PDF-Download - Bayerische Staatsoper
PDF-Download - Bayerische Staatsoper
PDF-Download - Bayerische Staatsoper
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
REIN GOLD 23<br />
gen, ja, wir sagten es schon und entsagen uns jetzt, daß wir<br />
noch leben sollen. Wir entsagen dem, was wir begehrten, und<br />
das ist immer das Leben, doch wir haben den Tod gebracht,<br />
und jetzt ist das unser Ende, es darf unser Ende sein, wir opfern<br />
uns wie Wotan, wie ich, wir haben kein Kind, für das wir<br />
uns opfern, na, opfern wir uns halt einfach so, denn wir fühlen<br />
uns jetzt allmächtig und fähig, uns zu opfern. Der Wille wird<br />
zur Tat, die wir bereits zehnmal ausgeführt haben, jetzt gegen<br />
uns, warum sollte das schwieriger sein, nun ja, es ist schwieriger,<br />
sich selbst zu opfern als andre zu opfern. Das Feuer. Das<br />
Ende. Wir haben da keine Furcht mehr, wir haben auch keine<br />
Vorurteile gegen das Ende mehr, es kann kommen, wir haben<br />
es ursprünglich abgelehnt, wenn auch nur für uns, nicht für<br />
andre, für die haben wir es herbeigeführt, aber jetzt können<br />
wir das Ende auch für uns herzlich begrüßen, bitte Ende, komm<br />
doch herein, du bist willkommen! Keine Furcht, kein Bangen<br />
können uns mehr fesseln, keine Angst vor dem Tod. Mit derselben<br />
Leidenschaft, mit der wir früher das Leben begehrten, indem<br />
wir es anderen nahmen, ganzen zehn Personen genommen<br />
haben, nehmen wir es jetzt uns selbst. Gibt es einen, der sich<br />
freiwillig meldet, der für uns weiterleben will und in dem wir<br />
weiterleben können? Noch mehr Helden? Meldet sich keiner?<br />
Nicht wenigstens einer? Kein Freiwilliger? Dann ist es eben<br />
nur für uns das Ende, und die Walküre darf zünden und gehen.<br />
Dem Fremden sind feindlich wir, aber er ist uns doch das<br />
Liebste, denn er darf fallen, durch uns. Klingt komisch, ist aber<br />
wahr. So wie Wotan vom Ring total angefixt war, obwohl man<br />
ihm ja gesagt hatte, der wird sein Ende sein, die Selbstvernichtung,<br />
indem man etwas will. Gut, wir gehen jetzt in die Flammen.<br />
Wir erschießen uns, einer den andern, dann der letzte<br />
sich selbst, und Abmarsch in die Flammen. Was bleibt? Was<br />
bleibt von uns? Diese lustige Figur, dieser Panther, der ist die<br />
eine Münze zuviel, daß dem Onkel Dagobert der Speicher einstürzt.<br />
Eigentlich ist er ein Edelstein gewesen, einmal ein echter<br />
Edelstein, etwas Kostbares, den Namen verdankt er einer<br />
seltsamen Einsprengung, einer pantherförmigen Rune, so habe<br />
ich es verstanden. So lebt er fort, außer, man zündet ihn an.<br />
Egal. Das Schwert ist geschmiedet, von Helden gemacht, nur<br />
der eine oder der andre kann es, das Schmieden aus Eisenfeilspänen,<br />
und er benutzt es auch, dieses Können. Während du,<br />
Kind, sorglos schläfst, hüpft der nette Panther also ums Feuer<br />
herum. Bis zum Ende. Daß ihm das nicht langweilig wird! Nein,<br />
er kann jetzt aufhören, das ist schon das Ende. Man endet<br />
selbst, sonst ist es kein richtiges Ende. Nur dieses Ende, daß<br />
man selbst endet, ist auch eins. Du siehst ihn nicht, aber er ist<br />
da, er ist immer da, bis er zu Ende ist. Er will nicht mehr weiter,<br />
er kann nicht mehr weiter, er will und bekommt das Ende.<br />
Wo die Denker am Ende sind, fangen die Tiere an zu denken,<br />
und dann fangen sogar die Künstler damit an. Du merkst es<br />
gar nicht. Dich stört er nicht, Kind. Nichts stört dich mehr.<br />
Mich auch nicht, aber ich verstehe ihn nicht. Ein Plüschtier, ein<br />
bloßes Zeichen, dazu auch noch gezeichnet, gezeichnet wie wir<br />
