Demenz und Gottesdienst - Unternehmensgruppe Birkholz
Demenz und Gottesdienst - Unternehmensgruppe Birkholz
Demenz und Gottesdienst - Unternehmensgruppe Birkholz
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Ein Magazin der <strong>Unternehmensgruppe</strong> <strong>Birkholz</strong><br />
2011 | Ausgabe 6 | Oktober<br />
<strong>Demenz</strong><br />
<strong>und</strong><br />
<strong>Gottesdienst</strong>
Lob der Spatzen<br />
<strong>Gottesdienst</strong> für Menschen mit <strong>Demenz</strong>,<br />
deren Pfl egekräfte <strong>und</strong> Angehörige<br />
Trinitatiskirche<br />
auf dem Karl-August-Platz<br />
in Berlin-Charlottenburg<br />
am Sonntag,<br />
dem 23. Oktober 2011,<br />
10.00 Uhr<br />
Grau mit viel braun <strong>und</strong> wenig weißen Federn,<br />
das Männchen auf der Brust mit schwarzem Fleck,<br />
sie leben unter Palmen, Fichten, Zedern<br />
<strong>und</strong> auch in jedem Straßendreck.<br />
In Ingolstadt <strong>und</strong> in der City Boston,<br />
im Hock von Holland <strong>und</strong> am golden Horn.<br />
Ist überall der Spatz auf seinem Posten<br />
<strong>und</strong> fürchtet nicht des Schöpfers Zorn.<br />
Inmitten schwarzer Dschungel von Fabriken<br />
<strong>und</strong> totgeladener Drähte kreuz <strong>und</strong> quer<br />
sieht man die Spatzen fl attern, nisten picken,<br />
als ob die Welt ein Schutzpark wär.<br />
Es stört sie nicht der Lärm der Transmissionen<br />
<strong>und</strong> keineswegs das Tempo unserer Zeit.<br />
Sie leben schnell <strong>und</strong> langsam seit Äonen,<br />
wo sie der Himmel hingeschneit.<br />
Als Jesus über Gräser, Zweige, Blumen<br />
Einritt <strong>und</strong> alle Hosianna schrien,<br />
da pickt ein Spatz gemächlich gelbe Krumen<br />
aus dem noch warmen Mist der Eselin.<br />
Herr gib uns Kraft <strong>und</strong> Mut wie deinen Spatzen,<br />
mach unser Leben ihrem Rinnstein gleich.<br />
Dann mag wer will von edlen Tauben schwatzen,<br />
denn unser ist ein gutes Erdenreich.<br />
Carl Zuckmayer<br />
Ein<br />
persönliches<br />
Wort<br />
Verehrte Leser,<br />
jemand hat einmal die Frage<br />
in den Raum gestellt, was<br />
Menschen, die an <strong>Demenz</strong><br />
erkrankt sind, eigentlich noch in<br />
der Kirche wollen.<br />
Man kann sich über die Bemerkung<br />
ärgern, aber man sollte nicht! Die Bemerkung<br />
zeugt eher von einer großen<br />
Unkenntnis. Mittlerweile werden viele<br />
Fachbücher veröffentlicht, aber auch<br />
Erfahrungsberichte. Filmschaffende,<br />
international wie national, haben seit<br />
einiger Zeit das Thema aufgegriffen.<br />
Dennoch hat es den Anschein, dass<br />
der Umgang mit <strong>Demenz</strong> noch lange<br />
nicht in unserer Gesellschaft angekommen<br />
ist. Menschen mit <strong>Demenz</strong><br />
sind fremd <strong>und</strong> ihr Verhalten macht<br />
Angst. Aber nur weil ein Mensch langsam<br />
seine kognitiven Fähigkeiten verliert,<br />
geht das Menschsein nicht verloren.<br />
Es bedeutet auch nicht, dass<br />
es keinen Zugang zu dem Menschen<br />
mehr gibt. Wir tragen immer noch ein<br />
„Gedächtnis des Erlebens“ in uns.<br />
Unsere Mitarbeiter erleben das oft<br />
bei Tanzveranstaltungen. Menschen,<br />
die nur wenig oder gar nicht auf Ansprache<br />
reagieren <strong>und</strong> in ihrem Körper<br />
verloren wirken, hören einige<br />
Musiktakte <strong>und</strong> plötzlich passiert da<br />
etwas mit ihnen. Sie erinnern sich an<br />
Tanzschritte <strong>und</strong> auch an Texte, die<br />
sie mitsingen können. Die Menschen<br />
wirken dann sehr gelöst <strong>und</strong> offen.<br />
Oft erleben wir auch, dass das Wohlgefühl<br />
durch den Tanz etwa, noch länger<br />
nachwirkt. Das entrückte Lächeln<br />
auf dem Gesicht zeigt uns, dass der<br />
Mensch eben nicht verloren, sondern<br />
dass er ganz bei sich <strong>und</strong> uns ist. Und<br />
wir, die wir für die Pfl ege dieser Menschen<br />
verantwortlich sind, tragen Verantwortung<br />
dafür, das richtige Umfeld<br />
zu schaffen <strong>und</strong> für eine gelingende<br />
Kommunikation Sorge zu tragen.<br />
Der Besuch eines <strong>Gottesdienst</strong>es ist<br />
eine Möglichkeit, den dementiell erkrankten<br />
Menschen in der Gemeinschaft<br />
aufzufangen <strong>und</strong> damit zu vermitteln:<br />
„Du bist nicht allein.“<br />
Menschen, die in frühen Jahren oft<br />
<strong>und</strong> gerne in die Kirche gegangen<br />
sind, erinnern sich sobald sie den Altarraum<br />
betreten <strong>und</strong> beispielsweise<br />
den Weihrauch riechen. Werden altbekannte<br />
Kirchenlieder angestimmt,<br />
singen sie mit. Manchmal erleben<br />
wir, dass Menschen mit großer Unruhe<br />
– ein Symptom der <strong>Demenz</strong> –<br />
ganz andächtig werden <strong>und</strong> in sich<br />
gekehrt dem <strong>Gottesdienst</strong> folgen. Die<br />
Rituale des <strong>Gottesdienst</strong>es sind verinnerlicht<br />
<strong>und</strong> sie sind noch abrufbar,<br />
auch wenn die kognitiven Fähigkeiten<br />
abnehmen.<br />
Pastorin Marlis Schultke von der Trinitatiskirche<br />
hat in ihrer Studienarbeit<br />
zum Thema <strong>Demenz</strong> <strong>und</strong> <strong>Gottesdienst</strong><br />
geschrieben: „»Gott will,<br />
dass allen Menschen geholfen werde«.<br />
(1 Tim 2,4) Mit diesen Worten,<br />
fi nde ich, ist zusammengefasst, was<br />
