<br />
SIE GEHÖREN ZU DEN MENSCHEN, DIE MEHR<br />
ERWARTEN?<br />
SOLLTEN SIE ES DANN NICHT AUCH BEKOMMEN?<br />
Das seit 1841 privat geführte Hotel <strong>Bayerische</strong>r Hof ist mit seinen 345 Zimmern inklusive 60 Suiten, seinen 5 Restaurants und 6<br />
Bars eine Institution unter internationalen Luxushotels. Ein neues Highlight ist die einzigartige astor@Cinema Lounge, das erste<br />
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Fax +49 89.21 20 - 906<br />
www.bayerischerhof.de<br />
info@bayerischerhof.de
75<br />
Ein Traum, was<br />
sonst<br />
Fotograf Till Janz,<br />
fotografiert von H.-J. Syberberg<br />
Ein Besuch im<br />
Gesamtkunstwerk<br />
Nossendorf.<br />
Als genialer Außenseiter<br />
des deutschen Films hat<br />
Hans-Jürgen Syberberg<br />
einst Kleist, Hölderlin,<br />
Wagner, Hitler, Ludwig II.<br />
umkreist. Heute belebt<br />
der Autor und Regisseur<br />
auf zauberhafte Weise das<br />
Landgut seiner Kindheit<br />
in Vorpommern wieder.
Auf nach Nossendorf zu Syberberg!<br />
Nach Nossendorf im Pommernland!<br />
Das klingt sehr fern, so nördlich, so östlich, wie einst ein<br />
preußisches Rittergut in den Masuren. Aber wir reisen mit<br />
der Regionalbahn von Berlin nur zwei Stunden: Richtung<br />
Greifswald und Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Fahren zu dem heute 76-jährigen Filmregisseur und Autor<br />
Hans-Jürgen Syberberg in das Reich seiner wiedergefundenen<br />
Kindheit. Erfahren einen zu neuem Leben erweckten<br />
Traum.<br />
Ausgerechnet hier? Die Bahn hält in der Kreisstadt<br />
Demmin, 20 Autominuten entfernt von dem ins flache Land<br />
gestreuten Nest Nossendorf. Noch vor Demmin trägt zwischen<br />
Wäldern, sanften Hügeln, ein paar Windrädern<br />
und den im Mai gerade gelb lodernden Rapsfeldern ein Ort<br />
den schönen Namen Sternfeld. Der kleine Backsteinbahnhof<br />
dort ist aufgelassen, die Fenster in Scherben, eine Schrift an<br />
der Wand verkündet „Nix da!“. Aber das könnte sich auch<br />
auf die Antinazi- oder Anti-AKW-Graffiti beziehen.<br />
In Demmin hält der Zug dann neben überwachsenen,<br />
stillgelegten Gleisen, die Funktion des gleichfalls geschlossenen<br />
Bahnhofs hat ein Fahrkartenautomat übernommen.<br />
Ein davor geparkter Lieferwagen wirbt für einen<br />
Sexclub in Greifswald.<br />
Hans-Jürgen Syberberg holt uns ab. Ein leicht gebeugter<br />
Herr in hellem Cord und Leinen, mit einer leichten<br />
Wolljoppe, die graublonde Mähne zaust der Wind, und aus<br />
dem wettergebräunten Gesicht lächelt ein freundlicher<br />
Landlord. Einst war er der geniale Außenseiter des deutschen<br />
Films, umstritten, kämpferisch, hat mit höchst ungewöhnlichen<br />
Dokumentationen über den aus der Emigration<br />
zurückgekehrten Theaterheros Fritz Kortner oder den<br />
jungen Filmstar Romy Schneider begonnen, hat Kleist und<br />
Hölderlin, hat Wagner, Hitler, den bayerischen Märchenkönig<br />
Ludwig II. und Karl May umkreist. Eigentlich war er<br />
nur mit Rainer Werner Fassbinder vergleichbar, aber bürgerlicher.<br />
Ein konservativer Anarchist.<br />
Über die Hauptstraße von Demmin trottet ein kahlgeschorener<br />
Mann in Ballonseide, tätowiert und mit Kampfhund,<br />
er sieht aus wie sein leibhaftiges Klischee. Demmin<br />
gilt als Deutschlands Hartz IV-Hochburg, jeder Fünfte ist<br />
arbeitslos. Hans-Jürgen Syberberg nennt die Kleinstadt<br />
mit fast stoischer Heiterkeit den „Anus der Republik“. Auf<br />
der Fahrt in seinem betagten Peugeot fügt er freilich hinzu,<br />
dass auch hier einige Leute zu beträchtlichem Wohlstand<br />
gelangt seien: „Das sind die ehemaligen LPG-Funktionäre.<br />
Denen gehören jetzt das meiste Land und die Wälder, und<br />
mit den Agrarsubventionen der EU kann man einen schönen<br />
Sack Geld verdienen.“ Einer von ihnen ist heute Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Bauernpräsident.<br />
Als wir bei Demmin über die Peene fahren, erzählt<br />
Syberberg, dass er erst kürzlich hinter der Flussbrücke<br />
kehrtgemacht habe und diesem Bauernpräsidenten sehr<br />
schnell hinterhergefahren sei. Die Geschichte dazu erzählen<br />
wir später noch, denn sie hat damit zu tun, dass Syberbergs<br />
zäher Kampf um sein Gut Nossendorf keineswegs zu<br />
Ende ist. Dieser Ort, der ihm nach Weltkrieg, Kaltem<br />
Fotografie Till Janz Text Peter von Becker<br />
Krieg und deutscher Teilung zwischen 1947 und 1989 verschlossen<br />
war und bis zur Wende für immer verloren<br />
schien, der nur noch in seinem Kopf existierte, er hat ihn<br />
so ganz in Bann geschlagen.<br />
Buchstäblich: eine Heimsuchung. Hans-Jürgen Syberberg<br />
war lange in München zu Hause. Inzwischen sucht<br />
er sein hübsches, bequemes Haus am Englischen Garten in<br />
Schwabing jedoch nur noch alle Jubeltage auf, zum Beispiel<br />
über Weihnachten, weil seiner Frau, einer charmant<br />
resoluten Wienerin, und der Familie der Winter oben in<br />
der Pampa von Meck-Pomm einfach zu kalt ist. In diesem<br />
Landgutshaus Nossendorf, das keine Zentralheizung hat,<br />
nur Kohleöfen und zugige Türen und Fenster. Wo im Frühjahr<br />
gleich die ersten Schwalben einfliegen und sich im<br />
Kronleuchter Nester bauen.<br />
Von hier stammt Syberberg, hier lebt er nun wieder<br />
und schläft im Erdgeschoss in dem Zimmer, in dem er 1935<br />
geboren wurde. Ein niedriges breites Bett, darüber zwei<br />
religiös-mystische Bilder, die Vogelnester in den Vorhangstangen<br />
sind, um der freien Natur etwas menschliche Stille<br />
abzuringen, mit Zeitungspapier verstopft. Oben im ersten<br />
Stock, wo sein Kinderzimmer war und die Syberbergs für<br />
ihre gelegentlich anreisenden Freunde ein paar karge charmante<br />
Gästezimmer eingerichtet haben, mit Kerzenlicht<br />
und hingetupften Minifresken von Ölzweigen, dort oben<br />
zwitschern die Schwalben derweil ein heftiges Konzert.<br />
Syberbergs Nossendorf, dieses Haus und den großen<br />
Garten drumherum, besuchen inzwischen täglich mindestens<br />
3.000 Menschen, vor Kurzem sind es an einem Wochenende<br />
sogar über 10.000 gewesen, sagt Syberberg. Trotzdem<br />
bleibt es, in Deutschlands dünn besiedeltem<br />
Nord osten, ein einsamer Ort. Denn die Besuche aus der<br />
ganzen Welt sind virtuell, die Neugierigen kommen durchs<br />
Netz. In Hans-Jürgen Syberbergs Geburtshaus, in dem er<br />
auch einmal sterben möchte, laufen Tag und Nacht vier Kameras,<br />
zwei sind ins Hausinnere gerichtet, zwei in die Wiesen<br />
und Weiten bis zum niedrigen Horizont, hinter dessen<br />
Wolken eine knappe Autostunde entfernt die Ostsee liegt.<br />
Das gehört zum „Nossendorf-Projekt“. Wer im Internet<br />
www.syberberg.de eingibt, landet in Syberbergs<br />
Welt. Zu ihr gehören auch die Links zu den Filmen, die<br />
Syberberg einst weltberühmt gemacht haben: Ludwig, das<br />
Requiem für einen jungfräulichen König von 1972, das den<br />
unendlich teureren, eleganteren Ludwig II.-Film von Luchino<br />
Visconti weit übertraf. Voller Wucht, Witz und tiefgründiger<br />
Wehmut. Oder Hitler – ein Film aus Deutschland,<br />
jenes siebenstündige Opus, das die amerikanische<br />
Schriftstellerin Susan Sontag 1980 anlässlich der New Yorker<br />
Premiere zu einem der ewigen Meisterwerke der Filmgeschichte<br />
erhob und das der französische Filmtheoretiker<br />
Jean-Pierre Faye in der Zeitung Le Monde einen „Faust<br />
III“ nannte. Oder Syberbergs Parsifal, sein Opernfilm, der<br />
1982 in und auf Wagners riesiger, berg- und höhlengleicher<br />
Totenmaske spielte und das Bühnendrama mit einer sensationell<br />
emphatischen Edith Clever als Darstellerin der<br />
Kundry (zur Singstimme von Yvonne Minton) in ein filmisches<br />
Musiktheater sondergleichen verwandelte.
Nossendorf<br />
Nach Bayreuth ins Festspielhaus<br />
durfte er nach<br />
seinem Winifred-Film<br />
(unsinnigerweise) nicht<br />
mehr. Doch gerade hat ihn<br />
die Berliner Akademie der<br />
Künste um ein Konzept<br />
zum 200. Geburtstag des<br />
Komponisten angefragt.<br />
Diese Großwerke, auch Syberbergs zugewandt enthüllender<br />
Film über Winifred Wagner (die unerschütterliche<br />
Hitler-Verehrerin) oder über den genialisch romantischen<br />
Hochstapler Karl May, sie bleiben. Und bedeuten doch<br />
auch Vergangenheit. Syberbergs letztes Projekt, das er den<br />
„Film nach dem Film“ nennt, heißt Nossendorf. Seit ein<br />
paar Jahren gibt es den Livestream der vier Webcams, die<br />
24 Stunden nachttäglich Haus und Hof dokumentieren,<br />
alle 20 Minuten wandern daraus, von einem Berliner Büro<br />
gesteuert, aktualisierte Bilder ins Netz, zu denen Syberberg<br />
selber ein eigenes Fototagebuch allmorgendlich hinzustellt.<br />
Es ist das Zeugnis einer persönlichen Besessenheit,<br />
die zugleich ein Abenteuer aus den wilden Jahren der<br />
Nachwendezeit spiegelt, voller Wunder und einem Stück<br />
deutsch-deutscher Dorf- und Weltgeschichte. Syberberg<br />
ist auch Cyberberg, und Nossendorf sein Zauberwerk.<br />
Rein rational lässt sich diese reale wie auch romantische<br />
Heimsuchung und Heimatfindung wohl nicht erklären.<br />
Als Syberbergs Wagen von der Überlandstraße in<br />
den noch mit DDR-Betonplatten belegten Dorfweg abbiegt,<br />
steht nach wenigen Metern rechter Hand das Gartentor<br />
offen, dahinter die Wiese mit blühendem Löwenzahn<br />
und weiß das Haus. Der Schwalbenhort. Uns begrüßt<br />
ein aus der Einfahrt hüpfender Storch. Um ihn anzulocken,<br />
hat Syberberg vor zwei Jahren auf der Scheune links<br />
vom Haus ein Storchennest gebaut. Zusammen mit „Kippe“,<br />
einem jungen Mann aus dem Dorf, der viel raucht und<br />
HJS als arbeitsloser Arbeitsmann gerne zur Hand geht.<br />
„Nun brütet im Nest eine Ente“, lacht der Hausherr, und<br />
der Storch muss sehen, wo er bleibt.<br />
Das Haus ist von schlichter Anmut. Nur Erdgeschoss<br />
und erster Stock unterm hohen Dach, preußischer Spätklassizismus<br />
im angedeuteten Schinkel-Stil aus der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im weißen Putz sind nur<br />
noch Feinspuren der nach 1947 abgeschlagenen oder verwitterten<br />
Fassadenprofile zu erkennen. Feinspuren ist<br />
überhaupt das Wort, das hier zutrifft, für Nossendorf heute.<br />
Syberbergs Vater hatte das Gut 1925 gekauft und<br />
dort Viehzucht, Waldwirtschaft und Ackerbau betrieben.<br />
1945 besetzten es die Russen, dann durften die Syberbergs<br />
noch für knapp zwei Jahre zurückkehren, bis zur Enteignung.<br />
Die Familie zog 1947 nach Rostock, wo Syberberg<br />
auf dieselbe Goethe-Schule ging wie der etwas jüngere<br />
heutige Bundespräsident Joachim Gauck. Später wechselte<br />
Hans-Jürgen Syberberg zum Studium erst nach Berlin,<br />
wo er mit einer Schmalfilmkamera 1953 als 18- Jähriger<br />
Bertolt Brecht bei Proben des Berliner Ensembles beobachtete,<br />
dann zog er weiter in die Bundesrepublik, und<br />
seine Eltern betrieben später ein Hotel im österreichischen<br />
Altaussee. Syberberg wurde für viele Jahre ein<br />
preußischer Münchner. Bis die Mauer fiel.<br />
Da ist er gleich im Dezember 1989 mit Edith Clever<br />
erstmals wieder nach Nossendorf gefahren. Allein, sagt<br />
er, hätte er sich das gar nicht getraut, aber die Clever<br />
„wollte es unbedingt“. Es gibt ein Foto von dem Besuch:<br />
Die Schauspielerin schreitet in langem schwarzem Mantel<br />
durch Schneepfützen auf ein düster verwittertes Anwesen<br />
zu, gesäumt von Baracken und schwarzkahlen Baumstrünken.<br />
Es könnte auch ein Ruß- und Ruinenbild sein,<br />
vom Kriegsende.<br />
Als die DDR am Ende war, wohnten acht Familien<br />
auf dem von einer maroden LPG bewirtschafteten Gut. Ein<br />
hoffnungsloser Fall, und Syberberg reiste ab und dachte,<br />
das war’s. Zehn Jahre später hörte er dann durch Zufall,<br />
dass das Haus mittlerweile leer und zum Verkauf stehe.<br />
Doch im Jahr 2000 lief eine neue deutsche Grenze mitten<br />
durch das Gebäude. „Die eine Hälfte vom Haus gehörte<br />
dem ehemaligen LPG-Vorsitzenden, der heute einer der<br />
Immobilienkönige des Landkreises ist.“ Der wollte 160.000<br />
Mark für seinen Teil, als Kompensation für die erhoffte<br />
Abrissprämie. Alles war verrottet, das Dach teilweise offen,<br />
und der Besitzer ließ die Regenrinnen eigens nach innen<br />
laufen. Allerdings gehörte die andere Hälfte des Gebäudes<br />
der Treuhand. Darin sah Syberberg seine unverhoffte<br />
Chance. Die Treuhänder waren überrascht, als plötzlich<br />
der berühmte, auch in der Berliner Zentrale bekannte<br />
Filmkünstler auftrat – und Nossendorf zu einem Stück<br />
gesamtdeut schen Kulturerbes erhob. Worauf er die Ämter<br />
gleich mit Eingaben, Anzeigen, Skandaldrohungen und<br />
sei nen tollkühnen Plänen zur „Rekultivierung“ überzog.<br />
Noch während der Verhandlungen ließ Syberberg<br />
nachts die Zugänge zum Haus vermauern, um es vor Vandalismus<br />
zu schützen. Syberbergs tollste Tat: Mit Tricks<br />
und Verführungskunst bekam er sein Elternhaus vor zehn<br />
Jahren endlich: „für null“. Weil er das marode Gebäude<br />
samt eingestürztem Dach seitdem renovieren musste und<br />
sich das bei der entschädigungslosen Bodenreform von<br />
1947 enteignete Land wenigstens vor und hinterm Haus<br />
zurückzukaufen begann, kamen vor die Null bis heute allerdings<br />
noch einige Ziffern.<br />
Innen besteht das Gut Nossendorf aus den klösterlich<br />
kargen Zimmern im Obergeschoss und parterre dem<br />
ungeheizten Salon sowie diversen Wohn- und Arbeitsräumen,<br />
die mit ein paar Erbstücken und Trödelmöbeln mit<br />
ehemaligen Requisiten aus Syberbergs Filmefundus (in einem<br />
Gartenhaus: Kundrys Bett aus dem Parsifal) eine luftige<br />
Mischung aus Biedermeier und Bohème darstellen.<br />
Heute ist die Tür vom Salon, in dem noch die Winterluft<br />
Hans-Jürgen Syberberg 79<br />
steckt, hinaus zum sonnigen Garten weit offen. Doch für<br />
jeden Besucher gilt der erste Blick einem Seitenraum, in<br />
dem lebensgroß die beiden Prinzessinnen Luise (später die<br />
„schöne Luise“, Preußens populärste Königin) und Friederike<br />
stehen – eine Kopie der Marmorgruppe von Johann<br />
Gottfried Schadow, die Syberberg vor drei Jahrzehnten für<br />
eine Kleist-Inszenierung mit Edith Clever anfertigen ließ.<br />
Zu Füßen der Prinzessinnen steht eine Vase mit einem<br />
weißen Fliederzweig. Frische Blumen für die beiden holden<br />
Damen gibt es das ganze Jahr: „Das halten wir durch.“<br />
Bereits 2003 hatte das Pariser Centre Pompidou<br />
eine von Syberberg inszenierte multimediale Ausstellung<br />
„Paris – Nossendorf“ gezeigt. Fünf Jahre später präsentierten<br />
die Wiener Ursula Blickle Stiftung und die Kunsthalle<br />
Wien Syberbergs Wagner Box und Syberbergs Nacht,<br />
die sechsstündige erst theatralische, dann filmische Reise<br />
allein mit Syberbergs Protagonistin und Muse Edith<br />
Clever: durch Tiefen und Untiefen der deutschen und<br />
euro pä ischen Seele, mit Texten, Wortmusiken von Hölderlin,<br />
Kleist, Nietzsche und Mörike – bis hin zu Beckett.<br />
Mit viel Musik auch aus Bachs Wohltemperiertem Klavier<br />
oder Wagners Tristan. Durch diese große Nacht der Erinnerung<br />
geisterte Mitte der 1980er Jahre freilich schon<br />
Syberbergs eigene, schattenhafte Erinnerung an Nossendorf.<br />
Zu seinem 75. Geburtstag zeigte das Berliner Filmmu<br />
seum Ende 2010 dann Das Nossendorf-Projekt in einer<br />
Mischung aus Filmen, Fotos und Modellen. Damals, im<br />
Herbst, waren wir das erste Mal auch in seinem Haus.<br />
Jetzt blühen neben dem Flieder und den Wiesenblumen<br />
noch Äpfel und die Dolden der Traubenkirschen.<br />
Syberberg ist hier 2003 wieder eingezogen, hat in der Einfahrt<br />
einen DDR-Konsum und die LPG-Baracken ab gerissen,<br />
Bäume und Büsche neu gepflanzt, Wassergräben<br />
saniert, Findlingssteine wie zu Urzeiten rund um das<br />
Grundstück gelegt und zur Straße hin eine Backsteinmauer<br />
mit kleinen Säulen aufgemauert. Wer die Restaurierung<br />
unterstützt, bekommt eine Messingplatte mit seinem Namen<br />
an einer der Säulen. Der erste dort war der jüngst<br />
verstorbene Bernd Eichinger („mein alter Münchner Kumpel“),<br />
der schon Syberbergs Hitler, Parsifal und Karl May<br />
produziert hatte.<br />
Vor dem Mittagessen, bei dem Helga Syberberg eine<br />
selbst gemachte Terrine aus geräucherten Forellenfilets im<br />
Garten serviert, trinkt HJS zur Kreislaufanregung, wie seine<br />
Frau, einen trockenen Rotkäppchen Sekt mit einem<br />
Schuss eigenem Holundersirup. Eben haben wir noch eine<br />
gerade zugekaufte Wiese mit Holzbrücke über den angrenzenden<br />
Feldbach besichtigt – und das letztes Jahr neu angelegte<br />
Spargelbeet. Dort steht der Spargel nun grün und<br />
halbmeterhoch, weil er nach der Pflanzung erst im dritten<br />
Jahr gestochen und gegessen werden darf.<br />
Syberberg erzählt: „Als 1945 die Rote Armee zunächst<br />
das Haus und den Hühnerstall besetzte, lebten wir<br />
bei Nachbarn. Die Russen nahmen sich alles, aber sie kann-<br />
ten keinen Spargel. Deshalb ist mein Vater in den Mainächten<br />
auf unser Spargelfeld geschlichen und hat dort<br />
den Spargel gestochen. Als ihn die Russen entdeckten, haben<br />
sie natürlich das ganze Feld durchwühlt. Sie dachten,<br />
mein Vater hätte dort unsere Wertsachen vergraben.“ Später<br />
wurde das Spargelfeld dann ohnehin umgepflügt, weil<br />
Spargel in der DDR als „bourgeoises Gemüse“ galt. Die<br />
Russen allerdings fanden einen Teil des Syberberg’schen<br />
Tafelsilbers im Garten, „und was sie nicht fanden, davon<br />
essen wir jetzt“. Wichtiger aber war, dass Syberbergs Vater,<br />
der sich selber früh für Fotografie und Filme interessierte,<br />
Alben und Schmalfilme als Dokumente des Hauses<br />
und der Kindheit seines Sohnes damals in einem Versteck<br />
retten konnte.<br />
Es sind seitdem Hans-Jürgen Syberbergs Vorbilder<br />
und Erinnerungsstücke, die ihm auch beim Restaurieren<br />
und Rekonstruieren helfen. Als Schätze werden sie, wie<br />
Großteile des eigenen Filmarchivs, freilich noch immer aus<br />
Sicherheitsgründen in München verwahrt. Erst war Syberbergs<br />
Losung die Wendung Kleists „Ein Traum, was<br />
sonst“, jetzt in der neuen Nossendorfer Realität wird daraus<br />
wieder ein Lebens- und Arbeitswerk. Sein Gesamtkunstwerk.<br />
Foto: Hans-Jürgen Syberberg<br />
Über vier Webcams zeigt Hans-Jürgen Syberberg sein<br />
Gut Nossendorf im Netz (www.syberberg.de). Im dortigen Tagebucheintrag<br />
des 6. Mai 2012 finden sich weitere Bilder vom<br />
Besuch des MAX JOSEPH-Fotografen Till Janz, die auf ganz<br />
beiläufige Weise auch die Requisiten aus Syberbergs früheren<br />
Produktionen zeigen.
Derzeit sammelt Syberberg<br />
für die Wiederer richtung<br />
des Kirchturms. „Die<br />
Leute sind ja seit DDR-<br />
Zeiten reine Atheisten.<br />
Aber das Wetter für Saat<br />
und Ernte kommt auch<br />
für sie immer noch vom<br />
Himmel. Also“, lacht der<br />
einstige Meisterregisseur<br />
sein sanftes, unabweisbares<br />
Lächeln, „also geben<br />
sie doch ein bisschen<br />
was für den lieben Gott.<br />
Für alle Fälle.“<br />
Mit diesem Wort sind wir bei Wagner. Nach Bayreuth ins<br />
Festspielhaus durfte er als Persona non grata nach seinem<br />
Winifred-Film (unsinnigerweise) nicht mehr. Doch gerade<br />
hat ihn die Berliner Akademie der Künste um ein Konzept<br />
für eine Präsentation 2013 zum 200. Geburtstag des Komponisten<br />
angefragt. Syberberg, laut Susan Sontag „der<br />
größte Wagnerianer seit Thomas Mann“ (was er selbstironisch<br />
zitiert), hat der Akademie daraufhin ein paar Vorschläge<br />
geschickt.<br />
Seine beiden originellsten Anregungen sind sicher<br />
diese: den utopischen Wagner zu zeigen, in Dokumenten<br />
der großen nicht realisierten Wagner-Inszenierungen, von<br />
Adolphe Appias abstrakten Lichträumen und Lichtträumen<br />
der 1920er Jahre, die später Wieland Wagners oder<br />
auch Robert Wilsons Vorbilder wurden, bis zu Lars von<br />
Triers aufgekündigtem Bayreuther Ring. Und dazu schlägt<br />
Syberberg noch vor, Wagners immer skandalisierte, „aber<br />
von kaum jemandem gekannte“ Schmähschrift Das Judenthum<br />
in der Musik von einem Schauspieler lesen zu lassen.<br />
„So, wie Romuald Karmakar den Schauspieler Manfred<br />
Zapatka beim Vorlesen der Posener Geheimrede Heinrich<br />
Himmlers gefilmt hat.“ Syberberg glaubt, man könne die<br />
deutschen Geister und Ungeister nicht bannen, indem man<br />
sie nur verdränge. Auch der jüdische Literaturwissenschaftler<br />
und brillante Wagner-Exeget (und Wagner-Liebhaber)<br />
Hans Mayer habe in diesem Sinne immer für eine<br />
offene Auseinandersetzung mit Wagners Abgründen plädiert.<br />
Syberberg: „Ich bin gespannt, wie die Berliner Akademie<br />
darauf reagiert.“<br />
Hatte er nie Lust, selber Wagner auf der Bühne zu<br />
inszenieren? „Nein. Ich bekam dazu in Deutschland nie ein<br />
Angebot, nur einmal von Mortier nach Brüssel und vom<br />
81<br />
früheren französischen Kulturminister Michel Guy. Aber<br />
was ich zu Wagner zu sagen habe, steckt im Ludwig, in<br />
Hitler und dann als Summe, als Wagners eigene Summe,<br />
im Parsifal. Der Film überlebt für mich zutreffender als<br />
eine vergängliche Theateraufführung.“<br />
Eher will er das Vergangene, das Verlorene wieder<br />
neu erschaffen. Darum gehört zu seinem lebenden Gesamtkunstwerk<br />
auch der Wiederaufbau des Kirchturms von<br />
Nossendorf. Auf den Turm mit hohem spitzem Giebel hat<br />
er als Kind geschaut, später, zu Ulbrichts Zeiten, hat die<br />
DDR ihn abgerissen, die Religion sollte niedergehalten<br />
werden, und so trägt die kleine Nossendorfer Feldsteinkirche,<br />
einen guten Steinwurf von Syberbergs Hoftor entfernt,<br />
bloß noch einen geduckten Hut, keinen stolzen Helm. HJS<br />
kämpft seit Jahren um den Turm, 2010 in seiner Berliner<br />
Ausstellung machte er ein Modell des Turms zum Blickfang.<br />
Danach hat ihm der mäzenatische Industrielle Hans<br />
Wall 40.000 Euro gespendet, aber normalerweise würde die<br />
Rekonstruktion mindestens eine Viertelmillion kosten.<br />
Syberberg sammelt weiter und hat mit Berliner<br />
Theater-, Architekten- und Ingenieursfreunden ein Team<br />
gebildet, das den Turm nun für rund 100.000 Euro wiedererrichten<br />
will. Mehrmals hat er deswegen auch den Bauernpräsidenten<br />
(und ehemaligen LPG-Oberen) angeschrieben,<br />
der Land auch aus dem früheren Syberberg-Eigentum in<br />
Nossendorf besitzt. Ohne Antwort. Neulich traf er ihn im<br />
Auto auf der schon erwähnten Brücke über die Peene. Der<br />
Mann fuhr in der Gegenrichtung. Woraufhin Syberberg<br />
wendete und dem Bauernpräsidenten stracks hinterherfuhr<br />
und ihn schließlich in dessen Büro stellte. Syberberg<br />
zauberte, und am Ende der Vorstellung hatte er den Handschlag,<br />
dass er für einen Vorzugspreis eine frühere Syberberg’sche<br />
Pferdekoppel am Rand von Nossendorf rückkaufen<br />
könne. Und der Verkäufer spendet das Geld für<br />
den Kirchturmbau.<br />
Ähnlich hat Syberberg auch aus nahen Wäldern das<br />
Holz für den Turm aufgetrieben. „Die Leute sind ja seit<br />
DDR-Zeiten reine Atheisten. Aber das Wetter für Saat<br />
und Ernte kommt auch für sie immer noch vom Himmel.<br />
Also“, lacht der einstige Meisterregisseur sein sanftes, unabweisbares<br />
Lächeln, „also geben sie doch ein bisschen was<br />
für den lieben Gott. Für alle Fälle.“ Das Unheile soll wieder<br />
heil werden, wenigstens im Kleinen. Das ist Syberbergs<br />
großer Plan. „Im Übrigen“, sagt der 76-Jährige, „ist<br />
mein Land jetzt in den Lüften.“ Damit meint er nun nicht<br />
den Himmel, sondern das Internet. So kehrt er immer wieder<br />
heim zu seinem Computer, der in seines Vaters ehemaligem<br />
Arbeitszimmer steht, unter einem Bild von Edith<br />
Clever in der Nacht und neben dem Modell des einstigen,<br />
künftigen Kirchturms draußen vor der Tür.<br />
Mehr über den Autor und über den Fotografen auf S. 18
»Schöner ist die Ruine<br />
einer schönen Sache«<br />
Im Festspielprogramm<br />
Rund um den Ring<br />
arbeiten sich drei Künstler<br />
an Richard Wagner ab.<br />
Text und Moderation Wiebke Matyschok<br />
Ein Gespräch zwischen<br />
den Festspielkünstlern Philine<br />
Rinnert, Wiebke Matyschok<br />
und Sven Holm.<br />
Seine Frauen, seine Wege, seine Orte. Im Festspielprogramm<br />
Rund um den Ring nähern sich drei Projekte dem Phänomen<br />
und Mythos Wagner auf jeweils ganz eigene Weise.<br />
In Wagnerin holt Regisseur Sven Holm Wahnfried ins<br />
Münchner Haus der Kunst und lässt auf surreale Weise<br />
Frauen der Dynastie Wagner aus vier Generationen aufeinandertreffen.<br />
Bühnenbildnerin Philine Rinnert stellt mit der<br />
Installation Relikt das Bruchstück einer imaginären Wagner-Szenografie<br />
in den öffentlichen Raum. Hörfunkautorin<br />
und Regisseurin Wiebke Matyschok schickt uns auf einen<br />
Hörparcours in acht Stationen durch die Münchner Innenstadt.<br />
Vor Beginn der Festspiele haben sich die drei in Berlin<br />
getroffen. Ein Gespräch über das Ganze und Zertrümmerte,<br />
Bilder eines widersprüchlichen Komponisten, seine Orte<br />
und andere Wagner-Assoziationen.<br />
Wagner – am Anfang war ein Reiz<br />
Im Hörparcours Herr Richard W. in<br />
M. Ein Komponist macht Station beschäftige ich mich mit<br />
Wagners Verortung in München, der, gerufen von König<br />
Ludwig II., in die Stadt kam, um den Ring des Nibelungen zu<br />
beenden. Wo war bei euch der Ausgangspunkt? Was bedeutet<br />
„Wagnerin“?<br />
Wagner hat ein merkwürdiges Verhältnis zu<br />
Frauen. Das zeigt sich auch im Ring des Nibelungen. Da gibt<br />
es Brünnhilde, die auf dem Felsen den Helden erwartet, da<br />
sind aber auch andere Frauengestalten, die immer dem Bild<br />
einer Erlösung dienen, die aber letztlich nie aufgeht. Wagners<br />
Frauengestalten existieren einerseits nur als Utopie,<br />
andererseits sind sie schon im Absterben begriffen – ein<br />
Widerspruch, der sehr stark ist. In unserem Abend Wagnerin<br />
geht es um die Frauen in der Familie Wagner, die nach<br />
dem Ableben Wagners, teils freiwillig, teils aus der Not heraus,<br />
den Grünen Hügel beherrscht haben: Cosima, nachdem<br />
Richard gestorben ist; Winifred, weil Richards Sohn Siegfried<br />
früh gestorben ist; dann Gudrun, die Frau im Hintergrund,<br />
an der Seite ihres Mannes, Richard Wagners Enkel<br />
Wolfgang, und jetzt beider Tochter Katharina. Was uns daran<br />
reizt, ist, dass Richard Wagner sich so wahnsinnig auf<br />
seinen einzigen Sohn konzentriert hat – Siegfried. Cosima<br />
schreibt in ihren Tagebüchern immer wieder über die Bedeutung<br />
dieses Erben. Aber Siegfried hat bekanntlich nicht<br />
die gewünschte Erlösung gebracht. Es sind immer die starken<br />
Frauen gewesen, die in Bayreuth regiert und sich teilweise<br />
des Erbes wegen bekriegt haben. In unserem Projekt<br />
geht es um die Absurdität, dass Wagner im Grunde die Konflikte<br />
seiner Nachfahren im Ring des Nibelungen vorweggenommen<br />
hat, nur eben im männlichen Kosmos beim Kampf<br />
um das Gold. Deshalb wollen wir Wagner-Frauen verschiedener<br />
Generationen in München versammeln, sie einer<br />
Analyse unterziehen und sie von ihrem Fluch befreien.<br />
Du hast eben Brünnhilde erwähnt, die Frau, die auf<br />
dem Felsen wartet. Siehst du einen ganz bestimmten Typus<br />
vor dir?<br />
Für Wagnerin konnte Gwyneth Jones engagiert werden.<br />
Die Idee war, eine Frau zu besetzen, die in dem Alter ist, in<br />
dem man sich die ehrwürdige Cosima Wagner zumeist vorstellt.<br />
Zugleich haben wir uns eine Sängerin gewünscht,<br />
die den Part der Brünnhilde vorwärts und rückwärts singen<br />
kann und diese Rolle im Körper hat. Gwyneth Jones ist dafür<br />
die Idelabesetzung, weil sie uns natürlich übervorteilt<br />
ist, denn sie hat sich ihr ganzes Leben mit Wagner auseinandergesetzt.<br />
Bei Brünnhilde auf dem Felsen denke ich auch an Philine<br />
Rinnerts Installation Relikt. Philine, du bist Bühnenbildnerin<br />
und beschäftigst dich auch mit Landschaften,<br />
mit Topografien. Besteht Wagner für dich vor allem aus Bildern?<br />
Landschaften sind ja das, was man<br />
beim Zurücklegen einer Distanz sieht. Ich habe mich Wagner<br />
daher zunächst über die Biografie genähert. Er ist unglaublich<br />
viel gereist, ist nur selten mehr als ein paar Jahre<br />
Fotografie Patrick Desbrosses<br />
83<br />
an einem Ort geblieben. Wie hat ihn beeinflusst, was er da<br />
gesehen hat? Deutschland, Frankreich, Italien, Schweiz. Er<br />
überquerte immer wieder die Alpen. Felsengebirge. Er ist<br />
sehr viel zu Fuß unterwegs gewesen. Vielleicht war dieses<br />
Unterwegs-sein auch eine Art von Zuhause für Wagner,<br />
eine Art des Bei-sich-selbst-sein. Wo waren die Momente,<br />
in denen er die Inspiration zu seiner Musik bezogen hat?<br />
Ich sehe zwei Seiten. Die eine ist die Zurückgezogenheit,<br />
etwas, was ich auch von mir selber kenne – der Moment, wo<br />
du im Atelier sitzt und arbeitest. Das andere ist dieses extreme<br />
Leben nach außen. Dann die Frauen. Wagner als politische<br />
Person. Seine Utopien, die Feinde. Er hat gerne geglänzt<br />
in der Öffentlichkeit.<br />
„Ein Abend ohne Götter und Helden, für Cosima, Winifred,<br />
Gudrun und Katharina Wagner, viele Blaue Mädchen,<br />
Herrenensemble und übrig gebliebene Posaunisten<br />
des Festspielorchesters.“ Was bedeutet dieser Titel?<br />
Der Abend kreist zwar um den Ring. Auch die Götterdämmerung<br />
mit dem Untergang von Walhall spielt eine zentrale<br />
Rolle. Zusätzlich spielen wir ganz fiktiv mit einem<br />
Untergang der Bayreuther Festspiele in naher Zukunft.<br />
Das Orchester und die Helden sind abgereist, nur die Posaunen<br />
bleiben. Im Haus Wahnfried sitzen vier Wagner-<br />
Frauen und versuchen, die Wagner’sche Idee zu retten und<br />
drehen Wagner-Schauen.<br />
Alle Frauen zusammen?<br />
Das Ganze ist eine surreale Szenerie, in der Katharina<br />
Wagner die Frauenfiguren aus den Gräbern zieht und versucht,<br />
den Mythos wieder interessant zu machen: die Geschichten<br />
der Frauengestalten aus der Familie Wagner sowie<br />
die Frauengestalten aus dem Ring. Es geht immer um die Dialektik<br />
zwischen einer Cosima und einer Brünnhilde oder<br />
einer Katharina und einer Sieglinde. Das zutiefst einsame<br />
Gefühl, in dieser selbstbezogenen Atmosphäre der Wagner-<br />
Familie aufzuwachsen und nicht mehr heraus zufinden.<br />
Bruchstück eines ganzen Gebirges<br />
Bei der Ring-Tagung in der Evangelischen Akademie<br />
Tutzing im Januar dieses Jahres hat jeder Teilnehmer etwas<br />
anderes in diese Figur Wagner oder den Ring hineinprojiziert.<br />
Ich hatte das Gefühl, jeder steigt in seinen ganz eigenen<br />
Kosmos ein. Man hat dabei sehr viel über die einzelnen<br />
Redner erfahren, weil man an Wagner selbst einfach nicht<br />
herankommt.<br />
Das geht fast in Richtung Fragment. In euren Anordnungen<br />
wirkt es so, als hätte sich das Ganze schon zerlegt,<br />
als ob von dem großen Wagner’schen Plan, dem ganzen Gebäude<br />
nur noch Reste übrig bleiben, obwohl alle Opernhäuser<br />
der Welt und auch Bayreuth behaupten, dass der<br />
Ring immer noch als Gesamtkunstwerk wirkt. Was heißt Relikt?<br />
Ist es nötig, dieses Riesending Ring zu zertrümmern,<br />
um überhaupt einen Einstieg zu finden? Oder erzählt das<br />
Ganze ohnehin nur noch von einer Verfallsgeschichte?
