Download Methodenpapier - Geschichtswerkstatt Europa
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Die Brester Heldenfestung in Belarus' und Deutschland.<br />
Über Grenzen von Staaten und Disziplinen hinweg<br />
In der Sowjetunion, und heute im unabhängigen Belarus', stellte und stellt die Verteidigung der<br />
Brester Festung im Juni 1941 einen der zentralen Punkte der auf den Zweiten Weltkrieg<br />
bezogenen Geschichtsdiskurse dar. In Brest hielten Rotarmisten dem deutschen Angriff länger<br />
stand als an anderen Frontabschnitten, an denen die sowjetische Verteidigung innerhalb kurzer<br />
Zeit zusammenbrach.<br />
Der 22. Juni, der Tag des deutschen Überfalls, markiert den Beginn des „Großen Vaterländischen<br />
Krieges“. An diesem Tag findet alljährlich ein Treffen von Veteranen, offiziellen Vertretern des<br />
Staates und anderen am Ufer des Bug, nahe der Brester Festung, statt. Diese<br />
Gedenkveranstaltung, die Berichterstattung über sie in den Massenmedien sowie die Gedenkstätte<br />
„Brester Heldenfestung“ mit ihren Denkmälern und Museumsausstellungen wird im Zentrum<br />
unsere Untersuchung stehen.<br />
Neben den belarussischen Narrativen werden wir auch deutsche in unsere Untersuchungen<br />
einbeziehen: In Deutschland werden wir die Darstellung des Beginns des deutsch-sowjetischen<br />
Krieges in Berliner Museen unter die Lupe nehmen.<br />
Über eine reine Dokumentation unserer Funde hinaus, beabsichtigen wir Präsentationsformen und<br />
dahinterstehende Intentionen sowie Rituale im Umgang mit der Geschichte zu analysieren.<br />
Unsere Untersuchungsmethode orientiert sich an Historischer Diskursanalyse (Ganzer 2005,<br />
S. 31-36; Wodak et al. 1998) und Museumsanalyse (Kollmann/Schreiber 2008). Denkmäler<br />
werden ebenso wie Museumsausstellungen und der Einsatz von Licht und Raum als Texte<br />
aufgefaßt, die eine mehr oder weniger konsistente Geschichte erzählen und eine Botschaft<br />
vermitteln wollen. Diese Texte sind auf bestimmte „privilegierte Signifikanten“ (Sarasin 2001)<br />
konzentriert und schweigen von bestimmten anderen Aspekten der historischen Entwicklungen<br />
und Ereignisse, die in der Lage wären, die Intentionen der offiziell gemachten Narrative zu<br />
untergraben.<br />
Unsere Leitfragen werden sein:<br />
- Wie wird die Geschichte erzählt?<br />
- Welche Elemente werden hervorgehoben?<br />
- Was wird verborgen oder völlig verschwiegen?<br />
- Was sind die Botschaften an die Besucher?
Bei der Analyse der Narration werden wir Genderfragen einbeziehen:<br />
- Werden Besucherinnen und Besucher gleichermaßen angesprochen?<br />
- Welche Männer- und Frauenbilder werden präsentiert?<br />
Das Territorium der Gedenkstätte mit seinen Ruinen, Installationen, Denkmälern und Gedenktafeln<br />
stellt einen festen Bestandteil der Erinnerungstopographie der Stadt Brest dar. Hier wird die<br />
Narration in Stein, Stahlbeton, Raum und Klängen fortgeschrieben. Daher Werden wir es in unsere<br />
Untersuchung einbeziehen.<br />
In Deutschland hingegen ist „Brest“ weitgehend unbekannt. Dennoch werden wir folgenden Frage<br />
nachgehen:<br />
- Wie wird der Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges in wichtigen deutschen Museen<br />
dargestellt?<br />
- Wie wird die Verteidigung der Brester Festung gezeigt?<br />
Schließlich werden wir die Narrationen, die wir in den beiden Ländern gefunden haben werden,<br />
miteinander vergleichen. Das Projekt zielt auf tiefere Einsichten in die unterschiedlichen<br />
Perzeptionen der Kämpfe in Brest in Belarus' und Deutschland. Die Brester Festung stellt eine<br />
wichtige „Schicht der Erinnerung“ in der post-sowjetischen Welt dar. Darüber hinaus markiert sie<br />
aber auch eine der „Kluften der Erinnerung“ (Osteuropa 4-6/2005), da die Brester Ereignisse von<br />
Juni 1941 im Westen kaum bekannt sind. Die Projektergebnisse werden als Beitrag zur<br />
Überbrückung dieser Kluft verstanden.<br />
Christian Ganzer<br />
Alena Pashkovich<br />
Literatur:<br />
Christian Ganzer: Sowjetisches Erbe und ukrainische Nation. Das Museum der Geschichte<br />
des Zaporoger Kosakentums auf der Insel Chortycja. Mit einem Vorwort von Frank<br />
Golczewski. Stuttgart 2005 (Soviet and Post-Soviet Politics and Society, vol. 19).<br />
Kluften der Erinnerung. Rußland und Deutschland 60 Jahre nach dem Krieg. Osteuropa 4-<br />
6/2005.<br />
Catrin Kollmann, Waltraud Schreiber: Museen durchschauen. Praxistipps für<br />
kompetenzorientiertes Lernen (DVD mit Begleitheft). Eichstätt 2008.<br />
Philip Sarasin: „Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft.“ In: Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner;<br />
Viehöver, Willy (eds.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Vol. 1: Theorien und Methoden. Opladen<br />
2001, p. 53-79.<br />
Ruth Wodak u.a.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt/M. 1998.