wir als Kirche <strong>und</strong> als Christenmenschen<br />
zu tun haben, nämlich diese<br />
Hilfe, die Gott im Sinn hat, mit Wort<br />
<strong>und</strong> Tat zu bezeugen. Und der <strong>Gottesdienst</strong><br />
ist der Ort <strong>und</strong> die Veranstaltung,<br />
wo dieses Vorhaben Gottes<br />
im Mittelpunkt steht <strong>und</strong> gefeiert<br />
wird – im Hören <strong>und</strong> Antworten der<br />
<strong>Gottesdienst</strong>versammlung.“<br />
In diesem Sinne lade ich Sie alle herzlich<br />
ein, am 23. Oktober 2011 am<br />
<strong>Gottesdienst</strong> in der Trinitatiskirche<br />
teilzunehmen.<br />
7 Ihr Martin-Michael <strong>Birkholz</strong><br />
INHALT • Oktober 2011<br />
Das Unternehmen<br />
ganz persönlich 4<br />
Mitarbeiter im Porträt 5<br />
<strong>Demenz</strong> <strong>und</strong> <strong>Gottesdienst</strong> 6<br />
Nachrichten aus Berlin 8<br />
Nachrichten aus Eisenach 9<br />
Angehörige 10<br />
Veranstaltungstipps 11<br />
Kopftraining 11<br />
Die <strong>Unternehmensgruppe</strong><br />
<strong>Birkholz</strong> 12<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber<br />
<strong>Unternehmensgruppe</strong> <strong>Birkholz</strong><br />
Georgenstraße 64 · 99817 Eisenach<br />
Telefon: 03691 | 716 – 0<br />
E-Mail: info@birkholz-net.de<br />
Redaktion <strong>und</strong> Anzeigen<br />
Dagmar Klug-Krögler<br />
Karl-Marx-Straße 156 · 12043 Berlin<br />
Telefon: 030 | 1389 7909<br />
E-Mail: info@klug-kroegler-journalistik.de<br />
Erscheinungsweise monatlich.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />
nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers<br />
<strong>und</strong> der Redaktion wieder. Die Redaktion behält<br />
sich die Kürzung <strong>und</strong> Bearbeitung der Beiträge<br />
vor. Für unverlangt eingesendete Texte, Fotos<br />
<strong>und</strong> Materalien übernimmt die Redaktion keine<br />
Haftung.<br />
2 HeimKurier | Oktober – 2011 Oktober – 2011 | HeimKurier 3
Weil unsere<br />
Bewohner<br />
es wert sind!<br />
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.<br />
Sie zu achten <strong>und</strong> zu schützen ist<br />
Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“<br />
So steht es in Artikel 1 des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />
Der Mensch zeichnet sich unabhängig<br />
von Herkunft oder Geschlecht oder<br />
ALTER durch seine Würde aus. Würde ist<br />
dem Menschen gegeben <strong>und</strong> ein schützenswertes<br />
Gut.<br />
Wir wollen jedem einzelnen Bewohner unserer<br />
Einrichtungen ein Altern in Würde<br />
ermöglichen. Wir stehen hier in der Verantwortung.<br />
Nicht nur weil uns ein Kun-<br />
Arno Geiger<br />
Der alte König in seinem Exil<br />
192 Seiten, Fester Einband<br />
ISBN-10: 3-446-23634-1<br />
ISBN-13: 978-3-446-23634-9<br />
€ 17,90 (D)<br />
Arno Geiger hat<br />
in diesem Jahr<br />
mit „Der alte König<br />
in seinem Exil“<br />
ein bemerkenswertes<br />
Buch herausgebracht.Geiger<br />
erlaubt einen<br />
tiefen Einblick in<br />
sein Verhältnis<br />
zum mittlerweile<br />
an Alzheimer er-<br />
denvertrag an Dienstleistungen<br />
bindet, der dem Bewohner ein hohes<br />
Maß an Fürsorge <strong>und</strong> Pflege<br />
zuspricht. Wir stehen hier in einer<br />
ethischen Verantwortung.<br />
Die Achtung der Persönlichkeit,<br />
das Unterstützen des alten Menschen<br />
in seiner individuellen Lebensführung,<br />
soziale Teilhabe<br />
<strong>und</strong> Begegnung, das Recht auf<br />
Privatheit haben wir in unseren<br />
Leitlinien festgelegt.<br />
Dieses Pflegeleitbild hängt in allen<br />
Wohnbereichen aus. Papier<br />
ist aber geduldig, meinen Sie?<br />
Ja, manchmal kann das vorkommen.<br />
Aber wir versuchen jeden<br />
Tag auf’s Neue den Leitsätzen auf<br />
diesem Stück Papier Leben einzuhauchen.<br />
All unsere Mitarbeiter<br />
zeichnen sich durch hohes Engagement<br />
aus. Jeden Tag wird ein<br />
bisschen mehr Vertrauen durch<br />
ihre Arbeit in unsere Einrichtungen<br />
gelegt. Und jeden Tag arbeiten<br />
wir an unserer Achtsamkeit<br />
für die Belange unserer Bewohner.<br />
Deshalb heißen Menschen, die<br />
an <strong>Demenz</strong> erkrankt sind, bei uns<br />
krankten Vater. Er beschreibt den<br />
Vater als einen „Heimatlosen“,<br />
der fortwährend auf der Suche<br />
nach seinem Zuhause ist, auch<br />
wenn er mittendrin steht. Geiger<br />
beschreibt witzige, traurige, kluge,<br />
mutlose Begebenheiten mit<br />
dem Vater.<br />
Die Beziehung zum Vater verändert<br />
sich <strong>und</strong> ist doch von tiefer<br />
Liebe <strong>und</strong> Geborgenheit getragen.<br />
Als Autor ist Geiger natürlich ein<br />
Meister für die Poesie der Worte<br />
<strong>und</strong> die entdeckt er beim Vater.<br />
Aber vor allem ist es der leise<br />
Humor, der in vielen Situationen<br />
steckt, auch wenn es traurige<br />
Das Unternehmen ganz persönlich<br />
auch nicht schlicht die „Dementen“.<br />
In diesem Wort steckt nicht<br />
das Individuum, das den Menschen<br />
umschreibt. Der Mensch<br />
wird durch unsere Sprache zum<br />
Objekt. Er wird zum Gegenstand.<br />
Das sind eben so die Tücken der<br />
Sprache. Aber der Mensch ist<br />
<strong>und</strong> kann immer nur Subjekt sein:<br />
Ein selbstbestimmtes <strong>und</strong> selbstbestimmendes<br />
Individuum. Auch<br />
ein an fortgeschrittener <strong>Demenz</strong><br />