Rund um den Ring 87<br />
Relikt heißt ja Überbleibsel, und ich lebe nicht in einer<br />
ganzheitlichen Wagner-Kultur. Ich kann nur versuchen,<br />
mich einem Teil zu nähern, und möchte mir auch gar nicht<br />
anmaßen, Wagner im Ganzen zu erklären. Ich möchte nur<br />
wie ein Archäologe den Spuren Wagners folgen. Ich nehme<br />
ein Teil einer möglichen Kulisse und stelle es in einen neuen<br />
Kontext. Ich stelle es im öffentlichen Raum an einen neuen<br />
Ort, als Bruchstück eines einst großen Ganzen, das aber<br />
zu riesig ist, um es zu überschauen. Bruchstück einer großen<br />
Inszenierung oder Bruchstück eines ganzen Gebirges.<br />
Ja, das ist in meinem mobilen Feature ähnlich. Ich greife<br />
acht Orte auf, die Wagner in München gestreift hat, angefangen<br />
von der Residenz, wo er vom König empfangen wurde, bis<br />
zum Bahnhof, wo er abgereist ist – bei Nacht und Nebel. Das<br />
sind in erster Linie nicht nur Orte, es sind vor allem Geschichten,<br />
die sich nur noch in der Fantasie abspielen, Bilder wie:<br />
Dort war Wagner am Starnberger See mit Cosima, in der<br />
Ferne Ludwig II. Aber es ist nicht mehr greifbar, nur noch<br />
eine Erinnerung. Ich erzähle Geschichten, die sich von einem<br />
Ort ausgehend frei entspinnen. Relikt wird auf einem<br />
Platz in München verortet, der Abend Wagnerin findet im<br />
Haus der Kunst statt. Welche Bedeutung haben Orte in diesem<br />
Kontext?<br />
Wir haben in erster Linie nach einem zentralen Ort gesucht.<br />
Aber wir wollten den Spielort nicht eigens thematisieren,<br />
auch wenn das Gebäude natürlich aufgeladen ist.<br />
München ist eine wichtige Stadt gewesen für Wagner aber<br />
eben auch für Hitler. Mir gefällt am Haus der Kunst besonders<br />
die Terrasse, die den Blick auf den Englischen Garten<br />
freigibt. Ganz entfernt erinnert das an Bayreuth. Man geht<br />
durchs Grüne. Die Blechbläser musizieren im Freien und laden<br />
die Menschen ein, an ihrer Idee teilzuhaben. Es geht<br />
um Aufladung. Und dafür ist das Haus der Kunst gut geeignet.<br />
Relikt steht auf dem Max-Joseph-Platz. Es ist die Skulptur<br />
eines Felsens. Er durchläuft vier Phasen und liegt am<br />
Ende in Scherben. Es ist gut, dass er jetzt an einem Ort aufgestellt<br />
wird, der mit der Oper in Zusammenhang steht. Deine<br />
Orte liegen etwas versteckter. Wie hast du sie gefunden?<br />
Ich wollte zunächst sehen, wo sich noch Spuren von<br />
Wagner finden. Wo haben sich wichtige Dinge abgespielt?<br />
Ich beginne mit einer Erzählung aus Wagners Autobiografie<br />
Mein Leben. 1864 ist er auf der Flucht aus Wien vor seinen<br />
Gläubigern und erholt sich zwei Tage im Hotel „<strong>Bayerische</strong>r<br />
Hof“. Er steht vor einem Schaufenster und sieht eine<br />
Fotografie des jungen Königs. Das ist natürlich eine tolle<br />
Legende, weil Pfistermeier, der Sekretär des Königs, da<br />
schon hinter ihm her ist, um ihn zu suchen. Wagner wähnt<br />
sich in einer ausweglosen Lage, reimt noch einen Nachruf<br />
auf sich selbst, reist weiter, wird schließlich aufgespürt. In<br />
der Residenz findet dann die entscheidende Begegnung<br />
mit dem König statt, von der es keine Augenzeugenberichte<br />
gibt. Man weiß nicht, was erfunden ist.<br />
Zwischen Scharlatan und Schnorrer,<br />
genialem Künstler und Frauenheld<br />
Wagner hat sich immer herumgetrieben, irgendwo zwischen<br />
Scharlatan und Schnorrer, genialem Künstler und<br />
Frauenheld. Alles mündete dann in die Bayreuther Idee.<br />
Dieser Ort ist ganz stark als Autorität, und diesen Ort einmal<br />
als Überbleibsel, als Ruine zu betrachten, ist reizvoll.<br />
Es gibt diesen Satz von Rodin: „Schöner als eine schöne<br />
Sache ist eine Ruine einer schönen Sache.“ Das war für uns<br />
ein Prinzip. Es passiert etwas ganz anderes, als der Zuschauer<br />
glaubt, und der Abend führt woandershin, als man<br />
bei Wagner erwartet. Es ist auch ein Abend über Oper<br />
schlechthin. Oper wird immer als ein geschlossenes Kunstwerk<br />
betrachtet und in seiner formalen Struktur nicht angetastet.<br />
Wir möchten den Jazz-Posaunisten Nils Wogram und<br />
sein Vertigo Trombone Quartett einladen, die Wagner’sche<br />
Musik improvisierend weiterzuentwickeln. Eine Analyse<br />
der Paralyse mit offenem Ende.<br />
Dekonstruktion ist bei mir sehr bildlich. Der Fels ist<br />
nur ein Fragment und dann zerfällt er auch noch. In dem<br />
Moment, wo man etwas auseinandernimmt, entsteht etwas<br />
Neues. Ich möchte nichts zertrümmern, ich möchte vielmehr<br />
ein neues Bild entstehen lassen.<br />
Warum eignet sich Wagner so gut, historisch sezierend<br />
zu arbeiten? Was reizt euch daran, zu fabulieren und neu<br />
inszenierte Formen zu finden?<br />
Für mich ist es an erster Stelle das Übergriffige in seinem<br />
Werk. Wagner war größenwahnsinnig. Wenn er nach<br />
Italien fährt, dann braucht er 20 Räume, wenn er eine Oper<br />
schreibt, fordert er 100 Musiker. Und er war widersprüchlich,<br />
was seine Nachfahren immer wieder zu negieren wussten.<br />
Man kann immer etwas in sein Werk hineinprojizieren.<br />
Man konnte in der DDR etwas in Wagner finden – da war er<br />
Revolutionär –, ebenso aber auch im Nationalsozialismus<br />
oder auch in der Bundesrepublik der 1970er Jahre. Es ist<br />
möglich, sich an das Werk heranzuzoomen und einen Aspekt<br />
groß zu machen. Hinzu kommt auch noch die Rezeptionsgeschichte.<br />
Es ist einzigartig, dass eine Familie ein<br />
Werk und eine öffentliche Position als ihren Besitz erklärt.<br />
Eine meiner Hörstationen heißt Wagner in der Brienner<br />
Straße, es ist eine surreale Montage. Wagner fantasiert im<br />
Gespräch mit sich selbst. Wagner übt Kritik an der Macht<br />
des Geldes. Gold regiert die Welt! Das Rheingold, zum Ring<br />
geschmiedet, das ist der Fluch von allem. Wagner ist immer<br />
wieder selbst in Geldnot und auf der Flucht. Und plötzlich<br />
findet er sich unverhofft in München wieder, ausgestattet<br />
mit einem Gehalt des Königs und dem Auftrag, den Ring zu<br />
vollenden. Er zieht sich immer wieder in sein „Atlas-Zimmer“<br />
zurück – ein luxuriöses Kabinett mit gedämpftem Licht,<br />
Seidentapeten, Brokatvorhängen. In Briefen an die Putzmacherin<br />
bestellt er Stoffe, Seidendecken, Hosen, Hausmäntel.<br />
Darin schreibt er: „Verwechseln Sie das dunkle Rosa nicht<br />
mit dem früheren Violett-Rosa, welches ich nicht meine,
sondern wirkliches Rosa, aber nur sehr dunkel und feurig.“<br />
Das ist unglaublich widersprüchlich. Einerseits dieser Luxus,<br />
andererseits die Kritik an der Macht des Goldes.<br />
Mich interessiert aber gerade, die Last der Geschichte<br />
und jede Wertung wegzulassen und etwas in einen neutralen<br />
Kontext zu stellen. Ich wollte mich diesem Werk mit einem<br />
naiven Blick nähern. Ich hatte das Gefühl, dass ich<br />
mich ihm ohne Vorwissen gar nicht mehr nähern kann oder<br />
darf. Genau das aber zu versuchen, ist der Reiz daran.<br />
Es gibt diese Bilder und Assoziationen, doch ich denke,<br />
keiner von uns will die Dinge umfassend erklären. Wenn<br />
ich alte Bilder von Wagner-Inszenierungen betrachte, frage<br />
ich mich: Was bleibt übrig? Was für Überreste würde<br />
man auf einer imaginären Bühne wiederfinden? Schwerter,<br />
Helme, Schrott und vielleicht eben auch einen Felsblock …<br />
Zu Wagner gibt es viele Meinungen, die sich als Klischee<br />
entpuppen. Dieses hat mit ihm eigentlich nichts zu tun.<br />
Wagner war viel zu widersprüchlich in seinen unterschiedlichen<br />
Lebensphasen und die Geschlossenheit seiner Werke<br />
ist in seiner Persönlichkeit nicht zu finden. Für diesen Heiligkeitszirkus<br />
sind vor allem seine Nachfahren verantwortlich,<br />
allen voran Cosima. Es ist immer Überforderung mit im<br />
Spiel. Wenn man diese einmal hypothetisch weglässt, dann<br />
landet man vielleicht bei vier Posaunen und bei Wagner als<br />
Dramenschreiber und Philosophen, und nicht bei dem Magier,<br />
für den ihn viele halten. Ich muss nach einer Stunde<br />
Partiturlesen die Noten weglegen, weil es mir zuviel wird.<br />
Das ist Reizüberflutung – oder?<br />
Mit dem Bayreuther Festspielhaus hat Wagner auch genau<br />
das gewollt. Wegen der Bauweise von Zuschauerhaus<br />
und Bühne taucht der Besucher durch den sogenannten<br />
Illusionstrichter in die Geschichte ein wie im Kino. Vielleicht<br />
wehrt man sich gegen diese Überwältigung und reibt<br />
sich deshalb so stark daran. Die Konstruktion des Bayreuther<br />
Festspielhauses wurde aus Holz gebaut – es ist fast<br />
wie ein Hörkörper, eine Hörmuschel. Mein „Felsen“ lädt<br />
dazu ein hineinzuhorchen. Er ist offen. Er ist wie ein Vakuum,<br />
denn er ist innen hohl.<br />
Nur noch das Vorspiel. 136 Takte in Es-Dur. Der Bogen<br />
bis zur Götterdämmerung entfällt. Was passiert mit dem<br />
Felsblock auf dem Max-Joseph-Platz?<br />
Ich wünsche mir, dass sich jeder seine eigenen Gedanken<br />
dazu macht. Ich schreibe nichts daneben – auch nicht<br />
Rheingold, Walküre, Siegfried, Götterdämmerung als Untertitel<br />
von vier Phasen eines Zerfalls. Ich werde bestimmt einige<br />
Male dorthin kommen und beobachten, wie die Leute<br />
reagieren. <br />
Philine Rinnert<br />
Foto Seite 84<br />
Wiebke Matyschok<br />
Foto Seite 86<br />
Sven Holm<br />
Foto Seite 85<br />
Philine Rinnert studierte Bühnenbild an der Universität der Künste Berlin<br />
und in Sankt Petersburg. Als freie Bühnen- und Kostümbildnerin gestaltete<br />
sie in den letzten Jahren Produktionen u. a. bei Theaterfestivals<br />
in Graz, Warschau, Berlin und Athen. Sie leitete interkulturelle Theaterprojekte<br />
in der Ukraine und im Kongo. Sie beschäftigt sich mit Wahrnehmungsstrukturen<br />
im öffentlichen Raum und den Spuren sozialer Transformationsprozesse<br />
und entwickelt daraus ortsspezifische Interventionen<br />
und Installationen. Zu den diesjährigen Festspielen wird sie, nach<br />
Murano & 32 Ölbilder im Jahr 2010, erneut eine Installation zeigen – ein<br />
Relikt auf dem Max-Joseph-Platz.<br />
Wiebke Matyschok ist Hörfunkautorin und -regisseurin. Sie studierte<br />
Neuere Geschichte und Musikwissenschaften in Berlin. Seit 2004 arbeitet<br />
sie für die Hörfunkprogramme des <strong>Bayerische</strong>n Rundfunks BAYERN 2<br />
und BR-KLASSIK. An der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> erarbeitete sie bereits<br />
2009 für den Berg-Pfitzner-Abend Neue Klänge mehrere Hörstationen<br />
und eine Soundcollage. Seit 2010 gehört sie zum Team des Klangspuren-<br />
Festivals für zeitgenössische Musik in Schwaz/Tirol. Zu den Opernfestspielen<br />
2012 ist von ihr das mobile Audiofeature Herr Richard W. in M. zu<br />
erleben.<br />
Sven Holm entwickelt vor allem mit der von ihm mitbegründeten Berliner<br />
Opernkompanie NOVOFLOT unterschiedliche Formate experimentellen<br />
Musiktheaters. Nach eigenen Versionen von Ernst Kreneks Glockenturm<br />
und Tommaso Traettas Antigone entstanden mit der Opernsaga Kommander<br />
Kobayashi zehn zeitgenössische Opern, die jeweils in Koproduktion<br />
in Hamburg, Berlin, Luxemburg, Warschau und Budapest aufgeführt wurden.<br />
Nach dem dreiteiligen Projekt WAS WIR FÜHLEN an den Berliner<br />
Sophiensælen zeigte NOVOFLOT im Berliner Radialsystem V eine szenische<br />
Erforschung von Bachs Weihnachtsoratorium sowie von Offenbachs<br />
Pariser Leben. Sven Holm inszenierte Uraufführungen zeitgenössischen<br />
Musiktheaters an der <strong>Staatsoper</strong> Hannover, der Oper Stuttgart, der Oper<br />
Kiel und am Theaterhaus Gessnerallee in Zürich sowie Beethovens Fidelio<br />
am Theater Heidelberg. Im Rahmen der diesjährigen Festspiele führt<br />
er Regie beim Abend Wagnerin im Haus der Kunst.<br />
www.LUXHAUS.de<br />
Das Ende. Und klar, wieder der Anfang<br />
Im Ring geht die Welt am Ende unter. Meine Serie von<br />
Hörstücken endet ganz banal. Wagner reist aus München ab,<br />
weil König Ludwig ihn aufgefordert hat, die Stadt zu verlassen,<br />
nachdem das Volk auf die Straße gegangen ist und das<br />
Kabinett mit Rücktritt gedroht hat.<br />
Bei Wagnerin haben wir die Idee, dass Das Rheingold<br />
sich noch einmal wiederholt und Alberich sich diesmal für<br />
die Liebe und gegen das Geld entscheidet.<br />
Dann hat Alberich endlich gelernt?<br />
Alberich hat gelernt. Wir erzählen von Alberich allerdings<br />
im Verlauf des ganzen Abends nichts. Insofern erzählen<br />
wir von dem Wunsch, die Möglichkeit zu ergreifen,<br />
eine Geschichte anders abrollen zu lassen, einen Fluch<br />
aufzulösen. Vielleicht auch den Fluch des Wagner-Clans.<br />
Wir bleiben bei Es-Dur. Und eigentlich müsste dann der<br />
ganze Ring auch gar nicht mehr gespielt werden.<br />
Rund um den Ring<br />
Wagnerin. Ein Haus der Kunstmusik<br />
Ein Abend ohne Götter und Helden, für Cosima, Winifred, Gudrun<br />
und Katharina Wagner, viele Blaue Mädchen, Herrenensemble und<br />
übrig gebliebene Posaunisten des Festspielorchesters<br />
von Sven Holm<br />
Sonntag, 24. Juni 2012, und Montag, 25. Juni 2012,<br />
Haus der Kunst, Westflügel<br />
—<br />
Relikt<br />
Installation von Philine Rinnert<br />
ab Dienstag, 19. Juni 2012,<br />
Max-Joseph-Platz<br />
—<br />
Herr Richard W. in M. Ein Komponist macht Station<br />
Mobiles Audiofeature in acht Teilen<br />
von Wiebke Matyschok<br />
Koproduktion mit dem <strong>Bayerische</strong>n Rundfunk<br />
Weitere Informationen im Spielplan auf S. 209
dOCUMENTA (13) in Kassel<br />
9/6 —16/9 —2012<br />
Das Buch der Bücher<br />
ISBN 978-3-7757-2950-5, € 68,–<br />
Alle Publikationen im Hatje Cantz Verlag<br />
www.hatjecantz.de<br />
Das Begleitbuch<br />
ISBN 978-3-7757-2954-3, € 24,–<br />
Das Logbuch<br />
ISBN 978-3-7757-2952-9, € 30,–
Ideologischer Sprengstoff<br />
105<br />
Richard Wagners Musik<br />
in Israel<br />
Das Werk Richard Wagners unterliegt bis heute in Israel<br />
einem gesellschaftlichen Bann. Die Historikerin<br />
Na’ama Sheffi erklärt, wie Richard Wagner für die<br />
israelische Gesellschaft zu einem Symbol geworden ist.<br />
Text Na’ama Sheffi<br />
Fotografie Benjamin Krieg
Obwohl in meinem Elternhaus fast ausschließlich klassische<br />
Musik gehört wurde, lernte ich die Musik von Richard<br />
Wagner erst im Erwachsenenalter kennen. Ich entdeckte sie<br />
Ende 1981 im Zuge eines Skandals in der Philharmonie Tel<br />
Aviv. Zubin Mehta wollte als Zugabe eines Konzerts mit dem<br />
Israel Philharmonic Orchestra den „Liebestod“ aus Tristan<br />
und Isolde spielen, doch ein Teil des Publikums reagierte<br />
ausgesprochen erbost. Einer der Platzanweiser, ein Holocaust-Überlebender,<br />
der im Unabhängigkeitskrieg 1948 verwundet<br />
worden war, stellte sich an den Rand der Bühne und<br />
entblößte seinen mit Narben übersäten Oberkörper. Diese<br />
Affäre, die die Medien noch geschlagene vier Wochen beschäftigte,<br />
zog auch meine Aufmerksamkeit auf sich.<br />
Einige Jahre später, mittlerweile war ich Studentin<br />
der Geschichtswissenschaft, kam ich der Lösung des Rätsels<br />
langsam näher. Im Rahmen eines Seminars zum Thema<br />
„Mythen in der nationalsozialistischen Gesellschaft“ untersuchte<br />
ich die Rolle des mythologischen Helden Siegfried in<br />
der nationalsozialistischen Weltanschauung. Nachdem ich<br />
ein Seminar zu Wagner im Fachbereich Musikwissenschaft<br />
belegt hatte und kurze Zeit später während eines einjährigen<br />
Aufenthalts an der Ludwig-Maximilians-Universität in<br />
München den Ring des Nibelungen hatte sehen und hören<br />
können, erweiterte ich meine Forschungsarbeit um eine<br />
Diskussion des gesamten Ring, immer mit dem Schwerpunkt<br />
seines Einflusses auf die Nationalsozialisten.<br />
Doch die Beschäftigung mit dem Thema, das mich eigentlich<br />
umtrieb – weshalb Wagner heftige Ressentiments<br />
bei derart vielen Israelis hervorrief –, musste ich auf die Zeit<br />
nach meinem Studium verschieben. Erst dann begann ich,<br />
diese merkwürdige, scheinbar endlose Kontroverse zu untersuchen,<br />
die mindestens einmal in jedem Jahrzehnt zu einem<br />
öffentlichen Skandal führt und sich bisweilen auch zwischendurch,<br />
wenn auch etwas zurückhaltender, meldet. So<br />
etwa erst jüngst, im April 2012: Die Choreographin Jasmin<br />
Vardimon wurde von der Leitung der Israeli Opera gebeten,<br />
einen Teil der musikalischen Begleitung zu ihrem Stück, das<br />
in der Oper aufgeführt werden soll, auszutauschen. Ursprünglich<br />
wollte sie Auszüge aus Wagners Tannhäuser einspielen.<br />
Die Bitte um Änderung wurde mit der Begründung<br />
ausgesprochen, auf die Gefühle der Öffentlichkeit Rücksicht<br />
zu nehmen.<br />
Die Gefühle der Öffentlichkeit sind der Kernpunkt der<br />
Diskussion, wann immer der Name Wagner in der israelischen<br />
Öffentlichkeit ausgesprochen wird. Eigentlich kann<br />
gar nicht von Diskussionen, sondern eher von emotionalen<br />
Wortgefechten die Rede sein, für die auch immer wieder rationale<br />
Begründungen herangezogen werden, die aber zumeist<br />
nur bedingt zum Thema passen. Die Fronten verlaufen<br />
quer durch alle politischen Parteien, die Argumente entfachen<br />
Kontroversen unter den Holocaust-Überlebenden über<br />
das korrekte Verhalten, und auch die Angehörigen der jüngeren<br />
Generationen sind sich bei Weitem nicht einig, welcher<br />
Weg eingeschlagen werden solle.<br />
Die Wagner-Affäre entbrannte noch vor der Staatsgründung<br />
Israels. Im November 1938 stand das Vorspiel zu<br />
Wagners Meistersinger von Nürnberg auf dem Programm des<br />
Richard Wagners Musik in Israel<br />
Manchmal sind es gerade<br />
die rationalen Bemerkungen,<br />
die unter die Haut<br />
gehen. So schlug eine<br />
Holocaust-Überlebende im<br />
Jahre 2001 vor: „Wartet<br />
bitte, bis wir nicht mehr<br />
sind, dann könnt ihr doch<br />
tun und lassen, was ihr<br />
wollt.“<br />
Für mich symbolisiert die<br />
Musik Wagners ein Leitmotiv<br />
für die Gesellschaft,<br />
in der ich lebe. Wagner ist<br />
in Israel vor allem ein<br />
Symbol und meines Erachtens<br />
das falsche.<br />
ersten Konzerts der dritten Spielzeit des Palestine Symphony<br />
Orchestra, das später zum Israel Philharmonic Orchestra<br />
werden sollte. Die „Reichskristallnacht“, die drei Tage zuvor<br />
in Deutschland gewütet hatte, löste in Palästina tiefstes<br />
Entsetzen aus, sodass der Gründer des Orchesters,<br />
Bronisław Huberman, den Dirigenten Eugen Szenkar bat,<br />
das Wagner-Stück nicht zu spielen. Paradoxerweise wurde<br />
als Ersatz die Oberon-Ouvertüre Carl Maria von Webers gewählt,<br />
einer der von Wagner am meisten geschätzten Komponisten.<br />
Sowohl Huberman als auch Eugen Szenkar und Arturo<br />
Toscanini, der das erste Konzert des Orchesters im Jahre<br />
1936 dirigierte, waren Persönlichkeiten mit ausgeprägtem<br />
politischen Bewusstsein. So lehnte etwa der polnisch-jüdische<br />
Geiger Huberman schon 1933 – noch bevor er das Orchester<br />
in Tel Aviv gründen sollte – die Einladung Kurt Furtwänglers<br />
zu einem Konzert in das nationalsozialistische<br />
Berlin ab und reagierte stattdessen mit scharfen Briefen,<br />
weil er erkannte, dass der wachsende Antisemitismus die<br />
Juden aus Europa vertrieb. Nach Inkrafttreten der „Rassengesetze“<br />
veröffentlichte er im Februar 1936 einen kritischen<br />
Brief an die deutschen Intellektuellen im Manchester Guardian.<br />
Das Orchester, das er in Palästina gründete, wurde zu<br />
einem Zuhause für zahlreiche Musiker, die zuvor in renommierten<br />
europäischen Orchestern gespielt hatten und die<br />
aus ihren Heimatländern aufgrund des wachsenden Antisemitismus<br />
und der in Deutschland geltenden „Rassengesetze“<br />
flüchten mussten.<br />
Das erste Konzert des Palestine Symphony Orches tra<br />
wurde von Arturo Toscanini dirigiert. Nachdem dieser sehr<br />
schnell verstanden hatte, in welche Richtung Mussolinis<br />
faschistisches Regime strebte, weigerte er sich, in seiner<br />
Heimat Italien Konzerte zu geben. Er lehnte auch eine Einladung<br />
in die Wagnerstadt Bayreuth ab, die schon ab Ende der<br />
1920er Jahre als eine der ersten Städte zu einer Bastion der<br />
Nazis geworden war.<br />
Das Konzert schließlich, aus dessen Programm<br />
Wagners Meistersinger-Vorspiel 1938 gestrichen wurde,<br />
dirigierte Eugen Szenkar, einer der 108 Künstler, die auf Joseph<br />
Goebbels offizieller Boykottliste standen. Einige Monate<br />
später übrigens dirigierte Szenkar auf einer Tournee<br />
des Orchesters in Kairo und Alexandria mehrere Werke von<br />
Wagner.<br />
Diese politischen Gründe für die Entfernung von<br />
Wagners Musik aus einem bestimmten Konzert sowie der<br />
politische Geist, der die drei Hauptakteure des Orchesters in<br />
seinen ersten Jahren umtrieb, prägten vornehmlich die Einstellung<br />
der Israelis gegenüber Wagner. Ab den 1950er Jahren<br />
entbrannte jedes Mal eine scharfe Kontroverse, wenn<br />
Wagners Name in Zusammenhang mit einem geplanten öffentlichen<br />
Konzert fiel, vor allem bei einem der größten und<br />
wichtigsten Orchester Israels, dem Israel Philharmonic Orchestra.<br />
Die einzige Größe, die stets konstant in allen Disputen<br />
blieb, über all die Jahre hinweg, war die staatliche Reaktion:<br />
Sowohl sämtliche Bildungsminister als auch das Amtsgericht<br />
Tel Aviv beharrten auf dem Standpunkt, dass dies<br />
grundsätzlich ein musikalisches Problem sei, in das sich<br />
staatliche Institutionen nicht einmischen sollten. 2001 allerdings<br />
wurde in einer Sondersitzung des Bildungsausschusses<br />
der Knesset „aus vollem Herzen“ die offizielle Bitte<br />
geäußert, dass kulturelle Einrichtungen es unterlassen<br />
mögen, Werke antisemitischer Komponisten aufzuführen,<br />
da dies die Gefühle der Öffentlichkeit verletzen könnte.<br />
Die Öffentlichkeit, von der die Rede ist, ist die Öffentlichkeit<br />
der Holocaust-Überlebenden. Im Laufe der Jahre<br />
schien es in der Tat so zu sein, dass zahlreiche Holocaust-<br />
Überlebende öffentliche Darbietungen aus Wagners Werken<br />
als eine Verletzung des Gedenkens an den Holocaust betrachteten.<br />
Die Töne Wagners, einer der beliebtesten Opernkomponisten<br />
der Weimarer Zeit, wurden für sie zu einem integralen<br />
Bestandteil ihrer Erfahrung der untergehenden Republik und<br />
der Zerstörung ihres bisherigen Lebens durch SA-Schergen<br />
und das gesamte Naziregime. Es gab auch jene, die behaupteten,<br />
Wagners Kompositionen wären in den Konzentrationslagern<br />
gespielt worden, doch konnte das bis heute von der Forschung<br />
nicht bewiesen werden.<br />
Die vehementen Reaktionen einiger Überlebender<br />
unterstreichen nur den Umstand, dass es sich um emotionale<br />
Erinnerungen handelt, die in sich die Gräueltaten der<br />
Nazis bergen. Bisweilen erhitzen sich die Gemüter derart,<br />
dass es unmöglich ist, überhaupt eine Diskussion zu führen.<br />
Manchmal allerdings sind es gerade die rationalen<br />
Bemerkungen, die unter die Haut gehen. So schlug eine<br />
107<br />
Holocaust-Überlebende während eines Symposiums an<br />
der Universität Tel Aviv im Jahre 2001 vor: „Wartet bitte,<br />
bis wir nicht mehr sind, dann könnt ihr doch tun und lassen,<br />
was ihr wollt. Bitte respektiert unseren Wunsch, solange<br />
wir noch unter euch leben.“ Als Teilnehmerin der<br />
Podiumsdiskussion konnte ich mich nicht zurückhalten<br />
und bat sie meinerseits, diesen Wunsch doch besser nicht<br />
zu äußern, denn er führe letztendlich dazu, dass diejenigen,<br />
die Wagner hören möchten, den Tod der Überlebenden<br />
herbeisehnten. In einer Situation wie dieser sei es<br />
besser, man würde gemeinsam zu dem Entschluss kommen,<br />
keine öffentlichen Aufführungen mit Wagners Musik<br />
zu veranstalten.<br />
Im selben Jahr entbrannte auch der berühmte Streit<br />
um Wagner und Daniel Barenboim, an dem auch Angehörige<br />
meiner Generation und Jüngere beteiligt waren. Das Israel<br />
Festival 2001 hatte ein Gastspiel der Berliner Staatskapelle<br />
unter Barenboims Leitung im Programm, das den ersten Akt<br />
der Walküre aufführen sollte. Barenboim wurde 1991 vom Israel<br />
Philharmonic Orchestra eingeladen, das Dirigat zu<br />
übernehmen, nachdem Mehta zehn Jahre zuvor persönlich<br />
wegen seiner Herkunft und seines Glaubens beschimpft<br />
worden war, als er den eingangs erwähnten Versuch unternahm,<br />
ein Werk Wagners zu spielen. Aber auch Barenboim<br />
wurde letztendlich vorgehalten, für die Veranstaltung zu<br />
jung zu sein und den Holocaust nicht erlebt zu haben.<br />
2001 also wurde Barenboim zu -<br />
sammen mit der Festivalleitung vom<br />
Bildungsausschuss der Knesset gebeten,<br />
von der Wagner-Aufführung Abstand<br />
zu nehmen. Beide erklärten sich<br />
schließlich einverstanden. Trotzdem spielte das Orchester<br />
nach Ende des Konzertes das Vorspiel zu Tristan und Isolde.<br />
Im Saal ereignete sich Folgendes: Einerseits wurde eine relative<br />
Ruhe bewahrt, und das Orchester konnte ungestört<br />
spielen. Andererseits befanden sich unter denjenigen, die<br />
den Saal verließen, auch 30- und 40-Jährige, also Personen,<br />
die den Holocaust nicht miterlebt hatten und die teilweise<br />
auch keine Kinder von Überlebenden waren. Der Wagner-<br />
Boykott war also schon längst zu einem Symbol für jüngere<br />
Generationen geworden, darunter auch für Menschen, die<br />
keinerlei persönliche Berührungspunkte mit dem Holocaust<br />
haben, und auch für solche, die überhaupt keine Liebhaber<br />
der klassischen Musik sind.<br />
Inhaltliche Diskussionen über Wagners Werk, beispielsweise<br />
über die Gefühle, die es auslöst, oder über seine<br />
Aufführungspraxis, werden in der israelischen Gesellschaft<br />
nicht geführt. Allein die Erwähnung seines Namens reicht<br />
für ein Aufleben der Kontroverse. In den Augen der meisten<br />
Israelis ist Wagner ein Symbol unter vielen für den Nationalsozialismus<br />
und den Holocaust. Durch seine Hetzschrift<br />
Das Judenthum in der Musik, den Tatsachen, dass der Führer<br />
des nationalsozialistischen Deutschland ihn verehrte<br />
und dass seine Werke in den Konzentrations- und Vernich-
Bereits 1933 lehnte der<br />
spätere Gründer des<br />
heutigen Israel Philharmonic<br />
Orchestra Bronisław<br />
Huberman eine Einladung<br />
Furtwänglers in das<br />
nationalsozialistische Berlin<br />
aus politischem Protest<br />
ab. Auch Toscanini, der<br />
das erste Konzert des<br />
Orchesters dirigierte, verweigerte<br />
einen Besuch<br />
in der Wagnerstadt<br />
Bayreuth, seit Ende der<br />
1920er Jahre eine der<br />
ersten Bastionen der Nazis.<br />
wandt werden, um Verachtung auszudrücken. Auf jeden Fall<br />
sollte vermieden werden, sie zum Andenken an den Holocaust<br />
zu instrumentalisieren.<br />
Aus dem Hebräischen von Adina Stern<br />
Mehr über die Autorin auf S. 18<br />
tungslagern gespielt wurden, wie Überlebende jahrelang<br />
behaupteten, steht Wagner für die Gräueltaten, derer die Israelis<br />
gedenken wollen.<br />
Somit war ich ausgesprochen überrascht, als ich von<br />
MAX JOSEPH gebeten wurde, mich zu der Frage zu äußern,<br />
was die Musik Wagners in mir auslösen würde. Seine Musik<br />
an sich ist in Israel kaum bekannt, außer wenn sie von der<br />
globalen Populärkultur unter die Massen gebracht wird, wie<br />
etwa durch den „Walkürenritt“, der die Bombenexplosionen<br />
des verrückten Lieutenants Bill Kilgore in Apocalypse Now<br />
begleitet, durch Klingeltöne oder diverse bekannte Kinound<br />
Fernsehwerbungen. Auch wenn ich mich persönlich viel<br />
mit Wagners Musik beschäftige, sie schätze und auch genieße,<br />
kann ich mich dennoch von dem ideologischen Impakt,<br />
den Wagners Musik in Israel darstellt, kaum frei machen,<br />
weder zu Hause noch in ausländischen Opernhäusern.<br />
Für mich symbolisiert die Musik Wagners ein Leitmotiv für<br />
die Gesellschaft, in der ich lebe.<br />
Wagner ist in Israel vor allem ein Symbol und meines<br />
Erachtens das falsche. Des Holocausts muss gedacht werden,<br />
weil er ein Abschied von sämtlichen demokratischen<br />
und liberalen Werten war. Er war eine Katastrophe, deren Ursprung<br />
in sinnlosem Hass lag. Des Holocausts muss als<br />
furchtbarste Grausamkeit gedacht werden, die jemals von<br />
der Menschheit erdacht und in Todesfabriken ausgeführt<br />
wurde. Es muss daran erinnert werden, dass das Boykottieren<br />
von Menschen und die Annullierung ihrer Freiheiten die<br />
ersten Schritte waren, die letztendlich zu ihrer Ermordung<br />
führten. Meiner Meinung nach dürfen genau diese Instrumente<br />
– Boykott und Freiheitsbeschneidung – nicht ange-<br />
Richard Wagners Musik in Israel<br />
Die Bilder des Videokünstlers Benjamin Krieg<br />
entstanden während seiner Recherchen für Saar<br />
Magals Projekt Hacking Wagner in Tel Aviv.<br />
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Hacking Wagner<br />
111<br />
In der Performance<br />
Hacking Wagner<br />
wird sich die<br />
israelische Choreographin<br />
Saar Magal<br />
mit der Person<br />
Richard Wagners<br />
und besonders<br />
seinem Ring des<br />
Nibelungen auseinandersetzen<br />
und<br />
die kulturell<br />
überlieferten Codes,<br />
die mit Wagner<br />
in Israel, aber auch<br />
in Deutschland<br />
verbunden sind,<br />
de chiffrieren –<br />
„hacken“. Hier<br />
schreibt sie über die<br />
Motive ihrer<br />
Arbeit, die bei den<br />
Münchner<br />
Opernfestspielen<br />
Premiere haben<br />
wird.<br />
Text Saar Magal<br />
Die Metapher, die in der Geschichte von Slavoj Žižek steckt,<br />
genauso wie das Stück selbst, sind Teil einer Diskussion, die<br />
über die Frage des Wagner-Banns hinausgeht, über den Einspruch<br />
gegen den Bann und über den Einspruch gegen den<br />
Einspruch. Die Tatsache, dass Holocaust-Überlebende in dem<br />
Club auftauchten, und zwar arglos gegenüber der beabsichtigten<br />
Ironie, ist sehr viel komplexer und vielschichtiger als die<br />
einfache Frage, ob Wagner verboten gehört oder nicht.<br />
Zu oft wird im Namen von Überlebenden des Holocaust<br />
das Wort ergriffen, vorgeblich, um sie davor zu „schützen“,<br />
Wagners Musik hören zu müssen. Aber nur sie tragen<br />
den Holocaust wirklich in sich und nur sie verkörpern gleichermaßen<br />
das Leben danach in Israel und die fortbestehende<br />
Verbindung zur deutschen Kultur, der sie entstammen, in<br />
der sie aufgewachsen sind und aus der sie gewaltsam vertrieben<br />
wurden, verletzt und verwaist.<br />
Die Auseinandersetzung mit Holocaust-Überlebenden, deren<br />
Bedürfnissen und deren Sicht auf Wagner ist aus dem<br />
öffentlichen Bewusstsein Israels größtenteils verschwunden.<br />
Für mich wurde immer deutlicher, dass der „Wagner-Bann“<br />
nicht so sehr mit den Holocaust-Überlebenden zu tun hat,<br />
sondern eine Art soziale Norm ist, die von der Öffentlichkeit<br />
impulsiv und unreflektiert ausgeübt wird. Es scheint „evident“,<br />
dass Wagner nicht gespielt werden darf, aber es wird<br />
nicht gefragt, warum das so ist oder ob man sich nicht noch<br />
einmal Gedanken darüber machen sollte, ganz davon abgesehen,<br />
ob es das Verbot jemals hätte geben sollen. Die Norm<br />
wurde zur Gewohnheit, und Gewohnheiten nehmen wir unbedacht<br />
hin.<br />
Mit dem Ausdruck „hacken“ ist das Aufbrechen eines<br />
Codes gemeint: etwas entschlüsseln und eigenwillig neu zusammensetzen,<br />
eine Art reverse engineering, um den ursprüng-
lichen Zweck zu entkräften. In der heutigen Internetwelt sind<br />
