-Zeitung - GEW
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5/02<br />
-<strong>Zeitung</strong><br />
111. Jahrgang<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Schwerpunkt:<br />
Werteerziehung am<br />
GHS-Studienseminar<br />
Kaiserslautern (S. 7 f.)<br />
LehrerInnenbildung ( S. 4 - 10)<br />
Foto: Seifert<br />
„Auch die Hochschulen müssen die Lernkultur der Wissensmast überwinden!“ (Prof. Arnold)
Editorial / Inhalt / Impressum<br />
282 ist mehr als 281<br />
Eigentlich nicht zu glauben und doch<br />
wahr: Ferienzeit, draußen ist es ungemütlich<br />
kalt und windig, viele KollegInnen<br />
genießen in südlichen Gefilden die Frühlingssonne,<br />
während der Redakteur am<br />
Schreibtisch sitzt und .... (nein, nicht<br />
schlecht), sondern tatsächlich gut gelaunt<br />
ist. Krank im Kopf? Workaholic? Sichzuwichtignehmer?<br />
Möglicherweise, aber der<br />
Grund für die gute Stimmung ist ein anderer:<br />
Es sind die zahlreichen Stellungnahmen<br />
von Kollegien zur so genannten<br />
Leistungsprämie (vgl. S. 12), die Freude aufkommen lassen. Ausführliche,<br />
klug formulierte Resolutionen, engagiert vorgebrachte Argumentationen<br />
mit vielfältigen Begründungen sind da zu lesen, durch die sich wie ein<br />
roter Faden eine imponierende Grundhaltung zieht: Das Gefühl, im pädagogischen<br />
Ethos zutiefst verletzt zu sein durch die auf erschreckende Praxisferne<br />
verweisende ministerielle Idee, mit lächerlichen Prämien für einzelne<br />
die Motivation der Lehrkräfte insgesamt und die Qualität der schulischen<br />
Arbeit steigern zu können, statt das zu tun, was überfällig ist, nämlich<br />
für wirksame Entlastung der KollegInnen zu sorgen. Und diese Resolutionen<br />
sind ja nur die Spitze des Eisbergs der Ablehnung. An vielen Schulen<br />
wurde die Prämierung halt zähneknirschend durchgezogen, weil sie von<br />
oben angeordnet war. Sollten sich die Verantwortlichen in der Schulverwaltung<br />
mal die Mühe machen, welche Leistungen tatsächlich belohnt<br />
wurden, werden sie feststellen können, dass es gerade eben nicht die „herausragenden<br />
unterrichtlichen Leistungen“, sondern irgendwelche Zusatztätigkeiten<br />
waren, die den Ausschlag gaben: die <strong>Zeitung</strong>s-AG betreut, das<br />
Schulfest organisiert, die Streitschlichtergruppe initiiert usw. Engagement<br />
also, das es schon vor den Prämien gab (und auch danach noch geben<br />
wird) und im Selbstverständnis der meisten Lehrkräfte Bestandteil ihrer<br />
pädagogischen Arbeit ist.<br />
Dass viele Schulleitungen diesen Weg der Belohnung von Sonderaufgaben<br />
gegangen sind, ist ihnen nicht zu verdenken. Denn wer kann tatsächlich<br />
über die kontinuierliche und nachhaltige Qualität von Unterrichtsarbeit<br />
urteilen? SchulleiterInnen bestimmt nicht. Alle diesbezüglichen Bewertungen<br />
beruhen auf Lehrprobensituationen, in denen - meist mit solidarischer<br />
Unterstützung der Klassen - eine Show abgezogen wird, in der die, die<br />
vorne stehen, versuchen das zu machen, was die erwarten, die hinten sitzen.<br />
Mit Routine und Cleverness wird dann ein didaktisches Feuerwerk<br />
inszeniert, das meist mit der schulischen Realität so viel zu tun hat wie die<br />
gespielte Empörung der CDU im Bundesrat bei der Abstimmung über das<br />
Zuwanderungsgesetz mit echter Betroffenheit.<br />
Schule und Politik als Showbühnen.<br />
Dieses Dilemma zeigt sich auch bei einem anderen Thema, dessen Auswirkungen<br />
in den nächsten Tagen bei wenigen für Freude, bei vielen aber für<br />
Frust sorgen wird. Die Rede ist vom 18. Mai, an dem einige glückliche<br />
StudienrätInnen ihre Urkunden ausgehändigt bekommen, denen zufolge<br />
sie dann ein „Ober“ vor ihrer Dienstbezeichnung tragen und mehr Geld<br />
für die gleiche Arbeit bekommen dürfen. Ärgerlich für all jene, die nicht<br />
zu den Glücklichen gehören, ist dabei: Sie können nicht darauf vertrauen,<br />
im nächsten oder im übernächsten Jahr, auch nicht in drei, vier oder fünf<br />
Jahren dabei zu sein. Dies liegt daran, dass nach der Klage einer Gymnasiallehrerin<br />
die Wartezeit keine Rolle mehr spielen darf und nur nach der<br />
dienstlichen Beurteilung ausgewählt wird. Im letzten Jahr kamen deshalb<br />
schon ausschließlich KollegInnen in den Genuss der Beförderung, die mit<br />
„sehr gut“ abgeschnitten hatten, während zuvor ein „Gut“ oder gar ein<br />
„Befriedigend“ plus eine entsprechende Anzahl von Dienstjahren ausreichen<br />
konnten. Die letztjährige Regelung - für die das Ministerium ja nichts<br />
konnte - wurde jetzt durch neue Beurteilungsrichtlinien nochmals verschärft,<br />
man könnte auch sagen: ins Absurde gesteigert. Statt der früheren<br />
sechs Notenstufen gibt es nämlich neuerdings ein Punktesystem, das sage<br />
und schreibe 300 erreichbare Punkte umfasst. Die frühere „Eins“ reicht<br />
nun von 241 bis 300 Punkten. So kann es kaum mehr Klagen geben: 282<br />
ist schließlich besser als 281!<br />
Alles paletti und gerecht? Fürwahr nicht: Die Summe von subjektiven Punktebewertungen<br />
durch SchulleiterInnen, die trotz der detailliertesten Vorgaben<br />
immer ihre individuelle Beurteilungspraxis, ihre Vorlieben, ihre Sympathien<br />
und Antipathien haben werden, ergibt noch lange keine Objektivität,<br />
sondern nur Scheingerechtigkeit und führt zu Verbitterung, Streit<br />
und Hader in den Kollegien. Ein perfekter Beitrag zu Demotivierung für<br />
alle jene, die nicht bereit sind, sich in A 14 zu schleimen. Oder auch eine<br />
neue Möglichkeit, die Leistungsprämie zu verteilen. Vermerk in der Dienstakte:<br />
„Kollege XY bringt seit Jahren sehr gute Leistungen (281 Punkte),<br />
wurde aber nicht befördert. Die Prämie soll ihn trösten und anspornen.“<br />
Womit auch der Übergang von ernsten zum nicht ganz so ernsten Teil<br />
dieser Rubrik geschafft wäre: unser Orden „Setzen! Sechs!“ für sprachliche<br />
Fehlleistungen. Hier hat sich diesmal die SPD unangefochten durchgesetzt<br />
für die unangemessene, angeberische Verwendung von Fremdwörtern. Den<br />
Orden hätte sie auch verdient für die komische Abkürzung „Kampa 2002“.<br />
In deren Rahmen, also wohl dem erweiterten Wahlkampf für die Bundestagswahl,<br />
fand im März eine hochkarätig besetzte Veranstaltung in Mainz<br />
statt mit dem üblichen Ablauf. Die beiden letzten Punkte bildeten Podiumsdiskussionen<br />
um Bildungs- und um Wissenschaftspolitik. Und jetzt<br />
kommt es: „Panel 1“ und „Panel 2“ wurden die genannt. Was - um Himmels<br />
Willen - ist ein „Panel“? Wir Pfälzer benutzen ein Pännel, wenn wir<br />
eine Kleinigkeit brutzeln wollen, und wenn es uns ganz dreckig geht, brauchen<br />
wir ein Bettpännel. Aber wozu braucht die SPD ein „Panel“? Wir<br />
warten gespannt auf Auskunft.<br />
Günter Helfrich<br />
Aus dem Inhalt <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 5 / 2002:<br />
Editorial: „282 ist mehr als 281“ Seite 2<br />
Kommentar: Tilman Boehlkau: Qualität entwickeln<br />
Eva-Maria Stange: Wir wollen andere Bildungspolitik Seite 3<br />
Schwerpunkt: LehrerInnnenbildung Seiten 4 - 10<br />
Schulen Seiten 11 - 15<br />
LeserInnenbriefe Seite 16<br />
Hochschulen / Internationales Seiten 17 - 20<br />
Alter + Ruhestand Seite 21<br />
Rechtsschutz Seiten 22 - 25<br />
Tipps + Termine Seiten 26 - 28<br />
Kreis + Region / <strong>GEW</strong>-Intern Seiten 29 - 31<br />
Schulgeist Seite 32<br />
Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz<br />
Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116<br />
Mainz, Tel.: (0 61 31) 28988-0, Fax: (06131) 28988-80, E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-Rheinland-Pfalz.de<br />
Redaktion: Günter Helfrich (verantw.) und Karin Helfrich, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen,<br />
Tel./ Fax: (0621) 564995, e-mail: <strong>GEW</strong>ZTGRL1@aol.com; Ursel Karch ( Anzeigen), Arnimstr.<br />
14, 67063 Ludwigshafen, Tel.: (0621) 69 73 97, Fax.: (0621) 6 33 99 90, e-mail:<br />
UKarch5580@aol.com; Antje Fries, Rheindürkheimer Str. 3, 67574 Osthofen, Tel./Fax: (0 62 42)<br />
91 57 13, e-mail: antje.fries@gmx.de<br />
Verlag, Satz und Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433 Neustadt a.d.W.,<br />
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Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen<br />
nicht in jedem Falle der Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes oder der Redaktion. Nur maschinengeschriebene<br />
Manuskripte können angenommen werden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine<br />
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Rheinland-Pfalz werden nach 67023 Ludwigshafen, Postfach 22 02 23, erbeten.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglieder jährlich Euro 18,-- incl. Porto<br />
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Im anderen Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />
Anzeigenpreisliste Nr. 12 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluss: jeweils der 5. des Vormonats.<br />
2 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Kommentar<br />
„Qualität entwickeln -<br />
Arbeitsbedingungen verbessern“<br />
Es wird Zeit, dass sich die<br />
<strong>GEW</strong> bundesweit der Themen<br />
Arbeitsplatzabbau,<br />
Ressourcenkürzungen, LehrerInnen-Mangel,<br />
Arbeitsbelastung,<br />
Arbeitszeit und<br />
Ausbildungsbedingungen<br />
annimmt.<br />
In den letzten 10 Jahren<br />
können wir als Rheinland-<br />
PfälzerInnen davon ein<br />
trauriges Lied singen. Die<br />
Auswirkungen der o. g. Belastungen<br />
zeigen sich von<br />
Jahr zu Jahr deutlicher an<br />
der steigenden Zahl von Frühpensionierungen<br />
bzw. der steigenden Zahl an Altersteilzeitanträgen<br />
im Blockmodell: Nur<br />
ja früh raus aus der Schule, denn die immer<br />
höheren Belastungen machen krank.<br />
Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass die<br />
<strong>GEW</strong> dieses Thema in den nächsten zwei<br />
Jahren vorrangig auf ihre Agenda setzt.<br />
Es ist gut, weil wir dadurch in die Offensive<br />
geraten und nicht immer auf die<br />
Beschlüsse der einzelnen Bildungs- oder<br />
Kultusministerien reagieren müssen. Wir<br />
können und müssen der Gesellschaft, den<br />
PolitikerInnen, den Landesregierungen,<br />
den Landesministerien sagen, dass unsere<br />
Profession Anerkennung braucht - und<br />
nicht negative Kommentare, dass wir die<br />
notwendigen Ressourcen zum qualitativen<br />
Ausbau der Bildungseinrichtungen<br />
brauchen - und nicht ständige Kürzun-<br />
gen hinnehmen wollen und können. Wer<br />
Qualitätsentwicklung und Beteiligung an<br />
den Prozessen wünscht, muss auch die<br />
Rahmenbedingungen schaffen, damit<br />
„Qualität entwickelt“ werden kann.<br />
Die Ausgangslage der bundesweiten Kampagne<br />
sind die Beschlüsse des Gewerkschaftstages<br />
2001 in Lübeck zur „Lehrerarbeitszeit“,<br />
zu „Bildung von Anfang<br />
an“, „Eine Schule für alle“, „Zusammenarbeit<br />
Jugendhilfe und Schule“, „Eckpunkte<br />
zur Lehrerbildung“, die PISA-<br />
Studie und die Ergebnisse des Forums<br />
Bildung. Alle diese Themen bilden eine<br />
gute Grundlage, um offensiv auf die lange<br />
Zeit vernachlässigten Bildungseinrichtungen<br />
öffentlich aufmerksam zu machen.<br />
Deshalb hat die Vorbereitungsgruppe,<br />
die im Auftrag des Hauptvorstandes<br />
die Aufgaben der Kampagne skizziert hat,<br />
u. a. folgende Schwerpunkte für die Kampagne<br />
gesetzt:<br />
* Zur Verbesserung der Qualität im Bildungswesen<br />
und zur Durchsetzung von<br />
Bildungsreformen muss eine Kampagne<br />
nach innen und außen initiiert werden,<br />
die die Bedingungen und Zielrichtung<br />
von mehr Qualität in den Bildungseinrichtungen<br />
kommuniziert, um die Verbesserung<br />
von Arbeitsbedingungen und<br />
bildungspolitische Reformen als sich gegenseitig<br />
bedingende Voraussetzungen<br />
durchzusetzen<br />
* In der Öffentlichkeit muss deutlich<br />
werden, dass die Qualitätsziele nur mit<br />
Wir wollen eine andere Bildungspolitik<br />
Am 13. Juni 2002 tagen<br />
die Ministerpräsidenten in<br />
Berlin. Sie stellen die Weichen<br />
für die Bildungspolitik<br />
in ihren Ländern. Eine<br />
Richtungsänderung ist<br />
dringend von Nöten. Die<br />
Signale müssen jetzt auf<br />
Zukunft gestellt werden.<br />
Die <strong>GEW</strong> ruft auf, dafür<br />
am 12. Juni 2002 in Berlin<br />
zu demonstrieren.<br />
Investitionen in die Bildung<br />
sind Investitionen in<br />
die junge Generation und in die Zukunft<br />
der Gesellschaft. Die <strong>GEW</strong> ruft auf, jetzt<br />
deutliche Zeichen zu setzen. Gerade nach<br />
den Erkenntnissen der PISA-Studie ist<br />
Handeln dringend erforderlich. Deutsch-<br />
und nicht gegen die Lehrkräfte und nur<br />
durch Verbesserungen der Lehr- und<br />
Lernbedingungen erreicht werden können.<br />
* Organisationsintern muss kommuniziert<br />
werden, dass die öffentliche Akzeptanz<br />
und Unterstützung der Forderung<br />
nach verbesserten Lehr- und Lernbedingungen<br />
in dem Maße zunehmen, in dem<br />
dadurch Effekte für das Erreichen von<br />
Qualitätszielen plausibel werden.<br />
Die Kampagne startet mit einem ersten<br />
Paukenschlag am 12. Juni 2002: einer<br />
bundesweiten zentralen Kundgebung in<br />
Berlin, zu der ich schon heute aufrufe.<br />
(Vgl. auch den Text unserer Bundesvorsitzenden<br />
Eva-Maria Stange unten.)<br />
Der Landesvorstand hat am 13. März<br />
2002 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die<br />
im Rahmen der bundesweiten <strong>GEW</strong>-<br />
Kampagne ihre Zielstellungen für die<br />