erkrankter Mensch hat eine Sprache.<br />
Wir müssen nur immer wieder<br />
lernen, sie mit ihm zu teilen,<br />
um seine individuellen Bedürfnisse<br />
zu erkennen.<br />
Durch die Art wie sich eine<br />
Gesellschaft gegenüber<br />
ihren Alten verhält, enthüllt<br />
sie unmissverständlich<br />
die Wahrheit, oft sorgsam<br />
verschleiert, über ihre<br />
Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Ziele.<br />
(Simone de Beauvoir)<br />
Momente sein mögen. „Und was<br />
ist das?“ „Das sind Bäume, Papa.“<br />
Er zog die Brauen hoch: „Die<br />
erwecken aber nicht den Eindruck<br />
von Bäumen.“<br />
Geiger verklärt die Situation um<br />
den Vater nicht. Auch er hat seine<br />
Zweifel <strong>und</strong> die psychische Belastung,<br />
die die Veränderung des<br />
Vaters mit sich bringt, ist ihm ein<br />
um’s andere Mal zu viel.<br />
Ein Buch, das zeigt, was möglich<br />
ist, wenn man sich auf den<br />
Menschen <strong>und</strong> seine Krankheit<br />
einlässt <strong>und</strong> dabei immer wieder<br />
Achtsamkeit für den Moment<br />
einfordert.<br />
Mitarbeiter im Porträt<br />
Ich wusste, dass René Titze<br />
schon lange im Unternehmen tätig<br />
ist, aber als er mir gegenübersitzt<br />
<strong>und</strong> sagt: “Ich hab’ als Zivi<br />
1991 im Unternehmen anfangen“,<br />
da kann ich es kaum glauben. 20<br />
Jahre gehört er nun schon zum<br />
Team. Als Zivildienstleistender<br />
hat er damals noch im Haus an<br />
der Königsallee im Grunewald<br />
angefangen. Die Stelle als Hausmeister<br />
trat er gleich nach dem<br />
Ende der Zivildienstzeit an. Seither<br />
ist viel passiert, denn mittlerweile<br />
ist Rene Titze ein Meister<br />
im Großumzug. Von der Königsallee<br />
ging es in den Heinickeweg<br />
an der Jungfernheide, dann nach<br />
Staaken <strong>und</strong> nun angekommen<br />
in der Gervinusstraße im neuen<br />
„Haus <strong>Birkholz</strong>“. Nicht zu vergessen<br />
ist auch, dass er während der<br />
ersten Umbaumaßnahmen in Eisenach<br />
oft als Berliner Unterstützung<br />
nach Thüringen fuhr.<br />
Was sind nun genau seine Aufgaben,<br />
will ich von ihm wissen.<br />
Und dann legt er los:<br />
Reparaturen aller Art, vom Auswechseln<br />
einer Glühbirne bis zur<br />
Reparatur defekten Kopfteile von<br />
Betten, hat er alles im Repertoire.<br />
Viele Bewohner, die schon lange<br />
im „Haus <strong>Birkholz</strong>“ leben, kennen<br />
ihn gut. Gibt es mal Probleme im<br />
Zimmer, einen neues Bild soll an<br />
die Wand oder die Toilettenspülung<br />
funktioniert nicht so richtig:<br />
Die Bewohner wissen, auf wen<br />
Sie sich verlassen können.<br />
Im Sommer sieht man ihn oft<br />
gemeinsam mit Martin-Michael<br />
<strong>Birkholz</strong> beim Gärtnern. Zu jeder<br />
Jahreszeit die richtigen Blumenboten.<br />
Das macht viel Arbeit. Alles<br />
will gepflegt werden, damit<br />
die Bewohner auch Freude an all<br />
dem haben.<br />
Ein Mann für<br />
alle Fälle<br />
Neben all den häuslichen Tätigkeiten<br />
ist er auch als Chauffeur<br />
für die Bewohner unterwegs: So<br />
übernimmt er z. B. die Arztfahrten.<br />
Früher hat er auch die abendlichen<br />
Lichterfahrten durch die<br />
Stadt begleitet. Heute wird er<br />
dabei vom ehrenamtlich tätigen<br />
Herrn Dr. Ehrenstein entlastet.<br />
Besonders flexibel müssen<br />
er <strong>und</strong> sein Team sein,<br />
wenn besondere Events anstehen:<br />
Sommerfeste, Grillfeste.<br />
Dann wird geräumt <strong>und</strong> hin <strong>und</strong><br />
her geschoben. Aber immer passiert<br />
das mit großer Ruhe <strong>und</strong><br />
Gelassenheit.<br />
Ich will von ihm wissen, wie ich<br />
mir denn so einen klassischen<br />
Arbeitstag im „Haus <strong>Birkholz</strong>“<br />
vorstellen muss. Er erklärt, dass<br />
es einen Briefkasten für den<br />
Hausmeister gibt. Da schaut er<br />
am Morgen rein <strong>und</strong> findet Mitteilungen<br />
von den Mitarbeitern<br />
der Stationen. Manchmal, sagt<br />
er, muss man dann Prioritäten<br />
setzen. Denn auch sein Telefon<br />
steht an manchen Tagen nicht<br />
still. Eins ist allerdings immer<br />
klar: Der Bewohner kommt zuerst.<br />
Großartig planen kann er in seinem<br />
Job nicht immer. Wenn das<br />
Wetter nicht mitspielt – vor allem<br />
im Herbst –, müssen die Garten-<br />
arbeiten eben warten. Wenn ad<br />
hoc mal entschieden wird, das<br />
Wetter ist heute toll. Das müssen<br />
wir ausnutzen. Dann wird der Grill<br />
rausgeräumt, werden Tisch <strong>und</strong><br />
Stühle aufgestellt <strong>und</strong> dann gibt<br />
es das Mittagessen frisch vom<br />
Grill. Und wer steht wohl als Grillmeister<br />
hinter dem heißen Gefährt?<br />
Rene Titze natürlich.<br />
Es ist aber genau diese Abwechslung,<br />
die ihm so gut gefällt. Es<br />
ist immer was los <strong>und</strong> es wird<br />
nicht langweilig. Und in dem neuen<br />
Haus ist die Infrastruktur natürlich<br />
besser als in einer Gründerzeitvilla.<br />
Im Keller hat er nun<br />
eine gut ausgestattete Werkstatt,<br />
in der er <strong>und</strong> sein Kollege wirken<br />
können.<br />
Außerdem mag er auch gerne mit<br />
den Bewohnern zusammen sein<br />
<strong>und</strong> einfach „mal quatschen“. Er<br />
erzählt mir, dass manche Bewohner<br />
so interessante Geschichten<br />
aus ihrem Leben erzählen können.<br />
Zu manchen Bewohner hat<br />
er einen guten Kontakt. Manchmal<br />