vom Tod, gezeichnet wie das Leben von Zerstörung, überzeichnet<br />
wie eine Aktie, die begehrt ist, gleich nach der Ausgabe,<br />
man kriegt gar keine mehr, gleich überzeichnet, auch in Plüsch<br />
erhältlich, eine Trickfigur wie die lustige Geldvermehrung, in<br />
der alles gipfelt, was es nicht bis auf den Gipfel schafft! Der<br />
Ehrgeiz bringt diese Leute dorthin. Die bringen Leute um, die<br />
Germanen, die aber auch enden, wie wir, ihre Götter, wie alles,<br />
wie der Göttervater im Führerbunker, wie seine Gattin, die<br />
nicht immer dasselbe wollte wie er, aber dasselbe bekommen<br />
hat, den Tod, alle wollen enden, das ist das Ende von allen, von<br />
uns haben sie es schließlich gelernt, wie man Schluß macht.<br />
Macht viel Arbeit, ist aber befriedigend bis genügend. Ausreichend.<br />
Alle im Feuer verbrannte Arbeit ist vergangene Arbeit.<br />
Alle ans Töten verwendete Arbeit ist vergangene Arbeit, bevor<br />
sie noch beginnt. Sie wurde bereits zehnmal eingesetzt, mindestens!,<br />
und verbraucht. Ende der Arbeit und aus. Was bleibt?<br />
Gegenstände. Sonst nichts. Der Schatz wieder im Rhein, das<br />
Schätzchen in seiner Zelle, alle lieb zueinander und zu einem<br />
oder mehreren andren zu Lebzeiten, wenn auch nicht zu uns,<br />
wenn auch nicht zu zehn Personen, sonst zu vielen, vielleicht zu<br />
allen, lieb, sie waren trotzdem da, sie waren da, und jetzt haben<br />
sie geendet. Alle tot, was nicht heißt, daß sie auch alle geendet<br />
hätten, aber alle tot jetzt. Was bleibt? Gegenstände, Schutt,<br />
Müll. Ich mache mir nicht die Mühe, mir auf sie einen Reim zu<br />
machen, gereimt ist hier alles, doch darauf kann ich mir keinen<br />
Reim machen, eigentlich schade, alle tot, alle tot, was bleibt:<br />
Autogrammkarte Cindy aus Marzahn, 3D-Brille, Katzenimpfpass,<br />
Gutschein Zähnebleaching, Halstuch mit Panther-, nein,<br />
Leopardenmuster, Lederschnürstiefel, Bügeleisen Microstar,<br />
rote Weihnachtsmannmütze in Übergröße, Socken rot-weißblau-braun<br />
geringelt, Aschenbecher mit acht Kippen, fast verbrannt,<br />
doch nicht ganz, Nintendo-Spiel, das Buch „1000 – Die<br />
besten Backrezepte“. Das könnte auch in andren Wohnungen<br />
sein, allein oder mit anderen. Schon seltsam, was alles ein Feuer<br />
übersteht! Zu früh gelöscht vielleicht die Lohe. Bloß die<br />
Zwerge hämmern immer noch drauf, obwohl da nichts mehr<br />
liegt, das sich noch formen ließe. Zu Ende. Es bleibt allein übrig,<br />
was es auch ist. Kind, du bist jetzt auch allein. Die sind alle<br />
tot, wir werden alle enden, falls sie es noch nicht getan haben,<br />
ich werde wissen, daß nichts geblieben ist, nichts von mir, meine<br />
Kinder alle tot, aber wenn ich untergehen muß, dann richtig,<br />
dann will ich meine Welt nicht solchen Leuten überlassen.<br />
Ich weiß jetzt aber nicht einmal, wer diese Leute überhaupt<br />
sind. Mein Fehler. Ich weiß nur, daß ich ihnen nichts lassen<br />
möchte. Entschuldige, Kind. Du hast viel aushalten müssen mit<br />
mir, weil ich so streng war. Du hast deinen Vater ertragen, du<br />
hast ihm folgen müssen. Jetzt darfst du schlafen. Ruh dich aus,<br />
Kind! Schlaf auf dem Felsen, schlaf weiter, schlaf, wenn ich es<br />
dir doch sage, Kind! Du jammerst zwar ununterbrochen, als<br />
wärst du nicht meine Tochter: Papa liebt mich nicht, er hat<br />
mich nie geliebt, er muß immer was Neues lieben, aber nie<br />
mich!, so geht das in einem fort. Nicht die Tochter. Alle anderen,<br />
bloß nicht die eigene Tochter! Aber die Liebe ist kein<br />
Selbstzweck. Wenn du sie nicht kriegst, dann hast du sie eben