<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz entwickelt und<br />
Aktionen vorbereitet. Eine erste Aktion<br />
ist schon angelaufen, indem wir alle Personalräte<br />
der Schulen um ihre Meinung<br />
zur „leistungsbezogenen Honorierung“<br />
und die Mitglieder des Landesvorstandes<br />
bzw. der Landesfachgruppenkonferenzen<br />
gebeten haben, einen Fragebogen zum<br />
„Stimmungsbild in der <strong>GEW</strong> Rheinland-<br />
Pfalz“ auszufüllen und an uns zurück zu<br />
senden. Beide Ergebnisse werden wir exakt<br />
auswerten und in unsere landesweiten<br />
Aktionen im Rahmen der bundesweiten<br />
Kampagne einbeziehen.<br />
Über den weiteren Verlauf der Kampagne<br />
werden wir berichten.<br />
Tilman Boehlkau<br />
land braucht ein leistungsfähiges und in<br />
die Gesellschaft eingebundenes modernes<br />
Bildungssystem, das den Bedürfnissen von<br />
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen<br />
gerecht wird.<br />
Die Ministerpräsidenten dürfen nicht<br />
länger unter der Forderung nach weiteren<br />
Steuerentlastungen für Gewinne und<br />
Vermögen einknicken. Sie müssen der<br />
Bildung endlich Priorität geben. Bildung<br />
braucht Unterstützung und Förderung<br />
statt Druck und Auslese.<br />
Die <strong>GEW</strong> ruft die Beschäftigten aus allen<br />
Bildungseinrichtungen, die Lehrenden<br />
und die Lernenden, Eltern und alle<br />
an Bildung und Erziehung Interessierten<br />
aus allen Bundesländern auf, am 12.<br />
Juni nach Berlin zu kommen.<br />
* Wir dürfen nicht zulassen, dass die vorhandenen<br />
Unterschiede zwischen den einzelnen<br />
Bundesländern nur als Argument<br />
dazu dienen, die Kürzungsschraube weiter<br />
in Gang zu setzen. Wir lassen uns<br />
nicht gegeneinander ausspielen.<br />
* Wir wollen, dass ein Ruck durch diese<br />
Gesellschaft geht und Bildung in Deutschland<br />
einen höheren Stellenwert erhält.<br />
* Wir wollen, dass unsere Arbeit endlich<br />
wieder anerkannt und unterstützt wird.<br />
* Wir wollen der Spirale der ständigen<br />
Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen<br />
ein Ende setzen.<br />
Im Namen des Hauptvorstandes rufe ich<br />
dazu auf, für die gemeinsame Demonstration<br />
und Kundgebung in Berlin zu<br />
mobilisieren und dafür zu sorgen, dass<br />
wir ein unvergessliches Zeichen für eine<br />
andere Bildungskultur in diesem Lande<br />
setzen.<br />
Eva-Maria Stange<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
3
Schwerpunkt<br />
„Hochschulen müssen Wissensmast überwinden!“<br />
Anmerkungen von Prof. Arnold zur PISA-Kontroverse zwischen Landau und Koblenz<br />
Unter der Überschrift „Doofe Studis<br />
oder schlechte Profs“ hatte in der<br />
letzten <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> unser Mitarbeiter<br />
Paul Schwarz über eine Kontroverse<br />
zwischen den Hochschullehrern<br />
Roman Heiligenthal (Landau)<br />
und Rudi Krawitz (Koblenz) berichtet,<br />
welche Konsequenzen aus<br />
der PISA-Studie für die Ausbildung<br />
von Lehrkräften zu ziehen seien.<br />
Im folgenden Text nimmt Rolf Arnold<br />
von der Universität Kaiserslautern<br />
aus seiner Sicht Stellung dazu<br />
und skizziert dabei Perspektiven einer<br />
zukunftsgerechten Lehrerbildung.<br />
„Während die PISA-Debatte immerhin<br />
den - hoffentlich andauernden -<br />
Effekt hat, dass die Akteure des Bildungswesens<br />
zumindest anfangen,<br />
nachdrücklicher über notwendige<br />
Reformen nachzudenken, gibt es<br />
Wissenschaftler - wie den Abteilungsleiter<br />
der Landauer Hochschule<br />
-, die sich dem alten, aber selbstgerechten<br />
Spiel des „Haltet den<br />
Dieb“ hingeben: Schuld an der Misere<br />
sind grundsätzlich die anderen,<br />
die Lernenden selbst, die „Spaßgesellschaft“<br />
oder die mit ihr verbundene<br />
Aufweichung der Leistungskultur<br />
- so die bequemen Schuldzuweisungsargumentationen<br />
derer, die sich<br />
selbst nicht infrage stellen und glauben,<br />
ihrerseits bereits alles Erforderliche<br />
für ein nachhaltiges wissenschaftliches<br />
Lernen getan zu haben.<br />
Einer solchen Selbstgerechtigkeit<br />
entgeht, dass auch und gerade die<br />
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen,<br />
die für die Lehrerbildung<br />
verantwortlich sind, in ihrer Lehresoweit<br />
wie möglich - auch das erlebbar<br />
werden lassen müssen, was man<br />
an Lehrformen von den späteren<br />
Lehrerinnen und Lehrern selbst heute<br />
berechtigterweise erwarten muss.<br />
Während das Wissen selbst sich beständig<br />
wandelt und neben den deklarativen<br />
Wissensformen das aktive<br />
Wissen (Argyris) in allen Bereichen<br />
der Gesellschaft an Bedeutung<br />
gewinnt, können Wissenschaftlerin-<br />
nen und Wissenschaftler nicht an<br />
einem „Weiter-so-wie-bisher“ festhalten,<br />
sondern müssen ihre Funktion<br />
als Forschende und Lehrende<br />
weiterentwickeln: Auch wissenschaftliches<br />
Lernen muss als selbstgesteuerte<br />
Aneignung in arrangierten<br />
Lern- und Problemlösungskontexten<br />
gestaltet werden, um so auf den<br />
„Umgang mit Wissen“ (statt auf die<br />
Speicherung von Wissen) professionell<br />
vorzubereiten. Dies erfordert<br />
eine entsprechende Verantwortung<br />
der „Lehrenden“ für das Arrangement<br />
und die Ermöglichung entsprechender<br />
Lernanlässe, und man kann<br />
sich nicht dadurch „herausreden“,<br />
dass man dies „aufgrund ihres Abiturs“<br />
(Heiligenthal) von den Lernenden<br />
erwartet, ohne selbst die eigenen<br />
Lehrformen weiterentwickeln oder<br />
verändern zu wollen.<br />
Die Klage über die nachlassende<br />
Qualität der nachwachsenden Generation<br />
ist so alt wie die akademische<br />
Bildung selbst. Bereits von Sokrates<br />
sind entsprechende Klagen überliefert,<br />
doch zeigt die Debatte der letzten<br />
Jahre auch sehr deutlich, dass von<br />
einem einheitlichen Kompetenzverfall<br />
der Jugend keine Rede sein kann:<br />
SchülerInnen und Studierende können<br />
heute anderes als früher, sie verfügen<br />
über z.T. erstaunliche Selbstorganisationsfähigkeiten,<br />
was die Finanzierung<br />
und Gestaltung ihrer<br />
Lebenswelt betrifft, und im Bereich<br />
der Nutzung und Anwendung der<br />
neuen Technologien hat sich die traditionelle<br />
Arbeitsteilung zwischen<br />
Lehrenden und Lernenden vielfach<br />
schon längst umgekehrt: Es sind heute<br />
an den Hochschulen und Universitäten<br />
zumeist die Studierenden, die<br />
„ihren“ Profs hier erklärend und gestaltend<br />
zur Hand gehen. Und wer<br />
mit seinen Studierenden selbstgesteuerte<br />
Lernprozesse durchläuft, sie<br />
in Projektkontexten an selbstständige<br />
Problembearbeitung „setzt“ 1 , weiß<br />
auch, dass ihm dies zumeist mit einem<br />
erstaunlichen Engagement und<br />
beeindruckenden Arbeitsergebnissen<br />
Prof. Dr. Rolf Arnold: „Auch wissenschaftliches<br />
Lernen muss als selbstgesteuerte<br />
Aneignung in arrangierten<br />
Lern- und Problemlösungskontexten<br />
gestaltet werden, um so auf den „Umgang<br />
mit Wissen“ professionell vorzubereiten.“<br />
„gedankt“ wird. Könnte es nicht sein,<br />
dass die bequeme Klage über das<br />
Nachlassen der Lernenden einen<br />
Sachverhalt beschreibt, der sich bei<br />
genauerer Analyse als Echo auf ein<br />
einfallsloses und seit Jahrzehnten<br />
„starres“ Konzept wissenschaftlicher<br />
Lehre im Sinne einer erschlagenden<br />
und wenig nutzerorientiert didaktisierten<br />
Wissensmast darstellt?<br />
Die konstruktivistische Didaktik gibt<br />
uns eine Fülle von Hinweisen darauf,<br />
dass das Verhalten der Lernenden<br />
auch und in erster Linie durch<br />
die eingeräumten oder eben nicht<br />
eingeräumten Lerngelegenheiten<br />
„konstruiert“, also von den Lehrenden<br />
selbst gemacht ist und eine Lösung<br />
eben nicht durch die Lernenden,<br />
sondern durch die Lehrenden<br />
zu erfolgen hat. Diese müssen ihre<br />
Verantwortung für die Lernchancen<br />
der Studierenden erkennen und dürfen<br />
nicht länger übersehen, dass<br />
überflüssige Lehre auch „eine Lernbehinderung“<br />
(Holzkamp) sein<br />
kann. Es ist erstaunlich, wie wenig<br />
sich die Argumentation eines (Abteilungs-)Leiters<br />
einer ja immerhin leh-<br />
4 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
LehrerInnenbildung<br />
rerbildenden Hochschule auf der -<br />
hier nur angedeuteten - Höhe der<br />
didaktischen Diskussion befindet.<br />
Die Forderung nach einem notwendigen<br />
Wandel der universitären Lernkulturen<br />
möchte ich mit drei Thesen<br />
näher illustrieren:<br />
These 1:<br />
Das universitäre Lernen ist in überstarkem<br />
Maße frontalunterrichtlich<br />
organisiert. Die Debatte um handlungsorientiertes<br />
Lernen sowie um<br />
einen methodenorientierten Wandel<br />
der Lernkulturen ist an den Zentren<br />
der akademischen Bildung, in denen<br />
noch vielfach die Vorlesung das bis<br />
in die Hörsaalarchitektur und die<br />
Sitzanordnung hineinwirkende Leitkonzept<br />
ist, noch nicht wirklich aufgegriffen<br />
worden.<br />
Einer differenzierten Betrachtung<br />
kann selbstverständlich nicht entgehen,<br />
dass angesichts der bisweilen<br />
erdrückenden Studierendenzahlen<br />
mit Vorlesungen mit bis zu 500 Studierenden<br />
eine andere als die frontalunterrichtliche<br />
Wissenspräsentation<br />
vielfach organisatorisch gar nicht<br />
möglich ist. Gleichwohl ist zu fragen,<br />
warum organisatorische Maßgaben<br />
die universitäre Lernkultur<br />
prägen und wir nicht den Mut haben,<br />
Lehrformen, die wenig Nachhaltigkeit<br />
und Lernwirksamkeit haben,<br />
aufzugeben und durch Formen<br />
eines angeleiteten Selbststudiums zu<br />
ersetzen, wie wir es aus den Fernuniversitäten<br />
oder von dem angelsächsischen<br />
Vorbild des Independent-study-mode<br />
kennen. Es gibt nämlich<br />
bei nüchterner Betrachtung allen<br />
Grund zu der Frage, ob es überhaupt<br />
sinnvoll ist, eine große Zahl von<br />
Menschen in einem Lernort zu versammeln<br />
und auf sie - wie in Zeiten,<br />
als der Buchdruck noch nicht erfunden<br />
war - „einzureden“, wissen wir<br />
doch aus der Lernforschung, dass ein<br />
solches Lernen „im Gleichschritt“<br />
angesichts der diskontinuierlichen<br />
und zeitlich sehr begrenzten Konzentrations-<br />
und Verarbeitungsfähigkeiten<br />
nicht möglich ist. Selbstverständlich<br />
gibt es sie, die begnadeten Rhetoriker,<br />
denen es gelingt, eine Zuhörerschaft<br />
ganze Vorlesungen lang zu<br />
fesseln und zu begeistern, doch geht<br />
Begeisterung und Gefesseltsein noch<br />
keineswegs automatisch mit nachhaltigem<br />
Lernen einher. Zudem sind<br />
keineswegs alle Hochschullehrerinnen<br />
und Hochschullehrer solche begnadeten<br />
Redner, und man findet<br />
deshalb auch die hilflosen Rituale,<br />
in denen ein einsamer Vortragender<br />
verzweifelt darum bemüht ist, sich<br />
bei erheblichem Geräuschpegel und<br />
umherfliegenden Papierschwalben<br />
Gehör zu verschaffen bei Zuhörenden,<br />
die wegen der Anwesenheitskontrolle<br />
da sind und das für die<br />
Klausur oder den Scheinerwerb notwendige<br />
Wissen sich ohnehin selbst<br />
- oft aus dem Skript oder Lehrbuch<br />
- aneignen müssen. So betrachtet<br />
kann man die Selbstorganisationsund<br />
Selbstlernfähigkeiten vieler Studierender<br />
wirklich bewundern, die<br />
sich trotz des bisweilen hilflosen Vorlesungswesens<br />
das erforderliche Wissen<br />
anzueignen vermögen und dabei<br />
auch zu arbeitsteiligem und kooperativem<br />
Lernen in der Lage sind.<br />
These 2:<br />
Auch an den Hochschulen und Universitäten<br />
wird den aus der erwachsenenpädagogischen<br />
Forschung bekannten<br />
Kriterien eines nachhaltigen<br />
und kompetenzentwickelnden<br />
Lernens noch in zu geringem Maße<br />
Rechnung getragen. Auch die Virtualisierung<br />
der Lehre (Multimedia,<br />
Online-Lernen) folgt vielfach noch<br />
dem traditionellen hochschuldidaktischen<br />
Konzept, indem Texte<br />
schlichtweg nur „ins Netz gestellt“<br />
und kaum Aneignungs-, Austauschund<br />
Problemlösungsszenarien lernerfreundlich<br />
arrangiert werden.<br />
Um nicht falsch verstanden zu werden,<br />
sei darauf hingewiesen, dass<br />
Vorlesungen vereinzelt durchaus einen<br />
Sinn haben können, wenn sie<br />
dazu dienen, Studierenden einen<br />
Überblick zu verschaffen, sie für Fragestellungen<br />
auch durch die engagierte<br />
Persönlichkeit der Lehrperson<br />
zu begeistern, dabei Interaktions-,<br />
Reflexions- und Transferdebatten<br />
mit den Lernenden suchend, doch<br />
wirken sie überall dort wie hilflose<br />
Rituale, wo Stoff „vermittelt“ wird,<br />
der auch nachlesbar aufbereitet zugänglich<br />
ist. Auch darf nicht übersehen<br />
werden, dass ein Großteil der<br />
wissenschaftlichen Lehre in Seminarform<br />
„abläuft“, in der Diskussionen<br />
und Studierendenbeteiligung - wenn<br />
die Seminare nicht mit bis zu 80 Studierenden<br />
überlaufen sind - die konstitutiven<br />
Prinzipien sein sollten,<br />
auch wenn dies häufig nicht so ist.<br />
Denn vielfach wird die Frontallehre<br />
nur anders arrangiert, indem nicht<br />
der Professor oder die Professorin,<br />
sondern die StudentInnen referieren,<br />
wodurch viele Seminare zu kleinen<br />
Vorlesungen „verkommen“. Auch<br />
die vielfach hochgelobten Formen<br />
der virtuellen Lehre sind bei genauerer<br />
Analyse vom frontalunterrichtlichen<br />
Prinzip kontaminiert, wenn<br />
z.B. Texte „ins Netz gehängt“ werden,<br />
die lediglich rezipiert werden<br />
können, genauso wie Vorlesungen<br />