bringt er seine Jungs mit. René<br />
Titze ist nämlich stolzer Vater<br />
von 10-jährigen Zwillingen. Und<br />
die besuchen ihren Vater auch<br />
schon mal auf der Arbeit <strong>und</strong> dabei<br />
lernen die beiden dann auch<br />
den einen oder anderen Bewohner<br />
kennen. Die Jungs bestimmen<br />
dann auch das Leben von<br />
René Titze nach Feierabend. Die<br />
beiden gehören nämlich zur Freiwilligen<br />
Feuerwehr <strong>und</strong> haben<br />
auch schon im zarten Alter von<br />
10 Jahren richtige Uniformen von<br />
der Jugendfeuerwehr.<br />
Und dann gehört da auch noch<br />
eine kleine Tierschar zur Familie<br />
Titze. Also, bei ihm zu Hause<br />
kommt mit Sicherheit auch keine<br />
Langeweile auf. Abwechslung auf<br />
ganzer Linie!<br />
4 HeimKurier | Oktober – 2011 Oktober – 2011 | HeimKurier 5
<strong>Demenz</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Gottesdienst</strong><br />
Zweimal im Jahr richtet die Trinitatiskirche in Berlin-Charlottenburg einen <strong>Gottesdienst</strong> für<br />
Menschen mit <strong>Demenz</strong> gemeinsam mit der ganzen Kirchengemeinde aus.<br />
Wir haben die engagierte Pastorin Marlis Schultke um ein Gespräch gebeten.<br />
Heimkurier: Verehrte Frau Schultke, in den letzten<br />
Jahren haben die Angebote an <strong>Gottesdienst</strong>en für<br />
Menschen mit <strong>Demenz</strong> zugenommen. Sie selber bieten<br />
seit ziemlich genau sieben Jahren in Berlin einen<br />
solchen <strong>Gottesdienst</strong> an. Im Unterschied zu anderen<br />
Kirchengemeinden richtet sich ihr <strong>Gottesdienst</strong><br />
an alle Gemeindemitglieder, nicht nur an Menschen<br />
mit <strong>Demenz</strong>, Angehörige <strong>und</strong> Fachkräfte. Wie kam<br />
es dazu?<br />
Pastorin Marlis Schultke: <strong>Demenz</strong> weckt häufi g<br />
Angst <strong>und</strong> Abwehr. Deshalb wollten wir von Anfang<br />
an die Zusammengehörigkeit von Menschen mit <strong>und</strong><br />
ohne <strong>Demenz</strong> fördern, gleichwertig <strong>und</strong> gleichberechtigt,<br />
ihre Integration sozusagen <strong>und</strong> nicht ihre weitere<br />
Isolierung voneinander. Darum sollte es auch keinen<br />
Extra-<strong>Gottesdienst</strong> geben, sondern (2 x im Jahr) am<br />
Sonntagvormittag zur üblichen Zeit <strong>und</strong> am üblichen<br />
Ort: in unserer Kirche. Und das hat gleich gut geklappt.<br />
Was wollen Sie den Teilnehmern Ihrer <strong>Demenz</strong>gottesdienste<br />
mit auf den Weg geben?<br />
Alle sollen sich, auch untereinander, angenommen<br />
<strong>und</strong> gut aufgehoben fühlen, nicht allein gelassen.<br />
Und etwas Erfreuliches, Anregendes merkbar erleben.<br />
Wenn <strong>Gottesdienst</strong> mit der Menschenfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
Gottes zu tun hat, dann muss er auch selber als<br />
menschlich <strong>und</strong> mit-menschlich erlebbar sein.<br />
An <strong>Demenz</strong> erkrankte Menschen leiden oft an Konzentrationsstörungen,<br />
sie sind von Unruhe getrieben<br />
<strong>und</strong> laufen umher. Wie reagieren Sie im <strong>Gottesdienst</strong><br />
darauf? Wo holen Sie den dementiell<br />
erkrankten Kirchenbesucher ab?<br />
„Störende Störungen“ hat es bisher nicht gegeben.<br />
Unser Kirchraum ist auch ziemlich „angstfrei“: groß,<br />
hell <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich wirkend. Wichtig ist vor allem auch<br />
die Begleitung durch Pfl egekräfte, die einfühlsam <strong>und</strong><br />
den Menschen mit <strong>Demenz</strong> bekannt sind. Und dass<br />
die übrigen <strong>Gottesdienst</strong>besucherInnen selbstverständlich<br />
aufmerksam <strong>und</strong> rücksichtsvoll sind.<br />
Im Buch „Das Herz wird nicht dement“ von Baer/<br />
Schlotte heißt es, das sich das Gedächtnis des<br />
Herzens noch lange nach dem Verlust kognitiver<br />
Fähigkeiten erinnert. Erleben Sie das auch während<br />
des <strong>Gottesdienst</strong>es?<br />
Ein unvergessliches Beispiel: Im ersten dieser <strong>Gottesdienst</strong>e<br />
sang ein Kinderchor „Weiß du, wie viel Sternlein<br />
stehen“ – ganz viele Besucher <strong>und</strong> Besucherinnen<br />
sangen einfach mit: vor allen Dingen ein Mann,<br />
der sonst gar nicht mehr redete! Sie reagieren positiv<br />
auf altbekannte Lieder <strong>und</strong> Musik, die sie von<br />
früher kennen. Eine große Rolle spielt auch die insgesamt<br />
harmonisch aufeinander abgestimmte Gestaltung<br />
der <strong>Gottesdienst</strong>e: große Bilder (zum Thema) als<br />
Blickfang, passende Farben des<br />
Blumenschmucks, einfühlsame<br />
anschauliche Sprache (Dialog-<br />
Predigt), eingängig gespielte Orgelmusik<br />
…<br />
Nach dem <strong>Gottesdienst</strong><br />
schließt sich in Ihrem Gemeindesaal<br />
noch eine Kaffeer<strong>und</strong>e<br />
an. Was passiert da?<br />
Das Kaffeetrinken fi ndet übrigens<br />
im selben Kirchraum an<br />
schon vorher gedeckten Tischen<br />
statt (mit Platz für Rollstühle).<br />
Da passiert, was auch sonst bei<br />
Kaffee <strong>und</strong> Kuchen passiert: zusammensitzen,<br />
gucken, essen,<br />
trinken, plaudern, zuhören – Ges<strong>und</strong>e<br />
wie Kranke gemischt nebeneinander<br />
(wie übrigens auch<br />
im <strong>Gottesdienst</strong> selbst).<br />
Wie erreichen Sie mit Ihrem Angebot<br />
überhaupt die Berliner<br />