Hacker oftmals Einzelpersonen, die zwar dem Einfluss der<br />
großen Unternehmen und Industrien, die unsere Welt formen,<br />
scheinbar machtlos gegenüberstehen, die aber ihre Möglichkeiten<br />
nutzen, um den üblichen Betrieb zu durchkreuzen und<br />
die von oben implementierte soziale Ordnung infrage zu stellen.<br />
Das „Hacken“ und die „Piraterie“ stehen für die Fähigkeit,<br />
einen mächtigen kulturellen Kodex aufzubrechen, seine<br />
Mechanismen zu infiltrieren und sie von innen heraus zu beeinflussen<br />
und zu verändern.<br />
In diesem Stück, Hacking Wagner, übernehmen wir es<br />
– die Darsteller und das Produktionsteam aus israelischen<br />
und deutschen Künstlern –, bestimmte Bilder, Symbole, Phänomene,<br />
Ideen, soziale Grundsätze, heilige Kühe und all die<br />
„evidenten“ Dinge zu hacken, jene geistigen Gewohnheiten,<br />
die wir der Willkür einzelner und generationenlanger institutioneller<br />
Trägheit verdanken.<br />
Das Hacken ist keine Opposition um ihrer selbst<br />
willen. Es ist der Anspruch auf ein Recht, für sich selbst<br />
he rauszufinden, was diese Leerstelle bedeutet: dieses eklatante<br />
Nichtvorhandensein von Wagner in unserer Kultur;<br />
genauso wie die beinahe Heiligsprechung Wagners in der<br />
deutschen Kultur.<br />
Wir suchen die Auseinandersetzung mit dem Wagner’schen<br />
Monumentalismus sowohl von der deutschen Seite<br />
her, wo er verdächtig präsent ist, als auch von der israelischen<br />
Seite her, von der er verdächtig ferngehalten wird.<br />
Für uns ist „hacken“ eine Art und Weise, „kulturelle Rebellen“<br />
zu werden; Gesetzesbrecher der angehäuften Normen.<br />
Diese Vorgehensweise entspricht der asymmetrischen<br />
Kriegsführung einer ohnmächtigen Gruppe gegen eine<br />
überwältigend mächtigere Gruppe. So bäumen sich die Unterdrückten<br />
gegen Imperien auf. So greifen die Schwachen<br />
die sensiblen Stellen der Mächtigen an. Dieser „kulturelle<br />
Aufstand“ will auf das Recht pochen, zu diskutieren und<br />
selbstverständliche, „evidente“ Einstellungen zu Wagner<br />
und seiner Musik zur Seite zu legen.<br />
Wir beanspruchen für uns selbst das Recht auf eine<br />
solche Aktion und nehmen uns die Freiheit, die Gedanken<br />
und Gefühle, die in Bezug auf Wagner aufkommen, zu ergründen<br />
– ebenso wie die Bedeutsamkeit seiner selbst und die Assoziationen<br />
mit ihm, ohne dass wir das Gefühl haben, diese<br />
rechtfertigen zu müssen. Unser Anliegen ist es nicht, jemanden<br />
freizusprechen oder zu verteidigen, wir wollen Wagner<br />
auch nicht verurteilen oder anklagen. Genauso wenig wollen<br />
wir dem Publikum eine bestimmte Sichtweise vorgeben.<br />
Das Stück vereint unterschiedliche persönliche Assoziationen.<br />
Es verbindet einzelne Aspekte des kollektiven Unterbewusstseins<br />
in Bezug auf die Wagner-Frage und diese merkwürdige<br />
jüdisch-deutsche Liebesbeziehung, die es vor dem<br />
Krieg, vor den Zeiten des Holocaust und bevor diese Höllenfahrt<br />
losging, gab; eine angespannte Affäre, die sich aus Liebe<br />
und Hass nährt und die bis zum heutigen Tag Bestand hat.<br />
Aus dem Englischen von<br />
Laura Schieferle<br />
Hacking Wagner<br />
Saar Magal, geboren in<br />
Tel Aviv, studierte<br />
Tanz an der Thelma<br />
Yellin High School of<br />
the Art in Tel Aviv sowie<br />
am Laban Centre<br />
for Movement and<br />
Dance in London. Sie<br />
entwickelte zahlreiche Tanzperformances,<br />
etwa in Tel Aviv für das Suzanne<br />
Dellal Centre und die Bat-Dor<br />
Dance Company sowie für das Peridance<br />
Capezio Center New York,<br />
die Harvard University und das<br />
MXAT in Moskau. Seit 1997 arbeitet<br />
Saar Magal regelmäßig mit dem Regisseur<br />
Krzysztof Warlikowski zusammen.<br />
Gemeinsam gastierten sie<br />
am Piccolo Teatro in Mailand, am<br />
Teatr Rozmaitości in Warschau, am<br />
Staatstheater Stuttgart, am HAU<br />
Berlin, am Schauspiel Hannover, an<br />
La Monnaie in Brüssel (Médée, Macbeth)<br />
sowie an der Opéra National de<br />
Paris (Parsifal, Król Roger) und der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> (Eugen Onegin).<br />
2010 entwickelte sie mit Jochen<br />
Roller die Performance Basically I<br />
don’t but actually I do. Das Werk<br />
wurde auf Kampnagel in Hamburg,<br />
in den Sophiensælen Berlin, der<br />
Muffathalle München sowie in Tel<br />
Aviv, Melbourne und Bern aufgeführt.<br />
Saar Magal unterrichtet darüber<br />
hinaus Tanz, Improvisation<br />
und Choreographie in Israel.<br />
Hacking Wagner<br />
Eine Performance<br />
von Saar Magal und Moritz Gagern<br />
Premiere am Freitag,<br />
27. Juli 2012, Haus der Kunst,<br />
Westflügel<br />
Weitere Termine im Spielplan<br />
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114<br />
Der<br />
Menschen<br />
Ring<br />
115<br />
Der Installationskünstler<br />
Spencer Tunick<br />
bringt den Ring auf<br />
Münchens Plätze.<br />
Spencer Tunick wird mithilfe<br />
Hunderter nackter Menschen<br />
Bilder aus Wagners Ring des<br />
Nibelungen inszenieren.<br />
Vor dem Ereignis hat der<br />
Künstler die Orte der Installation<br />
in der Einsamkeit der<br />
Morgenstunden besucht.<br />
Fotos Martin Fengel
116
118
Es gibt eine schöne Theorie, die besagt, Ludwig I. habe die<br />
Ludwigstraße nach theaterarchitektonischen Gesetzen mit<br />
seitlichen Aufgängen als Bühne des Lebens erbaut. Zu den<br />
Münchner Opernfestspielen 2012 wird der amerikanische<br />
Installationskünstler Spencer Tunick sie bespielen: Er<br />
wird auf dem Max-Joseph-Platz und anderen Herzstücken<br />
der Münchner Innenstadt mithilfe Hunderter nackter Menschen<br />
Bilder aus Wagners Ring des Nibelungen inszenieren.<br />
Tunicks Installationen sind logistische Kraftakte. Dutzende<br />
Helfer und Fotografen begleiten die weit über 1.000<br />
freiwilligen Teilnehmer, die schon in den frühen Morgenstunden<br />
auf den Moment harren, in dem sie sich ihrer Kleidung<br />
entledigen und Teil eines Bildes werden. Die Menge<br />
der zu koordinierenden Individuen und die sich rasant verändernden<br />
natürlichen Lichtverhältnisse machen Tunicks<br />
Choreographien zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Jeder<br />
Moment und jedes Bild sind nicht zu wiederholen und einzigartig.<br />
Mit einem Megafon dirigiert Tunick die nackten Körper<br />
wie Pinselstriche von Szene zu Szene auf der Leinwand<br />
des öffentlichen Raums. In mehreren von Wagners Ring inspirierten<br />
Szenen werden Gold und Wasser, Macht und<br />
Lust, Leben und Tod als thematische Gegensatzpaare<br />
durchgespielt.<br />
Wer an der Installation in München<br />
teilnehmen möchte, kann sich<br />
auf der Website der <strong>Staatsoper</strong> unter<br />
www.staatsoper.de/tunick<br />
bis 22. Juni bewerben.<br />
Der Ring mit Spencer Tunick<br />
Eine Installation nach Szenen aus<br />
dem Ring<br />
Samstag, 23. Juni und<br />
Sonntag, 24. Juni 2012<br />
Text und Interview Jennifer Becker<br />
Spencer Tunick äußerte sich im Interview zu seinen<br />
Beweggründen:<br />
Welche Bedeutung hat Wagners Ring<br />
des Nibelungen für Sie persönlich, welche Bedeutung<br />
hat das Gold und welche das Wasser des Flusses?<br />
Wagners Werk ist eine Geschichte<br />
über das Göttliche und das Niedere, darüber wie<br />
sich Götter, mythische Gestalten und Menschen in<br />
ihrem Verlangen nach Macht, Liebe und Lust ähneln.<br />
Das Gold in Wagners Werk steht für die Essenz<br />
des Menschlichen in allem – für das Verlangen nach<br />
Macht und das Verlangen nach Liebe. Das Wasser<br />
und der Fluss hingegen symbolisieren die Quelle allen<br />
Lebens. Gold und Wasser sind verschlungen in<br />
einem ewigen Reigen, das eine gebiert das andere,<br />
um dann wieder zu zerfallen für die nächste Wiedergeburt<br />
und Erneuerung.<br />
Haben Andreas Kriegenburg und Ihre Arbeit sich gegenseitig<br />
inspiriert?<br />
Vor meiner ersten Erkundungsreise nach München und an<br />
die <strong>Staatsoper</strong> wusste ich noch nicht viel Konkretes von Andreas<br />
Kriegenburgs Ideen und seiner Entscheidung, bei seiner<br />
Inszenierung des Ring auch mit Menschenmengen und vielen<br />
Körpern zu arbeiten. In München habe ich mich eingehend<br />
mit Andreas Kriegenburgs Konzeption beschäftigit und<br />
mich sehr gefreut über diese wunderbare Verbindung zu meiner<br />
Arbeit.<br />
In welcher Beziehung werden Ihre Bilder zu den<br />
Szenen der Oper stehen?<br />
Für mich ist wichtig, dass die Menschen in den Installationen<br />
den öffentlichen Raum mit ihrem Leben<br />
füllen und mit ihm interagieren. Ihre Körper formen dabei<br />
die Symbole meiner Bilder – das Gold des Rings,<br />
die Wasser des Flusses, die Flamme des Drachen. Auf<br />
diese Weise erschaffen sie eine neuartige, visuelle und<br />
experimentelle Version von Wagners Ring.<br />
Jennifer Becker ist Herausgeberin des<br />
KUNST Magazins (www.kunstmagazin.de).<br />
Sie hat selbst an Installationen von<br />
Spencer Tunick teilgenommen.<br />
Spencer Tunick, geboren in Middletown,<br />
New York, erwarb 1988 den Bachelor of<br />
Arts am Emerson College. 1992 begann er,<br />
in den Straßen von New York nackte<br />
Menschen zu fotografieren, und erlangte<br />
damit in den USA Bekanntheit. Schon<br />
bald inszenierte er weltweit seine Installationen<br />
mit Tausenden von Freiwilligen,<br />
wie zum Beispiel am Opernhaus in Sydney,<br />
auf dem schweizerischen Aletschgletscher<br />
in Zusammenarbeit mit Greenpeace<br />
oder auch am Toten Meer in Israel.<br />
Er lebt und ar beitet derzeit in New York.<br />
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»Das Lied ist keine<br />
Minioper «<br />
Christian Gerhaher<br />
im Gespräch<br />
Zu den Münchner<br />
Opernfestspielen 2012<br />
wird Christian Gerhaher<br />
für einen Liederabend<br />
zu Gast sein. Ein Gespräch<br />
über Lehrer-Schüler-<br />
Verhältnisse, die Kunstform<br />
Lied und seine<br />
Bewunderung für Dietrich<br />
Fischer-Dieskau.<br />
123<br />
Herr Gerhaher, im Programm Ihres<br />
Liederabends spiegeln sich zwei spannende Lehrer-<br />
Schüler-Verhältnisse: Beethoven hatte Unterricht<br />
bei Haydn, Alban Berg bei Arnold Schönberg. Berg<br />
hat sich zeitlebens untergeordnet, Beethoven hat<br />
sich nach kurzer Zeit entschlossen abgenabelt … gen, dass er das, was er tut, vollkommen beherrscht, wenn<br />
Dass Beethoven sich nicht er es vormacht? Aus meiner eigenen Erfahrung muss ich<br />
unterordnen wollte, ist nicht so überraschend, wenn aber auch sagen, dass man immer dann am meisten lernt,<br />
man seine späteren Werke betrachtet. Aber das wenn einem der Lehrer Freiräume lässt. Auf den ersten<br />
Verhältnis zwischen Berg und Schönberg finde ich Blick scheint das bei Schönberg nicht der Fall gewesen zu<br />
sehr interessant. Berg hat ihm sein Leben lang gehuldigt,<br />
ihn geradezu heiliggesprochen, obwohl er deshalb zu ihm gekommen, weil sie gespürt haben, dass die<br />
sein. Vielleicht sind die begabten jungen Musiker einfach<br />
von Schönberg wohl eher gepiesackt wurde. Da ging Zeit für ganz neue Dinge reif war. Schönberg war eine<br />
es ja nicht nur um Musik, auch um persönliche Dinge faszinierende Persönlichkeit, umfassend begabt. Er war ja<br />
und Finanzen. Und schließlich wurde er, fast könnte auch zeitweise ein fantastischer Maler und ein interessanter<br />
Schriftsteller. Was mich allerdings immer wieder rätseln<br />
man sagen: gequält mit der Zwölftonmusik. Berg hat<br />
das alles auf sich genommen, aber auf geniale Weise lässt, ist die seltsame Auswahl vieler Texte, die er vertont<br />
unterlaufen. An dem Punkt habe ich ein Problem mit hat. Diese mindere Fin de Siècle-Lyrik à la Richard Dehmel<br />
Schönberg. Seine frühen Stücke mit ihrem spätromantischen<br />
Bombast interessieren mich wenig. Das<br />
George hatte allerdings noch andere Gründe als<br />
– Stefan George nannte das Dreckspoesie.<br />
ist so überreizt und aufgeblasen, fast schon pervers,<br />
die zweifelhafte Qualität von Dehmels Gedichten. Die<br />
dass es wirklich nötig war, etwas ganz anderes zu<br />
Frau, die er geliebt und in seinem Buch der hängenden<br />
Gärten bedichtet hat, hat später ausgerechnet<br />
machen. Und auch der späte Schönberg ist für mich<br />
schwer zugänglich. Ich kann und will doch als<br />
den von ihm verachteten Richard Dehmel geheiratet.<br />
Sänger keine Reihen abzählen. Aber den mittleren<br />
Ja, Ida Coblenz. Verrückt, wie das alles verflochten<br />
ist! Im Umgang mit Georges Buch der hängenden<br />
Schönberg während der Phase der freien Atonalität,<br />
bevor es zur Idee der Zwölftonmusik kam, den finde<br />
Gärten war Schönberg dann aber unglaublich gut.<br />
ich einfach hinreißend. Berg hat sich am mittleren<br />
Wie er aus diesen 31 Gedichten die Gruppe herauslöst,<br />
die er vertont hat, finde ich fantastisch. Und wie<br />
Schönberg orientiert, aber dessen Klanglichkeit mit<br />
Erinnerungen an die Harmonik der Romantik verschmolzen.<br />
Selbst später, wenn Berg Zwölftonmusik<br />
hat er intuitiv verstanden, dass George in diesem<br />
tief er in diese Texte eingedrungen ist! Offenbar<br />
schreibt – und es gibt ja schon in den Altenberg Liedern<br />
Reihen –, hört man immer wieder Dreiklänge<br />
verarbeitet hat. George war ja bekanntlich nicht nur<br />
Gedichtzyklus ein biografisches Schlüsselerlebnis<br />
und tonal Anmutendes. Aber er hat das nie groß proklamiert,<br />
weil er sich nach außen hin immer dem<br />
telpunkt seines Kreises. In den 1890er Jahren war er<br />
der poetische, sondern auch der homoerotische Mit-<br />
Übervater Schönberg untergeordnet hat.<br />
sich vielleicht schon relativ klar über seine sexuelle<br />
Identität. Trotzdem hat er sich in Ida Coblenz<br />
Man wundert sich, dass ausgerechnet Schönberg, der<br />
seine Schüler so geknechtet hat, diese Erfolge als Lehrer<br />
verliebt. Und dieses komplizierte, zusätzlich verunsichernde<br />
Zusammentreffen von homosexueller Ori-<br />
hatte. Moderne Pädagogen schlagen bei solchen Methoden<br />
die Hände über dem Kopf zusammen. Trotzdem hat er<br />
entierung und der Liebe zu einer Frau hat in diesen<br />
mit Berg und Webern zwei große Komponisten ausgebildet.<br />
Gedichten zu einer enormen emotionalen Fallhöhe<br />
Hatte er Glück, dass er geniale Schüler hatte, oder muss er<br />
geführt. Wie Schönberg das in Musik übersetzt,<br />
eben doch ein guter Lehrer gewesen sein?<br />
nicht nur als Auf- und Ab-Bewegung, sondern am<br />
Ich würde auch Hanns Eisler noch dazuzählen. Also sind<br />
Schluss dann auch als Rückwendung nach innen,<br />
mindestens drei große Komponisten unter seinen Schülern.<br />
das zeugt von einer ungeheuren Einfühlungskraft.<br />
Vielleicht verstehe ich zu wenig von Pädagogik. Aber wenn<br />
Wie passt diese Sensibilität mit Schönbergs schroffer<br />
ich höre, wie man didaktisch lege artis vorzugehen hat, Persönlichkeit zusammen?<br />
dann kann ich nur sagen: Es kommt mir eher auf andere<br />
Ich glaube, dass er ein enormer Künstler war, der sich<br />
Dinge an. Ein ehernes Gesetz in der Musikpädagogik ist mit seiner abweisenden, manchmal fast gespalten erscheinenden<br />
Persönlichkeit eine Art ehernes Korsett ge-<br />
zum Beispiel, dass man einem Schüler nie etwas Fehlerhaftes<br />
nachmachen darf, um ihm vor Augen zu führen, was er schaffen hat. Auch die Zwölftontechnik ist so ein Korsett.<br />
falsch macht. Stattdessen soll man immer nur das Richtige Er brauchte offenbar etwas, was er den anderen gewissermaßen<br />
um die Ohren schlagen konnte. Ein weiteres Bei-<br />
vormachen. Das stimmt aber gar nicht. Erstens habe ich<br />
selber sehr oft etwas gelernt, wenn mir ein Lehrer meine spiel ist, wie scharf er Thomas Mann angegriffen hat, der<br />
eigenen Fehler demonstriert hat. Und zweitens: Wer sagt ihm im Doktor Faustus mit der Figur des Zwölftonkomponisten<br />
Adrian Leverkühn doch eigentlich ein wunderbares<br />
denn, dass die positiven Beispiele, die der Lehrer vorgibt,<br />
für mich das Richtige sind? Und welcher Lehrer kann sa- Denkmal geschaffen hat.<br />
Illustration Jindrich Novotny Interview Bernhard Neuhoff
„Berg hat Schönberg<br />
sein Leben lang gehuldigt,<br />
obwohl er von Schönberg<br />
wohl eher gepiesackt wurde.<br />
Da ging es nicht nur um<br />
Musik, auch um persönliche<br />
Dinge und Finanzen.<br />
Und schließlich wurde er,<br />
fast könnte man sagen: gequält<br />
mit der Zwölftonmusik.<br />
Berg hat das alles auf sich<br />
genommen, aber auf<br />
geniale Weise unterlaufen.“<br />
Adorno, der Thomas Mann ja bei seinem Doktor<br />
Faustus geholfen hat, meinte, dass das düstere Klaviernachspiel<br />
von Schönbergs George-Lieder die „jubelnde<br />
Coda“ von Beethovens Liederzyklus An die<br />
ferne Geliebte widerruft, den Sie ja ebenfalls singen.<br />
Hat Schönberg die positive Utopie von Beethoven<br />
zurückgenommen?<br />
Ich sehe das nicht so. Obwohl es durchaus Parallelen<br />
gibt zwischen den Schlüssen dieser beiden<br />
Liederzyklen. Beide haben ein relativ langes Klaviernachspiel.<br />
Aber ich finde den Schluss der George-Lieder<br />
gar nicht so düster. Der Held taucht aus<br />
seiner emotionalen Trance auf. Es ist eigentlich ein<br />
fast abgeklärter Schluss: „Nun ist wahr, dass sie für<br />
immer geht.“ Ein toller Satz, so klar, und rhythmisch<br />
so einprägsam. Aus dieser ernüchterten Erkenntnis<br />
heraus wird noch einmal Rückschau gehalten. Und<br />
dass bei Beethovens Ferner Geliebter der Schluss<br />
so jubelnd ist, weist nicht darauf hin, dass die Geschichte<br />
gut ausginge. Die Liebenden kommen ja<br />
nicht zusammen. Meiner Meinung nach ist dieser<br />
Schluss rein musikalisch motiviert: Jubel darüber,<br />
dass dieser Zyklus gelungen ist, dass er sich wirklich<br />
rundet. Beethoven kommt ja im letzten Lied<br />
auch thematisch wieder auf den Beginn zurück. Und<br />
es ist nicht nur der erste Liederzyklus überhaupt,<br />
sondern auch derjenige, der am perfektesten durchgestaltet<br />
ist. Dass so etwas gelingt, bevor das Lied<br />
als Genre überhaupt etabliert ist, empfinde ich immer<br />
wieder als etwas Ungeheuerliches, als etwas<br />
wahnsinnig Bewunderungswürdiges. Ich glaube, es<br />
ist auch Beethoven selbst aufgegangen, dass er<br />
hier etwas ganz Besonderes geschaffen hat. Von daher<br />
verstehe ich diese Euphorie. Die Geliebte ist<br />
und bleibt fern.<br />
Lied und Lyrik<br />
Singen richtet sich an Hörer in einer mittleren Distanz,<br />
oder? Wenn man singend jemanden erreichen will, dann<br />
darf er nicht zu weit weg sein, aber auch nicht zu nah.<br />
Stimmt. Der Gedanke ist mir allerdings noch nicht gekommen.<br />
Vielleicht weil ich das Singen nicht als Medium<br />
von Kommunikation verstehe, die sich von einem Absender<br />
an einen bestimmten Adressaten richtet, sondern als Medium<br />
von Ausdruck. Und wenn ich mich mit jemandem unterhalte,<br />
dann möchte ich mich nicht ausdrücken, sondern<br />
mich über ein Thema austauschen.<br />
Es gibt ja Sänger, die bitten einen vertrauten<br />
Menschen, sich ins Publikum zu setzen, damit sie<br />
sich an jemanden richten können, den sie kennen.<br />
Ich finde es auch sehr schön, wenn meine Frau<br />
im Publikum sitzt. Aber nicht, weil ich eine Botschaft<br />
an sie übermitteln würde, sondern weil ich<br />
dann jemanden habe, der diese Situation mit mir<br />
teilt. Mir ist generell die Kammermusik am liebsten<br />
– in meinem Fall als Sänger das Klavierlied. Bei einem<br />
Streichquartett haben Sie ja auch eine konzentrierte<br />
Runde, die sich eigentlich selbst genügt. Die<br />
vier Musiker spielen aufeinander zu, sind aber zugleich<br />
offen für Zuhörer, die an diesem Prozess teilhaben.<br />
Jeder bringt andere Empfindungen ein. Es<br />
mag ein Ideal sein, dass alle Musiker dasselbe fühlen,<br />
aber das stellt sich nie ein. Und genauso ist es<br />
für mich beim Singen. Wenn ich einen Liederzyklus<br />
gestalte, dann ist dieses Werk das Zentrum der Aufmerksamkeit.<br />
Das Werk steht im Raum – wie ein Kristall,<br />
der Klänge, Emotionen und Gedanken in verschiedene<br />
Richtungen reflektiert. Jeder kann daran<br />
teilhaben, aber jeder sieht etwas anderes. Eine Kommunikation,<br />
die nur in eine Richtung geht, interessiert<br />
mich nicht. Dass einer vorne steht und eine<br />
Geschichte erzählt oder ein Drama sich ereignen<br />
lässt, das alle packt – das ist nicht die Situation der<br />
Kammermusik, um die es mir geht. Ich möchte keine<br />
Wahrheiten verbreiten oder den Leuten konkret erklären,<br />
was das Werk nun eigentlich bedeutet, sondern<br />
ich möchte versuchen, mögliche Perspektiven<br />
zu zeigen, die jeder anders annehmen kann und soll.<br />
Das gilt ganz besonders für Schönbergs Lieder aus<br />
dem Buch der hängenden Gärten. Gerade diese beginnende,<br />
noch frei schwebende Atonalität setzt so<br />
viele Farben frei! Immer wieder gibt es Anklänge an<br />
die gerade überwundene Tonalität. Aber keiner dieser<br />
Akkorde ist eindeutig. Das hat etwas Surreales.<br />
Man hat Kristallisationspunkte, die einem bekannt<br />
vorkommen, aber der Zusammenhang bleibt ungeklärt.<br />
Und genau das ist für mich das Idealbild eines<br />
Kunstlieds. Ich halte das Lied letztlich für eine abstrakte<br />
Kunstform. Darin ist es genau das Gegenteil<br />
zum dramatischen Singen in der Oper. Es geht beim<br />
Lied um Dinge, die man nicht auf bekannte, eindeutig<br />
identifizierbare Gegenstände und Ereignisse zurückführen<br />
kann. Das Lied schafft eigene Wirklichkeiten,<br />
es bildet nichts ab.<br />
Liederabend Christian Gerhaher 125<br />
Wie ist das bei der Ballade? Da wird doch eine Geschichte<br />
erzählt?<br />
Ja, aber Balladen haben ja auch einen dramatischen<br />
und einen erzählenden, epischen Aspekt. Lyrik ist etwas<br />
anderes. Man muss bei einem Gedicht und auch bei einem<br />
wirklich kammermusikalischen Lied einfach akzeptieren,<br />
dass man nicht alles verstehen kann. Deshalb braucht man<br />
für Lieder so viel Geduld. Schon viele Gedichte enthalten<br />
mehr, als man in den durchschnittlich drei Minuten, die so<br />
ein Gebilde für sich in Anspruch nimmt, überhaupt aufnehmen<br />
kann. Und dann kommt ja noch die Musik dazu – und<br />
die Beziehung zwischen Wort und Ton. Ich glaube nicht,<br />
dass ein Lied seinen Sinn dann erfüllt hat, wenn man es so<br />
gut kennt, dass man meint, man könne alles oder wenigstens<br />
relativ viel davon erklären. Ich glaube, es muss sofort<br />
wirken können – ohne dass man alles versteht. Und das verbindet<br />
das Genre Lied mit abstrakter Kunst.<br />
Gibt es aber in der Oper nicht auch diese Vieldeutigkeit?<br />
Die ganze Situation ist anders. Man ist nicht in<br />
einem gemeinsamen Raum mit dem Publikum. Der<br />
Musiker ist von den Zuschauern getrennt, durch den<br />
Graben und das Proszenium. Und der Zuschauer ist<br />
nur Empfänger, Rezipient. Er ist so gut wie gar nicht<br />
an der gemeinsamen Annäherung an das Werk beteiligt,<br />
um die es bei der vokalen Kammermusik geht.<br />
Bei der Oper geht alles von der Bühne aus. Es wird<br />
nur in eine Richtung kommuniziert. Die Bühne ist<br />
ein Spiegel der Illusion, der, für alle bewusst, vorne<br />
aufgerichtet wird. Da spielt sich alles ab. Der Zuschauer<br />
bleibt viel passiver als bei einem Liederabend.<br />
Auch zwischen den Musikern gibt es weniger<br />
Gemeinsamkeit. Als Sänger fühlt man sich schon<br />
deshalb einsamer, weil man das Orchester auf der<br />
Bühne nicht so gut hört. Und es gibt in der Oper fast<br />
immer eine lineare Handlung. Natürlich gibt es die<br />
Notwendigkeit, das Drama immer wieder anders zu<br />
beleuchten. Das sieht man am Regietheater, das uns<br />
nicht loslässt. Aber trotz aller Ablenkungsmanöver<br />
oder Gegenaktionen, die das Bedeutungsfeld erweitern,<br />
wird in letzter Instanz doch eine konkrete Geschichte<br />
erzählt. Das ist der große Unterschied zum<br />
Lied. Die Oper hat es nicht nötig, dass man das betont,<br />
aber für das Lied ist es wichtig. Es geht beim<br />
Lied eben nicht darum, eine Geschichte zu erzählen.<br />
Es ist wichtig, dass man Lieder nicht dramatisiert,<br />
dass man sie als lyrische Kunst begreift. Ein Lied ist<br />
keine Minioper. Das ist ein weitverbreitetes Missverständnis.<br />
Und wenn jemand sagt, die Schwierigkeit<br />
bei einem Liederabend bestünde darin, sich ständig<br />
von einer Drei-Minuten-Oper auf die nächste<br />
umzustellen und in diese vielen verschiedenen Rollen<br />
zu schlüpfen, dann geht das prinzipiell am Lied<br />
vorbei. Das ist die wichtigste Errungenschaft von<br />
Dietrich Fischer-Dieskau gewesen: dass er das Lied<br />
als aufgeklärte Kunstform etabliert hat, die sich<br />
nicht im Geschichtenerzählen erschöpft und in Sentimentalitäten<br />
ergeht, denn darauf läuft das hinaus.<br />
Stattdessen geht es beim Lied um einen klaren Blick<br />
auf Dinge, die letztlich unklar bleiben. Das verstehe<br />
ich unter Lyrik.<br />
Wir haben ja schon über Lehrer-Schüler-Verhältnisse<br />
gesprochen. Wie wichtig war Dietrich Fischer-Dieskau als<br />
Lehrer für Sie?<br />
Ich war mit Gerold Huber mehr mals bei ihm und wir<br />
haben ihm vorgesungen. Aber ich habe dabei eigentlich<br />
nicht viel Neues erfahren, was ich nicht schon erwartet<br />
hätte. Einfach deswegen, weil ich seine Platten schon als<br />
Student gehört und glühend bewundert habe. Er war natürlich<br />
kein normaler Gesangslehrer für mich. Dafür hatte weder<br />
er die Zeit noch ich. Ich habe ja damals auch noch Medizin<br />
studiert. Aber auf jeden Fall sehe ich mich als sein<br />
Epigone.<br />
Das Wort klingt so negativ ...<br />
Ich meine das in dem Sinn, dass ich seine Kunst<br />
immer nur bewundernd werde anstarren können.<br />
Und trotzdem klingt es bei Ihnen so völlig anders!<br />
Auf dem Konzertpodium muss ich natürlich meine eigene<br />
Identität als Liedsänger haben. Und ich würde auch<br />
nicht sagen, dass man nach Fischer-Dieskau keine begeisternden<br />
Liederabende mehr gestalten kann. Es gab natürlich<br />
auch vor Dieskau wunderbare Interpretationen. Aber<br />
trotzdem: Er hat das Genre der vokalen Kammermusik erfunden.<br />
Das ist in meinen Augen sein größtes Verdienst.<br />
Nicht dass ich einen Komplex hätte, weil ich auf der Bühne<br />
nicht so gut bin wie er. Das muss man nicht vergleichen.<br />
Ich bin auch gar nicht so unzufrieden mit mir, wie manche<br />
meinen. Aber was er insgesamt geleistet hat, kann keiner<br />
mehr leisten.<br />
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann hat er zum<br />
ersten Mal, soweit wir das durch Aufnahmen nachvollziehen<br />
können, den hohen Anspruch eingelöst,<br />
den die Komponisten mit der Gattung Lied verbunden<br />
haben.<br />
Ja – vielleicht sogar noch einen höheren, obwohl<br />
er immer vom Dienst am Komponisten sprach.<br />
Wobei es sein kann, dass mich andere Sänger, sei<br />
es Fritz Wunderlich oder Hermann Prey, manchmal<br />
mehr rühren als seine Interpretationen. Singulär war<br />
nicht seine Fähigkeit, einen Abend zu gestalten,<br />
„Ein klarer Blick auf Dinge,<br />
die letztlich unklar<br />
bleiben. Das verstehe ich<br />
unter Lyrik.“
sondern seine Arbeitsweise, sein Verständnis des<br />
Genres Lied, dem er eine neue Gestalt gegeben hat.<br />
Darin ist er unerreicht und wird er unerreichbar bleiben.<br />
Und dass er sich als Opernsänger an Rollen gewagt<br />
hat, die für ihn nicht so glücklich waren, ändert<br />
nichts daran, dass er auch in diesem Bereich<br />
Erstaunliches geleistet hat.<br />
Sie persönlich setzen sich da ja sehr viel engere Grenzen.<br />
Welche Rollen kommen denn auf der Opernbühne für<br />
Sie in den nächsten Jahren dazu?<br />
Im Augenblick freue ich mich auf den Pelléas, demnächst<br />
in Frankfurt. Ich werde immer wieder gefragt, ob ich<br />
nicht den Amfortas oder den Beckmesser singen möchte.<br />
Aber das werde ich zumindest in der nächsten Zeit nicht<br />
tun. Vielleicht entwickelt sich die Stimme dorthin. Ich<br />
glaube das aber eher nicht.<br />
Jetzt haben wir viel über Ausdruck und Vieldeutigkeit<br />
gesprochen. „Glück und Unglück wird Gesang“,<br />
heißt es bei Goethe. Aber meistens ist es doch<br />
eher Unglück, oder? Für die Kunst, egal ob Oper oder<br />
Lied, gibt das einfach mehr her.<br />
Ganz sicher. Kunst geht für mein Begreifen immer<br />
davon aus, dass jemand ein Defizit verspürt. Im<br />
zweiten Akt des Tristan ist das Liebesduett doch nur<br />
deswegen so ekstatisch, weil die ganze Geschichte<br />
ständig aufzufliegen droht. Die Ekstase ist letztlich<br />
nur eine Projektion der Unmöglichkeit dieser Liebe.<br />
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny – es muss<br />
zum Fall kommen. Ich habe einmal drei vom Programm<br />
her ziemlich düstere Abende mit Heinz Holliger zusammen<br />
gestaltet. Da sagte irgendwann der Chef<br />
des Festivals: „Na, Herr Gerhaher, jetzt reicht’s aber<br />
mal mit diesem depressiven Zeug, oder?“ Darauf<br />
meinte Holliger lachend: „Aber Sie wissen doch: Nur<br />
Gruftmusik macht Spaß!“ Gerade als Liedsänger<br />
identifiziert man sich ja nicht so sehr mit dem Gesungenen.<br />
Wenn man ein trauriges Lied singt, muss<br />
man deswegen noch lange nicht traurig sein.<br />
Wer andere rühren will, sagt Denis Diderot im Paradox<br />
über den Schauspieler, darf selbst nicht gerührt sein.<br />
Darf schon – und es rührt einen ja auch. Die eigene<br />
Rührung darf eben nur nicht Mittel oder Bedingung des<br />
Ausdrucks sein. Aber das lernt man erst, wenn man jenseits<br />
der 30 ist.<br />
„Ich werde die Kunst<br />
von Fischer-Dieskau<br />
immer nur bewundernd<br />
anstarren können.“<br />
Christian Gerhaher studierte u. a. bei Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth<br />
Schwarzkopf und Friedemann Berger sowie an der Münchner Hochschule<br />
für Musik und Theater. Sein umfangreiches Konzert- und Liedrepertoire<br />
führt ihn zu weltweiten Auftritten. Er ist regelmäßig auf der<br />
Opernbühne zu erleben, u. a. an der Oper Frankfurt, der Wiener <strong>Staatsoper</strong>,<br />
am Theater an der Wien, am Teatro Real in Madrid, am Royal Opera<br />
House Covent Garden in London sowie bei den Salzburger Festspielen.<br />
Sein Repertoire umfasst Partien wie Eisenstein (Die Fledermaus), Papageno<br />
(Die Zauberflöte), Wolfram (Tannhäuser) oder die Titelrolle von<br />
Henzes Prinz von Homburg. Daneben ist er als Honorarprofessor an der<br />
Münchner Musikhochschule tätig. In der Saison 2011/12 war er an der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> als Papageno (Die Zauberflöte) zu erleben und<br />
kehrt nun mit einem Festspiel-Liederabend zurück.<br />
Bernhard Neuhoff ist Programmredakteur bei BR-KLASSIK.<br />
Für die Münchner Stadtbibliothek moderiert er die Gesprächsreihe<br />
„Theaterforum“.<br />
Festspiel-Liederabend Christian Gerhaher<br />
Ludwig van Beethoven<br />
An die ferne Geliebte op. 98<br />
Lied und Lyrik<br />
Arnold Schönberg<br />
Buch der hängenden Gärten op. 15<br />
Joseph Haydn<br />
Lieder<br />
Alban Berg<br />
Fünf Lieder nach Ansichtskartentexten op. 4<br />
Ludwig van Beethoven<br />
Adelaide op. 46<br />
Klavier – Gerold Huber<br />
Bariton – Christian Gerhaher<br />
Samstag, 7. Juli 2012, Prinzregententheater<br />
Bogner Haus MÜnCHen residenzstraße 14 - 15 bogner.com
128<br />
VON EINER<br />
EMOTIONALEN<br />
GEHIRN-<br />
ERSCHÜTTERUNG<br />