oder referatgespickte Seminare die<br />
Lernenden zu stark passiver Lernhaltung<br />
„zwingen“.<br />
Aus der neueren Erwachsenenbildungsforschung<br />
(z.B. durch die Ergebnisse<br />
von Mandl u.a.) wissen wir,<br />
dass nachhaltiges Lernen dann gelingt,<br />
wenn<br />
- die Lerner eine aktive Rolle spielen<br />
„dürfen“,<br />
- sie Wissen nicht nur konsumieren,<br />
sondern Wissen konstruieren können,<br />
- dabei in einem sozialen Kooperationszusammenhang<br />
beim Lernen stehen,<br />
- eine Selbststeuerung ihres Lernprozesses<br />
möglich ist, und<br />
- eine Einbindung des Gelernten in<br />
Lebens-, Transfer- und Anwendungssituationen<br />
ständig erfolgen kann<br />
(Situierung des Lernens).<br />
Ein Wandel der universitären Lernkultur<br />
setzt deshalb Lehr-Lernverfahren<br />
voraus, in denen diesen didaktischen<br />
Gesichtspunkten Rechnung<br />
getragen wird. Notwendig ist hierfür<br />
eine Pluralisierung der Lehr-<br />
Lernformen. Studierende haben ein<br />
Recht darauf, ihre Lernzeit nicht in<br />
aus der Vergangenheit herübergewachsenen<br />
Veranstaltungsformen zu<br />
vergeuden, deren begrenzte Nachhaltigkeit<br />
empirisch schon seit den 50er<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
5
Schwerpunkt<br />
SchülerInnen<br />
und Studierende<br />
können heute anderes<br />
als früher.<br />
(Foto: Seifert)<br />
Jahren bekannt ist, die aber trotzdem<br />
wie ein zähes Ritual weiterexistieren.<br />
„Pluralisierung der Lehr-Lernformen“<br />
bedeutet auch, dass das selbstgesteuerte<br />
Lernen die unwirksamen<br />
Formen der Wissensmast und des<br />
Lernens im Gleichschritt ersetzen<br />
muss. Warum dürfen nicht auch<br />
Präsenzstudierende mit Hilfe von<br />
gut didaktisierten Selbstlernmaterialen<br />
(mit Übungs- und Anwendungsaufgaben<br />
sowie Musterlösungen) lernen,<br />
was doch in den international<br />
mehr und mehr sich entwickelnden<br />
Fernstudiengängen auch möglich<br />
ist? 2 Warum nutzen wir die Kompetenzen<br />
von lehrenden Wissenschaftlern<br />
und Wissenschaftlerinnen nicht<br />
intelligenter, indem Sie offene Diskussionsforen<br />
zur Besprechung der<br />
Selbstlernresultate „einräumen“,<br />
Studierende in engem e-mail-Kontakt<br />
betreuen und das „überflüssige“<br />
Lehren i.S. der Verbalisierung nachlesbaren<br />
Stoffes mehr und mehr einschränken.<br />
Auf diesem Wege könnte<br />
eine universitäre Lernkultur des<br />
selbstgesteuerten Lernens entstehen,<br />
in der die Studierenden neben dem<br />
Fachwissen auch wichtige lern- und<br />
arbeitsmethodische Kompetenzen<br />
erwerben und vertiefen können.<br />
These 3:<br />
Insbesondere die Lehrerbildung 3<br />
braucht eine Hochschuldidaktik, die<br />
zumindest in Ansätzen hält, was sie<br />
verspricht. So wenig, wie die Vorzüge<br />
methoden- und handlungsorientierten<br />
Arbeiten mit Schülerinnen<br />
und Schülern lediglich in Vorlesungen<br />
„verkündet“ werden können,<br />
können auch Selbstlernkompetenzen<br />
sowie die Bereitschaft zum lebenslangen<br />
Lernen in einer rezeptiven<br />
Lernhaltung wirklich entwickelt<br />
werden. Notwendigkeit und Formen<br />
eines angeleiteten Selbststudiums<br />
sind nicht wirklich neu, sie werden<br />
aber in der vielfach übercurricularisierten<br />
und verschulten wissenschaftlichen<br />
Lernkultur zu wenig aufgegriffen.<br />
Die in ihrer Lernkultur gewandelten<br />
Hochschulen und Universitäten<br />
müssen zu Lernorten pluraler<br />
Lernformen werde; dies ist der Kern<br />
der Qualität wissenschaftlicher Bildung.<br />
Zukünftige Lehrerinnen und Lehrer<br />
werden in Deutschland mit guten<br />
Gründen wissenschaftlich ausgebildet.<br />
Nur indem sie die wirklich Gelegenheit<br />
erhalten, in ihrem Professionalisierungsprozess<br />
ein differenziertes<br />
und der Komplexität des Gegenstandes<br />
angemessenes Wissen zu<br />
erwerben, sind sie überhaupt in der<br />
Lage, „sachangemessene“ Lösungen<br />
in konkreten Handlungssituationen<br />
zu entwickeln und nicht beständig<br />
und unreflektiert ihre eingelebte<br />
„Pädagogik des Bauches“ (=Summe<br />
der selbst erlebten Beschulung) zu<br />
reinszenieren. Gleichwohl ist zu fragen,<br />
wie der heimliche Lehrplan der<br />
erlebten Universitäts- und Seminarpädagogik<br />
auf die Entwicklung der<br />
eigenen pädagogischen Handlungskompetenz<br />
wirkt. Wie gehen Studierende<br />
damit um, dass ihnen in ihren<br />
erziehungswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen<br />
überzeugend die<br />
Aspekte und Vorzüge eines selbstgesteuerten<br />
Lernens dargelegt werden,<br />
aber ihre Ausbildung in der ersten<br />
und zweiten Phase durchaus selbst<br />
noch in überstarkem Maße eben<br />
nicht oder wenig selbstgesteuert abläuft.<br />
Alle Akteure der Lehrerbildung<br />
haben hier noch große gemeinsame<br />
Anstrengungen vor sich, solche<br />
Selbstwidersprüchlichkeiten zu überwinden.<br />
Vielleicht gelingt dies ja in<br />
einer gemeinsamen Kraftanstrengung<br />
im Rahmen der von der Landesregierung<br />
geplanten „Zentren für<br />
Lehrerbildung“, die i.S. eines kooperativen<br />
Zusammenwirkens der lehrerInnenausbildenden<br />
Universitäten<br />
mit den Studienseminaren organisiert<br />
werden sollen. Gleichzeitig können<br />
die Hochschulen und Universitäten<br />
selbst zahlreiche hochschuldidaktische<br />
Impulse von der modernen<br />
Erwachsenenbildung und den Formen<br />
eines angeleiteten Selbststudiums<br />
in den Fernstudienkonzepten 4<br />
erhalten, um ihre Lernkulturen 5<br />
durch eine Pluralisierung der Lehr-<br />
Lernformen nachhaltiger und kompetenzentwickelnder<br />
zu gestalten.“<br />
Anmerkungen<br />
1. So handelt es sich z.B. bei dem von der<br />
<strong>GEW</strong> und der Universität Kaiserslautern<br />
herausgegebenen Buch „Methoden des<br />
Lebendigen Lernens“ um das Ergebnis eines<br />
Projektes mit Studierenden.<br />
2. In diesen Studienangeboten geschieht ja<br />
das „Ungeheuerliche“, dass nämlich Studierende<br />
lernen ohne dass ein anwesender<br />
Professor oder eine Professorin lehrt.<br />
Die ”Zuständigkeit“ des wissenschaftlich<br />
Verantwortlichen ist eine andere: Er ist<br />
für die Vertiefungs-, Nachfrage- und Anwendungsdiskurse<br />
”zuständig“, aber dafür<br />
geeignete Materialien zu koordinieren,<br />
indem er z.B. Lehrende anderer Hochschulen<br />
einbezieht oder Zugänge zu deren<br />
Lehrangeboten ermöglicht.<br />
3. Diese Forderung gilt genauso für Studierende<br />
anderer Fächer, die als zukünftige<br />
Führungskräfte in lernenden Organisationen<br />
zu Weiterbildnern ihrer Mitarbeiter<br />
werden müssen. Moderne Führung ist<br />
mehr und mehr eine Führung durch die<br />
Ermöglichung von Lern- und Wachstumsprozessen<br />
(gemeint: fachliches, soziales,<br />
methodisches und emotionales<br />
Wachstum i.S. von kontinuierlicher Kompetenzentwicklung).<br />
4. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang<br />
auf die zahlreichen Fernstudienangebote<br />
der Universität Kaiserslautern (z.B. Fernstudium<br />
Erwachsenenbildung, Fernstudium<br />
Schulmanagement, Fernstudium Personalentwicklung<br />
im lernenden Unternehmen),<br />
die derzeit auch darum bemüht<br />
ist, ein Fernstudium für die BerufsschullehrerInnenausbildung<br />
vorzubereiten.<br />
5. Vgl. Arnold, R./ Schüßler, I.: Wandel der<br />
Lernkulturen, Darmstadt 1998.<br />
6 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
LehrerInnenbildung<br />
Gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen<br />
Werteerziehung am GHS-Studienseminar in Kaiserslautern<br />
Die Komplexität und Vernetzung der gesellschaftlichen Situation in<br />
Fragen der Erziehung zu Werten ist für das Seminar GHS in Kaiserslautern<br />
Anlass, schon seit geraumer Zeit einen besonderen Schwerpunkt<br />
in der LehrerInnenbildung auf die Auseinandersetzung mit Werten<br />
sowie der Schwierigkeit der Wertevermittlung und der Werteerziehung<br />
zu legen.<br />
Es ist falsch<br />
am Tag nach dem Feuer<br />
zu schweigen,<br />
die Brandstifter trauen sich<br />
hervor aus den Verstecken;<br />
schreit jetzt.<br />
Es reicht nicht aus zu warten,<br />
bis es wieder brennt.<br />
Fritz Deppert<br />
Das Allgemeine<br />
Seminar<br />
des Studienseminars<br />
für das Lehramt<br />
an<br />
Grund- und<br />
Hauptschulen<br />
in Kaiserslautern<br />
hat sich, neben<br />
den<br />
Fachseminaren, daher noch mehr<br />
bemüht, in seinem gegenwärtigen<br />
Ausbildungsdurchgang der gesellschaftlichen<br />
und gesellschaftspolitischen<br />
Herausforderung - aus dem<br />
Blickwinkel der Lehrerausbildung<br />
heraus - Rechnung zu tragen.<br />
In diesem Sinne sind am Studienseminar<br />
Umwelterziehung, Werteerziehung,<br />
Förderung von Demokratiebewusstsein,<br />
Gewalt, Rechtsextremismus<br />
und Interkulturelle Erziehung<br />
wesentliche Inhalte des Allgemeinen<br />
Seminars.<br />
Einen besonderen Schwerpunkt,<br />
und deswegen von der Landesregierung<br />
unterstützt und gefördert, stellte<br />
das Pilotprojekt Konfrontative<br />
Pädagogik im Umgang mit aggressiven<br />
Kindern und Jugendlichen<br />
(sog. Anti-Aggressivitäts- Training<br />
für Lehramtanwärter/-innen) dar.<br />
(Anmerkung der Red.: vgl. dazu den<br />
Artikel „Konfrontation statt Entschuldigung“<br />
S. 9)<br />
Die Sammlung des Studienseminars<br />
zu Werten<br />
und Erziehung zu Werten<br />
Das Staatliche Studienseminar für<br />
das Lehramt an Grund- und Hauptschulen<br />
verfügt mittlerweile neben<br />
der spezifischen inhaltlichen Akzen-<br />
tuierung für die Thematik über eine<br />
gewachsene und weiter wachsende<br />
Sammlung von Medien und Materialen<br />
zu den Themen Gewalt/Gewalt<br />
in der Schule, Rassismus/<br />
Rechtsradikalismus, Drittes Reich/<br />
Jugend im Dritten Reich, Holocaust/Shoa<br />
sowie Interkulturalität/<br />
Fremdsein.<br />
Darüber hinaus liegt zu den einzelnen<br />
Themenfeldern jeweils eine differenzierte<br />
und ständig aktualisierte<br />
Link-Liste für das Internet vor.<br />
Wie ist die Seminarsammlung<br />
strukturiert?<br />
Gewalt/Gewalt in der Schule<br />
• Gewalt<br />
- Sachinformationen<br />
- Literatur und Materialien für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
- Literatur und Materialien für Pädagogen/-innen,<br />
Lehrer/-innen<br />
• Gewalt in der Schule<br />
- Literatur und Materialien für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
- Soziales Lernen, Streitschlichtung,<br />
Mediation ...<br />
- Trainingsmaterialien zur Prävention<br />
- Zeitschriften und andere Materialien<br />
- Unterrichtsmaterialien<br />
Rassismus/Rechtsradikalismus<br />
- Sachinformationen<br />
- Literatur und Materialien für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
- Literatur und Materialien für Pädagogen/-innen<br />
- Unterrichtsmaterialien<br />
- Unterrichtseinheiten<br />
- Medien und Literatur<br />
- Dokumentarische Filme (Videos)<br />
- Spielfilme (Videos)<br />
Drittes Reich/Kindheit und Jugend<br />
im Dritten Reich<br />
• Drittes Reich<br />
- Sachinformationen<br />
- Literatur und Materialien für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
- Literatur für Pädagogen/-innen<br />
- Unterrichtseinheiten<br />
- Kinder- und Jugendliteratur<br />
(Buchsprechungen/-empfehlungen)<br />
• Kindheit und Jugend im Dritten<br />
Reich<br />
- Literatur für Kinder und Jugendliche<br />
- Medien und Literatur (Buchbesprechungen)<br />
Holocaust/Shoa<br />
• Sachinformationen und andere<br />
Medien zu Holocaust/Shoa<br />
- Sachinformationen<br />
- Literatur und Materialien für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
- Literatur und Materialien für Pädagogen/-innen<br />
- Holocaust im Internet<br />
• Kinder- und Jugendliteratur und<br />
andere Medien zu Holocaust/Shoa<br />
- Kinderbücher<br />
- Unterrichtseinheiten<br />
- Dokumentarische Filme (Videos)<br />
- Dokumentarische CDs<br />
• Dichtung, Romane, Tagebücher ...<br />
zu Holocaust/Shoa<br />
- Dichtung, Romane<br />
- Tagebücher, Comics<br />
- Spielfilme (Videos)<br />
- Musik (CDs)<br />
- Dokumentationen (Videos)<br />
Interkulturalität/Fremdsein<br />
- Sachinformationen<br />
- Literatur und Materialien für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
- Literatur und Materialien für Pädagogen/-innen<br />
- Unterrichtsmaterialien<br />
- Unterrichtseinheiten<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
7
Schwerpunkt<br />
- Videos<br />
- CDs<br />
- Medien und Literatur<br />
Das Besondere dieser Sammlung ist<br />
die eindeutig didaktisch-methodische<br />
Ausrichtung der Exponate, d.h.,<br />
dass das Auswahlkriterium für die<br />
Aufnahme in diese Sammlung weniger<br />
von der primär thematischen<br />
Eignung fachlich/fachwissenschaftlicher<br />
Art bestimmt ist als vielmehr<br />
von der Tatsache, welche Qualität<br />
das Medium/Material aufweist, für<br />
konkret planbaren Unterricht und/<br />
oder durchführbare Projekte in der<br />
Erwachsenenbildung geeignet zu<br />
sein.<br />
Jedes der Teilthemen bietet daher die<br />
Möglichkeit, didaktisch-methodische<br />
Planung aus der je teilthematischen<br />
Fixierung vornehmen zu können,<br />
wobei allerdings Übergänge und<br />
Überschneidungen sich rein von der<br />
Sache her ergeben.<br />
Ausgangspunkt für diese Sammlung<br />
und auch Motivation, die Sammlung<br />
um weitere Teilthemen zu ergänzen<br />
- das ist auch vom Umfang der Medien/Materialen<br />
zu diesem Teilthema<br />
her kaum zu übersehen - ist das<br />
Teilthema Holocaust/Shoa.<br />
Ausgehend von einem Projekt für<br />