Pfl egeeinrichtungen?<br />
Unser „Einzugsbereich“ sind Pfl egeeinrichtungen<br />
im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
(<strong>und</strong> ein<br />
paar darüber hinaus). Sie werden<br />
hauptsächlich erreicht <strong>und</strong><br />
informiert durch den „Gerontopsychiatrisch-geriatrischenVerb<strong>und</strong>Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
e.V.“, dem die Einrichtungen<br />
angehören. Deren Leiter <strong>und</strong> Leiterinnen<br />
sind sehr in der Förderung<br />
der „<strong>Demenz</strong>fre<strong>und</strong>lichkeit“<br />
engagiert.<br />
Sind Pfl egeeinrichtungen auch mal nicht zur Zusammenarbeit<br />
bereit? Welche Gründe geben sie<br />
vor?<br />
Keine Ahnung. Derjenige, der Interesse hat, meldet<br />
sich. Große Anerkennung verdient, dass die Bewohner<br />
<strong>und</strong> Bewohnerinnen von Pfl egekräften <strong>und</strong> Ehrenamtlichen<br />
begleitet werden, die das oft in freiwilligem<br />
Extra-Einsatz tun.<br />
Nicht jeder weiß, dass die Finanzierung des <strong>Gottesdienst</strong>es<br />
jedes Mal auf’s Neue gesichert werden<br />
muss. Welche Unterstützung erfahren Sie hier?<br />
Der <strong>Gottesdienst</strong> ist tatsächliche teuer (Material, Kaffee<br />
<strong>und</strong> Kuchen, vor allem der Transport in behindertengerechten<br />
Fahrzeugen). Die<br />
Finanzierung geschieht allein<br />
auf Spendenbasis. Dazu tragen<br />
der Kirchenkreis, einige Einrichtungen<br />
unsere Gemeinde <strong>und</strong><br />
nicht zuletzt dankenswerterweise<br />
Spenden von Einzelpersonen<br />
<strong>und</strong> verabredete Kollekten von<br />
Kasualgottesdiensten bei.<br />
Die Vorbereitung der <strong>Gottesdienst</strong>e<br />
ist mit großem Aufwand<br />
<strong>und</strong> zeitlichem Vorlauf<br />
verb<strong>und</strong>en. Dennoch nehmen<br />
Sie <strong>und</strong> Ihre Unterstützer sich<br />
der Aufgabe immer wieder an.<br />
Was treibt Sie an?<br />
Es ist zwar eine aufwendige Arbeit,<br />
die aber einfach Freude<br />
macht, jedes Mal. Unsere Frauengruppe<br />
(im Alter zwischen 40<br />
<strong>und</strong> 80 Jahren, die jüngeren darunter<br />
sind berufstätig) ist immer<br />
dabei, bei der Vorbereitung wie<br />
der Durchführung – <strong>und</strong> auch<br />
andere Mitarbeiter. Wir fi nden es<br />
einfach selbstverständlich <strong>und</strong><br />
wichtig. Es tut uns gut!<br />
Frau Schultke,<br />
liebe Dank<br />
für Ihre Zeit!<br />
6 HeimKurier | Oktober – 2011 Oktober – 2011 | HeimKurier 7
Leben <strong>und</strong> Wohnen<br />
im Wohnbereich 1<br />
im „Haus <strong>Birkholz</strong>“<br />
Dieser Wohnbereich (WB) wurde<br />
speziell für Bewohner eingerichtet,<br />
die an <strong>Demenz</strong> erkrankt sind.<br />
Heute weiß man, dass Menschen<br />
mit dem Krankheitsbild „<strong>Demenz</strong>“<br />
einer spezifischen, angepassten<br />
<strong>und</strong> individuellen Betreuung<br />
bedürfen. Diese Erkenntnis wird auf<br />
dem WB 1 umgesetzt.<br />
Im Augenblick leben hier 23<br />
Bewohner. Das Leben verteilt sich<br />
auf zwei Wohnküchen <strong>und</strong> eine<br />
Bibliothek. Entlang des Flures<br />
finden sich kleine Sofas, Bilder<br />
hängen an den Wänden. Ein<br />
bisschen wie zuhause.<br />
8<br />
Wie lebt man auf dem<br />
Wohnbereich?<br />
Wohnbereichsleiter René Helbig<br />
<strong>und</strong> sein Team sind gut aufeinander<br />
abgestimmt. Sie wissen,<br />
dass hier das Leben andere Vorgaben<br />
macht. „Wir müssen das<br />
Leben an die <strong>Demenz</strong> anpassen“,<br />
erklärt er mir. „Es ist ein grober<br />
Denkfehler im Umgang mit Menschen,<br />
die an <strong>Demenz</strong> erkrankt<br />
sind, Erwartungen an Sie zu stellen<br />
bzw. zu erwarten, dass sie so<br />
funktionieren, wie jeder Mensch,<br />
der nicht an <strong>Demenz</strong> erkrankt ist.“<br />
Dass bedeutet aber nicht, dass<br />
hier nur so „in den Tag gelebt<br />
wird“. Auch hier gibt eine Tagesstruktur.<br />
Der Tag beginnt<br />
morgens um 8 Uhr. Dann treffen<br />
sich die Bewohner mit den<br />
Betreuungs assistenten <strong>und</strong> beginnen<br />
den Tag gemeinsam. Es<br />
wird aber kein Zwang auf die Bewohner<br />
ausgeübt. Manchmal gibt<br />
es eben solche Tage, an denen<br />
der Morgen für einzelne Bewohner<br />
etwas später beginnt. Das ist<br />
dann auch kein Problem. Nach<br />
einer ersten Tasse „Süße Suppe“<br />
gibt es dann die eine oder andere<br />
kleine Sportübung. Damit der<br />
Kreislauf in Schwung kommt. Außerdem<br />
macht es ja auch Spaß!<br />
Daran schließen sich Einzel- <strong>und</strong><br />
Gruppenaktivitäten an. Beispielsweise<br />
wird hier musiziert <strong>und</strong><br />
gesungen oder mit kognitiven<br />
Gedächtnisübungen werden die<br />
vorhandenen Fähigkeiten gefordert.<br />
Um 13 Uhr ist dann Dienstübergabe.<br />
Da zieht sich das Team<br />
nicht ins Dienstzimmer zurück.<br />
Mittlerweile ist es nämlich zum<br />
Ritual geworden, im Beisein der<br />
Bewohner die Übergabe in der Bibliothek<br />
zu vollziehen.<br />
Die Arbeit mit an <strong>Demenz</strong><br />
erkrankten Menschen<br />
Ich habe so viel über <strong>Demenz</strong><br />
<strong>und</strong> die daraus folgenden Verhaltensauffälligkeiten<br />
gelesen, das<br />
ich mich frage, welche Voraussetzungen<br />
man eigentlich mitbringen<br />
muss, um hier zu arbeiten.<br />