– Das Theater des<br />
Romeo Castellucci<br />
Der italienische Regisseur<br />
Romeo Castellucci stellt<br />
mit radikaler Geste und<br />
hochsensiblem Gespür<br />
immer wieder abendländische<br />
Mythen und Bilder<br />
in frage. Fern von Realismus<br />
und eindeutigen Botschaften<br />
kreiert er ein Theateruniversum,<br />
das auf alle Sinne<br />
zielt und in Unruhe versetzt.<br />
Mit seiner Installation<br />
Dämme rung in der Allerheiligen<br />
Hofkirche lenkt er<br />
unseren Blick auf das<br />
Untergangsszenario, mit<br />
dem Wagner seinem<br />
Ring-Zyklus ein ambivalentes<br />
Ende setzte.<br />
„Die Materie ist die letzte Realität. Sie ist die endgültige<br />
Realität, die sich zwischen dem ersten Atemzug<br />
des Neugeborenen und dem Fleisch des Toten<br />
erstreckt. Es ist eine Pilgerreise durch die Materie,<br />
die wir antreten. Und damit ein Theater der Elemente.<br />
Dabei sind die Elemente als das rein Kommunizierbare<br />
zu verstehen, als die unterste mögliche<br />
Kommunikationsstufe. So wenig wie möglich zu<br />
kommunizieren – genau das interessiert mich. Und<br />
dieser kleinstmögliche Grad an Kommunikation besteht<br />
aus der Oberfläche von Materie. In diesem Sinne<br />
handelt es sich paradoxerweise um oberflächliches<br />
Theater, aus Oberfläche gemacht, weil es ein<br />
Theater ist, das Erschütterung sucht.“<br />
R. Castellucci, Der Pilger der Materie<br />
Diese Seite: Romeo Castellucci in der<br />
Eingangsszene von Inferno, dem ersten Teil<br />
der von Dantes La Divina Commedia<br />
inspirierten Trilogie Inferno-Purgatorio-<br />
Paradiso, Festival d’Avignon 2008.<br />
Linke Seite: C.#11 CESENA, die elfte<br />
Episode des 2002–2004 in zehn europäischen<br />
Städten entwickelten Zyklus Tragedia<br />
Endogonidia, Cesena 2004.<br />
Fotos Luca Del Pia<br />
Text Piersandra Di Matteo<br />
Romeo Castelluccis Theater ist mitreißend. Immer wieder<br />
lässt es ein Zeitintervall entstehen, in dem die Naturgesetze<br />
außer Kraft gesetzt sind. Es gleicht dem Fall in einen<br />
anderen Raum, der zum Zeitraum wird. Seine Kunst<br />
sprüht vor visueller Spannung, Bildgewalt und einer Beharrlichkeit,<br />
die Mythen schaffen kann; sie vermag es, das<br />
Bild dem Herrschaftsbereich der Kommunikation zu entziehen<br />
und dadurch die Gesetze der Darstellbarkeit in die<br />
Krise zu bringen. Es ist die Macht der Kunst, die dem Realitätsprinzip<br />
das Reale entreißt. Darum weigert sie sich,<br />
sich auf einen Kompromiss mit dem gewaltsamen Extremismus<br />
der Schönheit einzulassen, und deckt deren Kompromittierung<br />
mit dem Obszönen auf.<br />
Castelluccis Werke lassen intensive physische Bilder<br />
aufsteigen, die durch die enge Beziehung zwischen Visuellem<br />
und Akustischem definiert sind. Körper-in-Figuren, Bewegungen<br />
abstrakter Objekte, Geometrien, Licht-, Musik-,<br />
Geräuschspektrografien und elektronische Tonsynthesen<br />
schaffen, völlig unhierarchisch, eine Intensität, die die Form<br />
vorgibt und sie in lebendige, begehbare Schwingung versetzt.<br />
Darum ist man bei seinem Theater nicht mit Farb-,<br />
Licht- und Formgestaltung von Figuren konfrontiert, die<br />
einem mimetischen Regime unterworfen sind. Sein Wirkungsfeld<br />
ist frei von Fiktion und Psychologie. Es gibt keinen<br />
Raum für stereotypes Mitgefühl und Nachsicht. Es ist<br />
vielmehr Emotion, in ihrer Qualität als Bewegung des Gemüts,<br />
die durch die Szene weht. Wir sehen sie, mit einer<br />
unendlichen Sehnsucht verwoben, in Inferno (2008), dem ersten<br />
Akt von Romeo Castelluccis Dantischer Trilogie, frei<br />
nach der Göttlichen Komödie. Wir berühren sie in der Affektszene,<br />
die der sanfte, mitleidsvolle Blick des Salvator<br />
Mundi des Antonello da Messina in Über das Konzept des<br />
Angesichts bei Gottes Sohn (2010) hervorruft, einem Stück, in<br />
dessen Zentrum der Mensch und seine Vergänglichkeit stehen.<br />
Als wahrer Philosoph der Bühne hat Castellucci –<br />
Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner, Licht- und Tondesigner<br />
– einer neuen Art, in unserer Zeit Theater zu denken,<br />
buchstäblich einen Körper gegeben. Seit der Gründung der<br />
Socìetas Raffaello Sanzio Anfang der 1980er Jahre beansprucht<br />
er das Recht, den gewöhnlichen Sinngehalt von<br />
Sprache aufzugeben. Seit seinen ersten Bühnenexperimenten<br />
entschärft er jegliche Praxis der Illustrierung von Text.<br />
Er durchdringt ihn allenfalls durch obsessive Lektüre, um<br />
den kritischen Punkt zu treffen, wo sich Sinn niederschlägt,<br />
wo das Wort, zerfasert vom philologischen Seziermesser,<br />
von der Bühne abtritt, um sich einen Weg durch die Wahrheit<br />
des Körpers zu bahnen. Ein Artaud’scher Körper. Der<br />
sich umstülpt und immer wieder neu zu gestalten ist. In<br />
seiner Kunst handelt Castellucci immerzu, im etymologischen<br />
Sinn, „radikal“. Er berührt die Wurzel der Dinge, um<br />
mit Tradition zu brechen und Gewohnheit abzulehnen. Das<br />
zeigt sich im weitläufigen Labyrinth seiner mythenerforschenden<br />
Epen. Man erkennt es auch schon in seinen ikonoklastischen,<br />
also auf die Zerstörung von Bildern gerichteten<br />
Anfängen, in seiner Feindseligkeit gegenüber Perspektive,<br />
die er, darin dem russischen Religionsphilosophen Floren-
Die Menschen – wenn auch nur Randfiguren<br />
der komplexen Ereignisse im Ring – sind die wahren<br />
Überlebenden der Katastrophe. Castellucci<br />
zieht diese sublime Opferliturgie durch und gibt sich<br />
schließlich dem Rausch des Falls hin.<br />
Fotografie Tanja Kernweiss Licht Benjamin Roeder<br />
131<br />
ski ähnlich, als „Untertänigkeit vor dem Existierenden“ versteht.<br />
Und schließlich wird seine Radikalität im programmatischen<br />
Verdacht gegenüber der verhängnisvollen<br />
Unausweichlichkeit des Schicksals deutlich, wie sie die attische<br />
Tragödie uns zeigt.<br />
Die erste wahre Umwälzung dieses Theaters ist gegen<br />
die Hierarchie gerichtet, die die Rationalität der Verknüpfung<br />
bevorzugt, und dies zum Nachteil der Wirkung des<br />
sinnlich Wahrnehmbaren einer Aufführung. Castellucci interessiert<br />
sich in der Tat für ein Theater, das in den Köpfen<br />
der Zuschauer Satori entstehen lässt, jenen Zustand der Erleuchtung<br />
oder Erkenntnis, von dem der Zenbuddhismus<br />
spricht. Es ist eine emotionale Gehirn-Erschütterung, die<br />
sich auf das Errichten von Theater gründet – entstanden<br />
durch eine spontan gebildete Gemeinschaft von Unbekannten,<br />
die vor einer ihnen unbekannten Welt sitzen, die sie<br />
etwas angeht.<br />
Am Anfang waren die Griechen<br />
Für Castellucci ist der Klang der kürzeste Weg zur Wahrnehmung.<br />
Klang ist. Manifestiert sich. Er trifft und berührt.<br />
Er tritt ein und räumt aus, noch bevor eine kritische Barriere<br />
aufgestellt oder eine Verteidigung aufgebaut werden<br />
kann. Der in seinem Theater vorherrschende Klangkörper<br />
bewegt sich zwischen dem gregorianischen Gesang und den<br />
physiologischen Krümmungen, die die elektronischen Prozessierungen<br />
und das organische Tonmaterial hervorrufen.<br />
Grundlegend wichtig ist der Dialog mit dem amerikanischen<br />
Komponisten Scott Gibbons, mit dem er seit Genesis<br />
(1999) zusammenarbeitet. Für Castellucci bildet der Klang<br />
die Handlung, da der Ursprung aller Klänge eng mit Materie<br />
verbunden ist. In seinen Stücken verändern die Klangwellen<br />
und die Frequenzmassen, die im szenischen Raum<br />
schwirren und ihn mit Strahlungen und Vibrationen erfüllen,<br />
die Luftspannung, setzen das Szenenbild zusammen,<br />
stellen eine Geste, ein Objekt oder eine Figur ins Licht oder<br />
in den Schatten. Wenn der Schauspieler, der in sich die<br />
Hinterlassenschaft einer Figur versammelt, eine stumme<br />
Rolle spielt, dann ist es der Klang, der bei Castellucci zur<br />
eigenen Figur wird.<br />
Der Keim der tief empfundenen Faszination Castelluccis<br />
für die Welt von Richard Wagner hat genau darin seinen<br />
Ursprung. Castellucci findet Zugang zu ihr, indem er<br />
sich auf einer musikalischen Bahn aus wahrem akustischem<br />
Genuss bewegt. In seiner Parsifal-Inszenierung am Brüsseler<br />
Opernhaus La Monnaie 2011 wird der einschmeichelnde<br />
und giftige Charakter der „unendlichen Melodie“ und der<br />
leitmotivischen Handlung des Bühnenweihfestspiels zur<br />
Arena, in der die philologischen Schürfarbeiten am Textmaterial<br />
und die philosophische Durchdringung des Meisterwerks<br />
ausgetragen werden können. Die ununterbrochene<br />
Abfolge von Motiven ist für Castellucci der unumstößliche<br />
Fixpunkt, der die Konstruktion des Bildes nach sich zieht.
Nur von diesem Ausgangspunkt her kann man die literarischen<br />
und theoretischen Quellen der letzten Wagner’schen<br />
Vision verarbeiten, nämlich Christentum, Buddhismus, die<br />
profane Legendenwelt des Grals und die Gedankenwelt<br />
Schopenhauers. Dann erst kann man sich auf eine synergetische<br />
Komposition zubewegen, die an die zeitlose Feierlichkeit<br />
der archetypischen Matrix der Gralsgeschichten heranreicht,<br />
unter der Voraussetzung, dass eine Neutralisierung<br />
ihrer anerkannten Symbole stattfindet.<br />
Was Castellucci an Wagners Opern am meisten anzieht,<br />
ist die Bildgewalt, die von einer mythischen Grundmasse<br />
ausstrahlt – zeitlos, aber von einem archaischen Gefühl<br />
durchströmt – und die in ständiger Verbindung mit der<br />
griechischen Welt steht, mit dem Mythos, der die Gemeinschaft<br />
gründet, mit der attischen Tragödie und mit ihrer<br />
Fähigkeit, die Zukunft in sich aufzunehmen. Das ist der<br />
unanfechtbare Dreh- und Angelpunkt, auf dem das<br />
Wagner’sche Werk basiert, auch wenn es auf alte skandinavische<br />
Lieder der Edda zurückgreift, auf die Sage der Nibelungen<br />
und die keltischen Erzählungen, wie die Legende<br />
des Grals und des König Arthur. Es ist das Bewusstsein,<br />
dass das westliche Theater auf der attischen Tragödie basiert<br />
und dass es unmöglich ist, ein eigenes Werk zu beginnen,<br />
wenn man keine Verbindung zur griechischen Kunst<br />
hat, die – wenigstens für den revolutionären Wagner der<br />
Traktate aus den Jahren 1849–51 – damit beginnt, dass sich<br />
die pólis in der Vision der Athener Bevölkerung durchsetzt.<br />
In Castelluccis Theater findet sich das Universalmerkmal<br />
des Mythos als materielle Ausarbeitung des ansonsten<br />
Unsagbaren, dessen, was die Apologie des Ursprungs<br />
verweigert, das aber im Gegenzug den Hinweis auf einen Ort<br />
liefert, der einem Ursprung entstammt. In diesem Sinne<br />
setzt sein Theater einen dynamischen Prozess in Gang, der<br />
unerbittlich ein mythisches Potenzial neu erschafft, das in<br />
den Körpern und in der sensiblen Bühnenwelt steckt. Es<br />
schafft nämlich einen Rahmen für das, was nie geschehen<br />
und doch immer ist.<br />
Dämmerung mit Zuschauer<br />
Romeo Castellucci<br />
Im Inneren der Allerheiligen<br />
Hofkirche erscheint<br />
ein kreisrunder Hohlraum<br />
auf einer weißen Wand.<br />
Er scheint auf die makellos<br />
weiße Oberfläche<br />
aufgesetzt, wie Druckfarbe<br />
auf einem Blatt Papier,<br />
beinahe schwerelos.<br />
In Dämmerung greift Romeo Castellucci auf das Motiv des<br />
als Kreis schematisierten Auges zurück. Die Handlung entwickelt<br />
sich innerhalb eines direkten und eindeutigen Bezugs<br />
zum letzten Bild des Wagner’schen Zyklus Der Ring<br />
des Nibelungen. Das Armageddon der nordischen Mythologie<br />
geht unter auf dem Scheiterhaufen aus Welteschenzweigen,<br />
Walhall brennt, das Ende wird durch die<br />
Rückführung des Rings auf den Grund des Rheins besiegelt.<br />
In der Götterdämmerung, dem wirkungsvollen Schlussteil<br />
der Tetralogie, wird gleichzeitig der Untergang der einen<br />
Welt und das Entstehen einer neuen gezeigt. Der Verfall<br />
des nordischen Pantheon und seiner hierarchisierten Gesellschaft,<br />
die in Brünnhilde eine leuchtende Märtyrerin<br />
gefunden hat, prägt die Schlussszene der totalen Zerstörung,<br />
in der jedoch eine Chance steckt: Die Menschen –<br />
wenn auch nur Randfiguren der komplexen Ereignisse<br />
– sind die wahren Überlebenden der Katastrophe. Castellucci<br />
zieht diese sublime Opferliturgie mit ihrem apokalyptischen<br />
Charakter durch und gibt sich schließlich dem<br />
Rausch des Falls hin. Eine totale Unterwerfung, unumgänglich,<br />
objektiv zur Logik der Schwerkraft.<br />
Im Inneren der Allerheiligen Hofkirche erscheint<br />
ein kreisrunder Hohlraum auf einer weißen Wand, die die<br />
Apsis vom Mittelschiff trennt. Sein Profil ist verschwommen,<br />
fast unsichtbar. Er scheint auf die makellos weiße<br />
Oberfläche aufgesetzt, wie Druckfarbe auf einem Blatt Papier,<br />
beinahe schwerelos. Man hat den Eindruck einer<br />
Wand, die durch die Kirchenfassade bricht, wobei gleichzeitig<br />
die Rosette nach innen gedrückt zu werden scheint.<br />
Dieses Loch also sprengt die Architektur und löst sie auf.<br />
Die Rosette, Auge der Erkenntnis, transzendentale Lichtquelle,<br />
Symbol des menschlichen Lebenszyklus, ist in ein<br />
neues radiozentrisches Schema kopiert, wo sie zweidimensional<br />
erscheint, ohne Tiefenschärfe, in ihrer Eigenschaft<br />
als tragendes Grundgerüst der Konstruktion entwertet.<br />
Aber was fixiert dieses Riesenauge, in seiner Ent-<br />
Rückung? Der Kreis nimmt, von Zeit zu Zeit oder in einer<br />
Art heftigen Kontraktion, die schnellen Flugbahnen menschlicher,<br />
von oben herunterfallender „Geschosse“ auf. Das<br />
kreisrunde Profil fixiert also das Schreckbild eines plötzlich<br />
unterbrochenen Sturzflugs kurz vor dem Aufprall – ein<br />
Goldregen von Körpern, die eine Bewegung aufnehmen, die<br />
die Vorstellung einer unendlichen Auflösung in den Vordergrund<br />
rückt. Eine Auflösung, die Fragen aufwirft und das<br />
Auge des Betrachters alarmiert.<br />
Dieser Zwangseinzug von Schreckgespenstern auf ihrer<br />
vertikalen Flugbahn nach unten beschwört die aufwärts<br />
gerichtete Bewegung zu Gott herauf – wozu die Kirche einlädt<br />
–, um ihr Gegenteil aufzufangen, nämlich den Absturz<br />
in den menschlichen Zustand. Doch dieser Opferweg, der<br />
der Opfergesinnung vieler Wagner-Figuren ähnelt wie auch<br />
der Schopenhauer’schen Auflösung der Verbundenheit mit<br />
dem Leben, dieser Opferflug hebt die Vernichtung auf und<br />
behält nur ihre vitale Intensität zurück. Es entsteht die<br />
Figur eines Ende ohne Ende im Sinne eines Telos ohne Telos,<br />
die nicht erklärt werden will, sondern der reine katastrophale<br />
Kollaps ist. So wird das allmähliche Dahinschwinden<br />
einer Sinnkatastrophe fassbar und unabwendbar.<br />
Rätselhafte Tiefe einer bildstarken Figur, in der höchste<br />
Brutalität und höchste Zurückhaltung zusammentreffen.<br />
Dieses optische Diaphragma zeigt eine weitere subversive<br />
Kraft. Es hält den Zuschauer in einem Spiel der Blicke,<br />
wo er schon-immer war, gefangen. Er ist ein Gesehener,<br />
bevor er zum Seher wird. Das beinhaltet, dass man sich<br />
einem äußeren, objektivierten Blick ohne Betrachter aussetzt.<br />
Vor dem Hintergrund des Schlussbildes der Götterdämmerung<br />
kommen einem die Worte des Lukrez in den<br />
Sinn, als er in De Rerum Natura feststellt: „Süß ist’s, anderer<br />
Not bei tobendem Kampfe der Winde auf hoch wogigem<br />
Meer vom fernen Ufer zu schauen; nicht als könnte<br />
man sich am Unfall andrer ergötzen, sondern dieweil man<br />
es sieht, von welcher Bedrängnis man frei ist“ (II,1-4). Irgendetwas<br />
hier verstärkt die Unruhe.<br />
Castellucci stellt also mit Dämmerung eine Vorrichtung<br />
für das Auge her, die eine emotionale Verbindung mit<br />
dem Zuschauer knüpft, der sich im Sehfeld befindet. Es handelt<br />
sich um eine poetische Vision von einem Gegenstand<br />
für den Sinneseindruck, die eine Begegnung mit dem Realen<br />
ermöglicht, d. h. mit etwas, was in seiner Irreduzierbarkeit<br />
auf einen Sinn in Schwindel versetzt.<br />
Nothung/Nothing<br />
„Nothung“ ist der Name, den Richard Wagner im Ring des<br />
Nibelungen dem Schwert gegeben hat, das Wotan Siegmund<br />
bei Sieglinde in Hundings Hütte finden lässt. Durch den<br />
Speer mit den heiligen Runen wurde es, als Strafe für die<br />
Schande des Inzests, zerbrochen und kann nur von einem<br />
„furchtlosen Helden“ neu geschmiedet werden. Mit ihm<br />
durchbohrt Siegfried das Herz des Drachen Fafner, holt das<br />
Rheingold zurück und, indem er Wotans Speer zerstört, signalisiert<br />
er die bevorstehende Umwälzung der Weltordnung,<br />
was durch den Scheiterhaufen der Götter am Schluss<br />
besiegelt wird. „Nothung“ bedeutet „Notwendigkeit“.<br />
Romeo Castellucci entnimmt dieses Waffensymbol<br />
der Wagner’schen Szene, überführt es in den Titel seines<br />
eigenen Kunstwerks und komponiert sein eigenes „Schwertmotiv“.<br />
In der Installation Nothung wird einer der emblematischsten<br />
Gegenstände des ganzen Nibelungen-Zyklus<br />
sinnentleert. Er wird wortwörtlich von dem Schwarm genealogischer<br />
Beziehungen, die die nordischen Sagen mit den<br />
Wagner’schen Neudichtungen verbinden, abgelöst. Diese<br />
Herausnahme hat zunächst den Wert einer Geste, die den<br />
symbolischen Wert des Objekts gleichzeitig erweitert und<br />
entmachtet, Nothung schläft hier auf einem Totenbett. Es<br />
ist dem Abschied nahe. Die plastische Wucht seines schweren<br />
Marmorsockels wandelt die Würde einer Tribüne in die<br />
Zurschaustellung einer Reliquie. Die Geste eines Angebotes<br />
an den Blick schließt paradoxerweise den Eindruck eines<br />
prekären Ortes ein.<br />
Dieses als Schwert für mittelalterliche Turniere geschmiedete<br />
Stück Metall, das in seinen rhetorischen Sockel<br />
zurückgefallen ist, ist kein konfliktfreier Gegenstand. Denn<br />
hier nimmt tatsächlich die Falle einer funktionalen Perversion<br />
Gestalt an. Es glüht. Kaum wahrnehmbar. Es entfesselt<br />
sich eine unsichtbare Energie. Es ist ein Bild, das die<br />
133<br />
Romeo Castellucci gründete 1981 mit Gleichgesinnten die in Cesena<br />
beheimatete Socìetas Raffaello Sanzio. Mit dem von ihm geleiteten<br />
Theaterkollektiv realisierte er fast all seine künstlerischen<br />
Arbeiten, bild- und klangmächtige Aufführungen im Grenzgebiet<br />
von Theater, Performance und Installation, die seit vielen<br />
Jahren immer wieder auf allen wichtigen Theaterfestivals zu sehen<br />
sind. Im Herbst 2011 wurde im Rahmen des Festivals Spielart die<br />
umstrittene Produktion Sul Concetto di volto nel Figlio di Dio<br />
(Über das Konzept des Angesichts bei Gottes Sohn) in den Münchner<br />
Kammerspielen präsentiert. The Four Seasons Restaurant<br />
nach Nathaniel Hawthornes The Minister’s Black Veil wird diesen<br />
Sommer beim Festival d’Avignon Premiere haben. Ende August<br />
kommt in Duisburg das für die Ruhrtriennale 2012–2014 entstehende<br />
FOLK zur Aufführung. 2011 inszenierte Castellucci am<br />
Brüsseler Opernhaus La Monnaie Richard Wagners Parsifal.<br />
Purgatorio, Festival d’Avignon 2008.<br />
Foto Luca Del Pia
Kraft des Aufwallens in sich hat, eines „grimmigen Zorns“,<br />
das den scharfen Geruch von Gewalt kondensiert, das Verbranntes-Land<br />
macht. Darüber hinaus stellt es die absolute<br />
Nicht-Eignung der Waffe heraus und kompromittiert<br />
ihre ratio agendi: Es wird ihr die Schnittfähigkeit abgesprochen,<br />
die Körper vervielfacht; und zwar die Schnittfähigkeit,<br />
die sogar einen Amboss entzweien kann.<br />
Das Objekt steckt also in einer Pose fest. Es ist unverrückbar<br />
in jenen, wegen des Wiedererkennungswerts<br />
emblematischen, Schlund gesteckt, in dem Siegfried die<br />
zwei Metallstücke zusammenschmilzt, die der Zwerg Mime<br />
vergeblich versucht hatte zusammenzufügen.<br />
Ein derartiges „Feststecken“ bedeutet, dass es sich um ein<br />
Schwert handelt, das niemand zücken kann. Es ist machtlos.<br />
Es ist nichts. „NOTHING“ ist der auf dem Marmor eingravierte<br />
Name.<br />
Die ursprüngliche Entsprechung zwischen dem Namen<br />
und dem Ding ist verflogen. Sie ist durch ein atomares<br />
Sprachteilchen auf anderes verschoben: „I“ ersetzt „U“. Diese<br />
interne Grenzverletzung des Worts aktiviert einen Widerstand,<br />
eine Differenzialenergie, die das Schreckgespenst<br />
aufnimmt. Das Fetischobjekt des Ring, das mit mythologischen<br />
Verweisen schon übersättigt ist, wird trüb, wegen des<br />
Durchbruchs eines Sinns unter dem Sinn, weil es von einer<br />
Negation bedrängt wird.<br />
Der Raum, der zwischen den Buchstaben frei wird,<br />
und ebenso der zwischen „Nichts“ und „Schwert“ ist kein<br />
Topos, noch ist beider Beziehung dialektisch. Wir stehen<br />
nicht vor einer (rhetorischen) Figur der Ersetzung. Der<br />
Kurzschluss der zwei Begriffe lebt von den Brechungen eines<br />
inneren Nachhalls. Es ist wie das Ingangsetzen einer<br />
Klangfolge, die unvorhersehbare, unbewusste Beziehungen<br />
zwischen der Geschichte des in die Begebenheiten der Nibelungen<br />
verstrickten Schwerts, der Wiederbestätigung des<br />
symbolischen Wertes des Schwerts tout court und seiner Negierung<br />
mit ins Spiel bringt.<br />
Die semiotische Kontraktion bringt das der Wagner-<br />
Welt entnommene Objekt an die Oberfläche und, indem es<br />
darübergestellt wird, löst es ein Nehmen aus. Aber dieses<br />
Nehmen geht mit dem Gezeigt-werden einher und beweist die<br />
Erwartung eines definitiven Widerrufs. So wie ein in einem<br />
Schaufenster ausgestellter Gegenstand evoziert, dass er dort<br />
ist, weil er wieder-herausgenommen werden soll, dort, um<br />
nicht mehr dort zu sein. Hier stellt sich die Negation wie ein<br />
nicht entfernbares Residuum eines Daseins ein – das, was<br />
übrig bleibt, wenn alles verschwunden ist, da im Abgrund<br />
des Nichts irgendetwas in anonymer Form weitermurmelt.<br />
Das, was Castellucci in Nothung realisiert, ist die intentionale<br />
Konstruktion eines geistigen Objekts, das einen<br />
Mangel als Antrieb für mögliche Sinnzuschreibungen bewahrt,<br />
sozusagen als Bedingung für Schöpfung.<br />
Aus dem Italienischen von Raffaella Marini<br />
Mehr über die Autorin und die Fotografin auf S. 18<br />
Dämmerung<br />
Szenische Installation von Romeo Castellucci<br />
Mittwoch, 27. Juni, bis Sonntag, 1. Juli 2012,<br />
Allerheiligen Hofkirche<br />
Weitere Informationen im Spielplan ab S. 209<br />
„Nothung! Nothung!<br />
Neidliches Schwert!<br />
Nun schmolz deines Stahles Spreu!<br />
Im eignen Schweiße<br />
Schwimmst du nun.“<br />
Romeo Castellucci<br />
A.#02 AVIGNON, zweite Episode der<br />
Tragedia Endogonidia, Festival d’Avignon<br />
2002.<br />
Foto Luca Del Pia<br />
Exklusive Haarpflege und Kosmetik.<br />
In ausgesuchten Friseur – Salons: www.labiosthetique.de
STIRB UND KOMM WIEDER<br />
Träumerei zu Themen von Die Walküre<br />
Von Brigitte Paulino-Neto<br />
1<br />
Am Steuer seines roten Mercedes, desselben, den seinerzeit Betty Freeman in Paris an den<br />
Jardins de l’Observatoire fotografierte, hat Pierre nicht mehr dieses Lächeln.<br />
Da, wo er den Wagen nämlich heute manövriert, behält er den bleiernen Himmel im Blick,<br />
das langsame Aufkommen des Sturms, ganz wie ein Flugkapitän, der das Auftreten einer<br />
Turbulenz voraussieht, die Größe der Luftlöcher einschätzt, die Angstreaktionen der Fluggäste<br />
im Griff hat und Mittel und Wege kennt, sie zu beruhigen.<br />
Auf so schmaler Landstraße, in gebirgiger und wilder Gegend, nimmt auch Patrice, der rechts<br />
neben ihm sitzt, das ansteigende Adrenalin dieses Frühlingssturms wahr. Sein Körper hat<br />
längst genug Elektrizität aufgenommen, um jedem, der ihn jetzt mit dem Finger berühren<br />
würde, einen tödlichen Stromschlag zu versetzen.<br />
Hingesunken, auf der Rückbank fläzend – dabei ganz die Odaliske, die sich ihrer Sonderstellung,<br />
wie sie einem Idol gebührt, stets bewusst ist –, gibt Richard seltsame Laute von<br />
sich: mal wie ein Waldhorn, mal heiser, mal mit Kopfstimme, wobei das gehetzte Schnarchen<br />
natürlich zu Missklängen führt.<br />
Nun hat Pierre nichts gegen Missklänge. Wer allerdings mit dem Fluch belegt ist, den man das<br />
„absolute Gehör“ nennt, der vermag durchaus in Richards Schlaf wie in einer Partitur zu lesen.<br />
So sucht er darin nach einer Linie, einem Leitmotiv, und bis jetzt findet er dergleichen nicht.<br />
Unter diesen besonderen Umständen, nämlich denen eines Maisturms – und Maistürme sind<br />
die heftigsten! –, erachtet Pierre seinen schläfrigen Passagier im Fond für vernachlässigbar.<br />
Mit der Linken hält er entschlossen das Steuer. Mit der Rechten dirigiert er mühelos den<br />
Sturm, versucht, die Aufregung der Hörner zu bändigen, das unpassende Seufzen der Streicher,<br />
die zu unkontrollierter Explosion neigenden Zimbeln. Die Hand bemüht sich, Ordnung<br />
in das Getöse zu bringen, das Schlagzeug zu beruhigen, die Bläser zu befrieden und die hysterischen<br />
Gegenwinde dazu zu bringen, sich in einem kristallinen Niederschlag aufzulösen.<br />
Will sagen, er gibt den Takt vor.<br />
Das plötzliche Vorpreschen solch gegensätzlicher Töne; nur das ist es, was ihn wirklich interessiert.<br />
Solcher Töne nämlich, die dem Fallbeil der Windschutzscheibe entrinnen und dem,<br />
was dort, von den Wischerblättern hingespien, zerschellt und stirbt. Dem Staub zerfetzter<br />
Insektenflügel treibt er jedes Pathos aus. Man braucht den Sturm nicht zu interpretieren,<br />
braucht ihn nichts anderes sagen zu lassen, als was man hört: eine schallende Explosion.<br />
Kakofonie. Lärm.<br />
Zwischen dem Mond links, den der Sturm manchmal verschwinden lässt, und dem Wald<br />
rechts, Sturm und Drang, sieht sich Patrice von tiefer innerer Not ergriffen, wie ein Schwert<br />
in seiner Seite.<br />
Ohne die Kontrolle über seinen roten Mercedes und den aufziehenden Frühlingssturm zu<br />
verlieren, gibt Pierre ihm mit bewusst ausdrucksloser Stimme zu bedenken, dass das Wort<br />
„Mond“ auf Deutsch eigenartigerweise männlich, aber weiblich in fast allen anderen westlichen<br />
Sprachen ist.<br />
Als die Mondsichel wieder einmal im Sturm verschwindet, erwähnt Pierre zudem den<br />
„schwarzen Mond“ und dessen androgynen Charakter, seine zugleich männliche und weibliche<br />
Natur. Und während er weiter den Sturm dirigiert, nicht um ihn freundlich zu stimmen,<br />
sondern um ihm seine kosmische Kohärenz wiederzugeben, äußert Pierre noch den Gedanken,<br />
dass das überschäumende Begehren der Sonne und des Mondes seinen Höhepunkt im<br />
Inzest erreicht.<br />
„Der Veränderlichkeit seiner Erscheinung wegen gilt der Mond als unbeständig, mit dem<br />
Stempel des Provisorischen versehen … So betrachtet, bezeichnet der Inzest die Stufe unmittelbar<br />
vor der Vereinigung der Gegensätze“, fügt er hinzu, während auf der Rückbank<br />
Richard, der sich von seiner Kurtisanen-Schläfrigkeit zu befreien versucht, tatsächlich Anzeichen<br />
halluzinierenden Wachwerdens zeigt.<br />
„Deshalb“, schließt Pierre, „gibt es eine Philosophie des Mondes, die ihren Ausdruck in der<br />
Maxime ‚Stirb und komm wieder‘ findet.“<br />
„Stirb und komm wieder“: Diese Formulierung lässt Patrice mit Tagträumen zurück.<br />
„Was den ‚finsteren Wald‘ angeht – und das ist ja beinah ein Pleonasmus –“, fährt Pierre fort,<br />
und zwar zum ersten Mal wieder mit jenem Lächeln, das er, viele Jahre zuvor, Betty Freeman<br />
schenkte, als sie ihn für die Ewigkeit ans Steuer seines roten Mercedes bannte, „so ist dieser<br />
Wald, ganz im Gegensatz zu jener simplistischen Vorstellung, die in den Hochwäldern eine<br />
riesige Ansammlung phallischer Totems sehen will, der eigentliche Ort eines Orientierungsverlusts.<br />
Der Mann zögert, in diesen Bereich des Unbewussten vorzudringen.“<br />
Und trotz allem, was im Lot zu halten Pierre sich selbst verpflichtet hat – nämlich das Steuer<br />
zu halten inmitten der Bö, die chaotische Manifestation eines Sturms zu ordnen, die Passagiere<br />
zu beruhigen –, findet er noch die Gelegenheit, dem auf dem Beifahrersitz festgefrorenen<br />
Patrice einen wohlwollenden Blick zu schenken, bevor er schließt: „Der Wald ist das Symbol<br />
einer beunruhigenden Weiblichkeit; wir sind auf uns selbst gestellt, wenn wir ihn erkunden.“<br />
„Wir sind auf dem richtigen Weg!“, ruft Richard von hinten, plötzlich geräuschvoll sich<br />
schüttelnd.<br />
„Welch ein Glück“, sagt Patrice, „nämlich, wir sind verloren!“<br />
„Genau das wollte ich damit sagen“, versetzt Richard. „Verloren zu sein bedeutet, dass man<br />
auf dem rechten Weg ist; damit ist es der Spiegel der menschlichen Not selbst.“<br />
Unvermittelt stößt Patrice, der seine Benommenheit überwunden hat, ganz erschrocken einen<br />
Finger gegen die Windschutzscheibe: „Pierre, Vorsicht! Ein Tier, ein Wolf, ein Mensch<br />
mitten auf der Fahrbahn …!“ Und ohne, dass es ihm bewusst wäre, sind diese Worte denen<br />
nicht unähnlich, die Brangäne Tristan und Isolde zuruft:<br />
„Habet acht! Habet acht! Bald entweicht die Nacht!“<br />
2<br />
Pierre bremst ab. Die Kreatur steht tropfend im Regen, mitten auf der Fahrbahn. Erstarrt,<br />
krumm, die Haltung eines Tieres oder eines Menschen in äußerster Bedrängnis. In diesem<br />
Moment fällt der Regen so dicht, dass Patrice, als der Wagen auf Höhe des Mannes ist, ohne<br />
ein Wort die Beifahrertür öffnet. Der Mann stürzt herein. Auf einen Schlag verändert sich<br />
die Luftfeuchtigkeit des Innenraums; die Innentemperatur fällt ab, Dunst lässt alle Scheiben<br />
erblinden und bringt die ultraperfekte Klimaanlage von Pierres rotem Mercedes ins Straucheln.<br />
Seine Ankunft hat die wohlige Atmosphäre in sich zusammenbrechen lassen: Dieser<br />
Mann ist ein Eisblock – geeignet, sich daran einen Schnupfen zu holen.<br />
Nachdem er den Wagen zum Stehen gebracht hat, schaltet Pierre mit besonnener Geste die<br />
Belüftung ein und schiebt den Heizungsregler auf maximale Leistung. Dabei beugt er sich<br />
vor, wobei er dem Mann ins Gesicht schaut, im Rückspiegel Richards Blick erfasst, Patrice<br />
ansieht. Mit anderen Worten, jeder schaut jeden an, und alle mit Ausnahme des Eindringlings<br />
sind sprachlos ob der unglaublichen Ähnlichkeit des Unbekannten mit Patrice: ein<br />
Doppelgänger, würde er nicht so elend aussehen. Doch über das Erstaunen hinaus, in das<br />
diese Ähnlichkeit Pierre und Richard versetzt, empfindet Patrice augenblicklich ein tiefes<br />
Mitgefühl mit dem Fremden, und er denkt: Da ist sehr viel mehr als nur das – ein Zwilling.<br />
Eineiig oder zweieiig? In der gleichen Fruchtblase entstanden oder in einer anderen?<br />
Gleicher Genus oder verschiedene Geschlechter? Siamesisch oder dyadisch? – Und in seiner<br />
Verstörtheit fällt ihm nicht etwa ein Vers von Marivaux ein, wie man es erwartet hätte, auch<br />
keine Worttirade von Bernard-Marie Koltès; nicht einmal eine Passage aus dem Totenhaus,<br />
sondern dieser Vers von Tagore:<br />
Hier ist dein Schemel, dort ruhn deine Füße, wo die Ärmsten und Niedersten, wo die Verlorenen<br />
leben. *<br />
„Willkommen, du Erwählter des Unglücks – wie kaum zu übersehen ist“, poltert Richard.<br />
„Und wohin führt uns jetzt dein Elend?“<br />
Doch die Antwort des Landstreichers ist kaum vernehmbar, so sehr klappert er mit den<br />
Zähnen, während Pierre die Fahrt durch den Sturm wieder aufnimmt.<br />
136 137<br />
* Erste Verse des 10. Gesangs des Gitanjali von dem bengalischen Dichter Rabindranath Tagore.