den Literaturunterricht, Kinder- und<br />
Jugendliteratur zum Holocaust als<br />
Bewältigungsliteratur zu bearbeiten,<br />
entstand die Idee - getragen von der<br />
Einsicht, dass die Einlassung auf<br />
Kinder- und Jugendliteratur die gegenwärtigen<br />
Probleme in diesen Fragen<br />
(u.a. Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit)<br />
nur partiell und<br />
mitunter unzureichend anzugehen<br />
vermag - in weiteren teilthematischen<br />
Bereichen die Sammlung noch<br />
bewusster unter didaktisch-methodischen<br />
Prämissen fortzusetzen.<br />
Mehrfach wurde die Sammlung des<br />
Studienseminars mit wechselndem<br />
Schwerpunkt und vor verschiedenen<br />
Zielgruppen bereits präsentiert:<br />
So bei einer Veranstaltungsreihe des<br />
Arbeitskreises gegen Rechts im Donnersbergkreis.<br />
Höhepunkt dieser<br />
Veranstaltungsreihe, während der<br />
die ganze Zeit die Sammlung des Seminars<br />
für PädagogInnen und Klassen<br />
zu Verfügung stand, war eine öffentliche<br />
Podiumsdiskussion von<br />
PädagogenInnen zu der Frage von<br />
Gewalt und Rassismus in Gesellschaft,<br />
Schule und pädagogischen<br />
Einrichtungen.<br />
Weiter konnte die Seminarsammlung<br />
bei der Veranstaltung des IFB<br />
Speyer bei der Fachtagung „Rechtsextremismus,<br />
Gewalt in der Schule.<br />
Demokratische Schulkultur durch<br />
pädagogische Schulentwicklung und<br />
Qualitätsmanagement“ vorgestellt<br />
werden.<br />
Schließlich fand die Sammlung bei<br />
der Tagung der Universität Landau-<br />
Koblenz zu Auseinandersetzung mit<br />
Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in<br />
Schule und Sozialarbeit - Praxisorientiertes<br />
Forum der Universität Koblenz-Landau,<br />
Campus Landau,<br />
große Resonanz, was sich nicht zuletzt<br />
an der Vielzahl von beratenden<br />
Gesprächen und neuer Kontakte,<br />
was die Seminarsammlung angeht,<br />
ablesen ließ.<br />
Intensiver Kontakt und Austausch<br />
besteht mit der Universität Koblenz-<br />
Landau in diesen Fragen, so mit Frau<br />
Dr. Moning-Konter vom Institut für<br />
Allgemeine Didaktik und mit Herrn<br />
Dr. Marz vom Institut für Politikwissenschaft.<br />
Wer nähere Informationen zu den<br />
am Staatlichen Studienseminar für<br />
das Lehramt an Grund- und Hauptschulen<br />
Kaiserlautern praktizierten<br />
Inhalten zu Werten und Erziehung<br />
zu Werten sowie der Sammlung des<br />
Seminar zu Gewalt/Gewalt in der<br />
Schule, Rassismus/Rechtsradikalismus,<br />
Drittes Reich/Kindheit und Jugend<br />
im Dritten Reich, Interkulturalität<br />
wünscht, kann sich gerne unter<br />
der E-mail Adresse des Seminars<br />
(www.studsemghs.kl@t-online.de)<br />
mit dem Seminar in Verbindung setzen.<br />
Erich Schilling, Fachleiter im<br />
Allgemeinen Seminar, wird gerne<br />
Auskunft geben.<br />
Den Umgang mit<br />
aggressiven Kindern<br />
und Jugendlichen<br />
lernen.<br />
(Foto: Seifert)<br />
8 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Konfrontation statt Entschuldigung<br />
Anti-Aggressivitäts-Training soll im Schulalltag helfen<br />
LehrerInnenbildung<br />
Über ein wegweisendes Pilotprojekt<br />
zur Gewaltprävention im Studienseminar<br />
für Grund- und Hauptschulen<br />
Kaiserslautern berichtete die<br />
„Rheinpfalz“ auf ihrer Regionalseite.<br />
Wir drucken den Artikel von Anke<br />
Herbert mit freundlicher Genehmigung<br />
der „Rheinpfalz“ nach.<br />
„Ein Schüler nimmt seinem Banknachbarn<br />
ständig das Mäppchen weg. Irgendwann<br />
eskaliert das Ganze, wird aus Spaß<br />
Ernst, fallen Schimpfworte. „Ich weiß<br />
jetzt zumindest ansatzweise, wie ich solche<br />
Situationen umbiegen kann, um<br />
noch vernünftigen Unterricht machen zu<br />
können“, sagt Lehramtsanwärter Ingo<br />
Sehr (26). Wie Nadja Somfleth (24) ist<br />
er derzeit an der Friedrich-Ebert-Hauptschule<br />
in Landstuhl tätig. Beide gehören<br />
zu den 16 freiwilligen Teilnehmern des<br />
„Anti-Aggressivitäts-Training“, einem<br />
landesweiten Pilotprojekt des Staatlichen<br />
Studienseminars für das Lehramt an<br />
Grund- und Hauptschulen in Kaiserslautern.<br />
„Mit diesem Angebot haben wir den<br />
Nagel auf den Kopf getroffen.“ Studienseminar-Leiter<br />
Heinz Winter ist froh,<br />
dass ihn der Zufall mit dem Diplom-<br />
Sozialarbeiter Markus Brand aus Landstuhl<br />
zusammengebracht hatte. Denn<br />
Brand war es schließlich, der mit dem<br />
Diplom-Mediator Günter Grünental<br />
das Anti-Aggressivitäts-Training geleitet<br />
hat. Vier Tage tauschten die angehenden<br />
Hauptschullehrer das Katheder mit der<br />
Schulbank, um Anhaltspunkte für den<br />
besseren Umgang mit aggressiven Kindern<br />
und Jugendlichen zu bekommen.<br />
Wichtig: Es erst gar nicht zu solchen Situation<br />
kommen zu lassen. Denn Brands<br />
am Frankfurter Institut für Sozialarbeit<br />
und -pädagogik entwickelte Methode der<br />
„konfrontativen Pädagogik“ setzt an der<br />
Wurzel an: Schon bei einer Kleinigkeit<br />
muss der Schüler mit seinem Verhalten<br />
konfrontiert werden, es erklären, die Verantwortung<br />
übernehmen. „Rechtfertigungsdruck<br />
ist ein Verhinderungsgrund“,<br />
sagt Brand. Im Gegensatz zur entschuldigenden<br />
Pädagogik geht es nicht mehr<br />
um den sozialen Hintergrund des „Täters“<br />
wie das Elternhaus. Stattdessen wird<br />
auf Eigenverantwortung abgehoben und<br />
das falsche Verhalten zudem öffentlich,<br />
also vor der Klasse, behandelt. Brand:<br />
„So kann der Schüler seinen Kopf nicht<br />
aus der Schlinge ziehen, indem er zum<br />
Beispiel ein Vier-Augen-Gespräch mit<br />
dem Rektor vor seinen Freunden zu seinen<br />
Gunsten wiedergibt.“<br />
Auch das „Behandeln“ haben die Lehramtsanwärter<br />
geübt. Durch Rollenspiele<br />
zum Beispiel. „Wer das Verhalten des<br />
betreffenden Schülers gut findet, muss<br />
sich links aufstellen, wer nicht, rechts“,<br />
erläutert Ingo Sehr. Dadurch werde die<br />
ganze Klasse in die Verantwortung einbezogen,<br />
ergänzt Markus Brand. Und<br />
das zeige in der Regel Wirkung. „Vorher<br />
war ich in der typischen Lehrerhaltung,<br />
Verständnis für Problemkinder zu haben“,<br />
meint Sehr. Das Training hingegen<br />
habe ihn darin bestärkt, Kinder mit<br />
ihrem Verhalten zu konfrontieren und<br />
dadurch einen ungestörteren Unterricht<br />
zu ermöglichen. Das koste zwar erst mal<br />
Zeit, zahle sich aber mittelfristig aus.<br />
„Eine Patentlösung gibt es natürlich<br />
nicht“, sagt Nadja Somfleth. Bereits<br />
während des Kurses sei klar geworden,<br />
dass jeder den Weg wählen müsse, der<br />
am besten zu ihm passe.<br />
Bildungsstaatssekretär Prof. Dr. Joachim<br />
Hofmann-Göttig:<br />
„Ich bin sicher, dass die Absolventen<br />
des Lehrgangs mit ihrer freiwilligen<br />
Zusatzqualifikation eine ideale Voraussetzung<br />
gerade für den Einsatz in<br />
so genannten „Brennpunktschulen“<br />
erworben haben. Neben der Schulsozialarbeit<br />
im engeren Sinn, Aktionen<br />
wie ,Sport und Spiel statt Gewalt auf<br />
dem Schulhof´ oder Streitschlichter-<br />
Programmen kann das ,Anti-Aggressivitätstraining´<br />
einen weiteren Beitrag<br />
dazu leisten, Gewalt so weit wie möglich<br />
aus der Schule zu verbannen“.<br />
Mit Sehr ist sich die 24-Jährige einig,<br />
dass das Training für jede Schulart wichtig<br />
wäre, „denn solche Probleme gibt es<br />
nicht nur an Hauptschulen“. Solche Probleme,<br />
damit ist nicht notwendigerweise<br />
körperliche Gewalt an Schulen gemeint.<br />
„Die ist weitaus seltener, als es in<br />
der Öffentlichkeit manchmal dargestellt<br />
wird“, meint Studienseminarleiter Winter.<br />
Dafür aber seien andere Verhaltensmuster<br />
wie Psychoterror, Mobbing oder<br />
das Verbreiten von Unruhe an der Tagesordnung.<br />
„Da hilft es einfach, klar<br />
aufzuzeigen, dass solches Verhalten nicht<br />
geduldet wird“, sagt Sehr. Auf Dauer<br />
schaffe das ein besseres soziales Klima und<br />
damit ruhigeren Unterricht.<br />
Um Erfahrungen auszutauschen, wollen<br />
sich die 16 Hauptschullehrer weiterhin<br />
treffen. Und ginge es nach Winter, würde<br />
das Training fester Bestandteil der der<br />
Ausbildung: „Es wäre schon deshalb<br />
wichtig, weil es keine eigenständige Ausbildung<br />
für Hauptschullehrer gibt.“ Derzeit<br />
aber kann er nur hoffen, vom Bildungsministerium<br />
zumindest noch für<br />
zwei weitere Kurse Geld zu bekommen.<br />
„Dann wären etwa 50 Anwärter durch,<br />
und wir könnten einen Vergleich zwischen<br />
Ausbildung mit und ohne Training<br />
ziehen.“<br />
Mit seinem Anti-Aggressivitäts-Training<br />
hat das Kaiserslauterer Studienseminar<br />
als eines von acht Studienseminaren für<br />
Grund- und Hauptschullehrer in Rheinland-Pfalz<br />
folglich ein Modellprojekt<br />
vorgelegt. Deshalb hatte das Bildungsministerium<br />
auch die rund 6100 notwendigen<br />
Euro bewilligt. Winter zufolge kam<br />
das grüne Licht aus Mainz, weil es bei<br />
einem solchen Kurs auch um die Qualitätssicherung<br />
an Schulen insgesamt gehe.<br />
Das für die Lehrerausbildung eigentlich<br />
zuständige Wissenschaftsministerium<br />
habe eine Förderung abgelehnt, dafür<br />
aber ein Training mit eigenen Kräften<br />
angeboten. Der Reiz habe aber darin gelegen,<br />
einen anderen Ansatz, sprich die<br />
konfrontative Pädagogik, zu erproben.<br />
Darin bestätigt sieht sich Winter durch<br />
die überaus positive Resonanz der Lehramtsanwärter.<br />
„Sie war viel besser als auf<br />
andere Seminarangebote, für uns eigentlich<br />
niederschmetternd“, sagt der Studienleiter<br />
- und schmunzelt.<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
9
Schwerpunkt<br />
„Reform der LehrerInnenausbildung<br />
im Prinzip richtig!“<br />
Unterschiedlich lange Ausbildung ist überholt!<br />
<strong>GEW</strong>, VBE und der Grundschulverband<br />
nehmen in der folgenden<br />
Pressemitteilung gemeinsam Stellung<br />
zu der von der Landesregierung<br />
angestrebten Reform der LehrerInnenausbildung.<br />
Die drei Organisationen<br />
haben bereits im Dezember<br />
einen 10-Punkte-Katalog<br />
zu diesem Thema vorgelegt, der in<br />
der <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> 1-2/02 abgedruckt<br />
war.<br />
„Wir sehen in dem von Wissenschaftsminister<br />
Zöllner vorgelegten<br />
Modell den echten Willen zu einer<br />
Reform der Lehrerbildung in Rheinland-Pfalz.<br />
Es handelt sich um mehr<br />
als nur ein Reförmchen. Die Landesregierung<br />
liegt also im Prinzip<br />
richtig. So befürworten wir insbesondere<br />
die vorgesehene gemeinsame<br />
Grundausbildung für Lehrkäfte<br />
aller Schulen, die engere Verzahnung<br />
von Theorie und Praxis während der<br />
gesamten Ausbildungsdauer und die<br />
Einrichtung von „Zentren für Lehrerbildung“<br />
an jeder Universität.<br />
Allerdings lehnen wir die wiederum<br />
vorgesehenen unterschiedlich langen<br />
Ausbildungszeiten nach Lehrämtern<br />
ab. Dies ist eine überholte Ausbildungsstruktur<br />
aus dem letzten Jahrhundert,<br />
die zu einer unterschiedlichen<br />
Bewertung der Lehrtätigkeiten<br />
nach Schularten führt. Gerade die<br />
PISA-Ergebnisse haben uns gezeigt,<br />
dass die pädagogische Arbeit insbesondere<br />
im Grund- und Hauptschulbereich<br />
aufgewertet werden<br />
muss. Dies muss auch Konsequenzen<br />
für die Lehrerbildung haben.<br />
Deshalb fordern wir für Lehrkräfte<br />
aller Schularten eine gleich lange<br />
Ausbildungszeit!“<br />
Mit dieser Stellungnahme äußerten<br />
sich die Vorsitzenden der Lehrergewerkschaften<br />
<strong>GEW</strong> und VBE sowie<br />
des Grundschulverbandes GSV in<br />
Rheinland-Pfalz, Tilman Boehlkau<br />
(<strong>GEW</strong>), Johannes Müller (VBE)<br />
und Werner Lang (GSV), zu dem<br />
von Wissenschaftsminister Zöllner<br />
in Mainz vorgelegten „Dualen Studien-<br />
und Ausbildungskonzept“ für<br />
die künftige Lehrerbildung in<br />
Rheinland-Pfalz.<br />
Die drei Vorsitzenden bedauerten,<br />
dass die Landesregierung grundsätzlich<br />
an der nach Schularten gegliederten<br />
Ausbildung für Lehrkräfte<br />
festhält und nicht dem Vorschlag der<br />
drei Organisationen gefolgt ist,<br />
Lehrkräfte künftig nach Schulstufen<br />
auszubilden (Stufenlehrerausbildung:<br />
Primarstufe, Sekundarstufe I,<br />
Sekundarstufe II), „Mit diesem Festhalten<br />
an überkommenen Strukturen<br />
bereits im dritten Jahr der Bachelor-Phase<br />
und in der so genannten<br />
„Master-Phase“ des Studiums<br />
wird die Landesregierung nicht den<br />
von ihr selbst eingeführten Schulformen<br />
wie Gesamtschule, Regionale<br />
Schule oder Duale Oberschule gerecht.<br />
Hier arbeiten heute Lehrkräfte<br />
mit unterschiedlicher Ausbildung,<br />
haben aber die gleichen pädagogischen<br />
Aufgaben, leisten also im Prinzip<br />
die gleiche Arbeit. Die Landesregierung<br />
verspielt deshalb eine<br />
Chance, wenn sie auf die Einführung<br />
von Stufenlehrämtern verzichtet.<br />
Dieser entscheidende Schritt<br />
fehlt der Reform!“ so die Vorsitzenden.<br />
Außerdem machten die Vorsitzenden<br />
deutlich, dass das Konzept noch zahlreiche<br />
Fragen offen lasse, die nicht<br />
nur Detailcharakter hätten. Dies betreffe<br />
insbesondere die Gestaltung<br />
der Zentren für Lehrerbildung, Länge<br />
und Aufbau des Vorbereitungsdienstes<br />
und die Ausbildungsinhalte<br />
in der 1. und 2. Phase. „Wir erwarten,<br />
dass die Landesregierung in diesen<br />
Fragen mit uns verhandelt und<br />
Einigkeit erzielen will. Unsere Schulen<br />
brauchen mehr denn je optimal<br />
ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen.<br />
Deshalb darf die Verkürzung<br />
der Gesamtausbildungsdauer nicht<br />
Vorrang haben gegenüber mehr<br />
Gründlichkeit im pädagogischen<br />
Kompetenzerwerb - und zwar für<br />
Lehrkräfte aller Schularten!“<br />
pm<br />
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10 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Schulen<br />
Konsequenzen reichen nicht<br />
Als unzureichend bezeichnete der <strong>GEW</strong>-<br />
Vorsitzende Tilman Boehlkau die von der<br />
Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend<br />
vorgestellten Konsequenzen aus der<br />
PISA-Studie für Rheinland-Pfalz.<br />
„Aus meiner Sicht ist es positiv, dass Ministerin<br />
Ahnen aus dem schlechten Abschneiden<br />
deutscher Jugendlicher in der<br />
PISA-Studie einige durchaus notwendige<br />
Maßnahmen entwickelt, die den SchülerInnen<br />
und LehrerInnen Hilfestellungen<br />
bei der Verbesserung der schulischer<br />
Leistungen und Qualität bieten können“,<br />
betonte Boehlkau.<br />
Es fehlen aus Sicht der <strong>GEW</strong> Rheinland-<br />
Pfalz wesentliche Konsequenzen aus der<br />
PISA-Studie:<br />
* Notwendigkeit längeren gemeinsamen<br />
Lernens ohne frühzeitige Selektion (vgl.<br />
Belgien und Schweden bzw. Finnland)<br />
* Absenkung der Klassengrößen, um mehr<br />
Zeit zum Lernen und Fördern zu haben<br />
* größere Selbstständigkeit der Einzelschulen<br />
und stärkere Einbindung der<br />
Lehrkräfte in die Entscheidungsprozesse<br />
* mehr Raum für selbstreguliertes Lernen<br />
* stärkeres fächerübergreifendes und<br />
-verbindendes Arbeiten<br />
Öffnung der Ganztagsschulen<br />
„Der Abschluss von Rahmenvereinbarungen<br />
mit Kooperationspartnern an<br />
den Ganztagsschulen wird von der<br />
<strong>GEW</strong> als eine sinnvolle Ergänzung der<br />
notwendigen zusätzlichen Angebote gewertet“,<br />
stellte Tilman Boehlkau gegenüber<br />
der Presse fest.<br />
Die 81 neuen Ganztagsschulen erhiel-<br />
ten damit die Möglichkeit, ihr pädagogisches<br />
Angebot zu erweitern und die<br />
Schulen nach außen zu öffnen.<br />
„Dass es für die neuen MitarbeiterInnen<br />
die Möglichkeit von Dienstleistung-,<br />
Kooperations- und Einzelarbeitsverträge<br />
gibt, entspricht der Forderung<br />
der <strong>GEW</strong>, denn hiermit wird<br />
„Vollends vergessen wurde von Seiten der<br />
Ministerin z. B. der Zusammenhang<br />
zwischen der Arbeitsverdichtung durch<br />
mehrmalige Verlängerung der Arbeitszeiten<br />
der LehrerInnen und die Verschlechterungen<br />
bei der Lehrerwochenstunden-<br />
Zuweisung und den Leistungserfolgen der<br />
SchülerInnen!“, kritisierte der <strong>GEW</strong>-<br />
Landesvorsitzende.<br />
Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz fordert das<br />
Ministerium auf, sich mit dem Konzept<br />
nicht zufrieden zu geben, sondern mit der<br />
Gewerkschaft in einen intensiven Meinungsaustausch<br />
über weitere Qualitätssteigerungen<br />
im Bildungswesen einzutreten.<br />
gew-pm<br />
gewährleistet, dass die außerschulischen<br />
Partner nicht in unsicheren Arbeitsverträgen<br />
beschäftigt werden.“, sagte der<br />
<strong>GEW</strong>-Vorsitzende.<br />
Boehlkau erinnerte daran, dass die<br />
Ganztagsschule nur dann erfolgreich<br />
sein wird, wenn sie mit einem pädagogischen<br />
Konzept arbeitet und nicht als<br />
Betreuungs- und Verwahranstalt für<br />
den Nachmittag gesehen wird.<br />
gew-pm<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
11
Schulen<br />
Flop Prämien<br />
Breite Ablehnungsfront<br />
Hätte die<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong><br />
alle Resolutionen,<br />
Stellungnahmen<br />
und Briefe,<br />
die zum<br />
Thema Leistungsprämien<br />
von<br />
Personalversammlungen<br />
bzw.<br />
Personalräten<br />
formuliert<br />
wurden, in der vollen Länge abgedruckt,<br />
wäre unsere <strong>Zeitung</strong> fast<br />
schon voll gewesen. Wir veröffentlichen<br />
deshalb jeweils immer nur<br />
kurze Auszüge, um damit zumindest<br />
einen Eindruck über die breite Front<br />
der Ablehnungen in vielen Schulen<br />
zu vermitteln<br />
Die Personalversammlung der Carl-<br />
Orff-Schule (Sonderschule) in Neuwied:<br />
„Wir lassen uns nicht entsolidarisieren!<br />
(…)<br />
Wir - die Sonderschullehrer und -lehrerinnen<br />
- empfinden es als ungerecht,<br />
dass wir honoriert werden sollen für<br />
Leistungen, die wir nur im Team erreichen<br />
können.<br />
Wir - die pädagogischen Fachkräfte -<br />
empfinden es als ungerecht, dass es für<br />
unsere Leistungen im Team keine Honorierung<br />
geben soll.<br />
Wir wollen uns nicht zu Neid und<br />
Missgunst provozieren lassen!“<br />
Der Personalrat der Liesertal-Schule<br />
in Wittlich:<br />
(…)„Durch eine Honorierung in der<br />
vorgesehenen Form wird zwar einerseits<br />
die Leistung einzelner herausgehoben<br />
aber auch die Leistung des übrigen<br />
Kollegiums nicht gewürdigt.<br />
Qualität und Motivation schulischer<br />
Dienstleistung können auf diesem Wege<br />
nicht gesteigert werden, da bereits der<br />
subjektive Eindruck willkürlicher bzw.<br />
ungerechter Entscheidungen sehr belastend<br />
für das Betriebsklima werden<br />
kann und möglicherweise die Motivation<br />
des Einzelnen stark mindert.<br />
Pädagogische Leistungen sind von Natur<br />
sehr komplex und schwierig zu beurteilen.<br />
Es wird die Gefahr der einseitigen<br />
Honorierung öffentlichkeitswirksamer<br />
Aktionen gesehen, die in ihrer<br />
Qualität ja nur schwer mit der alltäglichen<br />
Unterrichtsarbeit zu vergleichen<br />
sind. (…)“<br />
Das Kollegium der Gutenbergschule<br />
- Regionale Schule - in Gönnheim:<br />
(…)„Wir Kolleginnen und Kollegen<br />
sind der Meinung, dass<br />
• die Leistungsprämie gegen unser Berufsethos<br />
verstößt<br />
• nicht nur zwei oder drei Lehrer unserer<br />
Schule herausragende Leistungen<br />
erbringen<br />
• die in den verschiedenen Bereichen<br />
erbrachten Leistungen nicht vergleichund<br />
aufrechenbar sind<br />
• der ideelle Einsatz, den jeder von uns<br />
erbringt, nicht bemessen werden kann<br />
• das Prämiensystem der Wirtschaft sich<br />
nicht auf Schule übertragen lässt.<br />
Die Hervorhebung einzelner Lehrerinnen<br />
und Lehrer spaltet das Kollegium<br />
und führt nicht zu einer erhöhten Leistungsmotivation.<br />
(…)”<br />
Der Personalrat der Grundschulen<br />
Nahbollenbach und Weierbach in<br />
Idar-Oberstein:<br />
(…)„Die vorgesehene Form der Leistungsprämie<br />
finden wir vor allem für<br />
kleine Schulen unangebracht. Bis wir<br />
in den Genuss einer Prämie kommen<br />
können, ist die besondere Leistung eines<br />
Einzelnen längst verjährt! Durch die<br />
Volle Halbtagsschule, große Klassen und<br />
die Tatsache, dass wir alle, also das gesamte<br />
Kollegium, für gutes Geld auch<br />
stets sehr gute Arbeit leisten wollen, fühlen<br />
wir uns hoch belastet. Wir fänden<br />
es gut, wenn das Geld, das für Leistungsprämien<br />
bereitgestellt wird, auch dazu<br />
verwandt werden könnte, die hohen<br />
Klassenmesszahlen zu senken oder mehr<br />
Feuerwehrlehrer (gerade auch für kleinere<br />
Schulen!) einzustellen. Damit<br />
würden für alle engagierten Lehrer bessere<br />
Arbeitsbedingungen geschaffen!<br />
(…)“<br />
Das Kollegium der Grundschule<br />
Nierstein:<br />
(…)„Da die Grundvoraussetzung für<br />
eine Prämierung ein „überdurchschnittlich<br />
guter Unterricht“ ist, könnten KollegInnen<br />
mit verhaltensauffälligen und<br />
lernschwachen Kindern in ihren Klassen<br />
in die Situation kommen, nicht<br />
mehr offen im Kollegium über ihre Probleme<br />
in und mit der Klasse sprechen<br />
zu können aus Sorge, damit die Fähigkeit<br />
zu einem guten Unterricht abgesprochen<br />
zu bekommen. (…)<br />
Besonders hervorgehobene zusätzliche<br />
Leistungen von Lehrern könnten in der<br />
Öffentlichkeit den Eindruck erwecken,<br />
dass Lehrer mit ihrer täglichen Arbeit<br />
nicht ausgelastet seien und durchaus<br />
noch Kapazitäten frei hätten, um<br />
Mehrarbeit zu leisten. (…)<br />
Unserer Meinung nach sollten mit dem<br />
Geld, das für die Prämierung und den<br />
anschließenden Verwaltungsaufwand<br />
vorgesehen ist, dringendere Probleme<br />
gelöst werden. Wir denken dabei an die<br />
ausstehende Verbeamtung vieler Junglehrer<br />
und die Reduzierung der Klassenstärke.“<br />
Das Kollegium der Grundschule Gerolsheim-Laumersheim:<br />
(…)„Nachdem wir alle durch Lohnverzicht<br />
für die Durchführbarkeit dieses<br />
Gesetzes gesorgt haben, fänden wir es<br />
sinnvoller, mit dem angesparten Geld<br />
zusätzlich Lehrer einzustellen. Dieses<br />
Vorhaben käme sowohl uns als auch den<br />
Schülern zugute.<br />
Uns Lehrern geht es weniger um eine<br />
willkürliche Brosamenspende, als vielmehr<br />
um wichtige Verbesserungen in<br />
der Schule und wirksame Entlastungen<br />
für die Kolleginnen und Kollegen. Leistungsprämien<br />
und Zulagen sind der<br />
wohl am schlechtesten geeignete Weg für<br />
eine Schule, in der demokratische Mitverantwortung,<br />
soziales Miteinander<br />
und Teamfähigkeit gelebt werden sollen.<br />
(…)“<br />
Die Personalversammlung der Friedrich-Schweitzer-Schule<br />
in Westerburg:<br />
(…)„Wir sind der Meinung, dass im<br />
Sonderschulbereich und hier speziell in<br />
unserer Schule ein besonderes Engagement<br />
täglich erforderlich ist und auch<br />
von jedem geleistet wird, um die Ziele<br />
unserer Schule überhaupt erreichen zu<br />
können. Von daher hätte jeder einen<br />
Anspruch auf diese Leistungsprämie.<br />
(…)“<br />
Das Kollegium der Grundschule Dekan-Ernst-Schule<br />
Grünstadt sowie<br />
die Personalräte der Realschule Grün-<br />
12 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Schulen<br />
stadt, Käthe-Kollwitz-Schule, Grünstadt,<br />
Grundschule Obrigheim,<br />
Grundschule Gerolsheim-Laumersheim,<br />
Grundschule Burgenländchen<br />
Kleinkarlbach, Grundschule Bockenheim,<br />
Hauptschule Leiningerland<br />
Grünstadt:<br />
(…)„Unserer Meinung nach entwertet<br />
die geplante Prämie eher unsere in<br />
der Verantwortung vor Schülern und<br />
Eltern geführte Arbeit, als dass diese<br />
„Schmankerl für wenige“ zusätzliche<br />
Anreize zur Steigerung der Unterrichtsqualität<br />
schaffen kann.<br />
Für uns Kolleginnen und Kollegen, die<br />
wir alle jeden Tag unsere besonderen<br />
Einzelleistungen erbringen, um einen<br />
gewissenhaften und verantwortungsbewussten<br />
Unterricht zu gewährleisten,<br />
wirkt ein solches Gesetz undemokratisch,<br />
demotivierend und falsch! Eine<br />
Schule kann eben kein nach wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten geführtes Unternehmen<br />
sein, da unsere Zielsetzungen<br />
pädagogischer Art sind. (…)“<br />
Der Personalrat der Grund- und<br />
Hauptschule Paternus in Pfeddersheim:<br />
„Die Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes<br />
brachte für die gesamte Beamtenschaft<br />
eine Verschlechterung der Bezüge.<br />
Wenn nun ein Teil dieses einbehaltenen<br />
Geldes an einzelne, wenige<br />
Mitglieder des Kollegiums als ’Honorierung<br />
für besondere Leistungen‘ zurück<br />
gegeben wird, bringt das extremen<br />
Unfrieden und Unzufriedenheit in die<br />
einzelnen Schulkollegien.<br />
Sie ist demotivierend für die Vielzahl<br />
von Kollegen und Kolleginnen, die zusätzliche,<br />
über ihre dienstliche Verpflichtung<br />
hinaus reichende Leistungen<br />
erbringen.<br />
Das soziale Klima in der Schule muss<br />
zum Wohle der Kinder ausgewogen und<br />
von gegenseitiger Achtung und Hilfe<br />
geprägt sein. Konkurrierende finanzielle<br />
Maßnahmen, wie sie in der Industrie<br />
häufig angewendet werden, um<br />
eine fiktive Leistungssteigerung zu erreichen,<br />
werden daher als ungeeignet,<br />
ja kontraproduktiv abgelehnt.“<br />
Das Kollegium der Bodelschwingh-<br />
Schule in Bendorf-Mülhofen:<br />
(…)„Man stelle sich Folgendes vor:<br />
Ein Schlittenhundegespann, neun<br />
Hunde und der Schlittenhundeführer,<br />
bilden zusammen ein harmonisches<br />
Team und haben in Eintracht gemeinsam<br />
über einen längeren Zeitraum einen<br />
Schlitten gezogen. Nach getaner<br />
Arbeit wirft der Hundeführer dem Rudel<br />
einen Knochen zu.<br />
Wozu das führen wird, sollte wohl jedem<br />
klar sein.<br />
Ein sachkundiger, qualifizierter Hundeführer<br />
würde so eine Situation nie<br />
provozieren. (…)“<br />
Das Kollegium der Medardus-Schule<br />
in Bendorf:<br />
(…)„Es wäre sinnvoller und effizienter<br />
die Klassenmesszahlen drastisch zu<br />
senken, den Förderunterricht erheblich<br />
zu erhöhen und die finanzielle Misere<br />
der sehr engagierten Junglehrer endlich<br />
zu verbessern.“<br />
Das Kollegium der Grundschule Urbar:<br />
(…)„Wir erlauben uns daher anzumerken,<br />
dass Leistung nicht zuletzt auch<br />
aus Anerkennung erwächst. Wie man<br />
jetzt allgemein erfahren kann, wird in<br />
jenen Ländern, die bei der Pisastudie<br />
gut abgeschnitten haben, dem Berufsstand<br />
des Lehrers höhere Wertschätzung<br />
entgegen gebracht. Hierzulande wurden<br />
wir Pädagogen von Spitzenpolitikern<br />
auf Bundes- und Länderebene mit<br />
verbalen Entgleisungen öffentlich verunglimpft,<br />
ohne dass eine Korrektur<br />
seitens unserer Dienstherren erfolgte.<br />
Ungeachtet einiger schwarzer Schafe,<br />
die es in jedem Berufsstand gibt, hätten<br />
wenigstens jene Kollegen Loyalität<br />
erfahren müssen, die seit Jahren selbstverständlich<br />
ausgezeichnete Arbeit leisten.<br />
(…)“<br />