The Brest hero-fortress in Belarus' and Germany.<br />
Across borders of states and disciplines<br />
In the Soviet Union, and now in independent Belarus', the defence of the Brest fortress in June<br />
1941, when soldiers of the Red Army withstood the German assault longer than at other places,<br />
while the Red Army otherwise collapsed at most sections of the front, was and remains to be a<br />
focal point in historical discourses pertaining to WWII and a prime example of how the (Soviet)<br />
citizen should serve the state.<br />
June 22nd, the day of the German assault, marks the beginning of the “Great Patriotic war”. On<br />
this day annually a meeting of veterans, officials and others takes place on the banks of the river<br />
Bug, near the Fortress. This meeting and its public perception as well as coverage in mass media,<br />
together with the memorial of the Brest Hero-Fortress and its museum's exhibitions, will be at the<br />
centre of our research. Not only Belarusian, but also German narrations will be subject to research:<br />
In Germany we will include the presentation of the beginning of the war in Berlin museums. Going<br />
beyond a mere documentation of our findings, we will strive to assess the manner of presentation<br />
and underlying intentions in museum exhibitions and ritual enactments accompanying historical<br />
anniversaries. Our methods of research are orientated on historical discourse analysis (Ganzer<br />
2005, p. 31-36; Wodak et al. 1998) and museological analysis (Kollmann/Schreiber 2008).<br />
Monuments as well as museum exhibitions, working with light and space, will be perceived as texts<br />
that tell a more or less consistent story, passing on a particular message. These texts focus on<br />
“privileged signifiers” (Sarasin 2001) and disregard certain aspects of given historical<br />
developments and events that might endanger the intentions of (ultimately) officialised narrations.<br />
Our leading questions will be:<br />
- How is the story told?<br />
- What elements are highlighted?<br />
- What is hidden or left out?<br />
- What are the messages to the visitors?<br />
Analysing the narration we will explicitly include gender aspects:<br />
- Are male and female visitors addressed equally?<br />
- What images of men and women are presented?<br />
The territory of the memorial site with its ruins, installations, monuments and commemorative signs<br />
forms an integral part of Brest's mnemonic topography. Here the narrative is continued in stone,<br />
ferroconcrete, space, and sounds. It will be included into our analysis. In Germany, on the other<br />
hand, the Brest incident is not very prominent. Nevertheless we will undertake to answer the
following questions:<br />
- How is the beginning of the war presented in central German museums?<br />
- How is the defence of the Brest fortress shown?<br />
Finally, we will compare the narrations we will have found in the two countries. The project aims at<br />
gaining deeper insight into the different perceptions of the Brest incident in Germany and Belarus.<br />
The Brest Fortress constitutes a prominent “layer of remembrance” in the post-Soviet world.<br />
Furthermore it marks one of the “divides of remembrance” (Osteuropa 4-6/2005), taking into<br />
account that the event is hardly known in the West. The project results are seen as a contribution<br />
to bridge this divide.<br />
Christian Ganzer<br />
Alena Pashkovich<br />
Literature:<br />
Christian Ganzer: Sowjetisches Erbe und ukrainische Nation. Das Museum der Geschichte des Zaporoger Kosakentums<br />
auf der Insel Chortycja. Mit einem Vorwort von Frank Golczewski. Stuttgart 2005 (Soviet and Post-Soviet Politics and<br />
Society, vol. 19). Kluften der Erinnerung. Rußland und Deutschland 60 Jahre nach dem Krieg. Osteuropa 4-6/2005.<br />
Catrin Kollmann, Waltraud Schreiber: Museen durchschauen. Praxistipps für kompetenzorientiertes Lernen (DVD mit<br />
Begleitheft). Eichstätt 2008.<br />
Philip Sarasin: „Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft.“ In: Keller, Reiner; Hirseland,<br />
Andreas; Schneider, Werner; Viehöver, Willy (eds.): Handbuch Sozialwissenschaftliche<br />
Diskursanalyse. Vol. 1: Theorien und Methoden. Opladen 2001, p. 53-79.<br />
Ruth Wodak u.a.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt/M. 1998.<br />
Dieses Projekt wird im Rahmen der <strong>Geschichtswerkstatt</strong> <strong>Europa</strong> realisiert. Es ist eins von 28 europäischen Projekten, die<br />
2009 zum Thema „Schichten der Erinnerung“ mit Mitteln der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gefördert<br />
werden.<br />
Die <strong>Geschichtswerkstatt</strong> <strong>Europa</strong> ist ein Programm der Stiftung EVZ zur Auseinandersetzung mit europäischer<br />
Erinnerung. Die Förderung von Projekten wird vom Institut für angewandte Geschichte in Kooperation mit der <strong>Europa</strong>-<br />
Universität Viadrina koordiniert. Das Internationale Forum wird vom Global and European Studies Institute der<br />
Universität Leipzig ausgerichtet.<br />
Zitierweise<br />
Ganzer, Christian / Pashkovich, Alena: Die Brester Heldenfestung in Belarus' und Deutschland.<br />
Über Grenzen von Staaten und Disziplinen hinweg, in: <strong>Geschichtswerkstatt</strong> <strong>Europa</strong>, 16.07.2009,<br />
<br />
Copyright (c) 2009 by Geschichtswerksatt <strong>Europa</strong> and the author, all rights reserved. This work may be copied and<br />
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For permission please contact europa@instytut.net.