Lange noch fahren sie durch die Nacht, ohne auf eine lebende Seele zu stoßen, weder auf<br />
einen Weiler noch auf ein Dorf. Da es spät geworden ist, haben alle den gleichen Gedanken:<br />
dass man auf eine Herberge kaum noch hoffen kann; alle außer dem Unbekannten, der sich<br />
nichts zu fragen scheint und nichts erhofft.<br />
Da ist dieses Gefühl von Patrice, dass der Mann, der sich auf dem Beifahrersitz eng an<br />
ihn schmiegt, sein Bruder ist, seine Schwester – oder ein anderes Ich? Die überwältigende<br />
Jugend und Schönheit dieses Mannes, eben die Art von Schönheit, die ohne Ansehen des<br />
Geschlechts zu einem sehr jungen Mann wie auch zu einem sehr jungen Mädchen passt, ruft<br />
ihm eine Szene aus Wie es euch gefällt in Erinnerung.<br />
Orlando, liebestoll nach Rosalinde entflammt, wird in die Wälder verbannt, in eben jene<br />
Wälder zu unserer Rechten, aus denen der Unbekannte aufgetaucht ist gleich einem Wolf.<br />
In diesen Wäldern aber finden sich Orlando und Rosalinde, Patrice kennt die Stelle auswendig.<br />
Ebenso weiß er, dass Rosalinde in diesen Wäldern, als Junge verkleidet, Orlando<br />
verführt, der wiederum ihr von seiner Liebe zu Rosalinde erzählt, eben einem Mädchen …<br />
Trotz des Fahrkomforts im vorderen Teil des Mercedes, in dem zwei Beifahrer, ohne sich<br />
gegenseitig zu beengen, alle Manöver des Fahrers bequem ertragen, sind die fest an Patrice<br />
gepressten Klamotten des Unbekannten so sehr mit Regen, mit Schweiß, mit Angst gesättigt,<br />
dass die feine Textur des weißen Leinens, aus dem, tadellos passend zur Saison, Patrices<br />
bequeme und leichte Kleidung geschnitten ist, schließlich einen Teil dieses Wassers, dieses<br />
Regens, dieser Angst aufgesogen hat, und zwar so viel davon, dass man das Ganze wie ein<br />
Papiertaschentuch nach einem Nervenzusammenbruch entsorgen möchte. Die Affinität zwischen<br />
den beiden wächst dabei in gleichem Maße: Sie zittern gemeinsam; sie empfinden die<br />
Kälte zusammen und ebenso die Wohltat einer – mittels der perfekten Technik von Pierres<br />
tadellosem roten Mercedes – kontrolliert verteilten Wärme.<br />
Hinten, auf seiner Ottomane, radebrecht Richard weiterhin sein Kauderwelsch aus unverständlichen<br />
Satzfetzen, unter denen einzig vielleicht eine Bemerkung Sinn macht, die er auch<br />
aus Patrices Gedanken hätte herauslesen können: „Was Die Schule der Liebenden uns lehrt,<br />
ist dieses: dem Wunsch der Jugend nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung zu entsagen.“<br />
Lässt es wirken, um sich gleich danach mit boshafter Andeutung darüber zu empören, dass<br />
man den Untertitel von Così fan tutte ja nur allzu oft vergisst.<br />
3<br />
Endlich taucht links der schmalen Landstraße ein Gemäuer auf, und augenblicklich biegt<br />
Pierre ab, um direkt neben einer Esche zu parken.<br />
Esche? – „Eine konsequente Wahl“, so Richards Kommentar, während er langsam aus seiner<br />
Lethargie herausfindet – und gar nicht daran denkt, sich für den Aberwitz zu entschuldigen,<br />
dass während der ganzen Herumfahrerei einzig ihm die Bequemlichkeit der gesamten Rückbank<br />
des Mercedes zugutekam.<br />
Eine grellrote Leuchtreklame, wie die eines Stundenhotels, blinkt am Giebel des Etablissements.<br />
Zu lesen ist Walhall, doch das liegt daran, dass die Schrift beschädigt ist: Wegen eines<br />
blank liegenden Kabels beschränkt sich das abschließende „a“ darauf, mit Unterbrechungen<br />
vor sich hin zu knistern. Keiner der vier Reisenden hat sich dem Gemäuer bisher genähert;<br />
keiner von ihnen weiß, ob ihnen wie auf den Pilgerfahrten vergangener Zeiten Unterkunft<br />
und Verpflegung zugesichert werden können.<br />
Ungeachtet der sie alle quälenden Ungewissheit hinsichtlich des sehnlichst empfundenen<br />
Wunsches nach einer warmen Bleibe, nach halbwegs sauberem Bettzeug, nach einer dieser<br />
Suppen, in denen der Löffel aufrecht stehen bleibt, tut Richard sehr empört und will jetzt<br />
alle als Zeugen einer Dissymmetrie in der hohen Fassade in die Pflicht nehmen.<br />
„Ein unverzeihlicher architektonischer Fehler“, versteigt er sich, wobei er kindisch mit dem<br />
Fuß aufstampft.<br />
„Wenn man dieses Walhall oder Walhalla so weit oben anbringt, lässt das doch wohl einzig<br />
die Vermutung zu, dass es eben nur die Dachböden sind, die als Herberge dienen. Oder als<br />
Bumslokal, winstub, Bordell, was weiß ich, Schmutzzeug einer gewissen Art – oder was es an<br />
Verruchtem noch so darstellen könnte; und dass wir erst ein bürgerliches Privathaus im Stile<br />
‚gepflegt und anständig‘ durchqueren müssten, um dann über eine schmale Wendeltreppe<br />
zu jener halbseidenen Mansarde zu gelangen, in der man sich vielleicht dazu herabließe, uns<br />
einen schlechten Wein zu überhöhtem Preis anzubieten!“<br />
„Einmal ganz abgesehen von dem Risiko“, fährt er fort, „dass wir uns dort plötzlich mit einem<br />
Kruzifix zwischen den Schulterblättern wiederfinden könnten, aufgespießt einzig wegen<br />
der drei Eurocent in unseren Hosentaschen oder als Dank für unsere goldenen Kreditkarten.“<br />
„Nehmt mir die letzte Bemerkung nicht übel!“, meint er unvermittelt hinzufügen zu müssen,<br />
offenbar bezogen auf den armen Schlucker, den sie unterwegs aufgelesen haben und der<br />
ganz offensichtlich nicht einmal ein gültiges U-Bahn-Ticket besitzt, oder auch nur ein Taschentuch,<br />
sein Elend aufzuwischen.<br />
4<br />
„Wir haben Sie erwartet“, stößt der Mann hervor, welcher jetzt den Verirrten dieser Sturmnacht<br />
seine Tür aufsperrt. Er fügt hinzu, in seiner Eigenschaft als Herr dieser Örtlichkeiten<br />
sei er dazu da, seinen Gästen jeden Dienst zu erweisen.<br />
„Was meinen Sie damit: Sie haben uns erwartet?“, fragt Pierre ohne übertriebene Verwunderung.<br />
„Nur um zu wissen.“<br />
„Bei uns hier draußen“, beginnt der Mann, welcher deutlich besser angezogen scheint, als<br />
man es an solchem Ort erwarten würde (einem Ort, um es vorsichtig zu sagen, der nichts von<br />
alledem aufzuweisen hat, womit sich ein beliebiges Urlaubsziel sonst schmücken würde). „Bei<br />
uns hier draußen“, fährt er fort, „kennt man ein untrügliches Omen.“<br />
Und während er die vier Männer ins Haus bittet, nicht ohne jeden Einzelnen dabei mit dem<br />
argwöhnischen Blick eines Blockwarts, der jemanden in flagranti ertappen will, von oben bis<br />
unten zu mustern, berichtet er davon, wie sich vorhin, als er sich mit seiner jungen Gattin zu<br />
Tisch gesetzt und gerade den Wein eingeschenkt habe – zuerst sich selbst, dann seiner Frau,<br />
wie er betont, um die Rangfolge klarzumachen, die er in diesem Haus respektiert sehen will<br />
–, im Flaschenhals auf einmal ein Ring gebildet habe; ein Ring, der lang genug Bestand hatte,<br />
um unmissverständlich einen Besuch anzukündigen. „Guter oder schlechter Besuch, das ging<br />
nun aus dem Omen nicht hervor“, schiebt er mit zweideutigem Lächeln hinterher.<br />
„Aber nehmen Sie doch Platz“, beeilt er sich hinzuzufügen, indem er sie an eine Tafel bittet,<br />
wo sich bereits andere Besucher – Fremde? Stammgäste? Vertraute? – niedergelassen haben.<br />
Wie man es stets bei Neuankömmlingen beobachten kann – hier sind es jetzt also vier –,<br />
drängt es sie ganz unwiderstehlich zu der- oder demjenigen hin, welcher von den Anwesenden<br />
tatsächlich auf einen Unbekannten gewartet oder Unbekanntes ersehnt hat. Eine<br />
Ausnahme machen da nur Ankömmlinge vom Schlage der Misanthropen, die natürlich schon<br />
ihren Alkoven ausgemacht haben, in den sie sich hinein ducken können – um anwesend zu<br />
sein, ohne da zu sein.<br />
Pierre, der den anderen vorangeht, nimmt sogleich an der Seite eines wunderbaren alten<br />
Mannes Platz – eines Greises vom Schlage „Patriarch“ oder „Gott“, aber wo ist da der Unterschied?<br />
–, und als der sich erhebt, um ihn zu begrüßen, kann Pierre erkennen, dass dem Alten<br />
einseitig das Augenlicht fehlt. Warum gefällt Pierre ein solches Detail? Ein Zeichen von Weisheit:<br />
Bei einem Einäugigen stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass er ein Seher ist.<br />
Eine Viertelsekunde hatte Patrice gezögert; die Haltung des Greises, neben dem sich Pierre<br />
niedergelassen hat, fand auch er anziehend. Doch sah er sich zugleich einer noch größeren<br />
Anziehungskraft ausgesetzt, und die ging nicht allein nur von dem auf der Landstraße aufgelesenen<br />
Habenichts aus und war ihrem heimlichen Einverständnis geschuldet; gleichermaßen<br />
nämlich fühlte er sich zu der so jungen Frau hingezogen, die der Gastgeber als seine Gattin<br />
bezeichnet hatte; was übrigens Patrice, auch wenn er dafür nicht den geringsten Beweis<br />
hätte anführen können, unter der Rubrik „unglückliche Verbindungen“ zu verbuchen geneigt<br />
war. Ihm schien diese junge Frau, die mit einem feengleichen Vornamen ausgestattet war,<br />
nichts anderes als die weibliche Ausführung seines Leidensgefährten. Alle drei, Patrice, der<br />
Wolfsmensch und die sehr junge Gattin ihres Gastgebers, schienen wie Varianten ein und<br />
desselben Porträts mit unsicherem Genus: Die junge Gattin ihres Gastgebers wäre als ein<br />
als Mädchen verkleideter Junge durchgegangen; der Landstreicher hätte auch ein in Lumpen<br />
gehülltes Mädchen sein können. Bei Patrice selbst trafen ja Sanftmut, Hilflosigkeit, Verwegenheit<br />
und Schamhaftigkeit auf eine innere Neigung, die unwiderstehlich zum Umgang mit<br />
den Reinen oder den Mördern drängt.<br />
So kam es, dass sich nun Patrice, gefolgt vom Wolfsmenschen, zu der jungen Gattin des Gastgebers<br />
begab, als seien sie zu ihrer Eskorte bestellt; beide ahnten längst, dass sie die Geisel<br />
dieses Rüpels war, der die Männer empfangen hatte.<br />
138 139
* „Como es mejor el verso aquel que no podemos recordar“ aus dem Lied Vete de mi der Brüder Virgilio und Homero Expósito.<br />
Richard seinerseits bezog am Ende des Tisches Quartier, abseits der anderen. Kaum hatte<br />
er aus der Gesäßtasche einen Füller hervorgebracht, hörte man ihn nicht mehr vor sich hin<br />
schimpfen – darauf bedacht, einen Wust an Zetteln zu ordnen, die bereits mit einer unleserlichen<br />
Schrift bedeckt waren. Was er vorhatte? Sich Notizen zu machen.<br />
5<br />
„Zwei Morgen von hier, in einer benachbarten Gegend“, kommentierte der prächtig gekleidete<br />
Gastgeber, „ist es Sitte, aus den Tischschubläden zu essen. Dem Besucher, der sich vorstellt:<br />
dem Armen, dem Bedrückten“ – und dabei lastete sein Blick auf dem Wolfsmenschen, dem<br />
Tramper, den die Unbekannten mitgebracht hatten – „dem Entmutigten wird gesagt: ‚Welch<br />
ein Pech, mein tapferer Freund! Hätten Sie sich früher eingefunden, wir hätten Sie, wenn<br />
auch nur kärglich, da wir nun einmal arm sind, mit etwas Stärkendem begrüßen können; nunmehr<br />
aber findet sich, wie Sie sehen, nicht eine einzige Brotkrume mehr auf unserem Tisch.‘“<br />
„Ich gehöre jedoch nicht zu diesen hinterhältigen Schurken!“, meinte nach einer Pause diese<br />
prunkhafte Erscheinung mit dem Fuchsschwanzkragen am überaus feinen Zwirn, das Bild<br />
eines Machthabers auf der Hut. „Im Übrigen“, fuhr er fort, „welches sind denn die Gebote der<br />
Gastfreundschaft für einen Mann wie mich?“ Er fragte es in die Runde und wandte sich dann<br />
vor allem an Patrice: „Gewürzter Wein für die, die starr vor Kälte sind?“<br />
Und sein Blick glitt zurück auf den Unbekannten, der mit Patrice, ohne es zu wollen, ein<br />
auffälliges Duo bildete, das sich bei der Frau – seiner Frau! – zusammengefunden hatte, alle<br />
drei zusammengeschweißt wie Brüder und Schwestern einer gleichen Bruderschaft.<br />
„Ich für meinen Teil“, fuhr der Gastgeber fort, „ich denke, dass wahre und ehrliche Gastfreundschaft<br />
auch gebietet, die eigene Frau dem Gast hinzugeben; nicht anders als die heiße<br />
Pastete, die frisch zubereitet aus meiner Küche kommt.“<br />
(Der Fluch des absoluten Gehörs, der auf Pierres Ohren lastete, erfasste das Unbehagen, das<br />
in seiner Fistelstimme mitschwang.)<br />
„Möge es aber ausreichen, diese meine Frau, wie mein Eigen, bewundernd anschauen zu<br />
können“, fuhr der Gastgeber fort, „denn diese Frau habe ich gekauft, auch wenn sie gar nicht<br />
zum Verkauf stand. Möge es reichen, ihre Jugend und Schönheit mit jener des – soweit ich<br />
weiß – namenlosen Fremden dort zu vergleichen; oder sie zu vergleichen mit diesem anderen<br />
– er zumindest nannte einen Namen: Patrice – so war es doch? –, und schon erkennt man<br />
deutlich die Spannung zwischen dem Schönen und …“<br />
6<br />
Das letzte Wort blieb ein Geheimnis, da der Rest des Satzes von einem teuflischen Lärm geschluckt<br />
worden war: von einem rasenden Herumgerenne, von einem irren, wilden Wettlauf<br />
entfesselter Kreaturen, von aus allen Richtungen gegen den Boden des Dachstuhls hämmernden<br />
Absätzen und durchdringenden Schreien.<br />
Mit einer reflexhaften Bewegung hebt Pierre sogleich die Hand, um das Getöse zu dirigieren<br />
und ihm einen Sinn zu verleihen. Den Patriarchen zu seiner Linken täuscht diese Geste, offenbar<br />
glaubt er, sie wolle Ruhe gebieten, während Pierre ganz im Gegenteil dieses prächtige<br />
und angsteinflößende Tohuwabohu noch zu steigern anstrebt und das erregte Stimmengewirr<br />
seinem hysterischen Höhepunkt entgegen führen will.<br />
„Keine Angst“, versucht ihn der Patriarch zu beruhigen, unwissend, dass Pierre gar keine<br />
Angst vor etwas hat; „diese ganze Hektik ist lediglich der Sippe meiner acht Furien von<br />
Töchtern geschuldet: Gerhilde, Ortlinde, Waltraute, Schwertleite, Helmwige, Siegrune, Grimgerde,<br />
Rossweiße …“<br />
„Jene, die du gerade genannt hast, sind meine Töchter!“, spricht eine verärgerte Frauenstimme<br />
aus dem Halbdunkel. „Sie sind aus einem Bett hervorgegangen, das durch ein Sakrament<br />
gesegnet war. Eine fehlt. Wie kommt das? Kann es sein, dass du die Frucht deines<br />
Verrats vergessen hast?“<br />
„Es stimmt“, erwidert der Patriarch. „Diese habe ich alle mit Namen genannt – aus Respekt<br />
vor dir, meiner Frau, deren Eroberung mich ein Auge gekostet hat, ohne das ich nur noch die<br />
Hälfte der Welt sehe. Meine andere Tochter jedoch, auch das ist wahr, habe ich nicht genannt,<br />
denn mit diesem Mädchen verhält es sich wie mit jenen Gedichten, in denen der Vers, den wir<br />
vergessen haben, stets der schönste ist …* Ich habe ebenso wenig die Zwillinge genannt, die<br />
mir eine Frau geschenkt hat, die heute nicht mehr am Leben ist.“<br />
7<br />
Am anderen Tischende ist die Hand des armen Schluckers, den sie auf der Straße aufgegabelt<br />
haben, unmerklich in nächste Nähe derjenigen der jungen Frau des Gastgebers gerückt.<br />
Gleiche Beschaffenheit der Haut, gleiche Hautfarbe, gleiche Größe, gleiche Sanftheit und<br />
Zartheit, gleiche Empfindsamkeit des Epiderms, und auf diese Utopie zweier perfekt gleicher<br />
Wesen legt Patrice nun seine eigene breite und mächtige Hand, und hindurch empfindet er<br />
das Glück, die beiden anderen, zierlicheren, verletzlicheren Hände im Gleichklang pulsieren<br />
zu fühlen; die undefinierten Hände von Schauspielern, wie er sie über alles liebt, ob männlich<br />
oder weiblich, denn ein jeder Schauspieler ist das eine wie das andere. Und die Gefahr, die<br />
eine solche Geste und Schutzgebärde vonseiten des Gastgebers heraufbeschwören könnte,<br />
ist so lebhaft präsent in diesem Augenblick, dass Patrice jetzt weder Marivaux noch Koltès<br />
oder Janáček in den Sinn kommen, sondern etwas, das sich ohne Stimme abspielt und auf<br />
das Pierres Fluch des absoluten Gehörs nicht den Zugriff hat, es zum Schweigen zu bringen:<br />
Osther kommt eine Mär: Die apokalyptischen Reiter<br />
Hatten ihr Feuer geworfen, es brannten Dörfer und Städte<br />
Und sie kamen zur oder bei Nachtfall. Unten im Flussgries<br />
Schickten die Blutigen sich, die ermatteten Gäule zu<br />
tränken.<br />
(Älteren Zeiten verschrieben, ritten sie selber noch Gäule.)<br />
Aber die Tiere bogen die Hälse weg: allzu viel Totes<br />
Schwamm da herunter. Fluchend standen sie, da, von der<br />
Böschung<br />
Winkte ein Weiblein ihnen und führte sie schwankenden<br />
Ganges<br />
Ob von Feuer verwirrt, ob schwach in den Knien von<br />
verjährtem<br />
Hunger, schwankenden Ganges, sag ich, führte sie, sag ich<br />
Zwischen zerschossene Hütten des einstigen Dorfes zu<br />
ihrer<br />
Eignen zerschossenen Hütte. Schweigend wies sie den<br />
Brunnen.<br />
Winzig stand sie im wechselnden Schein des geröteten<br />
Himmels<br />
Saufen sah sie die Gäule das frische und reinliche Wasser.<br />
Erst, als die Blutigen wieder im Sattel, tat sie den Mund<br />
auf:<br />
„Vorwärts!“ sagte sie laut mit des Alters dünnerer<br />
Stimme<br />
„Vorwärts!“ sagte sie drängend. „Reitet weiter, ihr<br />
Lieben!“ *<br />
Der Gastgeber, vor nur einer Sekunde noch selbstsicher und hochmütig, schwankt auf einmal,<br />
als habe ihn ein starkes Schlafmittel aus dem Stand gebracht oder als knicke er unter<br />
dem Joch seiner eigenen Niedertracht ein. Er zerfließt gleichsam an seiner Tischecke, ohne<br />
sich noch in irgendeiner Weise darum zu scheren, welchen Eindruck das wohl auf die anderen<br />
macht; auf einmal offenbart seine so prunkvoll wirkende Kleidung, wie sehr diese Pelze,<br />
diese Borten, diese Seidenstickereien, diese subtil aufeinander abgestimmten Farben aus<br />
nichts bestehen: Prunk aus Talmi, wie man ihn an den Theatern antrifft, mottenzerfressene,<br />
gestopfte Lumpen, aufgehängt an den Kleiderbügeln der Schauspielerlogen, die ohne das<br />
Licht der Bühnenscheinwerfer, die alles in Gold verwandeln, immer Fetzen bleiben. Von dem<br />
Gastgeber, der plötzlich „abwesend“ ist, von der Bühne abgegangen, entschwunden, bleibt<br />
nichts als der für alle sichtbare Betrug, den seine äußere Erscheinung darstellte.<br />
140 141<br />
* Aus dem 4. Gesang des Fragments Lehrgedicht von der Natur des Menschen von Bertolt Brecht.
