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PDF-Download - Bayerische Staatsoper

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33<br />

Rheingold III, beleuchtet, 2012<br />

Acryl und Öl auf Spionspiegelleuchtkasten, Buntstifte, Wasserpistolen<br />

und Leuchtstoffröhren, 124 x 122 x 10 cm<br />

Rheingold III, unbeleuchtet, 2012, 124 x 122 x 10 cm<br />

dieser Lösung sind beileibe nicht alle<br />

Götter einverstanden, und die Erinyen<br />

verlieren gar ihre angestammte<br />

Aufgabe und müssen gewissermaßen<br />

einer Umschulung zu Schutzgöttinnen<br />

der Stadt, sogenannten Eumeniden,<br />

zustimmen. Das ist, scherzhaft wagnerianisch<br />

illustriert, als wären die Walküren<br />

im dritten Akt der Walküre zu<br />

Kindergärtnerinnen des noch ungeborenen<br />

Siegfried bestimmt worden.<br />

Wie dann erst wieder in den neuzeitlichen<br />

Demokratien wird im Zuge<br />

der „Entstehung des Politischen bei<br />

den Griechen“ das Recht als legitimes<br />

Ergebnis politischer Entscheidung und<br />

das heißt: menschlicher Verfügung verstanden.<br />

Gemessen an der Tradition<br />

Essay<br />

ist dies fürwahr eine Götterdämmerung,<br />

nicht nur für die Erinyen. Denn<br />

Politik wird nun als eigengesetzlicher,<br />

menschlicher Handlungsbereich unter<br />

Bedingungen der Freiheit verstanden,<br />

in dem nur Argumente und Mehrheitsentscheidungen<br />

gelten, nicht aber die<br />

Berufung auf göttliches Geheiß, und<br />

auch nicht, wie Richard Wagner es<br />

sich erträumt hat, auf Wahrheit und<br />

Liebe. Freiheitliche und demokratische<br />

Politik bedeutet, unter Bedingungen<br />

unvollständigen Wissens eine<br />

Entscheidung treffen zu müssen und<br />

sie gerade deshalb fehlerfreundlich<br />

und möglichst revidierbar vorzunehmen.<br />

Wäre man im Besitz der Wahrheit<br />

oder lebten alle Gesellschaftsmitglieder<br />

in Liebe zueinander, bedürfte<br />

es demokratischer Politik nicht. Doch<br />

in der gegebenen Wirklichkeit gibt es<br />

keine humane Alternative zum Eingeständnis<br />

der Fehleranfälligkeit<br />

menschlichen Handelns und zu der<br />

Lösung, deswegen auf breiter Basis<br />

immer wieder neu zu entscheiden.<br />

Daher ist es politisch problematisch,<br />

dass Richard Wagner mit Wotans<br />

Scheitern im Ring des Nibelungen<br />

die Herrschaft durch Verträge denunzieren<br />

wollte. Dementgegen müssten<br />

die Bürgerinnen und Bürger in einer<br />

Demokratie Wotans Klage über die<br />

vertraglichen „Bande, die mich binden“<br />

im zweiten Akt der Walküre<br />

gänzlich anders bewerten, nämlich als<br />

zutiefst bejahenswerte, rechtsstaatliche<br />

Selbstbeschränkung der Politik,<br />

wie sie die liberalen Gesellschafts- und<br />

Herrschaftsvertragslehren im neuzeitlichen<br />

politischen Denken vorgesehen<br />

haben.<br />

Die demokratische Normalität<br />

der Unterscheidung<br />

von Person und System<br />

Doch bis zu dieser neuzeitlichen Entwicklung<br />

war es, vom antiken Griechenland<br />

aus betrachtet, noch ein weiter<br />

Weg. Denn der beschriebene, erste<br />

politische Säkularisierungsschritt der<br />

Geschichte geriet mit dem spätantiken<br />

Siegeszug des Christentums und seiner<br />

„Politischen Theologie“ zunächst<br />

wieder für lange Zeit in Vergessenheit.<br />

Es gibt keine humane Alternative<br />

dazu, sich die Fehleranfälligkeit<br />

men schlichen Handelns einzugestehen<br />

und deswegen auf breiter Basis<br />

immer wieder neu zu entscheiden.<br />

Daher ist es politisch problematisch,<br />

dass Richard Wagner mit Wotans<br />

Scheitern die Herrschaft durch Verträge<br />

denunzieren wollte.

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