René Helbig bestätigt mein Gefühl,<br />
dass man auf diesem Wohnbereich<br />
eine spezielle Eignung<br />
mitbringen muss. Zunächst ist da<br />
natürlich das nötige Fachwissen<br />
zum Thema <strong>Demenz</strong>, auch wenn<br />
man im Gr<strong>und</strong>e nie auslernt. Man<br />
macht jeden Tag neue Erfahrungen.<br />
Für diese muss man die nötige<br />
Offenheit mitbringen. Es ist<br />
aber einfach auch wichtig zu wissen,<br />
welche Möglichkeiten habe<br />
Nachrichten aus Berlin<br />
ich z. B. mit dem Bewohner zu<br />
kommunizieren, wenn die Sprachfähigkeit<br />
verloren geht.<br />
Eine gute Beobachtungsgabe,<br />
persönliche Reife, die Fähigkeit<br />
zur professionellen Distanz <strong>und</strong><br />
die Akzeptanz von ungewöhnlichem<br />
Verhalten sollte man schon<br />
mitbringen. Wer Dankbarkeit von<br />
den Bewohnern erwartet, kann<br />
hier nicht lange arbeiten. Umgekehrt<br />
ist ein respektvoller <strong>und</strong><br />
einfühlsamer Umgang mit den<br />
Bewohnern eine wichtige Fähigkeit,<br />
die man mitbringen sollte.<br />
Und nicht zuletzt muss man<br />
Teamfähigkeit mitbringen. Das<br />
klingt abgedroschen, aber es ist<br />
wichtig, sich mit den anderen Mitarbeitern<br />
auszutauschen <strong>und</strong> die<br />
guten <strong>und</strong> schlechten Momente<br />
in Teamsitzungen miteinander teilen<br />
zu können.<br />
Integrative Validation nach Nicole<br />
Richard<br />
Das Pflegekonzept, nach dem René<br />
Helbig <strong>und</strong> sein Team arbeiten,<br />
nennt man „Integrative Validation“.<br />
Kern dieses Konzeptes ist<br />
eine wertschätzende Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Umgangsform. Die<br />
Achtsamkeit für die individuellen<br />
Bedürfnisse des Bewohners <strong>und</strong><br />
für den emotionalen Gehalt von<br />
Worten <strong>und</strong> Handlungen stehen<br />
dabei im Fokus.<br />
Dass René Helbig stolz auf die Arbeit<br />
seine Teams ist, das merkt<br />
man ihm an. „Alle machen eine<br />
Superarbeit hier, engagieren sich<br />
<strong>und</strong> bringen die richtige Einstellung<br />
für dieses Berufsfeld mit.“<br />
Und dann erzählt er mir noch,<br />
dass der Bewohner, der nun am<br />
längsten auf dem Wohnbereich<br />
lebt, seit acht Jahren vom Pflegeteam<br />
begleitet wird. Ich finde,<br />
das spricht doch für die gute<br />
Pflege <strong>und</strong> Arbeit auf diesem<br />
Wohnbereich.<br />
Wie erleben Sie Angehörige<br />
beim Einzug ihrer an <strong>Demenz</strong><br />
erkrankten Verwandten?<br />
Viele Angehörige erscheinen oft<br />
hilflos, ratlos <strong>und</strong> vor allem überfordert<br />
im Umgang mit ihren Angehörigen.<br />
Wir stellen immer wieder<br />
fest, dass sie einen großen<br />
Nachholbedarf an Gesprächen<br />
haben. Oft ist es ja so, dass Menschen<br />
mit <strong>Demenz</strong> nicht mit dem<br />
Tag der Diagnose zu uns kommen,<br />
sondern erst dann, wenn man<br />
nicht mehr weiter weiß. Dann haben<br />
alle Betroffenen schon einen<br />
langen Weg hinter sich gebracht.<br />
Die Angehörigen sind dann dankbar<br />
für Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung<br />
beim Umgang mit Behörden (Antragstellung,<br />
Ummeldung bei Behörden<br />
etc.).<br />
Wir erleben es aber auch, dass<br />
Angehörige einfach nur froh sind,<br />
dass sie ihre Eltern unterbringen<br />
können, um entlastet zu sein.<br />
Mit welchen Erwartungen<br />
kommen die Angehörigen zu<br />
ihnen?<br />
Vielen Angehörigen merkt man ihre<br />
Überforderung <strong>und</strong> Kraftlosigkeit<br />
an. Wenn sie sich für einen<br />
Heimaufenthalt ihrer Angehörigen<br />
entschieden haben, wünschen<br />
manche eine R<strong>und</strong>-um-Betreuung<br />
durch die Einrichtung. Dies<br />
schließt manchmal die vollständige<br />
Übernahme der Verantwortung<br />
durch die Einrichtung ein. Jene<br />
wenigen Angehörigen wünschen<br />
beispielsweise, die komplette<br />
Übernahme aller anstehenden<br />
Hilfsleistungen wie Begleitung<br />
<strong>und</strong> Transfer zum Arzt, Hilfsmittelmanagement<br />
etc. Die Mehrheit<br />
unserer Angehörigen stehen<br />
Die Diagnose <strong>Demenz</strong><br />
ist auch für Angehörige<br />
eine Herausforderung.<br />
Von Jörn Federmann,<br />
Pflegedienstleiter, <strong>und</strong><br />
Diana Pohl, Sozial arbeiterin,<br />
wollte ich wissen, welche<br />
Erfahrungen beide im<br />
Umgang mit Angehörigen<br />
gemacht haben.<br />
jedoch in einem regen <strong>und</strong> positiven<br />
Informationsaustausch mit<br />
den Einrichtungen.<br />
Können Sie Veränderungen im<br />
Umgang von Angehörigen <strong>und</strong><br />
Ihren Bewohnern im Laufe der<br />
Zeit feststellen?<br />
Es ist in der Tat so, dass Angehörige,<br />
die wir beim Einzug vollkommen<br />
überfordert erleben<br />
mit der Zeit entspannter werden.<br />
Sie schöpfen Vertrauen <strong>und</strong><br />
können gelassener die Situation<br />
annehmen.<br />
Wir erleben es allerdings auch immer<br />
wieder, dass zwischen Eltern<br />
<strong>und</strong> Kindern ein Rollentausch<br />
stattgef<strong>und</strong>en hat. Die Eltern<br />
werden manchmal in die Rolle<br />
des Kindes gedrängt. Hier haben<br />
sich sehr deutlich die Rollen vertauscht.<br />
Oft passiert das ganz unbewusst.<br />
Leider ist es manchmal<br />
auch so, dass mit dem Wechsel<br />