Da sein Schwiegersohn in Ohnmacht gesunken ist, spricht jetzt der Patriarch: „Da Ihnen<br />
diese Örtlichkeiten nicht vertraut sind, könnte es sein, dass Sie der Stelle vor dem Haus<br />
keine Beachtung geschenkt haben, an der Sie ihren prächtigen roten Mercedes abgestellt<br />
haben – von dem ich mich übrigens zu erinnern glaube, dass Betty Freeman ihn ganz in der<br />
Nähe der Jardins de l’Observatoire in Paris fotografiert hat. Diese Anekdote liegt für Sie<br />
Jahre zurück. Jedem sein Fluch. Der Ihre: jener des absoluten Gehörs. Der meine: dass die<br />
Zeit nicht vergeht.<br />
Sicher, diese Esche wirkt ganz gewöhnlich: ein in den Wäldern weitverbreiteter Baum von<br />
hellem Holz, ohne alle Vorteile exotischerer Hölzer. Allerdings – und verzeihen Sie, wenn<br />
ich es Ihnen in Erinnerung rufe: Die Esche symbolisiert Fruchtbarkeit. Sie verbindet alle<br />
Ebenen des Universums. Mit ihren drei Wurzeln, von denen eine in das Reich der Götter<br />
hineinragt! Daher bildet dieser so unscheinbare Baum die Gesamtheit des vorstellbaren<br />
Universums ab; er umfasst alle in sich gegensätzlichen Paare: Adler und Drache oder,<br />
um es anders auszudrücken, Himmel und Erde, oben und unten, das Männliche und das<br />
Weibliche …<br />
Ich will keinesfalls meinen armen Schwiegersohn kränken, der dort zusammengesackt an<br />
seiner Tischecke hockt, wenn ich nahelege, dass beim Anblick des derben Stammes und<br />
seiner hundertjährigen Äste sein eigenes Schwert – womit ich ganz ohne Beschönigung eben<br />
jenes Schwert meines Schwiegersohns meine, das jeder Mann zwischen den Beinen trägt und<br />
dessen Bedienung ihm durch sein Mannsein diktiert wird – in seinem Falle nicht ‚in seiner<br />
Scheide‘ steckt. Keine Kinder, die aus der erzwungenen Verbindung meiner Tochter mit ihm<br />
hervorgegangen wären. Möge sie mir verzeihen, wenn ich die Dinge beim Namen nenne: kein<br />
fleischlicher Verkehr; der ‚Liebe furchtbares Leid‘ hat sie nicht kennengelernt.<br />
Mit meinem einen gesunden Auge sehe ich das zärtliche Geleit zweier Fremder, die meine<br />
Tochter umrahmen. Zwei Fremde, die ich voneinander nicht unterscheiden könnte, und noch<br />
nicht einmal meine Tochter von einem der beiden, und dieses für einen Vater so unglückselige<br />
Wunder lehrt mich, dass die Sehkraft meines einen gesunden Auges, die bislang höher<br />
einzuschätzen war als die zweier träger Augen, ihre Hellsichtigkeit eingebüßt hat.<br />
Es gab im Französischen einen altüberlieferten Sprachgebrauch, mit dem Rolle und Stellung<br />
eines jeden in der Familie festgelegt waren. Die alten Wörter – fillastre, filsâtre, marastre<br />
oder maraître, padraste oder pâtrate – sind aber anzüglich geworden, weil sie den Hass auf<br />
jede Verbindung mit jemandem von außerhalb der Familie verrieten. Also verfiel man auf<br />
einen Trick, um über den familiären Hexenkessel hinwegzutäuschen – Schmelztiegel allen<br />
Abscheus, und die Sprache dazu berufen, die Gewalt dieser Konflikte zu mildern, des Hasses,<br />
der Morde, der falsch eingesetzten Begierden … Die Schwiegertochter wurde zur bellefille,<br />
zur ‚schönen‘ Tochter; die Schwiegermutter zur belle-mère, zur ‚schönen‘ Mutter … Dabei<br />
weiß man doch, dass Schwiegermutter und Schwiegertochter sich nur unter einer Bedingung<br />
miteinander vertragen, unter der Bedingung einer bestialischen Allianz nämlich, zusammengeschweißt,<br />
um den Sohn, den Ehemann zu erniedrigen – hier sind letztlich alle nur lästige<br />
Anhängsel!<br />
Wenn also Bruder und Schwester einander in die Arme gefallen sind, so bin ich weit davon<br />
entfernt, schockiert zu sein; ich habe darin eine Liebe erkannt. Selbst wenn ich mir Fragen<br />
stelle über die Natur einer solchen Liebe, die das eigene Spiegelbild umarmt, die nur sich<br />
selbst umarmt, die sich jedem anderen gegenüber blind macht.<br />
Was die Götter angeht: Sie berührt es in keiner Weise. Es verunsichert sie nicht und regt<br />
sie nicht auf. Ehebruch, Verrat, Inzest und Totschlag sind ihnen gleichgültig. Ein Patriarch<br />
– oder, wenn Sie so wollen, ein Gott – lässt sich durch solcherlei kaum berühren. Einzig die<br />
Menschen haben Zweifel, sind verunsichert, regen sich auf und sagen nein, wo sie ja denken.<br />
Sie glauben an die Kraft des Willens, unbedarfter Aberglaube der Menschen, und nicht, wie<br />
es einzig ein Patriarch oder ein Gott tut, an das unentrinnbare Schicksal.“<br />
Inzwischen gab es am Tisch nur noch wenige, die nicht längst eingeschlafen waren, den Kopf<br />
an die Schulter des Nachbarn gelehnt oder vornüber gesunken auf der Tischplatte liegend,<br />
denn schon dämmerte der Morgen eines neuen Frühlingstags. Dessen ungeachtet fuhr der<br />
Patriarch in seiner Rede fort.<br />
„Der Fluch, der auf unserer Familie lastet – ich wage zu behaupten: auf jeder Familie, und<br />
der ein zur Gänze von Generation zu Generation vererbter Fluch ist –, hat weniger mit Verrat,<br />
mit Ehebruch, mit Ressentiments und Groll, mit Erniedrigung, mit Lügen, mit Inzest,<br />
mit Hass zu tun als vielmehr mit dem, was die Menschen Liebe nennen, ohne davon überhaupt<br />
eine Ahnung zu haben: Denn es gibt nichts, was ihr Verständnis mehr übersteigt.<br />
Die Macht der Liebe, die einem Gott ganz unverständlich ist, denn der Gott muss nicht<br />
verstehen sondern sein: Ich habe sie im gleichen Augenblick gehasst, als ich sie bei meiner<br />
Tochter endlich als solche zu bestimmen vermochte, und ich hasste sie noch kurz bevor ich<br />
dann erkannte, dass ich wie meine Tochter durch eben das verunsichert war, was Menschen<br />
verunsichert und die Götter kalt lässt. Das ist der Grund, weshalb ich meine Waffen niedergelegt<br />
habe, und meine Macht und meine Krone.<br />
Unser Fluch ist folgender: Jeden Abend erscheinen Besucher an unserer Tafel, Besucher wie<br />
ihr, Pierre, Patrice, Richard. Und jeden Abend geben wir diese Vorstellung, Tag für Tag ohne<br />
größere Änderung. Manchmal, je nach Laune und momentaner Verfügbarkeit, gibt es ein<br />
paar Darsteller mehr, ein paar Darsteller weniger. Manchmal passieren Fehler, das Timing<br />
ist falsch, die Repliken kommen nicht auf Anschluss, das Licht stimmt nicht, mal korkt der<br />
Wein, die Pastete wurde zweimal aufgewärmt, aber im Wesentlichen passiert immer das<br />
Gleiche. Je nachdem, was das für ein Abend ist, sind einige von uns besser, andere schlechter.<br />
Um ehrlich zu sein: je nach der Qualität unserer Gäste auch, von denen wir stets, wenn mein<br />
Schwiegersohn die Tür aufmacht, gleich Shakespeare hoffen, dass sie einem Publikum von<br />
Königen entstammen.<br />
Einzige Regieanweisung während der Vorstellungen: Meine Lieblingstochter taucht nicht auf.<br />
Nicht einmal ihr Name wird genannt. Sie brennt in meinem Herzen eines gescheiterten Gottes.<br />
Und stets, allabendlich, erwarten wir die ungewisse Ankunft eines Unerschrockenen:<br />
den Staatsfeind Nummer eins, aus irgendeinem Hochsicherheitstrakt entflohen oder strafverschont<br />
wegen einer psychischen Störung (was in meinen Augen eine nebensächliche Unterscheidung<br />
darstellt), wobei der eine wie der andere durch sein Wüten in der Lage wäre,<br />
meine Tochter aus dem Feuerkerker zu befreien, den ich in meinem eigenen Wahn um sie<br />
herum errichtet habe.<br />
Wir spielen das an allen Abenden. Mit Misstönen bisweilen. Bisweilen mit erhabenen Momenten,<br />
die aus der Hoffnung auf etwas Unerwartetes entstehen. Am Morgen dann, wenn unsere<br />
Besucher wieder aufbrechen, stelle ich fest, dass sie sich an nichts erinnern können. So wird<br />
es euch dreien auch ergehen, wenn ihr erneut in eurem prächtigen roten Mercedes losfahrt,<br />
den Betty Freeman einst an den Jardins de l’Observatoire fotografiert hat. Ihr werdet dann<br />
erschöpft sein, vergesslich, eilig bemüht, in die Gesellschaft gewöhnlicher Menschen zurückzufinden.<br />
Dennoch werdet ihr, ohne dass irgendeiner von euch es sich erklären könnte, weder<br />
Pierre am Steuer noch Patrice auf dem Beifahrersitz noch Richard, der auf der Rückbank<br />
döst, das unbestimmte Gefühl haben, ich weiß es genau: etwas vergessen zu haben. Eben so<br />
wie in jenen Gedichten, in denen der Vers, der uns plötzlich abhanden gekommen ist, stets<br />
der schönste ist.<br />
Bis ihr euch beim ersten Aufstrahlen eines Frühlings nach dem Sturm an nichts mehr als<br />
nur an jenen Vormittag selbst erinnern könnt, hatte ein jeder von euch – mittels aller erdenklichen<br />
List – tatsächlich noch vor, jener einen, deren Namen auszusprechen ich mir<br />
für die Zukunft verboten habe, aus ihrer feurigen Einzäunung, in die ich sie gesperrt habe,<br />
herauszuhelfen.<br />
Egal. Sodann fällt der Abend. Die Sympathie, die ich für euch hätte empfinden können,<br />
verblasst. Ich höre bereits neue Besucher sich vorstellen. Sowohl ihr als auch ich: was uns<br />
verbindet, werden wir morgen vergessen haben.“ <br />
Aus dem Französischen von Fränk Heller<br />
8<br />
Brigitte Paulino-Neto ist Autorin von Romanen,<br />
zuletzt ausgezeichnet mit den Missions Stendhal 2012<br />
am Institut francais. Zuvor war sie langjährige<br />
Theater- und Tanz kritikerin der Libération (Paris),<br />
Kulturchefin der französischenVogue und<br />
Dramaturgin an der Opéra National de Paris.<br />
142 143
Photo © Wilfried Hösl<br />
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Nr. 25.1<br />
WA<br />
Ringordner
Agenda<br />
154 Plakate der Spielzeit 2011/12<br />
Auch in dieser Saison entstanden die Plakate in Zusammenarbeit mit internationalen bildenden Künstlern.<br />
Ausgehend vom spielzeitübergreifenden Ansatz einer neuen Lektüre des 19. Jahrhunderts lag die Serie des<br />
Ring in den Händen des Berliner Künstlers Dennis Rudolph, der sich dem historischen Kosmos Wagner mit<br />
heutigem Stil und Denken näherte. Die Serie der Akademiekonzerte wurde von den Werken des Amerikaners<br />
Chad Wys getragen.<br />
Les Contes d’Hoffmann – Marianna Gartner<br />
Turandot – Chu Uroz / La Fura dels Baus<br />
Der Ring des Nibelungen – Dennis Rudolph<br />
Akademiekonzerte – Chad Wys<br />
Das schlaue Füchslein – Markus Vater<br />
166 Künstler der Münchner<br />
Opernfestspiele 2012<br />
186 Die Produktionen der Münchner<br />
Opernfestspiele 2012<br />
209 Spielplan<br />
218 Der Festspielpreis der<br />
Gesellschaft zur Förderung<br />
der Münchner Opernfestspiele<br />
223 English Excerpts<br />
232 Schöne Ferien! Urlaubstipps<br />
von Festspielkünstlern
hallo andreas,<br />
hier müssen wir leider den beschnitt oben dranstricken.<br />
über die gesamte länge
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Folgt keinen schnellen Trends.<br />
Sondern Überzeugungen.<br />
Eine bulthaup verbindet höchste<br />
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Künstler der<br />
Münchner<br />
Opernfestspiele<br />
2012<br />
<strong>Bayerische</strong>s Staatsorchester<br />
166<br />
Wolfgang Ablinger-<br />
Sperrhacke<br />
Siegfried Mime<br />
Marco Armiliato<br />
Tosca<br />
Musikalische Leitung<br />
Anja-Nina Bahrmann<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Aspasia<br />
Antonello Allemandi<br />
La Cenerentola<br />
Musikalische Leitung<br />
Frederick Ashton<br />
La Fille mal gardée,<br />
Scènes de ballet, Frühlingsstimmen,<br />
Five Brahms<br />
Waltzes in the Manner of<br />
Isadora Duncan<br />
Choreographie<br />
Barry Banks<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Mitridate<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 167<br />
Javier Amo Gonzalez<br />
Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staats ballett<br />
ATTACCA<br />
Oper für alle<br />
ATTACCA- Konzert<br />
Orchester<br />
Patrick Bannwart<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Bühne<br />
Ain Anger<br />
Die Walküre<br />
Hunding<br />
Karen Azatyan<br />
Halbsolist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett
Emma Barrowman<br />
Halbsolistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Bernhard Berchtold<br />
Das Lied von der Erde<br />
Tenor<br />
Stefan Bolliger<br />
Der Ring des Nibelungen<br />
Licht<br />
Jamie Barton<br />
Götterdämmerung<br />
2. Norn<br />
Allan Bergius<br />
Konzert der Orchesterakademie<br />
Musikalische<br />
leitung<br />
Ivor Bolton<br />
Medea in Corinto<br />
Musikalische Leitung<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 168<br />
Michael Bauer<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik, Medea in<br />
Corinto, Tosca Licht<br />
Thomas Blondelle<br />
Das Rheingold<br />
Froh<br />
Luc Bondy<br />
Tosca<br />
Inszenierung<br />
Clive Bayley<br />
Wozzeck<br />
Doktor<br />
Lisa Böffgen<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Video<br />
Anna Bonitatibus<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Sifare<br />
Lawrence Brownlee<br />
La Cenerentola<br />
Don Ramiro<br />
Maxim Chashchegorov<br />
Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
staatsballett<br />
Nikolay Borchev<br />
La Cenerentola<br />
Dandini<br />
Joseph Calleja<br />
La bohème<br />
Rodolfo<br />
Kevin Conners<br />
Turandot Pang<br />
Wozzeck Andres<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
cochenille / Pitichinaccio /<br />
Frantz<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 169<br />
David Bösch<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Inszenierung<br />
Constantinos Carydis<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Musikalische Leitung<br />
Alessandro Corbelli<br />
La Cenerentola<br />
Don Magnifico<br />
Angela Brower<br />
Das Rheingold, Götterdämmerung<br />
Wellgunde<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
La Muse / Nicklausse<br />
Romeo Castellucci<br />
Dämmerung<br />
Konzept
Beatrice Cordua<br />
Gasttänzerin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Joyce DiDonato<br />
La Cenerentola Angelina<br />
Liederabend<br />
Tara Erraught<br />
La traviata<br />
Annina<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Sifare<br />
Katarina Dalayman<br />
Die Walküre<br />
Brünnhilde<br />
Marlon Dino<br />
Erster Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Alex Esposito<br />
La Cenerentola<br />
Alidoro<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 170<br />
Diana Damrau<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Olympia / Antonia /<br />
Giulietta / Stella<br />
Nachtkonzert<br />
Amit Drori<br />
Hacking Wagner<br />
Raum und Objekte<br />
Dan Ettinger<br />
La bohème, Turandot<br />
Musikalische Leitung<br />
Carlo Diappi<br />
La traviata<br />
Kostüme<br />
Phillip Ens<br />
Das Rheingold<br />
Fafner<br />
Ulrike Etzold<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Renée Fleming<br />
Der Rosenkavalier<br />
Die Feldmarschallin<br />
Paola Gardina<br />
La Cenerentola<br />
Tisbe<br />
Wlademir Faccioni<br />
Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
staatsballett<br />
Moritz Gagern<br />
Hacking Wagner<br />
Komposition<br />
Christian Gerhaher<br />
Liederabend<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 171<br />
Roberta Fernandes<br />
Erste Solistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Martin Gantner<br />
Der Rosenkavalier<br />
Herr von Faninal<br />
Angela Gheorghiu<br />
La bohème<br />
Mimì<br />
Séverine Ferrolier<br />
Solistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Elīna Garanča<br />
Liederabend
Massimo Giordano<br />
Tosca<br />
Mario Cavaradossi<br />
Jill Grove<br />
Siegfried Erda<br />
Götterdämmerung<br />
1. Norn<br />
Franz Hawlata<br />
Der Rosenkavalier<br />
Der Baron Ochs auf<br />
lerchenau<br />
Stephen Gould<br />
Götterdämmerung<br />
Siegfried<br />
Zenta Haerter<br />
Der Ring des Nibelungen<br />
Choreographie<br />
Rudolf Heinrich<br />
La bohème<br />
Bühne, Kostüme<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 172<br />
Daniel Grossmann<br />
Überwältigung. Ein Konzert<br />
Musikalische Leitung<br />
Danielle Halbwachs<br />
Die Walküre<br />
Gerhilde<br />
Alan Held<br />
Siegfried<br />
Der Wanderer<br />
Heike Grötzinger<br />
Der Rosenkavalier Annina<br />
La traviata Flora Bervoix<br />
Die Walküre Waltraute<br />
Wozzeck Margret<br />
Das Lied von der Erde<br />
Mezzosopran<br />
Anja Harteros<br />
La traviata<br />
Violetta Valéry<br />
Falko Herold<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Kostüme<br />
Renate Jett<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Schauspiel<br />
Schorsch Kamerun<br />
München Komplett<br />
Konzept<br />
Sven Holm<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Regie<br />
Richard Jones<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Inszenierung<br />
Anja Kampe<br />
Die Walküre<br />
Sieglinde<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 173<br />
Gerold Huber<br />
Liederabend Christian<br />
Gerhaher Klavier<br />
Dame Gwyneth Jones<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Gesang<br />
Jonas Kaufmann<br />
Liederabend<br />
Elfriede Jelinek<br />
REIN GOLD<br />
Autorin<br />
Goran Jurić<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Gesang<br />
La bohème Colline<br />
Tosca Cesare Angelotti
Simon Keenlyside<br />
Liederabend,<br />
Wozzeck Wozzeck<br />
La traviata Giorgio<br />
Germont<br />
Lothar Koenigs<br />
Wozzeck<br />
Musikalische Leitung<br />
Benjamin Krieg<br />
Hacking Wagner<br />
Video<br />
Takesha Meshé Kizart<br />
Tosca<br />
Floria Tosca<br />
Hans-Peter König<br />
Götterdämmerung<br />
Hagen<br />
Andreas Kriegenburg<br />
Der Ring des Nibelungen,<br />
Wozzeck Regie<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 174<br />
Sophie Koch<br />
Das Rheingold,<br />
Die Walküre Fricka<br />
Der Rosenkavalier<br />
Octavian<br />
Nikita Korotkov<br />
Gruppentänzer <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Alfred Kuhn<br />
La bohème<br />
Benoît<br />
Wolfgang Koch<br />
Das Rheingold, Siegfried,<br />
Götterdämmerung<br />
Alberich<br />
Günter Krämer<br />
La traviata<br />
Inszenierung<br />
Jiří Kylián<br />
Gods and Dogs<br />
Choreographie<br />
Saar Magal<br />
Hacking Wagner<br />
Konzept, Choreographie<br />
Katherina Markowskaja<br />
Gastsolistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Lucia Lacarra<br />
Erste Solistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Russell Maliphant<br />
AfterLight<br />
Choreographie<br />
Malcolm Martineau<br />
Liederabend Simon<br />
Keenlyside Klavier<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 175<br />
Elisa Limberg<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Ausstattung<br />
Dor Mamalia<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Wiebke Matyschok<br />
Herr Richard W. in M.<br />
Konzept<br />
Kenneth MacMillan<br />
Las Hermanas, Das Lied<br />
von der Erde<br />
choreographie<br />
Stefan Margita<br />
Das Rheingold<br />
Loge
Thomas J. Mayer<br />
Die Walküre Wotan<br />
Siegfried Der Wanderer<br />
Andreas Merk<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Alastair Miles<br />
Medea in Corinto<br />
Creonte<br />
Avi Mazli<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Nadja Michael<br />
Medea in Corinto<br />
Medea<br />
Levente Molnár<br />
Turandot Un mandarino<br />
La bohème Marcello<br />
Das Rheingold Donner<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 176<br />
Waltraud Meier<br />
Festspiel-Galakonzert,<br />
Wozzeck Marie<br />
Tigran Mikayelyan<br />
Erster Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Anaϊk Morel<br />
Die Walküre<br />
Schwertleite<br />
Lee Meir<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Aga Mikolaj<br />
Das Rheingold<br />
Freia<br />
Roswitha C. Müller<br />
Die Walküre<br />
Siegrune<br />
Hans Neuenfels<br />
Medea in Corinto<br />
Inszenierung<br />
Opernstudio 2011/12 der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Diverse Partien<br />
Konzert des Opernstudios<br />
Kent Nagano<br />
Das Rheingold, Die<br />
Wal küre, Siegfried, Götterdämmerung,<br />
Festspiel-<br />
Gala konzert, Festspiel-<br />
Gottesdienst, Oper für alle<br />
Musikalische Leitung<br />
Ryusuke Numajiri<br />
Steps & Times<br />
Musikalische Leitung<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 177<br />
Catherine Naglestad<br />
Siegfried<br />
Brünnhilde<br />
Roland Olbeter<br />
Turandot<br />
Bühne<br />
Orchesterakademie<br />
Konzert der Orchesterakademie<br />
Eri Nakamura<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Arbate<br />
Das Rheingold, Götterdämmerung<br />
Woglinde<br />
La Cenerentola Clorinda<br />
OperaBrass<br />
Nachtkonzert
Lisette Oropesa<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Ismene<br />
Ekaterina Petina<br />
Solistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Fabio Previati<br />
Turandot<br />
Ping<br />
Carlus Padrissa – La Fura<br />
dels Baus<br />
Turandot Inszenierung<br />
Francesco Petrozzi<br />
Der Rosenkavalier<br />
Haushofmeister bei<br />
Faninal / Ein Wirt<br />
Medea in Corinto Tideo<br />
Wozzeck 2. Handwerksbursche<br />
La traviata Gaston<br />
Tosca Spoletta<br />
Daniel Proietto<br />
AfterLight Solist<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 178<br />
Iain Paterson<br />
Götterdämmerung<br />
Gunther<br />
Cyril Pierre<br />
Erster Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Andreas Reinhardt<br />
La traviata<br />
Bühne<br />
Alexandra Petersamer<br />
Die Walküre<br />
Roßweiße<br />
Jean-Pierre Ponnelle<br />
La Cenerentola<br />
Inszenierung, Bühne,<br />
Kostüme<br />
John Relyea<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Lindorf / Coppélius /<br />
Dapertutto / Miracle<br />
Philine Rinnert<br />
Relikt<br />
Installation<br />
Jürgen Rose<br />
Der Rosenkavalier<br />
Bühne, Kostüme<br />
Ulrich Reß<br />
Wagnerin. Ein Haus<br />
der Kunstmusik Gesang<br />
Das Rheingold Mime<br />
Der Rosenkavalier<br />
Valzacchi<br />
Turandot L’imperatore<br />
altoum Les Contes<br />
d’Hoffmann Spalanzani<br />
Jerome Robbins<br />
Goldberg-Variationen<br />
Choreographie<br />
Lance Ryan<br />
Siegfried<br />
Siegfried<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 179<br />
Johan Reuter<br />
Das Rheingold<br />
Wotan<br />
Kenneth Roberson<br />
Medea in Corinto Evandro<br />
Wozzeck Der Narr<br />
Der Rosenkavalier<br />
Haushofmeister bei der<br />
Feldmarschallin<br />
Roman Sadnik<br />
Wozzeck<br />
Tambourmajor<br />
Christian Rieger<br />
Der Rosenkavalier Ein Notar<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Schlémil Tosca Sciarrone<br />
La traviata Baron Douphol<br />
La bohème Schaunard<br />
Myron Romanul<br />
La Fille mal gardée<br />
Musikalische Leitung
Simone Sandroni<br />
Das Mädchen und der<br />
Messerwerfer<br />
Choreographie<br />
Wolfgang Schmidt<br />
Wozzeck<br />
Hauptmann<br />
Buki Shiff<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Kostüme<br />
Ilia Sarkisov<br />
Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
staatsballett<br />
Elina Schnizler<br />
Medea in Corinto<br />
Kostüme<br />
Zufit Simon<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 180<br />
Otto Schenk<br />
La bohème,<br />
Der Rosenkavalier<br />
Inszenierung<br />
Andrea Schraad<br />
Der Ring des Nibelungen,<br />
Wozzeck Kostüme<br />
Rafal Siwek<br />
Siegfried<br />
Fafner<br />
Ekaterina Scherbachenko<br />
Turandot<br />
Liù<br />
Michaela Schuster<br />
Götterdämmerung<br />
Waltraute<br />
Lukáš Slavický<br />
Erster Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Hanna Dóra Sturludóttir<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Gesang<br />
Harald B. Thor<br />
Der Ring des Nibelungen,<br />
Wozzeck<br />
Bühne<br />
Nicolas Stemann<br />
REIN GOLD<br />
Inszenierung<br />
Eva Svaneblom<br />
Hacking Wagner<br />
Tanz<br />
Camilla Tilling<br />
Der Rosenkavalier<br />
Sophie<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 181<br />
Nina Stemme<br />
Götterdämmerung<br />
Brünnhilde<br />
Laura Tatulescu<br />
Medea in Corinto<br />
Creusa<br />
Constantin Trinks<br />
Der Rosenkavalier<br />
Musikalische Leitung<br />
Christoph Stephinger<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Gesang<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Crespel / Luther<br />
Tosca Der Mesner Wozzeck<br />
1. Handwerks bursche<br />
La traviata Doktor Grenvil<br />
Bryn Terfel<br />
Tosca<br />
Baron Scarpia
Alexander Tsymbalyuk<br />
Turandot<br />
Timur<br />
Anna Viebrock<br />
Medea in Corinto<br />
Bühne<br />
Anna Virovlansky<br />
Siegfried Stimme eines<br />
Waldvogels<br />
La bohème Musetta<br />
Spencer Tunick<br />
Der Ring mit Spencer<br />
Tunick Installation<br />
Roger Vignoles<br />
Liederabend Elīna<br />
Garanča Klavier<br />
Klaus Florian Vogt<br />
Die Walküre<br />
Siegmund<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 182<br />
Matej Urban<br />
Solist <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Rolando Villazón<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Hoffmann<br />
Michael Volle<br />
Nachtkonzert<br />
Ramón Vargas<br />
Medea in Corinto Giasone<br />
La traviata Alfredo<br />
Germont<br />
Irmgard Vilsmaier<br />
Götterdämmerung<br />
3. Norn, Jungfer<br />
Der Rosenkavalier<br />
Marianne Leitmetzerin<br />
Okka von der Damerau<br />
Das Rheingold, Götterdämmerung<br />
Floßhilde<br />
Die Walküre Grimgerde<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
La Voix de la Tombe<br />
Mark Wigglesworth<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Musikalische Leitung<br />
Catherine Wyn-Rogers<br />
Das Rheingold<br />
Erda<br />
Omer Meir Wellber<br />
La traviata<br />
Musikalische Leitung<br />
Ceri Williams<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Gesang<br />
Zuzana Zahradníková<br />
Solistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 183<br />
Ilana Werner<br />
Halbsolistin <strong>Bayerische</strong>s<br />
Staatsballett <br />
Jennifer Wilson<br />
Turandot<br />
La principessa Turandot<br />
Lawrence Zazzo<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Farnace<br />
Richard Whilds<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Musikalische<br />
Leitung, Arrangements<br />
Erika Wueschner<br />
Die Walküre Helmwige<br />
Götterdämmerung Gutrune
David Zobel<br />
Liederabend Joyce<br />
DiDonato Klavier<br />
Orchester Jakobsplatz<br />
München<br />
Überwältigung. Ein<br />
Konzert Orchester<br />
Vertigo Trombone<br />
Quartett<br />
Wagnerin. Ein Haus der<br />
Kunstmusik Orchester<br />
Fotos: Felix Broede, Koen Broos, Anthony Chrickmay, Heribert<br />
Corn, Ben Ealovega, Decca Andrew Eccles, Alexander Paul<br />
englert, Fabrizio Fenucci, Palma Fiacco, Paul Forster-Williams,<br />
Simon Fowler, Jesse Gerstein, Erol Gurian, Lenka Hatasova,<br />
Udo Hesse, Michael Hörnschemeyer, Wilfried Hösl, Anna Hult,<br />
Stephan Joachim, Hanns Joosten, Matthias Jung, Sascha Kletzsch,<br />
Curtis Knapp, tommaso lepera, Stefano Massimo, Angus<br />
McBean, Hans Jörg Michel, Tanja niemann, Patrick Nin, Katharina<br />
Nußbaum, Johan Persson, Monika Rittershaus, Karin Rocholl,<br />
Sheila Rock, christine Schneider, lioba Schöneck, Christian<br />
Steiner, Gunar Streu, Miklos Szabo, Sabine Toepffer, Marty<br />
umans, Uli Webber, Tilbert Weigl, christoph Wolf, Alvaro Yanez,<br />
Foto Schenk<br />
Informationen zusammengetragen von: Maria Gaul,<br />
Dominique-Lea Kappl, Katharina Kleiter, Marina Then<br />
und Melanie lechmann<br />
Künstler der Münchner Opernfestspiele 2012 184<br />
Premium<br />
Alles<br />
Inklusive<br />
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auf allen Decks inszeniert werden. Und das alles ohne zusätzliche Kosten. Außerdem ist mit unserem Premium Alles Inklusive-<br />
Konzept neben den Speisen zusätzlich ein umfangreiches Getränkeangebot in den meisten Restaurants und allen Bars und<br />
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Mein Schiff 2<br />
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7 Nächte ab 695 € *<br />
* Flex-Preis (limitiertes Kontingent) p. P. bei 2er-Belegung einer Innenkabine ab/bis Dubai.
Die Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2012<br />
Fotografiert von Wilfried Hösl<br />
Statisterie der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Der Ring des Nibelungen – Das Rheingold
Joseph Calleja (Rodolfo) La bohème<br />
Tosca
Stephanie Hancox Steps & Times – Five Brahms Waltzes<br />
in the Manner of Isadora Duncan<br />
Diana Damrau (Olympia, Giulietta, Antonia, Stella) Les Contes d’Hoffmann
Angela Brower (La Muse / Niklausse), Rolando Villazón (Hoffmann),<br />
Chor der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> Les Contes d’Hoffmann<br />
Nadja Michael (Medea) Medea in Corinto
Thomas J. Mayer (Der Wanderer), Statisterie der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Der Ring des Nibelungen – Siegfried
Renée Fleming (Feldmarschallin) Der Rosenkavalier<br />
Barry Banks (Mitridate), Anna Bonitatibus (Sifare),<br />
Lawrence Zazzo (Farnace) Mitridate, rè di Ponto
Johan Reuter (Wotan), Sophie Koch (Fricka), Statisterie der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Der Ring des Nibelungen – Das Rheingold<br />
Thomas J. Mayer (Wotan), Katarina Dalayman (Brünnhilde), Statisterie der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> Der Ring des Nibelungen – Die Walküre
Ensemble des <strong>Bayerische</strong>n Staatsballetts<br />
Goldberg-Variationen<br />
Zuzana Zahradníková, Lukáš Slavický<br />
Gods and Dogs
Ramón Vargas (Alfredo Germont), Anja Harteros (Violetta Valéry)<br />
La traviata<br />
Wozzeck
Jennifer Wilson (La principessa Turandot), Statisterie der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> Turandot<br />
Ekaterina Scherbachenko (Liù), Marco Berti (Calaf),<br />
Chor und Statisterie der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> Turandot
Anja Kampe (Sieglinde), Klaus Florian Vogt (Siegmund), Statisterie der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> Der Ring des Nibelungen – Die Walküre
Matteo Dilaghi (Jugendlicher), Matej Urban (Der Clown), Emma Barrowman<br />
(Das Mädchen) Das Mädchen und der Messerwerfer<br />
Spielplan<br />
Münchner OpernfestSPiele<br />
23.6.12<br />
bis<br />
31.7.12<br />
Soweit nicht anders angegeben, finden alle Veranstaltungen im Nationaltheater statt.<br />
Karten<br />
Tageskasse der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Marstallplatz 5<br />
80539 München<br />
tickets@staatsoper.de<br />
T 089 – 21 85 19 20<br />
www.staatsoper.de
Partner der OPERNFestspiele<br />
Richard Wagner<br />
Jacques Offenbach<br />
Giacomo Puccini<br />
Die Walküre<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Turandot<br />
OPER<br />
Richard Wagner<br />
Götterdämmerung<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
Inszenierung Andreas Kriegenburg<br />
Stephen Gould, Iain Paterson, Hans-Peter König, Wolfgang Koch,<br />
Nina Stemme, Erika Wueschner, Michaela Schuster, Eri Nakamura,<br />
Angela Brower, Okka von der Damerau, Jill Grove, Jamie Barton,<br />
Irmgard Vilsmaier<br />
Sa 30.06.12 16:00 Uhr<br />
So 08.07.12 16:00 Uhr<br />
So 15.07.12 17:00 Uhr<br />
sponsored by<br />
Festspielpremiere<br />
Partner der Opernfestspiele<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
Inszenierung Andreas Kriegenburg<br />
Klaus Florian Vogt, Ain Anger, Thomas J. Mayer, Anja Kampe,<br />
Katarina Dalayman, Sophie Koch, Erika Wueschner, Danielle Halbwachs,<br />
Golda Schultz, Heike Grötzinger, Roswitha C. Müller,<br />
Okka von der Damerau, Alexandra Petersamer, Anaïk Morel<br />
Mi 04.07.12 17:00 Uhr<br />
Mi 11.07.12 17:00 Uhr<br />
sponsored by<br />
Richard Wagner<br />
Siegfried<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
Inszenierung Andreas Kriegenburg<br />
Lance Ryan, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Alan Held 06.07.,<br />
Thomas J. Mayer 13.07., Wolfgang Koch, Rafal Siwek, Jill Grove,<br />
Catherine Naglestad, Anna Virovlansky<br />
Fr 06.07.12 17:00 Uhr<br />
Fr 13.07.12 17:00 Uhr<br />
Musikalische Leitung Constantinos Carydis<br />
Inszenierung Richard Jones<br />
Diana Damrau, Kevin Conners, John Relyea, Angela Brower,<br />
Okka von der Damerau, Rolando Villazón, Ulrich Reß, Dean Power,<br />
Andrew Owens, Tim Kuypers, Christian Rieger, Christoph Stephinger<br />
Do 19.07.12 19:00 Uhr<br />
Mo 23.07.12 19:00 Uhr<br />
Wolfgang Amadeus Mozart<br />
Mitridate, rè di Ponto<br />
Musikalische Leitung Mark Wigglesworth<br />
Inszenierung David Bösch<br />
Barry Banks, Anja-Nina Bahrmann, Anna Bonitatibus 20./23./27./30.07.,<br />
Tara Erraught 25.07., Lawrence Zazzo, Lisette Oropesa, Alexey Kudrya,<br />
Eri Nakamura<br />
Fr 20.07.12 18:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Mo 23.07.12 18:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Mi 25.07.12 18:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Fr 27.07.12 18:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Mo 30.07.12 18:30 Uhr Prinzregententheater<br />
sponsored by<br />
Musikalische Leitung Dan Ettinger<br />
Inszenierung Carlus Padrissa – La Fura dels Baus<br />
Jennifer Wilson, Ulrich Reß, Alexander Tsymbalyuk, Marco Berti,<br />
Ekaterina Scherbachenko, Fabio Previati, Kevin Conners,<br />
Emanuele D’Aguanno, Levente Molnár, Francesco Petrozzi<br />
Do 26.07.12 19:00 Uhr<br />
So 29.07.12 19:00 Uhr<br />
gefördert durch<br />
Giuseppe Verdi<br />
La traviata<br />
Musikalische Leitung Omer Meir Wellber<br />
Inszenierung Günter Krämer<br />
Anja Harteros, Heike Grötzinger, Tara Erraught, Ramón Vargas,<br />
Simon Keenlyside, Francesco Petrozzi, Christian Rieger, Tareq Nazmi,<br />
Christoph Stephinger, Dean Power, Tim Kuypers, Peter Mazalán, Demet Gül<br />
Fr 27.07.12 19:00 Uhr<br />
Mo 30.07.12 19:00 Uhr<br />
Giovanni Simone Mayr<br />
sponsored by<br />
Richard Strauss<br />
Medea in Corinto<br />
Musikalische Leitung Ivor Bolton<br />
Inszenierung Hans Neuenfels<br />
Alastair Miles, Emanuele D’Aguanno, Nadja Michael, Ramón Vargas,<br />
Laura Tatulescu, Kenneth Roberson, Francesco Petrozzi, Golda Schultz<br />
So 01.07.12 19:00 Uhr<br />
Do 05.07.12 19:00 Uhr<br />
sponsored by<br />
Gioachino Rossini<br />
La Cenerentola<br />
Musikalische Leitung Antonello Allemandi<br />
Inszenierung Jean-Pierre Ponnelle<br />
Lawrence Brownlee, Nikolay Borchev, Alessandro Corbelli,<br />
Eri Nakamura, Paola Gardina, Joyce DiDonato, Alex Esposito<br />
Mo 09.07.12 19:00 Uhr<br />
Do 12.07.12 19:00 Uhr<br />
Giacomo Puccini<br />
Tosca<br />
Musikalische Leitung Marco Armiliato<br />
Inszenierung Luc Bondy<br />
Takesha Meshé Kizart, Massimo Giordano, Bryn Terfel,<br />
Goran Jurić, Christoph Stephinger, Francesco Petrozzi,<br />
Christian Rieger, Rüdiger Trebes<br />
Sa 21.07.12 19:00 Uhr<br />
Di 24.07.12 19:00 Uhr<br />
gefördert durch den<br />
Der Rosenkavalier<br />
Musikalische Leitung Constantin Trinks<br />
Inszenierung Otto Schenk<br />
Renée Fleming, Franz Hawlata, Sophie Koch, Martin Gantner,<br />
Camilla Tilling, Irmgard Vilsmaier, Ulrich Reß, Heike Grötzinger,<br />
Christoph Stephinger, Kenneth Roberson, Francesco Petrozzi,<br />
Christian Rieger, Emanuele D’Aguanno, Evgeniya Sotnikova,<br />
Iulia Maria Dan, Silvia Hauer, Golda Schultz, Dean Power<br />
Sa 28.07.12 18:00 Uhr<br />
Di 31.07.12 17:00 Uhr<br />
Partner der Opernfestspiele<br />
Richard Wagner<br />
Das Rheingold<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
Inszenierung Andreas Kriegenburg<br />
Johan Reuter, Levente Molnár, Thomas Blondelle, Stefan Margita,<br />
Wolfgang Koch, Ulrich Reß, Thorsten Grümbel, Phillip Ens,<br />
Sophie Koch, Aga Mikolaj, Catherine Wyn-Rogers, Eri Nakamura,<br />
Angela Brower, Okka von der Damerau<br />
Di 03.07.12 19:30 Uhr<br />
Di 10.07.12 19:30 Uhr<br />
Giacomo Puccini<br />
La bohème<br />
Musikalische Leitung Dan Ettinger<br />
Inszenierung Otto Schenk<br />
Angela Gheorghiu, Laura Tatulescu, Joseph Calleja, Levente Molnár,<br />
Christian Rieger, Goran Jurić, Dean Power, Alfred Kuhn,<br />
Rüdiger Trebes, Tareq Nazmi, Peter Mazalán<br />
Di 17.07.12 19:00 Uhr<br />
Fr 20.07.12 19:00 Uhr<br />
Alban Berg<br />
Wozzeck<br />
Musikalische Leitung Lothar Koenigs<br />
Inszenierung Andreas Kriegenburg<br />
Simon Keenlyside, Roman Sadnik, Kevin Conners,<br />
Wolfgang Schmidt, Clive Bayley, Christoph Stephinger, Francesco Petrozzi,<br />
Kenneth Roberson, Waltraud Meier, Heike Grötzinger<br />
sponsored by<br />
So 22.07.12 19:00 Uhr<br />
AGENDA 210<br />
AGENDA 211
Ballett<br />
Simone Sandroni / Russell Maliphant / Kenneth MacMillan<br />
Das Mädchen und der<br />
Messerwerfer / AfterLight /<br />
Las Hermanas<br />
KONZERTE<br />
Partner des <strong>Bayerische</strong>n Staatsorchesters<br />
3. Kammerkonzert<br />
Max Reger, Camille Saint-Saëns, Ludwig van Beethoven<br />
Flöte Paolo Taballione<br />
Violine Markus Wolf<br />
Viola Tilo Widenmeyer<br />
Harfe Gaël Gandino<br />
Musik 48nord, Eric Satie, Frank Martin<br />
Di 24.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
Jiří Kylián / Jerome Robbins<br />
Goldberg -Variationen /<br />
Gods and Dogs<br />
Musik Johann Sebastian Bach, Jiří Kylián (Konzept),<br />
Dirk Haubrich, Ludwig van Beethoven<br />
Solisten und Ensemble des <strong>Bayerische</strong>n Staatsballetts<br />
Solisten und Ensemble des <strong>Bayerische</strong>n Staatsballetts<br />
Mo 09.07.12 19:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Di 10.07.12 19:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Galakonzert<br />
Richard Wagner, Johannes Brahms<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
Solistin Waltraud Meier<br />
Fr 29.06.12 19:00 Uhr<br />
4. Kammerkonzert<br />
Ludwig van Beethoven, Peter I. Tschaikowsky<br />
Schumann Quartett<br />
Violine Barbara Burgdorf, Traudi Pauer<br />
Viola Stephan Finkentey<br />
Violoncello Oliver Göske<br />
Mo 02.07.12 19:30 Uhr<br />
Nachtkonzert<br />
Do 26.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
Frederick Ashton<br />
La Fille mal gardée<br />
Musik Ferdinand Hérold, John Lanchbery<br />
Solisten und Ensemble des <strong>Bayerische</strong>n Staatsballetts<br />
Münchner Symphoniker<br />
Musikalische Leitung Myron Romanul<br />
Do 05.07.12 19:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Fr 06.07.12 19:30 Uhr Prinzregententheater<br />
So 08.07.12 15:00 Uhr Prinzregententheater<br />
So 08.07.12 19:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Mi 11.07.12 19:30 Uhr Prinzregententheater<br />
Frederick Ashton / Kenneth MacMillan<br />
Steps & Times<br />
Scènes de ballet / Five Brahms Waltzes in the Manner of<br />
Isadora Duncan / Frühlingsstimmen / Das Lied von der Erde<br />
Werke um Richard Wagners Der Ring des Nibelungen<br />
OperaBrass – Die Blechbläser der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
Special Guests Diana Damrau, Michael Volle<br />
Mo 16.07.12 21:00 Uhr<br />
Konzert der<br />
Münchner Hofkantorei<br />
Frank Martin<br />
Münchner Hofkantorei<br />
Leitung und Einstudierung Wolfgang Antesberger<br />
Violine David Schultheiß<br />
Klavier Sophie Raynaud<br />
Mi 18.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
5. Kammerkonzert<br />
Jean Françaix, Wolfgang Amadeus Mozart, Heitor Villa-Lobos<br />
Flöte Paolo Taballione<br />
Oboe Giorgi Gvantseladze<br />
Klarinette Andreas Schablas<br />
Horn Johannes Dengler<br />
Fagott Holger Schinköthe<br />
Sa 28.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
6. Kammerkonzert<br />
Anton Bruckner, Max Bruch, Johannes Brahms<br />
LazArt-Quartett<br />
Violine Adrian Lazar, Isolde Lehrmann<br />
Viola Johannes Zahlten<br />
Violoncello Benedikt Don Strohmeier<br />
Viola Adrian Mustea<br />
Violoncello Rupert Buchner<br />
Mo 30.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
Musik Igor Strawinsky, Johannes Brahms, Johann Strauß,<br />
Gustav Mahler<br />
Solisten und Ensemble des <strong>Bayerische</strong>n Staatsballetts<br />
Musikalische Leitung Ryusuke Numajiri<br />
Mezzosopran Heike Grötzinger<br />
Tenor Bernhard Berchtold<br />
Sa 07.07.12 19:30 Uhr<br />
1. Kammerkonzert<br />
Max Bruch, Dmitri Schostakowitsch, Felix Mendelssohn Bartholdy<br />
Violine David Schultheiß, Janis Olsson, Immanuel Drißner,<br />