Das Kollegium der Erich Kästner-<br />
Realschule in Hermeskeil:<br />
(…)„Man kann den Lehrer nicht mit<br />
einem Verwaltungsbeamten vergleichen.<br />
Seine Aufgaben reichen vom Psychologen,<br />
Erzieher, Wissensvermittler, Sekretär,<br />
Richter, bis hin zum Freizeitgestalter<br />
(Animateur!). Keiner schafft es in<br />
allen Bereichen gleich gut zu sein. Deshalb<br />
ist gerade die Vielzahl von Begabungen<br />
in einem Kollegium nützlich,<br />
macht aber letztlich alle gleich.<br />
Seit Jahren warten wir vergeblich auf<br />
Anerkennung unserer Leistungen und<br />
können nicht verstehen, dass notwendigste<br />
Erleichterungen wie Bezahlung<br />
der Mehrarbeit, Absenkung des Wochenstundendeputats<br />
bzw. der Klassenfrequenz<br />
aus finanziellen Gründen<br />
nicht machbar sind.<br />
Die Kollegen sind durchaus zur Innovation<br />
bereit und wollen solide arbeiten,<br />
dazu brauchen aber alle mehr Zeit<br />
und nicht ein paar wenige mehr Taschengeld.<br />
(…)“<br />
Kollegium der Grundschule Bockenheim<br />
„Wir befürchten, dass die Verbindung<br />
von Würdigung einer besonderen Leistung<br />
und Aufstellung einer 10%-Quote<br />
ungerechte Verteilungsmaßstäbe fördern<br />
wird. Gefördert wird mit dieser Maßnahme<br />
lediglich Missgunst, Neid, Uneinigkeit<br />
und Unverständnis, besonders<br />
in kleineren Kollegien. (...)“<br />
Kollegium der Realschule Rockenhausen<br />
„(...) In der Realschule Rockenhausen<br />
versteht sich das Kollegium als pädagogisches<br />
Team, das sich weit über seine<br />
zugewiesene Arbeit hinaus engagiert.<br />
Nur gemeinsam ist es möglich, ein<br />
Schulprofil wie das der Realschule Rokkenhausen<br />
zu entwickeln, welches auch<br />
zu einem 1. Preis im Wettbewerb ´Qualität<br />
schulischer Arbeit in Rheinland-<br />
Pfalz` geführt hat. (...)“<br />
Kollegium der Grundschule Vallendar<br />
„(...) Den Ansatz, Leistungssteigerung<br />
durch finanzielle Zuwendung zu bewirken,<br />
halten wir für diskriminierend und<br />
irrig. Diskriminierend deswegen, weil<br />
er eo ipso unterstellt, dass einige oder<br />
viele von uns nicht gleichermaßen voll<br />
engagiert sind, irrig deswegen, weil finanzielle<br />
Zuwendung oder Stundenermäßigung<br />
wohl kaum als geeignete<br />
Mittel anzusehen sind, etwaige nicht<br />
voll engagierte KollegInnen zu vermehrter<br />
Einsatzbereitschaft zu bewegen. (...)“<br />
ÖPR der Regionalen Schule Salmtal<br />
„(...) Wir lehnen die ’leistungsbezogene<br />
Honorierung‘ ab! Jeder von uns hat<br />
sich durch persönlichen Einsatz am<br />
Aufbau der Regionalen Schule Salmtal<br />
und bei der Durchführung der Idee eingebracht.<br />
So werden beispielsweise die<br />
Regionalschultage und Schnuppertage<br />
gemeinsam geplant und durchgeführt.<br />
Auch die Aktionen im Fremdsprachenbereich<br />
oder im Sport werden von allen<br />
Kollegen gefördert und getragen. Es wäre<br />
daher höchst unkollegial, eine Einzelperson<br />
für die Honorierung vorzuschlagen.<br />
(...)“<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
13
Schulen<br />
Stammtischparolen vom Philologenverband<br />
Unter dem Titel „Lehrergewerkschaft<br />
im Abseits“ erhebt der Bildungsreferent<br />
des Philologenverbands, Malte Blümke,<br />
in letzter Zeit mehrfach öffentlich<br />
die Behauptung, die Bildungspolitik<br />
der <strong>GEW</strong> sei „mitverantwortlich für die<br />
miserablen Testergebnisse“ deutscher<br />
Schülerinnen und Schüler bei der<br />
PISA-Studie (Leserbrief im Trierischen<br />
Volksfreund vom 16.02.2002 und im<br />
‚Blick‘ Nr. 143).<br />
Nach der PISA-Studie haben Länder<br />
mit integrierten Systemen besser abgeschnitten<br />
als die Bundesrepublik<br />
Deutschland. Dies ist eine Tatsache, die<br />
der Philologenverband nicht wahrhaben<br />
darf. Die deutsche Schulstruktur<br />
darf sich nicht bewegen. Aber „sie bewegt<br />
sich doch“. Sie muss es nach den<br />
PISA-Ergebnissen. Denn wir haben die<br />
geringste Zahl an AbiturientInnen und<br />
große Teile sozial benachteiligter<br />
Schichten haben wenig Chancen in<br />
unserem Bildungssystem.<br />
Wie zu allen Zeiten, wenn fester Glaube<br />
Erschütterungen erfährt und Weltbilder<br />
ins Wanken geraten, beginnt die<br />
eifrige Suche nach Sündenböcken. Es<br />
ist die hohe Zeit der Stammtischparolen.<br />
Der Philologenverband, dessen<br />
Existenz mit dem gegliederten Schul-<br />
wesen unzertrennbar verknüpft ist,<br />
schlägt wild um sich, nach dem die<br />
PISA-Studie die Überlegenheit des<br />
deutschen gegliederten Schulwesens eindeutig<br />
in Frage gestellt hat. Die Not<br />
der Philologen ist verständlich, denn sie<br />
stehen bildungspolitisch mit dem Rükken<br />
an der Wand. (Dies gilt im Übrigen<br />
auch für das Thema Reform der<br />
Lehrerbildung, wo bereits vorhandene<br />
europäische und bundesweite Vorgaben<br />
einfach ignoriert werden.)<br />
Vor diesem Hintergrund muss man die<br />
Äußerungen Blümkes sehen und bewerten.<br />
Zum Beispiel sieht er einen Zusammenhang<br />
zwischen der Abschaffung<br />
der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung<br />
in Rheinland-Pfalz, übrigens<br />
eine Maßnahme der demokratisch gewählten<br />
Landesregierung, nicht der<br />
<strong>GEW</strong>, und dem schlechten Leseverständnis<br />
der 15-jährigen Schülerinnen<br />
und Schüler in ganz Deutschland. Dies<br />
ist geradezu grotesk. Der <strong>GEW</strong> wirft<br />
er Leistungsdiffamierung vor. Gibt es<br />
einen Beleg dafür, dass <strong>GEW</strong>-KollegInnen<br />
geringere Anforderungen stellen als<br />
Philogenverbands-Mitglieder? Oder ist<br />
der Einfluss der <strong>GEW</strong> so stark, dass ihre<br />
angebliche Leistungsdiffamierung große<br />
Teile der Lehrerschaft zur Absenkung<br />
Blümke schrieb unter anderem: „Die<br />
Lehrergewerkschaft <strong>GEW</strong> stellt sich<br />
wieder einmal ins Abseits, wenn sie fordert,<br />
das Sitzenbleiben völlig abzuschaffen.<br />
„Fördern statt Sortieren“ ist<br />
die Parole der ewrig Gestrigen der Bildungspolitik,<br />
die so tun, als ob es sich<br />
hier um eine tatsächliche Alternative<br />
handeln würde. (…)<br />
Die Bildungspolitik der <strong>GEW</strong> ist mitverantwortlich<br />
für die miserablen Testergebnisse.<br />
Die Diffamierung von Leistung,<br />
die Abschaffung der verbindlichen<br />
Schullaufbahn-Empfehlung, die Poleder<br />
Anforderungen veranlasst?<br />
Die aus Philologenverbands-Sicht leistungsfördernden<br />
oder - steigernden<br />
Maßnahmen (Sitzenbleiben, verbindliche<br />
Schullaufbahnempfehlung) gibt es<br />
in den meisten Ländern nicht. Trotzdem<br />
scheinen sie nach den PISA-Ergebnissen<br />
leistungsfähiger zu sein.<br />
Blümke stellt die Dinge einfach auf den<br />
Kopf.<br />
Die von ihm ausgehende polemische<br />
Auseinandersetzung erfordert von Seiten<br />
der <strong>GEW</strong> natürlich eine Reaktion.<br />
So haben <strong>GEW</strong>-Mitglieder und -VertreterInnen<br />
des Bezirks Trier mit entsprechenden<br />
Leserbriefen an den Trierischen<br />
Volksfreund sofort geantwortet.<br />
Gleichwohl, diese Art der Auseinandersetzung<br />
ist weder hilfreich noch von der<br />
<strong>GEW</strong> gewollt. Der ‚Pisa-Schock‘ sollte<br />
für alle Lehrerorganisationen Anlass<br />
sein, gemeinsame Wege aus der Misere<br />
zu finden. Dialog ist gefragt, nicht billige<br />
und unsachliche Schuldzuweisung.<br />
Deswegen bietet die <strong>GEW</strong>-Fachgruppe<br />
Gymnasien den Nachdenklichen im<br />
Philologenverband Gesprächsbereitschaft<br />
an, trotz Blümkes Entgleisungen.<br />
(Hajo Arend für die<br />
<strong>GEW</strong>-Fachgruppe Gymnasien)<br />
Aus Leserbriefen von <strong>GEW</strong>-KollegInnen<br />
Wie oben berichtet, griff der Philologenverbandsfunktionär<br />
Malte<br />
Blümke in einem Leserbrief im<br />
„Trierischen Volksfreund“ die <strong>GEW</strong><br />
wegen ihrer Forderung, das Sitzenbleiben<br />
abzuschaffen, heftig an.<br />
mik gegen Schulleistungstests und Begabtenförderung,<br />
die Forderung nach<br />
Abschaffung der Noten und Verlängerung<br />
der Grundschulzeit sind Beispiele<br />
für einen verfehlten Bildungsansatz.<br />
Offensichtlich haben dies die Gewerkschaftsfunktionäre<br />
noch nicht begriffen.“<br />
Hier Auszüge aus den Entgegnungen<br />
örtlicher <strong>GEW</strong>-KollegInnen:<br />
Der <strong>GEW</strong>-Bezirksvorsitzende Roman<br />
Backes schrieb dazu: „(…) Wer<br />
die PISA-Studie gelesen hat, muss zur<br />
Kenntnis nehmen, dass in den Staaten,<br />
in denen Schüler nicht so frühzeitig<br />
wie in Deutschland auf unterschiedliche<br />
Bildungswege verteilt werden, ein<br />
wesentlich besseres Ergebnis erzielt<br />
wurde. Dies bedeutet, dass unabhängig,<br />
an welcher Schulart wir tätig sind,<br />
unabhängig, welche Gewerkschaft bzw.<br />
welchen Verband wir vertreten, wir uns<br />
zum Wohle zukünftiger Schülergenerationen<br />
neue, erfolgversprechendere Konzepte<br />
ausdenken müssen. Meines Erachtens<br />
bedeutet dies ein Mehr an Integration<br />
und nicht so frühzeitige Auseinanderdividierung<br />
auf die unterschiedlichen<br />
Bildungsgänge, wie es derzeit<br />
in Deutschland üblich ist. Dies ist<br />
seit Jahrzehnten eine Forderung der<br />
<strong>GEW</strong>. Durch die PISA-Studie fühlen<br />
wir uns leider, ich wiederhole: leider -<br />
bestätigt.“<br />
Von eigenen Schwächen<br />
ablenken<br />
Peter Heisig von der Fachgruppe BBS<br />
reagierte ebenfalls:<br />
„Die Not muss ja schon groß sein, wenn<br />
ein Funktionär des Philologenverbandes,<br />
ohne sich als ein solcher zu erken-<br />
14 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
nen zu geben, es nötig hat, in ausgesprochen<br />
polemischer Art und Weise die<br />
<strong>GEW</strong> als Lehrergewerkschaft ins Abseits<br />
zu stellen und ihr wegen des Konzeptes,<br />
Schüler zu fördern, statt sie zu<br />
sortieren, die Mitverantwortung für die<br />
miserablen Testergebnisse der PISA-Studie<br />
in die Schuhe zu schieben.<br />
Schuldzuweisungen an andere sind<br />
immer dann willkommen, wenn man<br />
von eigenen Schwächen ablenken kann.<br />
Vertreter einer Ideologie des Gymnasiums,<br />
das als „heimliche Gesamtschule“<br />
(wir vermitteln alle schulischen Abschlüsse:<br />
Sek I, Mittlere Reife, Fachabitur<br />
und allgemeine Hochschulreife)<br />
erst einmal so viel Schüler wie möglich<br />
an sich bindet, um sie dann unter dem<br />
Deckmantel der „Bestenauslese“ an die<br />
„Restschulen“ zu Weiterbehandlung<br />
abzutreten, wären gut beraten, erst einmal<br />
zu lesen und zu denken (…)”<br />
Handeln statt jammern<br />
Henny Weber, Vorsitzende im Kreisverband<br />
Trier der <strong>GEW</strong>, schrieb u.a.:<br />
Schulen<br />
„Die Forderung der <strong>GEW</strong>, das „Sitzenbleiben“<br />
zugunsten von mehr Förderung<br />
abzuschaffen, stößt im konservativen<br />
Lager auf heftige Kritik und wird<br />
gleichgesetzt mit dem Abschied vom<br />
Leistungsgedanken. Das Gegenteil ist<br />
der Fall! PISA hat deutlich gemacht,<br />
dass - abgesehen von Brasilien - kein<br />
Land intensiver Gebrauch von Klassenwiederholungen<br />
macht als Deutschland<br />
und dass dadurch im internationalen<br />
Vergleich ein erheblicher Leistungsnachteil<br />
entsteht. Die Praxis der Klassenwiederholung<br />
ist maßgeblich dafür<br />
verantwortlich, dass im Alter von 15<br />
Jahren erst 23,5 Prozent der deutschen<br />
SchülerInnen in der zehnten Klasse<br />
sind. In anderen Ländern sind die<br />
15jährigen dagegen bereits zu zwei<br />
Dritteln in dieser Stufe. Die PISA-Ergebnisse<br />
verstärken also ein weiteres Mal<br />
den „Zweifel an der pädagogischen<br />
Wirksamkeit“ des Sitzenbleibens.<br />
Die <strong>GEW</strong> Trier setzt sich derzeit sehr<br />
ernsthaft mit den Ergebnissen der<br />
PISA-Studie auseinander. Wir begrüßen<br />
es, dass durch PISA die Bildungsdebatte<br />
wieder ins öffentliche Interesse<br />
gerückt wird, wünschen uns aber, dass<br />
sie nicht nur allgemeines Lamentieren<br />
auslöst, sondern Bemühungen aller Beteiligten,<br />
die Bildungssituation in<br />
Deutschland zu verbessern.“<br />
Wie von der <strong>GEW</strong><br />
gefordert<br />
In Alexander Koltermanns Leserbrief<br />
war u.a. zu lesen: „Blümke hat vergessen<br />
oder verdrängt, dass es gerade die<br />
<strong>GEW</strong> war, die immer darauf hingewiesen<br />
hat, dass Kinder nicht zu früh<br />
in gegliederte Bildungsgänge separiert<br />
werden, sondern individuell gefördert<br />
im integrierten Schulsystem bleiben sollten,<br />
Die Länder mit den laut ’Pisa‘ besten<br />
Bildungserfolgen verfahren genau so wie<br />
die <strong>GEW</strong> es schon immer gefordert hat.<br />
Dies muß man natürlich aus der Studien<br />
herauslesen können – das Lesen<br />
ist aber laut Studie eine der Hauptschwächen<br />
einiger Deutscher!“<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
15
LeserInnenbriefe<br />
Immer neue Aufgaben für Lehrkräfte<br />
Betr.: <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> 1-2/02,<br />
Schwerpunkt: PISA - was nun?<br />
Die Ursachen der Ergebnisse der PISA-<br />
Studie sind zu komplex, um als Allein-<br />
„Schlag ins Gesicht berufstätiger Frauen“<br />
Brief an Ministerin Ahnen zu Neuregelung bei Altersteilzeit<br />
Den folgenden Brief hat die Kollegin<br />
Lies Welker, die an der IGS<br />
Wörrstadt arbeitet, an Ministerin<br />
Ahnen und nachrichtlich auch an<br />
die <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> gesandt:<br />
Sehr geehrte Frau Ministerin Ahnen,<br />