der Rollen alte Fehden, Ungerechtigkeiten<br />
<strong>und</strong> Unzufriedenheiten,<br />
innerfamiliäre Konflikte eben,<br />
offen ausgelebt werden. Der an<br />
<strong>Demenz</strong> erkrankte Mensch kann<br />
sich ja aber nicht mehr wehren.<br />
insofern müssen wir oft zum<br />
Schutz unserer Bewohner intervenieren<br />
<strong>und</strong> das Gespräch mit den<br />
Angehörigen suchen.<br />
Schön ist es, wenn sich Angehörige<br />
<strong>und</strong> an <strong>Demenz</strong> erkrankte Be-<br />
Nachrichten aus Eisenach<br />
wohner mit der Loslösung voneinander<br />
wieder einander annähern<br />
können. Das klingt paradox, aber<br />
die gute Versorgung in unserer<br />
Einrichtung führt zur Normalisierung<br />
des Verhältnisses.<br />
Gibt es ein Erlebnis mit<br />
Angehörigen <strong>und</strong> Ihren an<br />
<strong>Demenz</strong> erkrankten Verwandten,<br />
an das Sie besonders gerne<br />
zurückdenken?<br />
Wir hatten einen Fall, an den<br />
wir gerne zurückdenken. Es ging<br />
um die Aufnahme eines an <strong>Demenz</strong><br />
erkrankten Mannes. Seine<br />
Frau war an Krebs erkrankt <strong>und</strong><br />
die schwächenden Chemotherapien<br />
machten die Dauerpflege<br />
des Mannes unmöglich. In den<br />
Gesprächen, die wir miteinander<br />
führten, merkte man, dass<br />
die Versorgung in einer stationären<br />
Einrichtung eigentlich nie in<br />
Betracht kam, aber die äußeren<br />
Umstände ließen keinen Raum<br />
für Alternativen. Wichtig war der<br />
Familie beim Einzug, dass die<br />
Ehefrau in ein Zimmer mit ihrem<br />
Mann ziehen konnte, falls die nötig<br />
werde. Das ließ sich einrichten.<br />
Mit dieser Zusage konnten<br />
alle leben. Der Bewohner hat<br />
sich dann gut eingelebt <strong>und</strong> das<br />
schaffte Vertrauen bei den Angehörigen.<br />
Dann trat der Fall ein,<br />
dass auch die Ehefrau in unsere<br />
Einrichtung zog, eben in ein Zimmer<br />
mit ihrem Mann. Zwischen<br />
den Pflegekräften <strong>und</strong> den Angehörigen<br />
entwickelte sich mit der<br />
Zeit ein großes Vertrauensverhältnis.<br />
Leider verstarb die Ehefrau<br />
dann einige Zeit später. Der<br />
Ehemann blieb mit der immer<br />
mehr fortschreitenden <strong>Demenz</strong><br />
zurück. Das hatte die Familie immer<br />
befürchtet. Aber die Ängste<br />
der Familie ließen sich durch das<br />
gewachsene Vertrauensverhältnis<br />
auffangen.<br />
HeimKurier | Oktober – 2011 Oktober – 2011 | HeimKurier<br />
9
Wenn die <strong>Demenz</strong> von einem<br />
Arzt erst einmal diagnostiziert<br />
wird, ist das<br />
für alle Beteiligten, Betroffene<br />
wie Angehörige, meist ein Schock.<br />
Aber man erinnert sich sogleich<br />
an Situationen, an Streitereien,<br />
an böse Worte, an Vergesslichkeiten,<br />
die plötzlich in einem ganz<br />
anderen Licht erscheinen.<br />
<strong>Demenz</strong> – was ist das eigentlich?<br />
Wortwörtlich übersetzt bedeutet<br />
es „ohne Geist“. Doch, was will<br />
das schon heißen? <strong>Demenz</strong> ist<br />
zunächst ein Oberbegriff für eine<br />
Vielzahl von Erkrankungen. Bei einer<br />
sog. primären <strong>Demenz</strong> sterben<br />
mit der Zeit Nervenzellen im<br />
Gehirn ab. Je nach dem, welche<br />
Region im Gehirn betroffen ist,<br />
hat das Auswirkungen auf unsere<br />
Sprache, das soziale Verhalten,<br />
<strong>und</strong> Erinnerungsvermögen.<br />
Die Ursachen für das Absterben<br />
der Nervenzellen sind vielfältig.<br />
Die am meisten verbreitete <strong>Demenz</strong><br />
ist die Alzheimererkrankung.<br />
Deshalb verwenden viele<br />
in Unkenntnis auch Alzheimer als<br />
Synonym für <strong>Demenz</strong>, aber sie ist<br />
eben nur eine Form der <strong>Demenz</strong>.<br />
Haben Sie Fragen zum Heimaufenthalt? Mehr Informationen erhalten Sie<br />
im „Haus <strong>Birkholz</strong>“ (Berlin) bei PETRA ENGLING<br />
E-Mail engling@birkholz-net.de<br />
Telefon 030 | 38 39 58 – 008<br />
Wo fi nden Sie Hilfe?<br />
Das B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen<br />
<strong>und</strong> Jugend (BMFSFJ) hat ein Internetportal eingerichtet,<br />
auf dem man sich informieren kann: www.<br />
wegweiser-demenz.de.<br />
Auf der Homepage der Deutschen Alzheimer Gesellschaft<br />
e. V. unter www.deutsche-alzheimer.de fi nden<br />
Sie Informationsbroschüren <strong>und</strong> Kontaktdaten<br />
von Beratungsstellen in Ihrer Nähe.<br />
Der Vincent-Verlag (www.altenpfl ege.vincentz.net/<br />
zeitschriften/demenz) bringt pro Jahr vier Themenhefte<br />
zum Thema <strong>Demenz</strong> heraus. Den Themenheften<br />
liegt ein kleines Heft bei:<br />
Diagnose:<br />
<strong>Demenz</strong><br />
<strong>Demenz</strong> – wie mit der Angst<br />
umgehen?<br />
<strong>Demenz</strong> macht uns Angst. Sie<br />
ist ein Schreckgespenst. Warum?<br />
Weil wir uns zumeist über<br />
unseren kognitiven Fähigkeiten<br />
als Mensch defi nieren. Für Angehörige<br />
ist es vor allem schwierig,<br />
wenn sie mit herausforderndem<br />
<strong>und</strong> aggressivem Verhalten umgehen<br />
müssen. Der Mensch, den<br />
sie zu kennen glaubten, entfernt<br />
sich immer mehr <strong>und</strong> dann steht<br />
man einem Fremden gegenüber.<br />
Jedenfalls fühlt es sich so an.<br />
Der Mensch ist ja immer noch da.<br />
Verletzte Gefühle <strong>und</strong> Scham für<br />
die eigene Ungeduld <strong>und</strong> Unfähigkeit,<br />