Sylvia Eisermann<br />
Viola Dietrich Cramer, Daniel Schmitt<br />
Violoncello Yves Savary, Benedikt Don Strohmeier<br />
Kontrabass Florian Gmelin<br />
Sa 21.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
2. Kammerkonzert<br />
Alban Berg, Franz Schubert<br />
Odeon-Quartett<br />
Violine Felix Gargerle, Michael Durner<br />
Viola Christiane Arnold<br />
Violoncello Anja Fabricius<br />
So 22.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
AGENDA 212<br />
AGENDA 213
RUND UM DEN RING –<br />
DAS BEGLEITPROGRAMM<br />
philine rinnert: relikt<br />
Eine Installation auf dem Max-Joseph-Platz<br />
ab Di 19.06.12<br />
—<br />
Sven Holm: Wagnerin. Ein Haus der Kunstmusik<br />
Ein Abend ohne Götter und Helden, für Cosima, Winifred,<br />
Gudrun und Katharina Wagner, viele Blaue Mädchen, Herrenensemble<br />
und übrig gebliebene Posaunisten des Festspielorchesters<br />
Regie Sven Holm<br />
Musikalische Leitung und Arrangements Richard Whilds<br />
Dame Gwyneth Jones, Hanna Dóra SturludÓttir, Ceri Williams,<br />
Goran Jurić, Ulrich Reß, Christoph Stephinger und dem<br />
Vertigo Trombone Quartett (Nils Wogram, Bernhard Bamert,<br />
Jan Schreiner, Andreas Tschopp)<br />
Elfriede Jelinek: Rein Gold<br />
– Urlesung – eine Aktion von Nicolas Stemann und der Schnellen<br />
Theatralen Eingreiftruppe (S.T.E)<br />
Mit Birgit Minichmayr, Hildegard Schmahl, Sebastian Rudolph,<br />
Josef Ostendorf, Mitgliedern des Opernstudios der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong><br />
So 01.07.12 20:00 Uhr Prinzregententheater<br />
—<br />
ÜBERWÄLTIGUNG. EIN KONZERT<br />
Werke von Richard Wagner, Mauricio Kagel, Alexander Skrjabin,<br />
Philip Glass u. a.<br />
Orchester Jakobsplatz München<br />
Musikalische Leitung Daniel Grossmann<br />
Mi 04.07.12 20:00 Uhr Haus der Kunst, Westflügel<br />
—<br />
Schorsch Kamerun: München komplett<br />
Eine Theatertournee für die Mitgestaltung des Stadtbildes<br />
Fr 06.07.12 20:00 Uhr Hofbräuhaus<br />
Sa 07.07.12 20:00 Uhr Hofbräuhaus<br />
So 08.07.12 20:00 Uhr Hofbräuhaus<br />
Campus<br />
Konzert der<br />
Orchesterakademie<br />
Claude Debussy, Igor Strawinsky, Darius Milhaud<br />
Sa 07.07.12 20:00 Uhr Allerheiligen Hofkirche<br />
Hauptsponsor<br />
der Orchesterakademie<br />
ATTACCA-Konzert<br />
Bedřich Smetana, Leonard Bernstein, Aram Khatschaturjan<br />
Musikalische Leitung Allan Bergius<br />
Flöte Julia Habenschuss<br />
So 22.07.12 11:00 Uhr Prinzregententheater<br />
Liederabende<br />
Liederabend<br />
Christian Gerhaher<br />
Lieder von Ludwig van Beethoven, Arnold Schönberg, Joseph Haydn,<br />
Alban Berg<br />
Klavier Gerold Huber<br />
Sa 07.07.12 20:00 Uhr Prinzregententheater<br />
Liederabend<br />
Joyce DiDonato<br />
Lieder von Antonio Vivaldi, Gabriel Fauré, Gioachino Rossini, Franz<br />
Schubert, Robert Schumann, Michael Head, Reynaldo Hahn<br />
Klavier David Zobel<br />
Sa 14.07.12 20:00 Uhr Prinzregententheater<br />
So 24.06.12 20:00 Uhr Haus der Kunst, Westflügel<br />
Mo 25.06.12 20:00 Uhr Haus der Kunst, Westflügel<br />
—<br />
Romeo Castellucci: Dämmerung<br />
Szenische Installation<br />
Mi 27.06.12 bis Sa 30.06.12 19:00 bis 22:00 Uhr<br />
Allerheiligen Hofkirche<br />
So 01.07.12 14:00 bis 17:00 Uhr<br />
Allerheiligen Hofkirche<br />
—<br />
Ring-Seminar: Götterdämmerung<br />
Sa 30.06.12 10:00 bis 14:00 Uhr Capriccio-Saal<br />
So 01.07.12 18:00 bis 22:00 Uhr Capriccio-Saal<br />
—<br />
Premiere<br />
—<br />
Ring-Seminar: Der Ring des Nibelungen (Zyklus)<br />
Di 10.07.12 11:00 bis 14:00 Uhr Capriccio-Saal<br />
Do 12.07.12 11:00 bis 15:00 Uhr Capriccio-Saal<br />
Mo 16.07.12 11:00 bis 14:00 Uhr Capriccio-Saal<br />
—<br />
Saar Magal: Hacking Wagner<br />
Eine Performance<br />
Konzept und Choreographie Saar Magal<br />
Komposition Moritz Gagern<br />
Mit Ulrike Etzold, Lee Meir, Zufit Simon, Eva Svaneblom; Dor Mamalia,<br />
Avi Mazli, Andreas Merk<br />
Fr 27.07.12 20:00 Uhr Haus der Kunst, Westflügel<br />
Sa 28.07.12 20:00 Uhr Haus der Kunst, Westflügel<br />
So 29.07.12 20:00 Uhr Haus der Kunst, Westflügel<br />
Premiere<br />
Konzert des Opernstudios<br />
Gioachino Rossini, Friedrich von Flotow<br />
Mi 25.07.12 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater<br />
Extra<br />
SEHEND HÖREN – GÖTTERDÄMMERUNG<br />
So 08.07.12 11:00 Uhr Pinakothek der Moderne<br />
Liederabend<br />
Simon Keenlyside<br />
Lieder von Robert Schumann, Hugo Wolf, Franz Schubert<br />
Klavier Malcolm Martineau<br />
Mo 16.07.12 20:00 Uhr Prinzregententheater<br />
Liederabend<br />
Jonas Kaufmann<br />
Lieder von Franz Schubert<br />
Klavier Helmut Deutsch<br />
herr richard w. in m.:<br />
Hörstationen von Wiebke Matyschok<br />
ab Sa 30.06.12<br />
Bitte bringen Sie einen Ausweis oder 100 € als Pfand für den MP3-<br />
Player mit. Ausleihmöglichkeit im Opernshop in der Tageskasse am<br />
Marstallplatz 5 (Mo bis Sa, 10:00 bis 19:00 Uhr).<br />
—<br />
„Der Ring“ mit Spencer Tunick<br />
Eine Installation nach Szenen aus dem Ring<br />
23.06.12 und 24.06.12<br />
Anmeldung und Information: www.staatsoper.de/tunick<br />
—<br />
Ring-Matinee 7: Dämmerung<br />
So 29.07.12 11:00 Uhr Nationaltheater<br />
—<br />
dennis rudolph: tympanon<br />
Kunstwerk an der Fassade des Nationaltheaters<br />
—<br />
Weltenbrand<br />
Projektion auf die Fassade des Nationaltheaters<br />
Während der Ring-Premierenserien allabendlich ab 20 Minuten nach<br />
Ende der Vorstellung<br />
von 30.06.12 bis 13.07.12<br />
Mi 18.07.12 20:00 Uhr Nationaltheater<br />
Liederabend<br />
Elīna Garanča<br />
Lieder von Robert Schumann, Richard Strauss<br />
Klavier Roger Vignoles<br />
Mi 25.07.12 20:00 Uhr Nationaltheater<br />
Partner des Rund-um-den-Ring-Programms<br />
AGENDA 215
Oper für alle<br />
Eintritt frei dank des<br />
Partners der Opernfestspiele<br />
Richard Wagner<br />
Götterdämmerung<br />
Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater<br />
So 15.07.12 17:00 Uhr Max-Joseph-Platz – Open Air<br />
Einführungen vor<br />
den Vorstellungen<br />
Das Rheingold<br />
Di 03.07.12 18:30 Uhr<br />
Di 10.07.12 18:30 Uhr<br />
Die Walküre<br />
Mi 04.07.12 16:00 Uhr<br />
Mi 11.07.12 16:00 Uhr<br />
klassik inspiriert *<br />
Festspiel-Konzert<br />
Howard Shore<br />
ATTACCA-Jugendorchester des <strong>Bayerische</strong>n Staatsorchesters<br />
Einstudierung Allan Bergius<br />
Richard Wagner<br />
<strong>Bayerische</strong>s Staatsorchester<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
Sa 14.07.12 20:00 Uhr Marstallplatz<br />
Siegfried<br />
Fr 06.07.12 16:00 Uhr<br />
Fr 13.07.12 16:00 Uhr<br />
Götterdämmerung<br />
So 08.07.12 15:00 Uhr<br />
So 15.07.12 16:00 Uhr<br />
Les Contes d’Hoffmann<br />
Do 19.07.12 18:00 Uhr<br />
Mo 23.07.12 18:00 Uhr<br />
UniCredit Festspiel-Nacht<br />
Bei der UniCredit Festspiel-Nacht bieten Festspiel-Künstler bereits zum<br />
elften Mal auf mehreren Bühnen Höhepunkte aus Oper, Konzert, Tanz,<br />
Lied und Literatur.<br />
Fünf Höfe, HVB Forum, Filiale Altstadt der HypoVereinsbank,<br />
Kardinal-Faulhaber-Straße<br />
Sa 23.06.12 20:00 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
Turandot<br />
Do 26.07.12 18:00 Uhr<br />
So 29.07.12 18:00 Uhr<br />
Alle Einführungen finden im Capriccio Saal statt.<br />
Festspiel-Gottesdienst<br />
Joseph Haydn<br />
Nelson-Messe Hob. XXII:11<br />
Mitglieder und Solisten der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> und des <strong>Bayerische</strong>n<br />
Staatsorchesters<br />
Musikalische Leitung Kent Nagano<br />
So 24.06.12 10:00 Uhr St. Michael, Neuhauser Straße<br />
* Vlado Milunić & Frank Gehry: „Das tanzende Haus“<br />
www.br-klassik.de<br />
Foto: Wikimedia Creative Commons, 2008 Dino Quinzani<br />
AGENDA 216
Um die Festspiele verdient<br />
gemacht – der Festspielpreis<br />
der Gesellschaft zur<br />
Förderung der Münchner<br />
Opernfestspiele<br />
219<br />
Mit dem Ziel, die Attraktivität der Opernfestspiele durch<br />
Spenden zu erhalten und zu steigern, wurde 1958 die Gesellschaft<br />
zur Förderung der Münchner Opernfestspiele gegründet.<br />
Künstlern, Persönlichkeiten oder Arbeitsgruppen, die<br />
sich um die Festspiele besonders verdient gemacht haben,<br />
verleiht die Gesellschaft seit 1965 den Festspielpreis.<br />
Zu den Preisträgern zählen unter anderem die Kammersängerinnen<br />
Júlia Várady und Anja Harteros, Tenor Ian<br />
Bostridge, Dirigent Ivor Bolton oder etwa der Chor der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong>, einzelne Instrumentengruppen<br />
des <strong>Bayerische</strong>n Staatsorchesters sowie junge Solisten. In<br />
den letzten beiden Jahren wurden die Sänger Pavol Breslik<br />
und Christian Gerhaher, Tara Erraught und Laura Tatulescu<br />
sowie ATTACCA – das Jugendorchester des <strong>Bayerische</strong>n<br />
Staatsorchesters geehrt.<br />
Christian Gerhaher sorgte mit seinem Porträt des<br />
Wolfram von Eschenbach in Richard Wagners Tannhäuser<br />
laut Dieter Rampl, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft,<br />
für „einen der Höhepunkte der Opernfestspiele 2010“. Pavol<br />
Breslik wurde der Preis für sein erfolgreiches Einspringen<br />
anstelle von Rolando Villazón in Donizettis L’Elisir<br />
d’amore verliehen. Die junge Irin Tara Erraught übernahm<br />
als Ensemblemitglied kurzfristig die Partie des Romeo in<br />
der Premiere von I Capuleti e i Montecchi und feierte damit<br />
einen fulminanten Erfolg. Laura Tatulescu ist seit der Spielzeit<br />
2009/10 Ensemblemitglied der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong>.<br />
In den letztjährigen Opernfestspielen war sie als Hanna in<br />
Miroslav Srnkas Uraufführung Make No Noise mit dem<br />
Ensemble Modern zu erleben. In der Neuproduktion von<br />
Beethovens Fidelio bejubelte sie das Publikum im Dezember<br />
2010 in der Rolle der Marzelline. Das von der Musikalischen<br />
Akademie des <strong>Bayerische</strong>n Staatsorchesters getragene<br />
Jugendorchester ATTACCA wurde 2007 gegründet<br />
und entwickelte sich seitdem zu einem einzigartigen Jugendprojekt,<br />
das sich an musizierende Jugendliche zwischen<br />
12 und 18 Jahren richtet. Im letzten Jahr wurde der Musikalischen<br />
Akademie für ATTACCA sogar der ECHO Klassik<br />
für musikalische Nachwuchsförderung verliehen. Festspielbesucher<br />
können das Jugendorchester unter anderem im<br />
Rahmen des Oper für alle-Konzertes auf dem Marstallplatz<br />
erleben.
Festspielempfang der Förderergesellschaft<br />
Münchner Opernfestspiele 2011<br />
ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE<br />
AUF HÖCHSTEM NIVEAU.<br />
Spitzenmedizin durch das Leistungs- und<br />
Kompetenz-Zentrum der Orthopädischen<br />
Chirurgie – die OCM München.<br />
Viele Patienten aus dem In- und Ausland<br />
finden in der OCM Gemeinschaftspraxis nicht<br />
nur eine herausragende medizinische Qualität,<br />
sondern darüber hinaus auch die Sicherheit,<br />
dass durch modernste Diagnoseverfahren,<br />
OP-Techniken (minimal-invasiv) und durch ein<br />
breites Erfahrungspotenzial ein Maximum an<br />
Erfolgsaussichten garantiert werden kann.<br />
Modernste Präzisions– und<br />
Computertechnologien, z.B. computerassistierte<br />
Operationsverfahren in der Knie- und<br />
Hüftendoprothetik oder auch langjährige<br />
Erfahrungen in der Hüftarthroskopie erhöhen<br />
die Heilungschancen und minimieren<br />
Nebenwirkungen.<br />
Medizinische Schwerpunkte:<br />
Aufnahmeantrag<br />
Ich/wir möchte(n) der Gesellschaft zur Förderung der<br />
Münchner Opernfestspiele e.V. beitreten als:<br />
Einzelmitglied (250 €) Firmenmitglied (1.000 €)<br />
Fördermitglied (1.500 €) Förderndes Firmenmitglied (3.000 €)<br />
Name<br />
Straße und Hausnummer<br />
Postleitzahl und Stadt<br />
· Arthroskopische Operationen aller Gelenke<br />
· Sporttraumatologie<br />
· Knie- und Sprunggelenkchirurgie<br />
· Schulter und Ellenbogenchirurgie<br />
· Hand- und Fußchirurgie<br />
· Endoprothetik Hüfte, Knie,<br />
Lendenwirbelsäule, Halswirbelsäule,<br />
Schulter<br />
· Kleine und große Wirbelsäulenchirurgie<br />
· Rheuma-Chirurgie<br />
Den ersten Beitrag werde(n) ich/wir nach der Mitteilung<br />
über die Aufnahme auf eines Ihrer Konten zahlen.<br />
Telefon-Nummer<br />
Fax-Nummer<br />
Bitte füllen Sie diesen Aufnahmeantrag aus und schicken<br />
diesen in einem Briefumschlag an folgende Adresse:<br />
E-Mail<br />
Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V.<br />
Maffeistraße 14, 80333 München<br />
Datum<br />
Unterschrift<br />
OCM Gemeinschaftspraxis | OCM Klinik GmbH | Steinerstraße 6 | 81369 München | Telefon: +49 (0)89-20 60 82-0<br />
Fax: +49 (0)89-20 60 82-333 | E-Mail: info@ocm-muenchen.de | www.ocm-muenchen.de
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Page 28 – 34<br />
Divine power<br />
and the work of<br />
man<br />
Essay Karsten Fischer<br />
Images Philipp Fürhofer<br />
On the development of democracy<br />
thanks to self-awareness<br />
and self- restraint<br />
In the beginning was a Twilight<br />
of the Gods<br />
As already suggested, the socio-poli t-<br />
ical order in the high cultures of both<br />
the ancient Orient and ancient Judaism<br />
(and after that in mediaeval Christianity)<br />
was thought of as being determined<br />
by higher beings and inaccessible<br />
to humankind. Yet in Greek antiquity,<br />
more specifically during the development<br />
of the free and democratic<br />
city states (póleis) from the 8 th century<br />
B. C. onwards, the political was understood<br />
as a matter subject exclusively<br />
to the decisions of free citizens<br />
and therefore renounced all references<br />
to otherworldly supernatural powers,<br />
which were from then on understood<br />
as apolitical. This made it possible to<br />
consider the problem of power consistently<br />
in terms of freedom – not just as<br />
the freedom to live under the law of<br />
God granted by the exodus, as in Old-<br />
Testament Israel, but as a comprehensive<br />
freedom, the only limitations of<br />
which were taken from the political<br />
decision of the citizens through selflegislation,<br />
i. e. autonomy. Consequently,<br />
this Die Entstehung des Politischen<br />
bei den Griechen (The Emergence of the<br />
Political with the Greeks) is also associated<br />
with a new legal thinking which<br />
means emancipation from the supposed<br />
demands and sensitivities of the<br />
deities and thus overcoming archaic<br />
practices such as blood vengeance.<br />
This is condensed in the Oresteia by<br />
the playwright Aeschylus, which was<br />
first performed in 458 B. C., three years<br />
after the disempowerment of the Areopagus,<br />
the Athenian council of elders.<br />
English Excerpts 223<br />
This tragedy tells of the sacrifice of Iphigenia<br />
by her father, Agamemnon,<br />
who hopes that this will bring an end<br />
to the calm period preventing his fleet<br />
from sailing after his victorious return<br />
from the Trojan war, but who is struck<br />
dead by his wife Clytemnestra for killing<br />
their daughter. This act in turn is<br />
avenged by Orestes with the matricide<br />
of Clytemnestra, whereupon he is pursued<br />
mercilessly by the vengeful goddesses,<br />
the Erinyes. The goddess Athena<br />
intervenes and reproaches the Erinyes,<br />
stating that their upholding of<br />
the traditional, merciless law is destructive.<br />
The goddess of wisdom declares<br />
Orestes’ crime a legal matter,<br />
which requires open and unbiased legal<br />
proceedings on the basis of taking<br />
evidence, criteria of justice and assessing<br />
the consequences of the judgement.<br />
This initial rudimentary manifestation<br />
of the secular rule of law is<br />
now handed over to the pólis, the democratic<br />
self-government of the free citizens<br />
in the city state. By no means all<br />
the gods agree with this solution and<br />
the Erinyes even lose their hereditary<br />
duty and are forced to accept a new vocation<br />
as protective goddesses of the<br />
city, known as the Eumenides. You<br />
could say, with Wagnerian humour,<br />
that it were as if the Valkyries had<br />
been appointed as nursery teachers for<br />
the unborn Siegfried in the third act of<br />
the Valkyries.<br />
As is not seen again until modern<br />
democracies, law is understood during<br />
the course of Die Entstehung des<br />
Politischen bei den Griechen (The<br />
Emergence of the Political with the<br />
Greeks) as the legitimate result of political<br />
decisions and that means: human<br />
decree. Measured against tradition,<br />
this truly is a Twilight of the<br />
Gods, not just for the Erinyes. For<br />
politics is now regarded as a human<br />
sphere of action governed by its own<br />
laws under the conditions of freedom,<br />
in which only arguments and majority<br />
decisions apply, not appeals to divine<br />
commands, nor, as Richard Wagner<br />
imagined, to truth and love. Free<br />
and democratic politics means having<br />
to make a decision under conditions<br />
of incomplete knowledge and, as such,<br />
allowing for errors and making it reversible<br />
as far as possible. If we possessed<br />
the truth or if all members of<br />
society loved one another, there would<br />
be no need for democratic politics. In<br />
reality, however, there is no humane<br />
alternative to admitting that human<br />
actions are susceptible to error and to<br />
the solution of therefore reaching a<br />
new decision on a broad basis in each<br />
case. As such, it is politically problematic<br />
that Richard Wagner wanted to<br />
denounce rule by contracts with Wotan’s<br />
failure in the Ring of the Nibelung.<br />
In contrast, the citizens in a democracy<br />
would have to assess Wotan’s<br />
complaint about the contractual “ties<br />
that bind me” in the second act of Die<br />
Walküre completely differently, namely<br />
as a profoundly commendable, constitutional<br />
self-restraint of politics as<br />
prescribed by the liberal theories of social<br />
and sovereign contracts in modern<br />
political thinking.<br />
Page 40 – 46<br />
Wagneresses<br />
Text Pascal Morché<br />
Illustrations Sydney Couldridge<br />
Soprano Nina Stemme will sing<br />
the part of Brünnhilde in the<br />
premiere of The Twilight of the<br />
Gods. Dame Gwyneth Jones will<br />
return to the Bavarian State<br />
Opera for the Wagnerin project.<br />
A meeting with the two Wagner<br />
singers, and with Wagner’s<br />
women.<br />
Gwyneth Jones and Nina Stemme:<br />
two women, two generations of Wagner<br />
heroines. Both have famously<br />
played Brünnhilde in the Ring of the<br />
Nibelung, both have worldwide experience<br />
of portraying “passionate pain”<br />
and what Richard Wagner imagined to<br />
be the woman of the future: “a woman<br />
who sacrifices herself for love”. According<br />
to Wagner however, this woman<br />
should no longer be “the domestic<br />
homebody, the long-ago freed Penelope<br />
of Odysseus”. No, women at the<br />
stove were a horror for the artistic all-<br />
www.sightsleeping.by
ounder: “her husband will rule her<br />
and she will obey; beside the hearth<br />
she will spin, to all mockers a mark for<br />
scorn!”. Such are the words of Wotan<br />
when he punishes Brünnhilde, and<br />
such are the words of Wagner when he<br />
describes the most wretched situa -<br />
tion of a woman. He, Richard Wagner,<br />
wanted an emancipated, autonomous<br />
and self-determining woman; he wanted<br />
“the absolute woman, but the as yet<br />
unavailable, longed-for, anticipated,<br />
unendingly feminine woman, – …: the<br />
woman of the future.”<br />
Confronted with the weight of such<br />
words from Wagner telling of the<br />
“longed-for feminine woman”, Swedish<br />
soprano Nina Stemme can’t help<br />
but laugh heartily: “This future should<br />
now be present reality for Wagner’s female<br />
characters on the stage and for<br />
real-life women, too.” Gwyneth Jones,<br />
who has been conferred the title of<br />
“Dame” (“some people who are unfamiliar<br />
with the orders of merit of the<br />
British Empire ask: Do you want to be<br />
a lady?”), has worked on the Wagnerian<br />
ideal of the modern emancipated<br />
woman on all stages. Just as meticulously<br />
as Leporello kept notes on the<br />
affairs of his master, Dame Gwyneth<br />
noted this work in her Ring piano<br />
scores. Her index finger now wanders<br />
over the endpaper: “I have sung Brünnhilde<br />
in the The Valkyrie 106 times,<br />
Siegfried’s Brünn hilde 45 times and<br />
Brünnhilde in The Twilight of the Gods<br />
57 times, including in the Chéreau/<br />
Boulez Ring in Bayreuth from 1976 to<br />
1980.” Making up part of the final<br />
scene, in which the people freed from<br />
entrapment by the gods by Brünnhilde’s<br />
death step onto the stage ramp<br />
and look to the audience, was a child,<br />
a small girl: Dame Gwyneth’s daughter.<br />
Today, Susanne is a singer her self,<br />
“back then she was scared that her<br />
mother would be burnt on the stage”,<br />
explains Gwyneth Jones. Nina Stemme<br />
also has children, two daughters<br />
and a son. In this respect, the two highly<br />
dramatic singers are by no means<br />
Wagner women. With the exception of<br />
Sieglinde, none of Wag ner’s female<br />
characters bears a child, which is why<br />
even Nietzsche mocked: “They can’t …<br />
Siegfried ‘emancipates the woman’ –<br />
English Excerpts 224<br />
but with no hope of descendents. – A<br />
fact which leaves us bewildered: Parsifal<br />
is the father of Lohengrin! How<br />
did he manage that?” How, indeed?<br />
Although Wagner often writes about a<br />
mother’s troubles (Erda or Parsifal’s<br />
Herzeloyde), there is only one pregnant<br />
woman in Wagner’s music dramas<br />
(Sieglinde). However, there are many<br />
daughters and any number of women<br />
who love with boundless passion.<br />
Brünnhilde, Wotan’s favourite valky rie,<br />
who bore him the all-knowing Erda<br />
and opposed his intention to destroy<br />
Siegmund, is certainly (along with<br />
Kundry) the most profound and, in<br />
terms of depth psychology, most multifaceted<br />
female figure and stage character<br />
in Wagner’s work. “Just the tremendous<br />
development of this figure<br />
from the young, loving daughter to the<br />
mature, strong, courageous woman is<br />
absolutely extraordinary”, says Nina<br />
Stemme, who is impressed by this part<br />
as by hardly any other. And Dame<br />
Gwyneth says: “Brünnhilde begins as<br />
a valkyrie, enters onto the stage like a<br />
teenager as a ‘bold, marvellous child’<br />
and sings ‘hojotoho’ 14 times. Yet when<br />
one compares this initial carefree attitude<br />
to the woman from the finale of<br />
The Twilight of the Gods, there really<br />
is an enormous difference.” Oh, valkyries!<br />
“Girls who only have relationships<br />
with men once those men are<br />
dead”, said Patrice Chéreau back in<br />
the day. “That’s right, we don’t sleep<br />
with the dead. We just take them to<br />
Valhalla”, says Dame Gwyneth, who is<br />
also impressed by the “immeasurably<br />
rich development” that Richard Wagner’s<br />
Brünnhilde experiences through<br />
the three works on the stage. She is<br />
undoubtedly “the” leading character<br />
in the Ring!<br />
Page 48 – 54<br />
The initiator<br />
of it all<br />
Interview Daniel Ender<br />
Photography Michael Dürr<br />
Before Wolfgang Koch enters<br />
the intermediate world of the<br />
castle park in Pötzleinsdorf<br />
(even if only in a photographic<br />
sense), author Daniel Ender met<br />
him to speak about the role of<br />
Alberich and the way he deals<br />
with the pressure to succeed.<br />
MAX JOSEPH Alberich in Wagner’s<br />
Ring is much more than just a minor<br />
role. Actually Alberich is the driving<br />
force of it all. If he wasn’t there, the<br />
whole plot would be a different one.<br />
What’s your take on this strange<br />
oddball who initiates the drama but<br />
stays mainly in the background form<br />
then on?<br />
WOLFGANG KOCH He is, you could<br />
say, actually the title role. Wagner<br />
didn’t call his work The Ring of the Nibelungs,<br />
but The Ring of the Nibelung.<br />
And that refers to Alberich. He’s the<br />
initiator, the medium through whom<br />
the driving forces that finally unleash<br />
the drama operate. Alberich is the one<br />
driven by greed, the one who always<br />
misses out, who is always refused. He’s<br />
the one who does the dirty jobs. Then<br />
he becomes Wotan’s opponent and<br />
does what Wotan might actually want<br />
to do himself. However, Wotan has to<br />
take care of contracts and needs to<br />
make sure that he doesn’t break the<br />
law with any of his tricks. Alberich,<br />
though, doesn’t give it a second<br />
thought.<br />
MJ He is working towards a totalitarian<br />
system and as Wotan’s antagonist<br />
he has the potential and the ambition<br />
to win over this God, too.<br />
WK Absolutely. If he didn’t overdo it<br />
and wasn’t so absorbed by his great<br />
power and complacency, he wouldn’t<br />
allow himself to be tricked. It’s actually<br />
quite fascinating: A person who is<br />
talented enough to take it all – shortly<br />
before they reach their aim – is destroyed<br />
by their own success. The<br />
same thing happens with politicians<br />
from time to time. They achieve<br />
incredi ble success and then, when it<br />
comes to the crucial point, they lose<br />
everything through a lapse in judgement<br />
caused by their arrogance.<br />
MJ The Underworld, where Albe rich<br />
comes from, also symbolises destruction,<br />
aimlessness, self-indulgence.<br />
Looking at it from today’s perspective,<br />
what are the interesting aspects<br />
of the whole story?<br />
WK What is certainly very interesting<br />
is the way in which very swift changes<br />
in the environment and surroundings,<br />
how sudden wealth, power or oppression<br />
changes people; the energies and<br />
passions that suddenly rear their<br />
heads. I think that’s timeless.<br />
MJ Nowadays, the momentum of<br />
success, but also the pressure to succeed<br />
is very intense. How do you deal<br />
with it?<br />
WK It’s not easy, if you’re not used to<br />
it. As time goes by it becomes more<br />
natural. You’re taken from your natural<br />
habitat, become suddenly anonymous<br />
and you experience a loneliness,<br />
the rehearsal process, see a work gradually<br />
take shape. The premiere comes<br />
nearer and suddenly you’re on display.<br />
That’s when the pressure starts to increase.<br />
You focus on your work, stop<br />
caring about unimportant things in<br />
life. Then, suddenly, all the pressure is<br />
gone as if a valve was opened. There<br />
are colleagues who are extremely professional<br />
in dealing with this pressure.<br />
MJ Of course, as soon as a career<br />
starts to gain momentum and you begin<br />
to soar, the deep chasm below is an<br />
ever present threat.<br />
WK Yes, in most cases the fear of it all<br />
going wrong, losing everything because<br />
of one bad performance comes<br />
along with it. Of course, that’s ridiculous.<br />
Obviously, sometimes you try to<br />
channel those fears. As a singer you<br />
can’t afford to drink too much alcohol<br />
(and I am not talking about not having<br />
enough money), so instead you<br />
treat yourself to something nice or<br />
take some time off. That’s very important<br />
and stops you from burning out –<br />
because, yes, it is risky. <br />
Page 56 – 60<br />
“Well, that’s how<br />
I see it”<br />
Text Dorion Weickmann<br />
Photography Tanja Kernweiss<br />
The new production of the Ring<br />
would look very different<br />
with out the work of Swiss<br />
choreographer Zenta Haerter,<br />
for many years a key member<br />
of Andreas Kriegenburg’s team.<br />
A portrait.<br />
A delicately woven, soft white fabric<br />
covers the table. A marvel created<br />
along the way, a pick-me-up and tranquiliser<br />
at the same time. At half past<br />
six in the morning, when the rest of the<br />
theatre world is still fast asleep, trying<br />
to rid itself of the rehearsal and premiere<br />
hang-over, Zenta Haerter sits at<br />
the kitchen table. This table may be at<br />
home in Zurich, or in Dresden or Berlin,<br />
where she is currently preparing<br />
the finale of Munich’s Ring tetralogy<br />
together with Andreas Kriegenburg.<br />
Anyone wishing for an audience with<br />
Zenta Haerter and requiring information<br />
beforehand, had better call a private<br />
investigator. Conventional sources<br />
give away very little. The web offers<br />
only a couple of brief sentences: “Theatre<br />
and opera choreographer, degree<br />
from Juilliard School in New York” –<br />
there is no website, nor a facebook<br />
profile, let alone a twitter account.<br />
“My person is of no importance, what<br />
is important is my work. Apart from<br />
that I do not like to define myself or be<br />
defined by others.” “There is no reason,<br />
why things that happened twenty<br />
years ago should be online – this idea<br />
horrifies me!”, explains a voice on the<br />
phone, full of conviction. Only a short<br />
time later the same voice shyly asks if<br />
it would be ok to meet at ten o’clock in<br />
the morning. Zenta Haerter is certainly<br />
not of the opinion that her rules<br />
should be accepted by everybody else.<br />
“Well, that’s how I see it anyway,“ is a<br />
leitmotif with which she chooses to<br />
end many of her statements.<br />
It all started with an early, determined<br />
decision. “When I was only<br />
eleven or twelve years old I already<br />
knew I wanted to become a dancer.”<br />
Her father, an engineer who runs his<br />
own business, reacted less than positively.<br />
Zenta Haerter inherited her father’s<br />
gift for mathematics. “I have<br />
always seen numbers in certain colours.<br />
And as the whole world is full of<br />
numbers, my world is extremely colourful!”<br />
So you mean three has a different<br />
colour to five and five looks different<br />
from seven? “Yes, three is red,<br />
five is yellow and seven is brown – I<br />
have never had problems memori sing<br />
telephone numbers, because I can al-<br />
Photo: Michael Dürr
Photo: Tanja Kernweiss<br />
English Excerpts<br />
ways associate them with colours.”<br />
Short pause. “That may also be the<br />
reason why I never go the cinema, but<br />
that’s a shame as I’m surrounded by<br />
cineasts. But I bathe in colours all day<br />
long, so I don’t need the movies.”<br />
Her father remained stubborn, until<br />
a trip to Paris and a visit to the atelier<br />
of Carolyn Carlson. Her minimalistic,<br />
abstract strokes of genius finally<br />
won her father over. “If that’s what<br />
you want to do, so be it, but you must<br />
learn from the best.” The best are in<br />
New York, the stomping ground of<br />
Martha Graham. As a girl, Zenta had<br />
become familiar with Modern Dance<br />
before and experienced “total blessedness”.<br />
“It was such a relief to strip off<br />
the strict corset of ballet.” At the age<br />
of 15 she moved to the Big Apple,<br />
shared a flat with an actress, studied<br />
hard to get her college degree within<br />
one year – and changed her mind:<br />
“The competition between the dancers<br />
was incredible, so I went to see the directors<br />
and told them I wanted to join<br />
the costume department.” No objection<br />
to this decision – not from her<br />
parents either (as she simply didn’t tell<br />
them). Her radical streak is the one ever-present<br />
thing in Zenta Haerter’s<br />
life. Decisions taken are seen through.<br />
No looking back, especially not in anger:<br />
“I am very good at saying goodbye.<br />
I know how to jettison unnecessary<br />
ballast, because it’s the only way<br />
to start something new.”<br />
She left her husband and children<br />
in Zurich and was just about to start a<br />
course in web design when the telephone<br />
rang and she was asked to be<br />
the choreographer in a new production<br />
by Andreas Kriegenburg at the Schauspielhaus<br />
in Zürich. This is the start of<br />
a close, almost symbiotic working relationship<br />
which eventually led to their<br />
first opera production together in<br />
Magdeburg. Between the trained cabinet<br />
maker and the trained dancer, a<br />
world of images emerged, based on<br />
wordless agreement, on empathy.<br />
“When Andreas is in the room I kind<br />
of embrace his ideas and take on the<br />
same point of view. It’s almost automatic.”<br />
That is how the lines between<br />
singing, language and dance blur. The<br />
choreography added to the production<br />
doesn’t appear as a separate art form<br />
– and that’s just what art is: to absorb<br />
the ideas and visions of others and<br />
make them shine without making a big<br />
fuss about it. What is needed here is<br />
modesty and austerity apart from any<br />
kind of monomania.<br />
Even frustration has no place in<br />
Zenta Haerter’s life. During the premiere<br />
of Andreas Kriegenburg’s Die<br />
Wal küre in Munich a couple of months<br />
ago, when the Ride of the Val ky ries<br />
was set in motion by a choreographed<br />
prologue, the audiences were “not<br />
amused”. “You have to forget such reactions,<br />
accept it the way it is.” Nevertheless,<br />
this spurned performance<br />
remains a finely designed business<br />
card from the Zenta Haerter workshop.<br />
Nothing is plasticized just to<br />
make it impressive, nothing choreographed<br />
according to well-known formulae.<br />
Although very fragile when it<br />
comes to details, she presents powerful<br />
compositions of images, which<br />
emerge from a healthy mix of experimental<br />
and ecstatic moments.<br />
There even was a time when Zenta<br />
Haerter indulged in her passion for<br />
excessive rehearsal by locking herself<br />
into a rented studio for two to three<br />
hours a day and recording her sessions<br />
on video, once even taking ecstasy,<br />
“be cause I wanted to know if<br />
you really can produce better work on<br />
drugs”. The result was bitterly disappointing.<br />
Knitting proved to be the<br />
better alternative to any kind of dope.<br />
Well, at least that’s how Zenta Haerter<br />
sees it.<br />
Page 74 – 81<br />
A dream, what<br />
else<br />
Text Peter von Becker<br />
Photography Till Janz<br />
As German cinema’s ingenious<br />
out sider, Hans-Jürgen Syberberg’s<br />
films have tackled Kleist,<br />
Hölderlin, Wagner, Hitler and<br />
Ludwig II. Today, the author<br />
and director is reviving his<br />
childhood estate in Western<br />
Pomerania in quite intriguing<br />
style. We visited the gesamtkunstwerk<br />
that is Nossendorf.<br />
The word gesamtkunstwerk leads us<br />
straight to Wagner. Due to his film<br />
Winifred, Syberberg was (incomprehensibly)<br />
branded a persona non grata<br />
and banished from the Festspielhaus<br />
in Bayreuth. But the Berlin<br />
Academy of Arts invited him to submit<br />
a concept for a presentation in 2013 to<br />
mark the composer’s 200 th birthday.<br />
Syberberg, “The greatest Wagnerian<br />
since Thomas Mann”, according to Susan<br />
Sontag (who he self-deprecatingly<br />
quotes), was happy to send the Academy<br />
a few suggestions.<br />
His two most original proposals<br />
are certainly these: to show the utopian<br />
Wagner in a presentation of the<br />
greatest Wagner productions never realised,<br />
from Adolphe Appia’s abstract<br />
light spaces and light dreams of the<br />
1920s, that later inspired Wieland<br />
Wagner and Robert Wilson, to Lars<br />
von Trier’s cancelled Bayreuth Ring.<br />
And Syberberg goes on to suggest getting<br />
an actor to read Wagner’s always<br />
scandalised, “but barely known” inflammatory<br />
essay, Das Judenthum in<br />
der Musik (Judaism in Music). “Just<br />
like when Romuald Karmakar filmed<br />
the actor Manfred Zapatka as he read<br />
Heinrich Himmler’s secret Posen<br />
speeches.” Syberberg believes the German<br />
demons cannot be banished by<br />
simply ignoring them. According to<br />
Syberberg, the Jewish literary scholar<br />
and brilliant Wagner commentator<br />
(as well as Wagner lover), Hans Mayer<br />
always advocated dealing with Wagner’s<br />
dark side openly. Syberberg: “I’m<br />
looking forward to the Berlin Academy’s<br />
reaction.”<br />
Had he never been tempted to<br />
bring Wagner to the stage himself?<br />
“No, nobody has ever offered it to me<br />
in Germany. I had one offer from Mortier<br />
in Brussels and one from the former<br />
French Culture Minister, Michel<br />
Guy. But what I have to say about<br />
Wagner I’ve already said in Ludwig,<br />
Hitler and then as a summation, Wagner’s<br />
own summation in Parsifal. For<br />
me, film maintains its relevance longer<br />
than a transient theatre performance.”<br />
Instead, he would rather recreate<br />
the past, the lost. For this reason, the<br />
rebuilding of Nossendorf’s church<br />
tower is also a vital part of his gesamtkunstwerk.<br />
As a child he would look<br />
up at the tower with its high, pointed<br />
spire. Later, during the time of<br />
Ulbricht, the GDR tore it down. Religion<br />
was to be suppressed. And so,<br />
the small Feldsteinkirche of Nossendorf,<br />
a stone’s throw away from the<br />
gate to the Syberberg estate, was left<br />
with a mo dest hat, rather than a majestic<br />
helmet. HJS has been fighting<br />
for the tower for years. In 2010 he used<br />
a mo del of the tower as an attention<br />
grabber at his Berlin exhibition. This<br />
led to the philanthropic industrialist,<br />
Hans Wall donating 40,000 euros. A<br />
good start, but a long way from the<br />
quarter of a million quoted for the reconstruction.<br />
Syberberg is still collecting and<br />
has brought together a team of friends<br />
from Berlin made up of theatre people,<br />
architects and engineers that now<br />
want to rebuild the tower for around<br />
100,000 euros. He wrote several times<br />
to the president of the farmers’ union,<br />
who owns land in Nossendorf that also<br />
formerly belonged to the Syberberg<br />
estate. No response. Some time later<br />
English Excerpts 227<br />
he bumped into the man as they were<br />
driving in opposite directions over a<br />
bridge. Syberberg made a u-turn, followed<br />
the president back to his office<br />
and subsequently confronted him.<br />
Syberberg worked his magic and, at<br />
the end of the meeting, had the assurance<br />
that he could, for a special price,<br />
buy back a formerly Syberberg-owned<br />
paddock on the edge of Nossendorf.<br />
And the seller would donate the money<br />
to the church tower fund.<br />
Syberberg managed to acquire the<br />
wood for the tower from local woods<br />
in a similar way. “Since the GDR era<br />
the people are pretty godless, but the<br />
weather they need for sowing and<br />
reaping still comes from the sky,”<br />
laughs the master director gently, “so,<br />
they give a little bit of money to God,<br />
just in case.” What is broken shall<br />
once again be made whole – at least on<br />
a small scale. That is Syberberg’s master<br />
plan. “Incidentally”, says the seventy-six<br />
year-old, “my home is now in<br />
space.” By this he doesn’t mean heaven,<br />
but rather syberspace – the Internet.<br />
So, at regular intervals, he returns<br />
“home” to the computer in his father’s<br />
former study, taking pride of place underneath<br />
a picture of Edith Clever<br />
from the film Nacht and next to the<br />
model of the former-future church<br />
tower in front of the gate.