heute erreichte mich Ihr Schreiben mit<br />
der Information, dass ich - entgegen den<br />
bisherigen Vorgaben - doch, um in den<br />
Genuss der Altersteilzeit zu kommen,<br />
zwei Jahre in Vollzeit arbeiten muss.<br />
Um Ihnen mein Entsetzen über diese<br />
neue Bestimmung verständlich zu machen,<br />
möchte ich Ihnen kurz mein bisheriges<br />
Arbeitsleben skizzieren:<br />
heilmittel die Gesamtschule und die<br />
Ganztagsschule zu präsentieren. Die<br />
konzeptionslose Ganztagsschule, die als<br />
Sparmodell vielerorts nur eine Betreuung<br />
anbietet, kann das PISA-Problem<br />
nicht lösen.<br />
Und der schwedische Schulversuch in<br />
den 50er Jahren hat gezeigt, dass gegliedertes<br />
System und Gesamtschule<br />
ähnliche Ergebnisse gebracht haben.<br />
Also - woran liegt’s?<br />
Fakt ist, dass das deutsche Bildungssystem<br />
ähnlich leistungsfähig wie das<br />
schwedische sein könne, wenn ca. 100<br />
Mrd. EUR mehr investiert würden als<br />
bisher. (Quelle: Süddeutsche <strong>Zeitung</strong>,<br />
5.2.2002) Beispielsweise betreut im<br />
schwedischen Primärbereich ein Pädagoge<br />
durchschnittlich 13 Kinder, während<br />
es in Deutschland 21 sind.<br />
Von der <strong>GEW</strong> als Interessenvertretung<br />
der im Schulsystem Beschäftigten erwarte<br />
ich klarere Positionen zu der Tatsache,<br />
dass uns immer neue Aufgaben<br />
aufgeladen werden (… Gewalt -, Drogenprävention,<br />
Familienersatz, …),<br />
ohne die dafür nötigen Strukturen zu<br />
schaffen. Weiterhin erwarte ich eine<br />
deutliche Aussage, dass Eltern Erziehungs-Pflichten<br />
haben, die ihnen die<br />
Schule nicht abnehmen kann und darf!<br />
Dann könnte jede Schulart und jede<br />
Schulstufe das „ABC der integrativen<br />
Arbeit“ (<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong>, 1-2,2002)<br />
buchstabieren. Und man bekäme als<br />
Realschullehrer nicht das Gefühl vermittelt,<br />
nur an der Gesamtschule würde<br />
pädagogisch gearbeitet.<br />
Ludwig Bange, Altendiez<br />
Seit 1974 habe ich mit halber Stelle am<br />
Gymnasium unterrichtet, da ich meine<br />
beiden Kinder - viele Jahre als Alleinerziehende<br />
- aufziehen wollte. In diesem<br />
Jahr habe ich erhebliche „Mehrarbeit“<br />
geleistet, z.B. habe ich (genauso<br />
wie meine KollegInnen in Vollzeit) Klassenfahrten<br />
begleitet, mich an allen schulischen<br />
Veranstaltungen beteiligt, freiwillige,<br />
unbezahlte Arbeitsgruppen geleitet,<br />
etc. Darüber hinaus habe ich<br />
überproportional Oberstufenkurse betreut.<br />
Als meine Kinder die Schule abgeschlossen<br />
hatten, habe ich mein Stundendeputat<br />
auf eine Zweidrittelstelle aufgestockt.<br />
Seit dieser Zeit versorge ich meine<br />
Eltern, die aus Altersgründen eine<br />
gewisse, wachsende Betreuung nötig<br />
haben. (Ich möchte meine Mutter nicht<br />
ins Altersheim abschieben, allein aus<br />
dem Grund, weil ich künftig die volle<br />
Stundenzahl unterrichten müsste.) Andererseits<br />
kann ich auch nicht ganz aus<br />
dem Schuldienst ausscheiden, da meine<br />
Pension aufgrund meiner Teilzeitarbeit<br />
ohnehin knapp bemessen sein<br />
wird.<br />
Wenn ich allerdings weiterhin in Teilzeit<br />
arbeite, bin ich gegenüber den KollegInnen<br />
mit Altersteilzeit finanziell<br />
erheblich benachteiligt.<br />
Sehr geehrte Frau Ministerin, mein<br />
beruflicher Werdegang ist in vielerlei<br />
Hinsicht typisch für das Arbeitsleben<br />
einer berufstätigen Frau. Ich weiß, dass<br />
ich eine volle Stelle nicht werde ausfüllen<br />
können, zumal die bisherigen zwei<br />
Stunden Altersentlastung im Zuge der<br />
Neueinführung der Altersteilzeit ersatzlos<br />
gestrichen wurden. Ich bin somit<br />
auch gegenüber der früheren Regelung<br />
schlechtergestellt.<br />
Eine Anmerkung noch zum Schluss:<br />
Das o.a. Schreiben erreichte unsere<br />
Schule am 8. März, dem internationalen<br />
Frauentag. Die Neufassung der<br />
Altersteilzeit ist ein Schlag ins Gesicht<br />
von vielen berufstätigen Frauen und<br />
entlarvt die Versprechungen unserer<br />
SPD-geführten RegierungspolitikerInnen<br />
als Sonntagsreden (…)<br />
16 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Dumm und reich?<br />
PISA im Lichte des Fortschritts und der Wirtschaft<br />
Schulisch gute Leistungen sagen<br />
kaum etwas aus über die Fortschrittlichkeit<br />
eines Landes. Ebenso wenig<br />
findet man die besten SchülerInnen<br />
in den führenden Industrieländern.<br />
Diese These vertritt Pädagogikprofessor<br />
Dr. Norbert Kluge von der<br />
Universität Koblenz-Landau.<br />
Kluge verglich den „Stand der menschlichen<br />
Entwicklung“(UN) am Beispiel<br />
der 20 führenden Industrieländer mit<br />
der erworbenen Basiskompetenz im<br />
schulischen Bereich. Errechnet wurde<br />
der Durchschnitt der Basiskompetenzen<br />
Lesefähigkeit, mathematische und<br />
naturwissenschaftlichen Grundbildung<br />
so, wie sie die internationale Vergleichsstudie<br />
PISA ausgewiesen hat, im Falle<br />
Deutschland Rang 21 beim Lesen und<br />
jeweils Rang 20 in Mathematik und<br />
Naturwissenschaften, Durchschnitt:<br />
20,3. Die Skala umfasst 19 OECD-<br />
Länder. Der „Index der menschlichen<br />
Entwicklung“( HDI = Human Development<br />
Index) setzt sich aus den<br />
Komponenten „Lebenserwartung bei<br />
der Geburt“, „Ausbildung“ (Alphabetisierungsrate<br />
und Einschulungsquote)<br />
sowie dem Bruttoinlandsprodukt je<br />
Einwohner zusammen.<br />
Finnland, das nach dem Index der<br />
menschlichen Entwicklung den 11.<br />
Platz einnimmt, hat bei PISA am besten<br />
abgeschnitten. Japan folgt auf dem<br />
zweiten Platz, liegt aber überraschenderweise<br />
nach seinem HDI-Wert nur<br />
auf Rang 9 . Beachtlich sind die Leistungen<br />
der neuseeländischen Schülerinnen<br />
und Schüler, wenn sie im PISA-<br />
Ranking auf Platz 3 stehen, obwohl ihr<br />
Land mit dem letzten Rangplatz (19)<br />
- gleichauf mit Italien - bei der HDI-<br />
Bewertung zufrieden sein musste.<br />
Norwegen und die USA gehören nach<br />
dem „Human Development Report<br />
Hochschule<br />
2000“ der UN mit Rang zwei und drei<br />
zu den am meisten entwickelten Staaten,<br />
landen bei PISA aber nur auf Platz<br />
14 und 15.<br />
Allerdings gibt es bei knapp zwei Dritteln<br />
der untersuchten Länder eine gewisse<br />
Rangnähe zwischen Fortschritt<br />
und Bildung. Kanada mit dem höchsten<br />
HDI-Wert, Rang 1, erhält bei<br />
PISA Platz 4, Australien, laut UN an<br />
vierter und Schweden an sechster Stelle,<br />
liegen bei der Bildung auf Platz fünf<br />
bzw. neun. Im Mittelfeld finden sich<br />
Frankreich, die Schweiz und Dänemark.<br />
Ihr Entwicklungsstand entspricht<br />
in etwa ihrem Bildungsstand: Frankreich<br />
Platz 11 und 10, die Schweiz<br />
Platz 13 und 13 und Dänemark auf<br />
Platz 14, was den „Stand der Entwicklung“<br />
angeht, und auf Platz 16, was<br />
die getesteten Basiskompetenzen seiner<br />
15jährigen betrifft. Deutschland wird<br />
immer durchschnittlicher. Gemessen<br />
am Fortschritt liegt es mit Dänemark<br />
gleichauf, gemessen an der Bildung seines<br />
Nachwuchses einen Platz dahinter,<br />
nur noch gefolgt von Italien und Luxemburg.<br />
Paul Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
17
Internationales<br />
Kuba: Mangelwirtschaft mit Vorteilen<br />
Blick hinter die Kulissen eines faszinierenden Urlaubslandes<br />
Wie die veröffentlichte Meinung und die politischen Absichten die<br />
Meinungen und Vorstellungen über ein Land verzerren können, schildert<br />
unsere Redakteurin Ursel Karch am Beispiel Kubas. Sie bereiste<br />
das Land, das sicher auch bei <strong>GEW</strong>-Mitgliedern sehr viele unterschiedliche<br />
Assoziationen auslöst, im Frühjahr.<br />
Kuba ist in der Vorstellung der meisten<br />
Deutschen nur verbunden mit<br />
den Begriffen „Kuba-Krise“, „Steinzeit-Kommunismus“,<br />
Versorgungskrisen,<br />
Verkehrsprobleme, Flüchtlingstragödien<br />
usw.. Kuba als Reiseziel<br />
ist erst etwa seit fünf Jahren wieder<br />
ins Blickfeld geraten, obwohl die<br />
Karibik ja schon seit längerem ein<br />
bevorzugtes Reiseziel der sonnenhungrigen<br />
Deutschen ist.<br />
In der Tat: Kuba ist ein wunderschönes<br />
Reiseland. Es bietet alles, was die<br />
Karibik verspricht: Sonne, Wärme,<br />
kilometerlange weiße Sandstrände,<br />
Palmen bis ans Meeresufer, ein türkisblaues,<br />
warmes Meer, surfen, segeln,<br />
tauchen am zweitgrößten Riff<br />
der Erde, Katamaranfahren, Hochseefischen...<br />
Einfach das ganze Programm,<br />
was sich eine NordhalbkugelbewohnerIn<br />
so von der Karibik<br />
erwartet.<br />
Die Hotels entsprechen in ihren Kategorien<br />
denen der Mittelmeerländer.<br />
Allerdings sind nicht alle Getränke<br />
zu erhalten, die eine EuropäerIn so<br />
erwartet: Coca Cola - Fehlanzeige<br />
(Embargo), Wein - nur zu den Mahlzeiten,<br />
deutsches Bier - Fehlanzeige<br />
(Embargo). Allerdings wird dieses<br />
Fehlen kompensiert durch einheimische<br />
oder im Lande hergestellte Getränke.<br />
Im Service kann es Kuba mit allen<br />
klassischen Reiseländern aufnehmen.<br />
An der Rezeption ist Dreisprachigkeit<br />
fast die Regel. Zimmermädchen,<br />
die sich schriftlich in deutscher Sprache<br />
dem Gast vorstellen, habe ich<br />
bisher woanders noch nicht erlebt.<br />
Ein Pauschaltourist, der nur einen<br />
Strandurlaub genießen will, kann<br />
sich rundum versorgen und unterhalten<br />
lassen. Die Angebote sind reichhaltiger<br />
und fantasievoller als in eu-<br />
ropäischen Reiseländern üblich.<br />
Die im ehemaligen Ostblock übliche<br />
Bewegungsbeschränkung für TouristInnen,<br />
in vorgegebenen Gebieten<br />
zu bleiben, existiert in Kuba nicht.<br />
Mit einem Mietauto oder Motorroller<br />
kann die ganze Insel individuell<br />
erkundet werden. Es gibt Trekking-<br />
Angebote für die Sierra Maestra und<br />
das Escambray-Gebirge, auch Radtouren<br />
durch weite Gebiete der Insel<br />
sind möglich.<br />
Diese Freizügigkeit kann keine andere<br />
Karibikinsel bieten, denn dort<br />
zwingt die Kriminalität (Dominikanische<br />
Republik, Jamaika ...) die<br />
TouristInnen, in ihren Ressorts zu<br />
bleiben, wenn sie nicht Gefahr laufen<br />
wollen, Opfer eines Überfalls zu<br />
werden.<br />
Währung<br />
Die offizielle Währung ist der kubanische<br />
Peso (26 Pesos = 1US-Dollar).<br />
Diese Währung gilt nur für die Kubaner.<br />
Zweitwährung ist der konvertible<br />
Peso (1kP = 1US Dollar). Diese<br />
Währung gilt ebenfalls nur für die<br />
Einheimischen. Irgendwie erworbene<br />
Dollars werden in diese Währung<br />
umgetauscht und ermöglichen den<br />
Erwerb von Waren, die für Pesos<br />
nicht zu haben sind.<br />
Touristenwährung ist der US-Dollar,<br />
nur mit diesem Zahlungsmittel können<br />
TouristInnen - egal wo, egal was<br />
(einschließlich des Toilettengangs) -<br />
bezahlen.<br />
Eine weitere Touristenwährung ist<br />
das „Seife-Creme-Kugelschreiber-<br />
Gummibärchen-Geld“. An allen<br />
Plätzen, an denen TouristInnen auftauchen,<br />
lauern schon Scharen von<br />
Kindern, Jugendlichen und vorwiegend<br />
alten Frauen, die diese Währung<br />
erbetteln. Sollte einem diese<br />
Währung ausgegangen sein, dann<br />
kommt die englische Bitte, die alle<br />
KubanerInnen als Fremdsprache beherrschen:<br />
„One Dollar, please“.<br />
Die Peso-/Dollar-Spaltung der Währung<br />
schafft auch eine Zweiklassengesellschaft:<br />
DollarbesitzerInnen und<br />
NichtdollarbesitzerInnen. Wer im<br />
weitesten Sinne im Touristikgeschäft<br />
tätig ist, sitzt an der Quelle. Trinkgelder<br />
sind ausschließlich in Dollars<br />
erwünscht, denn für Dollars ist einfach<br />
alles zu haben. Ob es sich dabei<br />
um rares Olivenöl, Rinderfilet,<br />
Hummer, Antibiotika, Sportschuhe<br />
von Nike oder eine Handtasche von<br />
Gucci handelt, ist egal.<br />
Alltagsversorgung<br />
Der Durchschnittslohn in Kuba beträgt<br />
250 Pesos. Nur Ärzte und Zukkerrohrschneider<br />
erhalten den<br />
Höchstlohn von 450 Pesos. Die Mieten<br />
sind sehr gering, dafür ist der<br />
Wohnraum sehr bescheiden (Küche<br />
plus zwei Räume für fünf Personen).<br />
Die Grundnahrungsmittel werden<br />
immer noch zugeteilt (zu ganz niedrigen<br />
Preisen): Fett, Mehl, Zucker,<br />
Reis, schwarze Bohnen, Brot, 1l<br />
Milch pro Tag für jedes Kind unter<br />
sieben Jahren, Rindfleisch für Personen<br />
bis sieben und über 60 Jahre,<br />
Schweinefleisch für alle.<br />
Wer mehr verbrauchen will, als staatlich<br />
zugelassen ist, zahlt dafür das<br />
Drei- bis Vierfache des Preises in<br />
Pesos.<br />
Wer „Luxuslebensmittel“ wie Olivenöl,<br />
Wein, Rindfleisch u.ä. kaufen<br />
will, ist auf die Dollarläden angewiesen.<br />
Inzwischen existieren auch „Bauernmärkte“,<br />
die Gemüse und Schweinefleisch<br />
aus eigener Erzeugung gegen<br />
Pesos verkaufen.<br />
Sichtbare Folge dieses Zuteilungssystems:<br />
Ich habe kein einziges unterernährtes<br />
Kind oder eine abgemagerte<br />
ältere Person gesehen, wie dies<br />
sonst in Entwicklungsländern der<br />
Fall ist.<br />
Da Kuba keinerlei Kredite der Weltbank<br />
erhält und seit 40 Jahren von<br />
einem Embargo betroffen ist, das die<br />
USA verhängt haben, muss das Land<br />
18 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Internationales<br />
seine Menschen mit dem ernähren,<br />
was auf seinem Boden wächst. Nach<br />
dem Zusammenbruch des Ostblocks<br />
kann auch nicht mehr so viel Zukker<br />
verkauft oder eingetauscht werden,<br />
wie notwendig wäre, um eine<br />