mit der Situation umzugehen,<br />
macht uns wütend: auf den<br />
anderen <strong>und</strong> uns selbst.<br />
<strong>Demenz</strong> – wenn die Sprache<br />
abhanden kommt<br />
Und dann verliert sich das, worüber<br />
wir uns ausdrücken <strong>und</strong> mitteilen:<br />
unsere Sprache. Doch ist<br />
im „Haus St. Annen“ (Eisenach) bei DIANA POHL<br />
E-Mail sozialdienst@birkholz-net.de<br />
Telefon 03691 | 716 – 2066<br />
Angehörige<br />
die Kommunikation dann wirklich<br />
am Ende? Worte scheinen nicht<br />
mehr relevant. Aber da ist ja noch<br />
mehr in uns als nur Worte. Unsere<br />
Gefühle leiten uns oft durch’s<br />
Leben, nicht nur die rationale Entscheidung.<br />
Und diese emotionale<br />
Ebene ist eine Möglichkeit in Kontakt<br />
zu treten. Das müssen alle<br />
Beteiligten lernen. Mit diesem<br />
neuen Sprachmittel umzugehen,<br />
das wir eigentlich immer in uns<br />
tragen <strong>und</strong> unsere Entscheidungen<br />
beeinfl usst.<br />
Es gibt vieles im Umgang mit der<br />
<strong>Demenz</strong> zu lernen <strong>und</strong> manchmal<br />
hat man als Angehöriger die Möglichkeit<br />
sich selbst <strong>und</strong> auch den<br />
anderen neu zu entdecken. Man<br />
muss es allerdings zulassen können.<br />
Dabei braucht man professionelle<br />
Hilfe. Wir haben einige<br />
Adressen zusammengetragen,<br />
wo Sie Informationen zum Thema<br />
<strong>Demenz</strong> erhalten können.<br />
Informationen erhalten Sie<br />
allerdings auch bei unseren<br />
Mitarbeitern <strong>und</strong> der Heimleitung.<br />
Wir stehen Ihnen<br />
gerne mit unserer Erfahrung<br />
zur Seite!<br />
<strong>Demenz</strong>.Leben<br />
Das Magazin für Angehörige <strong>und</strong> bürgerschaftlich<br />
Engagierte<br />
„In demenz.Leben werden Angehörige <strong>und</strong> bürgerschaftlich<br />
Engagierte genauso zu Wort kommen wie<br />
Experten. Die Autorinnen <strong>und</strong> Autoren zeigen praktische<br />
Wege auf, geben ihre Erfahrungen weiter <strong>und</strong><br />
schildern, was ihnen Kraftquelle ist. Im Service-Teil<br />
geht es um das, was Sie für die Begleitung von Menschen<br />
mit <strong>Demenz</strong> an Unterstützung benötigen <strong>und</strong><br />
wie Sie diese erhalten können.“ (Auszug aus der<br />
Homepage)<br />
Veranstaltungstipps Kopftraining<br />
Berlin<br />
Vorankündigung für<br />
November<br />
Am letzten Wochenende<br />
im November beginnt<br />
die Adventszeit.<br />
Jeden Sonntag bis<br />
Weinachten gibt es für<br />
unsere Bewohner <strong>und</strong><br />
deren Angehörige im<br />
Cafe Kaffee <strong>und</strong> Kuchen.<br />
Begleitet werden<br />
die Nachmittage mit Geschichten zur Weihnachtszeit<br />
<strong>und</strong> Musik. Beachten Sie die Aushänge. Über<br />
ein zahlreiches Erscheinen würden wir uns freuen.<br />
Eisenach<br />
Vorankündigung für<br />
November<br />
Am 11. November<br />
laden wir Sie<br />
herzlich zum<br />
Laternenfest ein.<br />
Da ziehen wir mit den<br />
Bewohnern um unser<br />
Haus. Mit Musik <strong>und</strong><br />
Laternen (gerne selbstgebastelt)<br />
gedenken<br />
wir St Martin. Danach werden wir gemeinsam zu<br />
Abend essen <strong>und</strong> mit Liedern <strong>und</strong> der Legende<br />
vom Hl. Martin den Abend ausklingen lassen.<br />
Wir freuen uns auf Sie.<br />
Angehörigenabend<br />
Am 24.11.2011 ab 18:00 Uhr fi ndet ein Angehörigenabend<br />
im Haus Felseneck statt. Wir würden<br />
uns freuen, wenn Sie den Termin in Ihrem Kalender<br />
anstreichen könnten.<br />
Wir freuen uns über Ihr zahlreiches Erscheinen.<br />
„Was gehört<br />
wohin ins Haus?“<br />
Ordnen Sie die Begriffe den vier Oberbegriffen zu:<br />
10 HeimKurier | Oktober – 2011 Oktober – 2011 | HeimKurier 11<br />
Rumtopf<br />
Bohrmaschine<br />
Waschpulver<br />
Schlauch<br />
Auto<br />
Bohrmaschine<br />
Wäscheklammer<br />
Mehl<br />
Limonadenkasten<br />
Winterreifen<br />
Weichspüler<br />
Dübel<br />
Keksdose<br />
Kindersitz<br />
Zuber<br />
Säge<br />
Teelichter<br />
Rosenmäher<br />
Trockner<br />
Akkuschrauber<br />
Schlauch<br />
Gallseife<br />
Weinfl aschen<br />
Wäscheleine<br />
Nägel<br />
Schmirgelpapier<br />
Kartoffelkiste<br />
Hammer<br />
Werkstatt<br />
Waschküche<br />
Vorratsraum<br />
Garage
Die<br />
<strong>Unternehmensgruppe</strong><br />
<strong>Birkholz</strong><br />
<strong>Unternehmensgruppe</strong> <strong>Birkholz</strong><br />
Inhaber: Martin-Michael <strong>Birkholz</strong><br />
Georgenstraße 64 | 99817 Eisenach<br />
Telefon 03691 | 716 – 0<br />
Fax 03691 | 716 – 220<br />
E-Mail info@birkholz-net.de<br />
Internet www.birkholz-net.de<br />
Seniorenpflege „Haus <strong>Birkholz</strong>“<br />
Gervinusstraße 40 | 10629 Berlin<br />
Telefon 030 | 38 39 58 – 011<br />
Verwaltung:<br />
Seniorenpflege „Haus <strong>Birkholz</strong>“<br />
Dahlmannstraße 31 | 10629 Berlin<br />
Telefon 030 | 38 39 58 – 0<br />
Fax 030 | 38 39 58 –13<br />
E-Mail berlin@birkholz-net.de<br />
Pflegenetzwerk St. Annen GmbH<br />
„Haus St. Annen“<br />
Georgenstraße 64 | 99817 Eisenach (Thüringen)<br />
Telefon 03691 | 716 – 0<br />
Fax 03691 | 716 – 220<br />
Jeder ist aufgefordert, sich an diesem neuen Heft zu beteiligen!<br />
Haben Sie Anregungen, Hinweise, Tipps oder Wünsche? Wir nehmen diese gerne entgegen.<br />
Schicken Sie eine E-Mail an die Redaktion unter info@klug-kroegler-journalistik.de