Page 104 – 108<br />
Ideological dynamite<br />
– Richard<br />
Wagner’s music<br />
in Israel<br />
Text Na’ama Sheffi<br />
At present the work of Richard<br />
Wagner is unofficially banned<br />
throughout Israel. Historian<br />
Na’ama Sheffi explains how<br />
Richard Wagner has become a<br />
symbol in Israeli society.<br />
English Excerpts<br />
The Wagner controversy emerged<br />
even before the foundation of the state<br />
of Israel. In November 1938 the prelude<br />
to Wagner’s Meistersinger von<br />
Nürnberg featured in the programme<br />
for the Palestine Symphony Or chestra’s<br />
(that later became the Israel Philharmonic<br />
Orchestra) first concert of<br />
the third season. The Kristallnacht,<br />
that had raged in Germany only three<br />
days previously, horrified the Jewish<br />
populace in Palestine, leading to<br />
Bronisłav Huberman, the founder of<br />
the orchestra, asking the conductor,<br />
Eugen Szenkar not to play the Wagner<br />
piece. Paradoxically, its replacement<br />
was the Oberon overture by Carl<br />
Maria von Weber, one of the composers<br />
Wagner held in high regard.<br />
Both Huberman as well as Eugen<br />
Szenkar and Arturo Toscanini, who<br />
conducted the orchestra’s first con cert<br />
in 1936, were personalities with a<br />
strong ly developed political consciousness.<br />
In 1933, before he formed the Orchestra<br />
in Tel Aviv, Huberman, the<br />
polish-born violinist, turned down an<br />
request from Kurt Furtwängler to attend<br />
a concert in Nazi-governed Berlin.<br />
He responded to the invitation<br />
with a series of scalding letters decrying<br />
the ever-increasing anti-Semitism<br />
that was forcing Jews out of Europe.<br />
In February 1936, after the so-called<br />
“race laws” had been passed, he wrote<br />
a critical letter to German intellectuals,<br />
published in the Manchester Guardian.<br />
The orchestra he founded in Palestine<br />
became a home for many musicians<br />
who had previously played in the<br />
renowned orchestras of Europe, but<br />
had been forced to flee their countries<br />
of origin due to growing anti-Semitism<br />
and German race laws.<br />
The Palestine Symphony Orchestra’s<br />
debut concert was conducted by<br />
Arturo Toscanini. After he had quickly<br />
understood the direction in which<br />
Mussolini’s fascist regime was heading<br />
he refused to hold concerts in his home<br />
country of Italy. He also turned down<br />
an invitation to Wagner’s city of Bayreuth<br />
which had become one of the<br />
first bastions of the Nazi movement in<br />
the 1920s.<br />
These political grounds for the<br />
removal of Wagner’s music from one<br />
specific concert, as well as the political<br />
spirit that drove the orchestra’s<br />
three leading personalities in its early<br />
years were largely responsible for<br />
the attitude of the Israelis towards<br />
Wagner. From the 1950s, a fierce controversy<br />
flared every time Wagner’s<br />
name was mentioned in connection<br />
with a planned public performance –<br />
in particular when the orchestra in<br />
question was one of the largest and<br />
most important orchestras in Israel,<br />
the Israel Philharmonic.<br />
In 2001, an official request was<br />
made at a special meeting of the Knesset’s<br />
Board of Education that cultural<br />
establishments refrain from allowing<br />
performances of works by anti-Semitic<br />
composers, as this could cause “public<br />
offence”.<br />
The “public” referred to here are<br />
the Jewish Holocaust survivors. As the<br />
years have passed it seems that many<br />
survivors see public performan ces of<br />
Wagner’s works as a stain on the memory<br />
of the Holocaust. Wagner, one of<br />
the most popular opera com po sers of<br />
the Weimar era, provided the soundtrack<br />
to their experience of the Republic’s<br />
downfall and the destruction of<br />
their former life by SA henchmen and<br />
the whole Nazi regime. Some even<br />
claimed that Wagner’s compositions<br />
were played at the concentration<br />
camps, though investigations have, so<br />
far, not been able to confirm this.<br />
In 2001 Daniel Barenboim, conductor<br />
of the Israel Philharmonic, and the<br />
organisers of the Israel Festival were<br />
therefore asked by the Board of Education<br />
to distance themselves from<br />
Wagner, to which they agreed. Nevertheless,<br />
the orchestra played the prelude<br />
to Tristan und Isolde at the end of<br />
the concert. The reaction in the auditorium<br />
was as follows: on the one<br />
hand, there was relative calm and the<br />
orchestra was able to play without interruption.<br />
On the other hand, among<br />
those who walked out, there were also<br />
thirty and forty year-olds – people who<br />
had not experienced the Holocaust,<br />
nor were they necessarily children of<br />
Holocaust survivors. The Wagner boycott<br />
had obviously already become a<br />
symbol for the younger generation, including<br />
those with no personal connection<br />
to the Holocaust and even those<br />
with absolutely no interest in classical<br />
music.<br />
In the eyes of most Israelis Wagner<br />
is one symbol among many for National<br />
Socialism and the Holocaust.<br />
Due to his inflammatory essay Das<br />
Juden thum in der Musik (Judaism in<br />
Music), as well as the fact that Hitler<br />
was one of his biggest fans, Wagner<br />
stands for the acts of cruelty the Israelis<br />
want to remember.<br />
Although I have a lot to do with<br />
Wagner’s music (I both admire and enjoy<br />
it), I still cannot free myself of the<br />
ideological impact, neither at home,<br />
nor in foreign opera houses. For me,<br />
the music is a leitmotif for the society<br />
in which I live.<br />
In Israel, Wagner is predominantly<br />
a symbol and, in my opinion, the<br />
wrong one. The Holocaust must be remembered,<br />
for it was a shocking departure<br />
from democratic and liberal<br />
values. It was a catastrophe the origins<br />
of which were grounded in pointless<br />
hatred. The Holocaust must be remembered<br />
as the worst kind of cruelty to<br />
ever have been devised by man and<br />
carried out in factories of death. We<br />
must, however, never forget that the<br />
denial of civil liberties was the first<br />
step on a journey that eventually led to<br />
murder. In my opinion, the curtailing<br />
of freedoms must never be used as an<br />
expression of contempt. It most certainly<br />
should never be used as a cynical<br />
means of thrusting the memory of<br />
the Holocaust into the public eye. <br />
Page 110 – 112<br />
Hacking Wagner<br />
Text Saar Magal<br />
In her performance Hacking<br />
Wagner, Israel choreographer<br />
Saar Magal gets to grips with<br />
Richard Wagner’s persona and<br />
especially his Ring of the<br />
Nibelung. She has undertaken<br />
to crack the cultural codes that<br />
are linked to Wagner in Israel,<br />
but also in Germany. Here, she<br />
writes about her motives behind<br />
the work that will premiere at<br />
the 2012 Munich Opera Festival.<br />
“My Israeli friend Udi Aloni told me<br />
a story of an incident which demonstrates<br />
better than anything else the<br />
partial character of Wagner’s anti-<br />
Semitism. A couple of decades ago, he<br />
belonged to a group of radical cultural<br />
provocateurs who, in order to defy<br />
the prohibition on publicly performing<br />
Wagner’s music in Israel, announced<br />
in the daily newspapers that<br />
they would show the full video of<br />
Wagner’s Ring in their club. They, of<br />
course, planned the evening as a<br />
drinking party with wild dancing, but<br />
something strange happened that prevented<br />
this. As the hour of the performance<br />
approached, increasing numbers<br />
of old Jews, both men and women,<br />
dressed in the ridiculously<br />
old-fashioned, solemn way of pre-<br />
Hitler Germany, appeared in the club:<br />
for them, a public performance of<br />
Wagner was, more fundamentally<br />
than the Nazi misuse of his music, a<br />
reminder of the good old Weimar Germany<br />
where Wagner’s operas had<br />
once been a crucial part of their cultural<br />
experience. It goes without saying<br />
that, out of respect for these unexpected<br />
guests, the provocateurs renounces<br />
their wild partying and allowed<br />
the event to turn into an evening<br />
of restrained musical appreciation.”<br />
Slavoj Žižek, philosopher<br />
The metaphor embedded in this<br />
story, as well as the piece itself, are<br />
part of a discussion that goes beyond<br />
the Wagner ban, beyond an objection<br />
to the ban, and beyond objecting to the<br />
objection. The actions of the Holocaust<br />
survivors showing up at the club, innocent<br />
of the intended irony, has far<br />
greater complexity and more layers to<br />
it than a simple question of whether<br />
there should be a ban on Wagner.<br />
Too many people purport to speak<br />
on behalf of Holocaust survivors, to<br />
“protect them” from having to listen<br />
to Wagner. But it is they who carry the<br />
Holocaust inside them, and it is they<br />
who embody both the life in Israel after<br />
it and yet the lingering connection<br />
to the German culture from which they<br />
came, in which they were raised, and<br />
from which they were violently cast<br />
out, injured and orphaned.<br />
The discourse about Holocaust<br />
survivors, their needs and their views<br />
regarding Wagner is largely absent<br />
from the public’s consciousness in Israel.<br />
It has become increasingly clear<br />
to me that the “Wagner ban” is not<br />
quite about Holocaust survivors, but a<br />
kind of social norm which the public<br />
enforces unreflectively and without<br />
giving it second thought. It has become<br />
“obvious” that Wagner must not be<br />
played; but the question is not asked,<br />
why this is the case, or whether it is<br />
time to revisit the question, let alone<br />
whether there should have been such a<br />
ban to begin with. The norm became a<br />
habit, and habits slip by us unnoticed.<br />
The term “hacking” refers to breaking<br />
a code: dismantling and recomposing,<br />
reverse-engineering to defeat the<br />
original purpose. In today’s internet<br />
world, hackers are often individuals<br />
who, although apparently have no power<br />
against the domination of the large<br />
corporations and industries which<br />
shape our world, use their hacking<br />
skills to interfere with the standard<br />
course of events and the social order<br />
imposed from above. Hacking and “piracy”<br />
represent the ability to break<br />
into a powerful cultural code, to infiltrate<br />
its mechanisms, influence and alter<br />
it from within.<br />
In this piece, Hacking Wagner, we<br />
– the cast and the creative team, comprised<br />
of both Israeli and German performers<br />
and artists – take it on ourselves<br />
to hack icons, symbols, phenom-<br />
English Excerpts 229<br />
ena, ideas, social axioms, sacred cows,<br />
and all those “obvious” things which<br />
have become mental habits, dictated by<br />
the powerful and by generations of institutional<br />
inertia.<br />
Hacking is not opposition for its<br />
own sake, but rather a demand for the<br />
right to find out, for ourselves, what<br />
this empty space means: this glaring<br />
absence of Wagner from our culture; as<br />
well as the significance of Wagner, and<br />
the chords of sanctity and holiness<br />
which it strikes in German culture.<br />
We aim to interact with the Wagnerian<br />
monumentalism on both the<br />
German side, in which it is conspicuously<br />
present, and the Israeli side, in<br />
which it is conspicuously kept absent.<br />
We take it on ourselves to use “hacking”<br />
to become “cultural insurgents”,<br />
outlaws to the accumulated norms.<br />
This is the kind of action appropriate<br />
to an asymmetric fight of a powerless<br />
group against an overwhelmingly more<br />
powerful group: it is how the repressed<br />
fight against empires. It is how the<br />
weak attack the vulnerabilities of the<br />
strong. This “cultural insurgency” intends<br />
to demand our right to have this<br />
discussion, to withdraw the “obviousness”<br />
and self-evidence of attitudes towards<br />
Wagner and his music.<br />
The legitimacy for such actions we<br />
take for ourselves as a team of Israeli<br />
and German artists, in the name of the<br />
freedom of exploring thoughts and<br />
feelings towards Wagner and the significance<br />
and connotations associated<br />
with him, without feeling the need to<br />
justify this. It is not our intent to either<br />
acquit or vindicate, nor to condemn<br />
or incriminate Wagner. It is not<br />
our intent to pass judgement nor to<br />
impose any opinion on our audience.<br />
The piece is a field of personal associations,<br />
a strain of a collective subconsciousness<br />
as regards to the Wagner<br />
issue and the peculiar Jewish –<br />
German cultural love affair which took<br />
place before the war, before the Holocaust<br />
and before all hell broke loose; a<br />
tense affair of love and hate that persists<br />
to this day.
Page 114 – 120<br />
The Human Ring<br />
Text Jennifer Becker<br />
Photography Martin Fengel<br />
Installation artist Spencer<br />
Tunick brings the Ring to the<br />
public squares of Munich.<br />
There’s a nice theory that Ludwig I<br />
had Ludwigstraße built as the “stage<br />
of life”, according to the laws of theatrical<br />
architecture, complete with side<br />
entrances. During the 2012 Munich Opera<br />
Festival the American installation<br />
artist Spencer Tunick will be bringing<br />
this stage to life. In Ludwigstraße,<br />
Max-Joseph-Platz, Odeonsplatz and<br />
other key locations associated with the<br />
world of theatre in this former royal<br />
city he will be constructing scenes<br />
from Wagner’s The Ring of the Nibelung<br />
with the help of hundreds of naked<br />
people. Tunick’s installations are<br />
huge logistical undertakings. Dozens<br />
of assistants and photographers accompany<br />
the well over a thousand volunteers<br />
who have been waiting since<br />
dawn to finally shed their garments<br />
and become part of a work of art. The<br />
sheer number of individuals requiring<br />
direction and the ever-changing position<br />
of the sun turn Tunick’s choreography<br />
into a race against time. Each<br />
moment and every picture is unique,<br />
never again to be repeated.<br />
Using a megaphone, Tunick directs<br />
the naked bodies from scene to scene.<br />
In a total of five scenes inspired by<br />
Wagner’s Ring, gold and water, power<br />
and lust, life and death are presented<br />
as antonymous pairs.<br />
MJ How will your pictures relate to<br />
the scenes from the opera?<br />
ST For me it’s important that the people<br />
in the installations fill the public<br />
space with their life and interact with<br />
it. Their bodies form the symbols within<br />
my pictures – the gold of the ring,<br />
the water of the river, the flames of the<br />
dragon. In this way they create an original,<br />
visual and experimental version<br />
of Wagner’s Ring.<br />
English Excerpts 230<br />
English excerpts by Ed Einsiedler,<br />
Laura Schieferle and Dawn Stinson<br />
Photo: Martin Fengel<br />
<strong>Bayerische</strong><br />
staatsoper<br />
plätze schaffen!<br />
Stuhlpatenschaften im Nationaltheater<br />
www.staatsoper.de/stuhlpatenschaften<br />
T 089.21 85 10 54 stuhlpatenschaften@staatsoper.de
URLAUBSTIPPS<br />
Im August geht die<br />
<strong>Bayerische</strong> <strong>Staatsoper</strong><br />
in Theaterferien. Hier<br />
erzählen drei Künstler<br />
der Münchner Opernfestspiele,<br />
wie sie<br />
ihre Ferien verbringen<br />
und welche Orte sie<br />
inspirieren. Das letzte<br />
Wort dieser Spielzeit<br />
hat ein gewisser Herr<br />
Richard W.<br />
HARALD B. THOR<br />
Bühnen- und Kostümbildner<br />
Harald B. Thor hat das Bühnenbild der Ring-Neuinszenierung<br />
der Spielzeit 2011/12 geschaffen.<br />
Man muss es nicht unbedingt August Engelhardt, dem Helden<br />
aus Christian Krachts neuem Roman Imperium, gleichtun und<br />
zum zivilisationsverachtenden Bartträger, Fruktivoren und<br />
Nudisten werden, um dessen Sehnsucht nach dem Leben auf<br />
einer Südseeinsel nachvollziehen zu können.<br />
Für mich hatte die Karibik immer schon den Klang<br />
von Abenteuer und Fernweh – und da sich meine karibischen<br />
Erfahrungen auf die kubanische Insel, insbesondere<br />
auf deren Hauptstadt Havanna, beschränken, erweckt<br />
das Wort „Karibik“ in mir nicht nur Bilder von sandigen Palmenstränden,<br />
sondern auch das Bild eines gewissen Lebensgefühls,<br />
das irgendwo zwischen spielerisch-ausgelassener<br />
Daseinsbejahung und dem leicht wehmütigen<br />
Rückblick auf längst vergangene, goldene Zeiten liegt. Der<br />
Weg ins morbide Herz dieser wunderbar aufregenden und<br />
geschichtsträchtigen Stadt ist anstrengend, aber man<br />
wird nicht nur durch deren ursprüngliche architektonische<br />
Schönheit belohnt, sondern vor allem auch durch das Kennenlernen<br />
der kubanischen Seele, deren süße Lethargie<br />
ansteckend ist.<br />
Urlaubstipps<br />
Wenn man nicht in dem sehr mondänen Hotel „Nacional“<br />
absteigt, sondern wie ich in einer kleineren Herberge in der<br />
Altstadt (Habana Vieja) wohnt, erwacht man nicht selten<br />
durch einen Hahnenschrei – die Menschen dieser Millionenstadt<br />
halten ihre Hühner praktischerweise auf den<br />
Hausdächern. Nach dem frischen Ei vom Dach schlendere<br />
ich über den schattigen Prado zum Museo de la Revolución,<br />
wo die berühmte Granma, das Revolutionsschiff, gestrandet<br />
ist. Ein wenig Revolutionsromantik leiste ich mir hier,<br />
an einem der letzten Außenposten des Sozialismus. Wenngleich<br />
auch hier der politische Wandel hin zu einer allmählichen<br />
Öffnung spürbar ist, vollzieht er sich in einer langsamen<br />
Gelassenheit – aber was die Zukunft nach der Ära der<br />
Castros bringt, kann wohl niemand so recht sagen.<br />
Vollkommen unpolitisch genieße ich dann in der am<br />
Parque Central gelegenen Patisserie „Francese“ meinen<br />
kubanischen Kaffee. Hier warte ich auf den relativ modernen<br />
Strandbus, der bei meinem ersten Besuch 2001 noch<br />
ein sogenannter guagua war: ein zum Personenbus umgebauter<br />
Lastkraftwagen.<br />
233<br />
Am Playa del Este bekommt man einen kleinen Einblick in<br />
das Naturparadies dieser Insel: kristallklares, türkisgrünes<br />
Wasser, weißer Sandstrand und schattige Kokospalmen.<br />
Hier wird der Saft der Cocos nucifera, die – wie uns Krachts<br />
besagter Romanheld belehrt – die heilige Frucht des „Weltenbaums<br />
Yggdrasil“ ist, mit etwas kubanischem Rum verdünnt,<br />
als kühlendes Getränk angeboten: Das muss dann<br />
wohl doch so etwas wie das Paradies sein!<br />
Nach einem fantastischen Abendessen im Paladar „La Guarida“<br />
überlege ich mir, ob ich zu einer Schauspielaufführung<br />
in einer alten Villa gehe, dort werden Klaras Verhältnisse<br />
von Dea Loher gespielt, oder ob ich mir im Gran Teatro ein<br />
Tanztheater mit Alicia Alonsos absoluten Weltklassetänzern<br />
ansehe. In meinen Theaterferien entscheide ich mich<br />
für eines der vielen 1950er Jahre-Kinos, das Cine Charles<br />
Chaplin. Die Fahrt dorthin unternehme ich mit einem Oldtimer<br />
vom Typ Buick, der mich auf eine echte Zeitreise schickt.<br />
Im Vorbeifahren sehe ich das „La Coppelia“ und – wie im<br />
Film Erdbeer und Schokolade – eine endlose Schlange von<br />
geduldig auf ihr Eis wartenden, gut gelaunten, flirtenden<br />
Kubanern. Als Abschluss dieses Tages nehme ich in Hemingways<br />
Lieblingsbar „El Floridita“ – der Wiege des Daiquiri<br />
– ein Glas und ziehe dann weiter in meine eigene, das<br />
„Monserrate“. In dieser Bar gibt es immer großartige kubanische<br />
Livemusik, und vor allem hoffe ich, dass ich meinen Zigarrenhändler<br />
hier treffe. „Hola Felipe“, sage ich. Da zeigt<br />
mir der 80-Jährige mit einem breiten Grinsen seinen letzten<br />
verbliebenen Zahn und fragt: „Mein Freund, willst du eine<br />
Kiste voll feinster Partagas No 4 gegen dein schönes Hemd<br />
tauschen?“ Ich stimme zu und freue mich, dass er diesmal<br />
nicht meine neuen Lederschuhe ins Auge gefasst hat.<br />
Wunderbar, die Kubaner. Für ihre Insel fühle ich mich<br />
immer reif.<br />
NADJA MICHAEL<br />
Sopranistin<br />
Nadja Michael kehrt für die Titelpartie von<br />
Medea in Corinto nach München zurück.<br />
Es ist neun Uhr am Abend, die blaue Stunde zwischen Tag<br />
und Nachtdämmerung. Mit dem Computer habe ich mich<br />
aus meinem Tagesgeschehen herausgezogen, an den Tisch<br />
des besten Restaurants am Platz gesetzt, ein Glas Wein bestellt<br />
und lasse die Gedanken tanzen. Zunächst muss ich<br />
Poppea abstreifen, Monteverdis Tonkaskaden aus dem Ohr<br />
tropfen lassen und langsam zu mir selbst finden. Sie sollten<br />
unbedingt erfahren, dass ich während des Schreibens<br />
dieses Textes auf der Plaza de Oriente im Herzen Madrids<br />
sitze – ein warmer Sommertag neigt sich dem Ende zu, die<br />
Vögel zwitschern Sonne, und die Luft schmeichelt Seide.<br />
Wie dankbar ich für diese Momente bin. Sie sind Inseln inmitten<br />
des sehr oft anstrengenden, auch aufreibenden<br />
Opernsängerinnendaseins. Ein wenig Urlaub zwischen den<br />
Proben sozusagen.<br />
OstseeKuba<br />
Ich bin eigentlich ein lausiger Urlauber. In den letzten zwölf<br />
Jahren, vielleicht auch länger, habe ich keinen expliziten<br />
Urlaub gehabt. Zu groß die Forderungen, der Druck zur Arbeit.<br />
Etwas abmildernd aber sollte geltend gemacht werden,<br />
dass ich neun Monate im Jahr rund um den Erdball unterwegs<br />
bin und die wenige „Zuhausezeit“ auch genau als solche<br />
genieße.<br />
„Zuhausezeit“ – diese jedoch ist untrennbar mit einem<br />
Urlaubsritual verbunden. Meine Kinder bezeichnen<br />
den Ort, dem mein Geist sich im Moment zuwendet, als unser<br />
zweites Zuhause. Für mich bedeutet die Fahrt dahin immer<br />
sofort ein Eintauchen in meine Kindheit. Geliebter,<br />
stets heiß ersehnter Ort. Die Ostsee. Mit ihren Kiefernwäldern,<br />
deren Geruch betrunken macht, dem weißen Strand,<br />
einer nach wie vor gewissen Unberührtheit. Der Darß mit<br />
den Fahrradwegen, dem Zeltkino, in welchem man so herrlich<br />
Bratwurst beim Schauen der Filme essen kann. Während<br />
der Ton des Filmes über den gesamten Zeltplatz<br />
schallt und für Wirbel hinter den Planen sorgt. Dierhagen<br />
– unser geliebtes Dierhagen, ein Ort weit entfernt von jedem<br />
Chi-chi und Cha-cha. Hier haben wir Lagerfeuer am<br />
Strand, schauen über das Meer, welches für mich vor noch<br />
nicht so langer Zeit eine unüberwindbare Grenze barg.<br />
Kontemplation und Strandvolleyball mit dem Gefühl der<br />
Weite. Die Welt hinter, neben, über uns – während der Ball<br />
über das Netz flitzt.<br />
Inzwischen treffen wir inmitten der Halb-FKKler schon<br />
einmal auf Wolfgang Joop oder das eine oder andere bekannte<br />
Gesicht aus Berlin – entspanntes Lächeln und Springen<br />
auf dem Strandtrampolin. Was sonst?<br />
Bücher, Bücher, Bücher neben den Dünen und Wein<br />
zur Strandwanderung nach Ahrenshoop. Pausen im Strandcafé<br />
mit der weltbesten roten Grütze und noch besserer Vanillesoße.<br />
Bei mir darf die Sahne dazu nicht fehlen, aber das<br />
ist wahrscheinlich schon etwas dekadent – auf jeden Fall<br />
nicht sehr gesund. Der Blick vom Strandkorb oder der Bank<br />
auf dem Dünenkamm zum Sonnenauf- oder -untergang ist<br />
simpel unbeschreiblich. Zum rtttssrraa der Grillen rauscht<br />
das Meer, der Blick weitet sich und gibt die Rundung der<br />
Erde frei. Ja, es gibt sie auch, die Museen. Das Museum der<br />
Schifffahrt, der Geschichte und und und ... Ich, die ich Museen<br />
leidenschaftlich gern besuche und in Gemäldegalerien oft<br />
Stunden für zwei Räume brauche, bin hier an solchen Institutionen<br />
kaum interessiert. Ich bin sogar ignorant den einheimischen<br />
Menschen gegenüber. Für mich geht es hier um die<br />
Begegnung mit der Natur, deren Geräuschen, Gerüchen und<br />
der Unendlichkeit. Freunde oder Familie sind zugelassen. Für<br />
uns funktioniert das sogar an nur einem Tag – Sonne oder<br />
zumindest keinen Regen vorausgesetzt. Die Nähe Berlins<br />
macht diese kleinen Fluchten möglich. Noch intensiver auf<br />
Fahrrädern zu erleben. Freiheit und Glücklichsein – ohne etwas<br />
zu wollen – von Freunden oder Familie umgeben.<br />
Das alles sind zwei, drei Tage Urlaub, inmitten unserer<br />
Zuhausezeit. Sehr zu empfehlen.
SIMON KEENLYSIDE<br />
Bariton<br />
Simon Keenlyside wird dieses Jahr mit einem<br />
Festspiel-Liederabend zu Gast sein und in La<br />
traviata und Wozzeck singen.<br />
In meinen Ferien fahre ich nach Hause, in den westlichen<br />
Teil von Wales – so lange ich jedenfalls meine Frau überzeugen<br />
kann, in eine Region zu fahren, in der nicht immer<br />
allzu viel Sonne ist. Ich habe dort eine kleine Farm und etwas<br />
Land. Ich hätte sehr gern auch Tiere dort, aber bei dem<br />
„Zigeunerleben“ eines Opernsängers würden wir uns einfach<br />
nicht ausreichend um sie kümmern können. Allerdings<br />
lassen ein paar Nachbarn ihre Schafe auf meinen Wiesen<br />
weiden, was mir hilft, das Gras niedrig zu halten.<br />
Jedes Jahr beginne ich auf dem Land ein neues<br />
Projekt. Das Problem ist natürlich, dass keines davon je<br />
ein Ende findet – „Land-Projekte“ hören niemals auf, sie<br />
wachsen einfach! Und damit wächst natürlich auch die<br />
Zahl der Dinge, die ich Jahr für Jahr dort tun will, während<br />
meine Möglichkeiten, das alles zu vollenden, natürlich<br />
schrumpfen.<br />
Jedes Jahr pflanzen wir auch Tausende von Blumen,<br />
Büschen und Bäumen. Manche wegen der Farben, andere<br />
für die Vögel oder Insekten. Mir schwebt vor, eine kleine<br />
Naturoase zu schaffen, und das geht ganz gut voran. Ich<br />
habe herausgefunden, dass man nur die richtigen Bedingungen<br />
für Pflanzen und Tiere schaffen muss, und dann<br />
kommen sie früher oder später von allein. Woher und wie?<br />
Ich habe keine Ahnung. Es ist eines dieser kleinen Wunder.<br />
Zum Beispiel gab es in den letzten 100 Jahren immer Schafe<br />
auf meinem Land – und daher keine Blumen dort. Mit<br />
meiner Zeit jedoch und dem Verschwinden der Schafe auf<br />
den Feldern steckten plötzlich Zehntausende Glockenblumen<br />
ihre Knospen aus der Wiese. Sie hatten dort gewartet,<br />
die ganze Zeit über. Ihre Zeit dort abgesessen, bis die Bedingungen<br />
richtig waren. Ein kleines Wunder eben.<br />
Das Projekt des letzten Jahres war, 15 japanische<br />
Ahornbäume zu pflanzen. Sie sind klein und unbeschreiblich<br />
schön. Jeder hat eine unterschiedliche Blattform und<br />
-farbe, im Sommer und im Herbst. Ich hatte einen einzigen<br />
Baum gepflanzt, als ich 20 war, und die Freude, die er mir in<br />
seiner Struktur und Farbe bereitet, ist mehr, als ich in Worte<br />
fassen kann. Auf meinen vielen Gastauftritten in Japan<br />
(auch mit der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong>) hatte ich das Farbspektakel<br />
der japanischen Ahornbäume im Herbst gesehen<br />
und wollte etwas davon spiegeln. Ich freue mich auf den<br />
Tag, an dem ich mit Freunden an Holztischen unter den<br />
Zweigen dieser Bäume sitze … mit einem guten (deutschen)<br />
Bier … und inmitten von lauter Radau.<br />
Dieses Jahr habe ich gelernt, Hecken zu trimmen,<br />
sie auf diese ganz altmodische Art niedrig zu halten. Das<br />
heißt, sie und ihr Raum für die Wildnis sind immer noch am<br />
Leben, und ich habe gleichzeitig eine ordentliche und traditionelle<br />
Feldgrenze. Mir ist klar, wie langweilig das alles<br />
klingen muss, aber es ist für mich wirklich faszinierend, in<br />
Illustrationen Gian Gisiger natur<br />
meinen Händen die Eigenschaften der verschiedenen Hölzer<br />
zu fühlen. Wie manche junge Bäume ganz brüchig sind<br />
und bei der kleinsten Biegung brechen, während andere<br />
sich drehen und wenden können, fast wie ein Stück Stoff.<br />
Diese ganzen Dinge, Gedanken und Pläne, sie beschäftigen<br />
mich all die Zeit über, wenn ich auf Tour bin. Ich würde<br />
sonst wohl einigermaßen verrückt werden in den Hotelzimmern<br />
rund um die Welt. Ich könnte mir vorstellen, dass viele<br />
Sänger, genau wie ich, „in ihren Köpfen leben“ in solchen<br />
Zeiten.<br />
Und nächstes Jahr? Ich werde, denke ich, einen<br />
Teich graben und Binsen und Schilf drum herum pflanzen<br />
… um zwei ganz bestimmte Singvögel anzulocken. Ich werde<br />
jetzt nicht anfangen, die Namen aufzuzählen, sonst<br />
schlafen Sie noch ein, und dafür wäre mir die Opernleitung<br />
sicher nicht besonders dankbar!<br />
235<br />
RICHARD WAGNER<br />
Komponist<br />
Seine Tetralogie Der Ring des Nibelungen wurde in der<br />
Spielzeit 2011/12 an der <strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> neu<br />
inszeniert.<br />
„Selig gilt dir mein Gruß!“ – Die seligste Wonne schwebt<br />
über dem aufbrausenden und lohenden Brand. Atemraubende<br />
Stille. – Es ist vollendet. Ich habe es vollbracht. Nach<br />
mehr als 26 Jahren konnte ich endlich meine hergerichteten<br />
Holzbauwerke zu einem Gesamtkunstwerk zusammenfügen.<br />
Ich habe der Welt das Kunstwerk der Zukunft angekündigt,<br />
und nun wird es wahr: das Kunstwerk der Gegenwart. Die<br />
Ehre erwiesen mir sogar Kaiser und Fürsten, die nicht mich<br />
riefen, sondern zu mir reisten. Nun bin ich leer und suche<br />
nach neuer Nahrung. Ich spüre die Sehnsucht nach Weite,<br />
ewiger Freiheit und Erlösung.<br />
Ich werde mit dem Zug über Paris nach Marseille<br />
fahren und dort werde ich meine junge mitleidige Freundin<br />
treffen. Zusammen, nur mit ihr, durchqueren wir die schmalen<br />
Gässchen, und ich kann endlich meine Gefühle für sie<br />
frei offenbaren. Ein paar Tage später will ich dann nach<br />
Malta segeln und dort durch die prächtige und pittoreske<br />
Altstadt von Valletta flanieren. Natürlich werde ich das<br />
schmucke Manoel Theater nicht außer Betracht lassen.<br />
Das nächste Schiff soll uns dann weiter nach Griechenland<br />
bringen; doch ich erhoffe mir eine ruhigere Überfahrt<br />
als damals in den nordischen Gewässern, wo die Seefahrt<br />
kein Ende finden wollte. Wenn es uns gefällt, so bleiben<br />
wir, sonst reisen wir weiter in den Osten und werden unseren<br />
Platz in Kleinasien suchen.<br />
Dann werde ich mich den Sternen des Horizonts<br />
hingeben und neue Pläne schmieden, die mich als wahren<br />
Künstler der Gegenwart zurückrufen werden. Ich brauche<br />
Urlaub! <br />
Mit Fantasie aufgezeichnet von Benedikt I. Stampfli
Schöne Ferien!<br />
Foto: Sebastian Stadler<br />
Maximilianstrasse 32, 80539 München, Tel. +49 89 2919110
ZEIT IST EIN GESCHENK<br />
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