bessere Versorgung der Bevölkerung<br />
zu gewährleisten.<br />
Große Rinderherden sind sichtbares<br />
Zeichen der Bestrebungen, aus eigener<br />
Kraft eine gute Versorgung zu<br />
erreichen. Da die Rinder aber ausschließlich<br />
auf Grasfutter angewiesen<br />
sind (in der Trockenzeit ausgesprochen<br />
spärlich), weil die Devisen,<br />
um zusätzliches Kraftfutter (Soja<br />
und Mais) zu kaufen, fehlen, ist die<br />
Milchleistung der Kühe gering (7-<br />
10l pro Tag). Also muss die Milchzuteilung<br />
auf die Kinder beschränkt<br />
bleiben.<br />
Zitrusplantagen mit neuen - meist<br />
spanischen - Baumsorten sind in den<br />
letzten Jahren angelegt worden, um<br />
für den Export konkurrenzfähig und<br />
vom Zucker unabhängig zu werden.<br />
Die einheimischen Sorten werden<br />
auf dem Inlandsmarkt angeboten<br />
oder zur Saftherstellung benutzt.<br />
Verkehrsprobleme<br />
Entwicklungsländer und Verkehrsprobleme<br />
sind beinahe Synonyme,<br />
aber über die Probleme Kubas wird<br />
berichtet. Ursachen für die Transportprobleme<br />
gibt es mehrere.<br />
Durch das Embargo ist es Kuba verwehrt,<br />
Treibstoff zu kaufen. Seit dem<br />
Zusammenbruch des Ostblocks<br />
kommt auch von dort nichts mehr.<br />
Inzwischen beutet Kuba mit Hilfe<br />
Frankreichs (Joint-Venture) die eigenen<br />
Vorkommen an Öl und Erdgas<br />
aus. Damit können sie bisher gerade<br />
mal 10 Prozent des eigentlichen<br />
Bedarfs decken. Radikalmaßnahme:<br />
Privaten Autokauf gibt es nicht! Wer<br />
Autos aus der „Vor-Fidel-Zeit“ besitzt,<br />
darf sie weiter benutzen. Die<br />
„Oldtimer“ sind inzwischen zum<br />
Markenzeichen geworden. Ihre Besitzer<br />
verdienen sich als Privattaxifahrer<br />
oder auch nur als Modell für<br />
ein Urlaubsfoto ihre Dollars. Die<br />
Benzinmotoren der „Oldies“ wurden<br />
inzwischen alle umgerüstet auf Dieselmotoren,<br />
die auch das sehr schwefelhaltige<br />
kubanische Dieselöl verkraften.<br />
Trotz Verbot des privaten<br />
Autokaufs gibt es in Havanna so viele<br />
Autos, dass Alt-Havanna im Autoverkehr<br />
ersticken würde, wären nicht<br />
weite Teile für den Autoverkehr völlig<br />
gesperrt.<br />
Das Verbot des privaten Autokaufs<br />
wurde inzwischen ganz sachte gelokkert.<br />
Verdiente SportlerInnen,<br />
KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen<br />
und kubanische ÄrztInnen, die<br />
in der Dom. Rep. gegen Dollarbezahlung<br />
arbeiten, können Privatautos<br />
wieder für Dollars erwerben.<br />
Die sogenannten PKWs im Regierungsauftrag,<br />
d.h. Feuerwehr, Schulbusse,<br />
Krankenwagen, Mietautos für<br />
Touristen, Autos von Beschäftigten<br />
ausländischer Firmen, Touristentaxis<br />
..., füllen die Straßen. Und dies sind<br />
keine „Oldies“. Peugeot, Fiat und<br />
Renault neueren und neuesten Datums<br />
stellen die Mehrzahl der Fahrzeuge.<br />
Auch die Touristenbusse zählen zu<br />
dieser Kategorie von Fahrzeugen. Zu<br />
90 Prozent wurden sie vom Volvo-<br />
Konzern geliefert und entsprechen<br />
bestem europäischen Standard.<br />
Die Stadtbusse der KubanerInnen<br />
sehen allerdings anders aus. Es sind<br />
wohl ausgemusterte Touristenbusse,<br />
die permanent völlig überfüllt sind.<br />
Die Überlandbusse sind eine kubanische<br />
Kreation: „die Kamelbusse“.<br />
Aus zwei Busgehäusen, verbunden<br />
durch einen Container als Zwischenstück<br />
und an eine starke LKW-Zugmaschine<br />
gekoppelt, wurde ein<br />
Großraumbus für 200 Passagiere geschaffen,<br />
um Kraftstoff zu sparen.<br />
Auf dem Land wurden Militärtransporter<br />
zu Personentransportern umgerüstet.<br />
Auch Traktoren mit Anhängern<br />
werden auf dem Land zum Personenverkehr<br />
benutzt.<br />
Die Kreativität der Kubaner scheint<br />
unerschöpflich, wenn es darauf ankommt<br />
mobil zu sein. Im innerstädtischen<br />
Verkehr gibt es selbstgebastelte<br />
Fahrradtaxis mit und ohne<br />
Musik (Transistor), Motorrollertaxis,<br />
Pferdekutschen und Pferdewagen für<br />
den öffentlichen Verkehr und viele<br />
Fahrräder für den Individualverkehr.<br />
Eine Eisenbahnlinie von Santiago de<br />
Cuba (äußerster Osten der Insel)<br />
nach Havanna (im Westen der Insel)<br />
existiert auch. Aber für diese 900<br />
Kilometer lange Reise braucht man<br />
etwa drei Tage und kann den abgewetzten<br />
Komfort der fünfziger Jahre<br />
genießen.<br />
Selbstverständlich sind alle größeren<br />
Städte in wenigen Stunden mit dem<br />
Flugzeug erreichbar, aber wieder nur<br />
gegen Dollars.<br />
Jede/r KubanerIn kommt an das<br />
Reiseziel, an das sie/er will, nur viel<br />
Geduld und Zeit ist notwendig, um<br />
die Strecke zu bewältigen. Kilometerlange<br />
Fussmärsche - wie in ande-<br />
Lebensfreude in Kuba Foto: Ursel Karch<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
19
Internationales<br />
ren Entwicklungsländern - sind dazu<br />
aber nicht nötig.<br />
Überraschend<br />
Erfreuliches<br />
Was das Herz einer Lehrerin auch<br />
noch a.D. erfreut: Es gibt eine allgemeine<br />
neunjährige Schulpflicht, und<br />
auch in ganz kleinen Dörfern gibt es<br />
eine Grundschule. Sogar Schulbusse<br />
werden eingesetzt, um die Kinder<br />
aus den weit verstreuten Bauernhäusern<br />
abzuholen.<br />
Die GrundschülerInnen tragen alle<br />
eine Schuluniform: roter Rock/rote<br />
Hose und weiße/s Bluse/Hemd.<br />
Mittelschulen (5. - 9. Schuljahr) gibt<br />
es in jeder größeren Stadt - senffarben/weiß<br />
ist das Kennzeichen ihrer<br />
Schuluniformen.<br />
Für MittelschülerInnen aus abgelegenen<br />
Gegenden gibt es Internate,<br />
die kostenlos angeboten werden.<br />
Zugelassen zum Studium, das auch<br />
kostenlos ist, werden nur SchülerInnen,<br />
die gute Leistungen bei der<br />
Abschlussprüfung nach 12 Schuljahren<br />
erreicht haben.<br />
Barfüßige, unsaubere und ungepflegte<br />
Kinder habe ich keine gesehen.<br />
Die ärztliche Versorgung ist kostenlos,<br />
Medikamente müssen bezahlt<br />
werden. Das gilt auch für TouristInnen.<br />
Täglich hatte ein Arzt Sprechstunde<br />
im Hotel.<br />
Kuba ist das sauberste Land südlich<br />
der Alpen, das ich je gesehen habe.<br />
Kein Plastik-, Dosen- und Flaschenmüll<br />
in den Straßen und der Landschaft.<br />
Müllkippen und wilde Deponien<br />
habe ich keine entdeckt.<br />
Alle Droschkenpferde tragen Rossäpfelfangsäcke:<br />
Das vermeidet Gestank,<br />
es gibt keine Brutstätten für Fliegen,<br />
und Naturdünger wird auch gewonnen.<br />
Eine funktionierende Mülltrennung,<br />
Müllabfuhr und Müllverwertung<br />
gibt es ebenfalls.<br />
Eine Mangelwirtschaft hat also auch<br />
Vorteile - sie schont die Umwelt.<br />
Der behutsame Umgang mit der<br />
Umwelt und der Natur zeigt sich in<br />
scharfen Kontrollen bei der Ausreise<br />
nach Gegenständen aus dem Meer<br />
und in Aufforstungsprogrammen im<br />
Escambray-Gebirge (Abholzung erfolgte<br />
schon in der Kolonialzeit).<br />
Slums oder Favelas, wie sie sonst in<br />
allen lateinamerikanischen Ländern<br />
üblich, findet man in Kuba nicht.<br />
Die KubanerInnen sind von einer<br />
Freundlich- und Fröhlichlichkeit, die<br />
ansteckend wirkt.<br />
Und außerdem: Musik und Kuba,<br />
das ist ein und dasselbe.<br />
Kuba wird mich wieder sehen.<br />
Sinnlose Blockadepolitik<br />
Welch eine Enttäuschung für die mitreisenden<br />
deutschen/österreichischen<br />
Männer: Es gibt kein deutsches Bier auf<br />
Kuba! „Sch... kommunismus!“ Aber<br />
Gott sei Dank gab es ja holländisches<br />
bzw. kubanisches Bier! Und schlecht<br />
kann das nicht gewesen sein, wenn ich<br />
mir die Mengen ins Gedächtnis rufe,<br />
die da vernichtet wurden.<br />
Dass es kein deutsches Bier in Kuba<br />
gibt, hat tatsächlich indirekt etwas mit<br />
dem Kommunismus zu tun, aber nicht<br />
mit der Ideologie, sondern mit dem vor<br />
40 Jahren durch die USA verhängten<br />
Embargo (Debakel in der Schweinebucht,<br />
Kuba-Krise, kalter Krieg).<br />
Inzwischen gibt es die Ost-West-Konfrontation<br />
nicht mehr, der Ostblock hat<br />
sich aufgelöst, revolutionäre Bestrebungen<br />
in Lateinamerika sind zur Zeit<br />
nicht erkennbar, aber das US-Embargo<br />
gegen Kuba besteht noch immer!<br />
Zucker, das Hauptausfuhrprodukt<br />
Kubas, soll auf dem Weltmarkt nicht<br />
abgenommen werden, Geld von der<br />
Weltbank gibt‘s nicht, Entwicklungshilfeprojekte<br />
- Fehlanzeige, pharmazeutische<br />
Produkte dürfen nicht geliefert<br />
werden, Erdöl darf nicht an Kuba<br />
verkauft werden, und, und, und.<br />
Vierzig Jahre erträgt Kuba diese Einschnürung<br />
nun schon. Die letzten zwölf<br />
Jahre waren wohl die härtesten in dieser<br />
Geschichte des inzwischen sinnlos<br />
gewordenen Embargos.<br />
Langsam scheint sich aber der Kreis der<br />
europäischen Länder, die am Embargo<br />
festhalten, zu verringern. Französische<br />
Unternehmen beteiligen sich in Joint-<br />
Venture Unternehmungen an kubanischen<br />
Erdölförderungen. Eine französische<br />
Nobelhotelkette hat bereits Hotels<br />
in Havanna gebaut und baut weitere<br />
Hotels. In den Ferienzentren engagieren<br />
sich italienische und spanische<br />
Hotelketten, die Autofirmen Peugeot,<br />
Fiat, Renault und Volvo haben<br />
Niederlassungen in Havanna. Ein<br />
schwedisches Kreuzfahrtschiff läuft seit<br />
neuestem wieder Havanna an. Sogar<br />
Kanada liefert pharmazeutische Produkte,<br />
die in den USA hergestellt und<br />
in Kanada umgepackt werden.<br />
Außer den deutschen Touristikunternehmen<br />
habe ich allerdings keinerlei<br />
deutsches Engagement bemerkt. Wo<br />
bleibt eigentlich die deutsche Initiative?<br />
Lässt die „vorbehaltlose Unterstützung“<br />
der US-amerikanischen Politik<br />
wirklich keine Wirtschaftspolitik im<br />
eigenen Interesse zu? In der derzeitigen<br />
wirtschaftlichen Flaute sollte die<br />
Bundesregierung ihre Blickrichtung lieber<br />
dorthin richten, wo deutsche Unternehmen<br />
Geld verdienen können, als<br />
stur an einem sinnlos gewordenen Embargo<br />
festzuhalten.<br />
Alt-Havanna bröselt langsam vor sich<br />
hin, obwohl es seit 1982 zum Weltkulturerbe<br />
erklärt wurde, sind die Sanierungsmaßnahmen<br />
nur in Ansätzen zu<br />
erkennen. Die Gelder der UNESCO<br />
fließen wohl sehr stockend. Wie wäre<br />
es, wenn die Bundesregierung sich da<br />
einschalten würde, denn Entwicklungshilfe<br />
kommt am Ende doch immer dem<br />
Geber zugute. Die deutsche Bauindustrie<br />
leidet doch unter Auftragsmangel,<br />
und dort gäbe es eine Menge zu tun.<br />
Baumaterial gibt es in Kuba auch nicht<br />
genug, es ist also auch dorthin etwas<br />
zu verkaufen. Das Know-how für solche<br />
Baumaßnahmen haben deutsche<br />
Ingenieure und Facharbeiter sicherlich.<br />
Und eine historische Rarität erhalten<br />
zu helfen, wäre zudem eine „gute Tat“.<br />
Liebe Bundesregierung, nimm dir ein<br />
Beispiel an Frankreich, Spanien, Italien<br />
und Schweden und emanzipiere<br />
dich wenigsten ein bisschen vom Überbruder<br />
und seiner sinnlosen Blockadepolitik.<br />
Ursel Karch<br />
20 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Die <strong>GEW</strong> gratuliert<br />
im Juni 2002<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Frau Gisela Richter<br />
24.06.1932<br />
Fröbelstr. 11 · 67071 Luwigshafen<br />
Herrn Ulrich Krampen<br />
25.06.1932<br />
Oberer Weg 1 · 56812 Cochem<br />
zum 86. Geburtstag<br />
Herrn Helmut Heil<br />
08.06.1916<br />
Wolfsangel 15 · 67663 Kaiserslautern<br />
Frau Marianne Kleinhans<br />
10.06.1916<br />
Ebertstr. 27 · 67063 Ludwigshafen<br />
Alter und Ruhestand<br />
zum 75. Geburtstag<br />
Herrn Herbert Hollinger<br />
03.06.1927<br />
Hauptstr. 14 · 66909 Herschweiler-Pettersheim<br />
Frau Gisela Turek<br />
05.06.1927<br />
Wappensteinstr. 16 · 66969 Lemberg<br />
Herrn Karl Winkler<br />
18.06.1927<br />
Madenburgstr. 33 · 76855 Annweiler<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Herrn Heinrich Laubenstein<br />
05.06.1922<br />
Alfred-Brehm-Str. 3 · 67071 Ludwigshafen<br />
zum 88. Geburtstag<br />
Herrn Walter Willems<br />
06.06.1914<br />
An der Bach 31 · 56329 St. Goar<br />
Herrn Hasso Bayer<br />
26.06.1914<br />
Riedweg 27 · 55130 Mainz<br />
zum 89. Geburtstag<br />
Herrn Herbert Dietzsch<br />
01.06.1913<br />
Arnold-Schönberg-Str. 29 · 66955 Pirmasens<br />
Herrn Gustav Arzt<br />
16.06.1913<br />
Gartenstr. 47 · 66917 Wallhalben<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Herrn Erich Hüttig<br />
07.06.1917<br />
Saarstr. 19 · 76870 Kandel<br />
<strong>GEW</strong>-Rechtsschutz für SeniorInnen<br />
In einem Referat vor dem Bundesseniorenausschuss der <strong>GEW</strong> befasste<br />
sich Paul Michel von der Bundesrechtsschutzstelle mit Grundlagen des<br />
Rechtsschutzes, Handhabe und Bedeutung für SeniorInnen: Rechtsschutz<br />
darf nach den Richtlinien bewilligt werden für die berufliche<br />
Tätigkeit und die Wahrnehmung von sozial-, renten- und versorgungsrechtlichen<br />
Angelegenheiten (zentrale Vorschrift für Seniorinnen und<br />
Senioren).<br />
Praktische Schritte bei einem Rechtsschutzfall<br />
1. Das Mitglied wendet sich an die Rechtsschutzstelle seines <strong>GEW</strong> Landesverbands.<br />
2. Die Rechtsschutzstelle prüft, ob der Antragsteller/in Mitglied ist und<br />
seinen Beitrag bezahlt.<br />
3. Das Mitglied erhält einen Rechtsschutzantrag.<br />
4. Die Rechtsschutzstelle prüft, ob das Verfahren Aussicht auf Erfolg<br />
hat.<br />
5. Im positiven Fall wird Rechtsschutz erteilt.<br />
6. Die Zusage gilt jeweils nur für einen Verfahrensabschnitt.<br />
7. Auch für ein Widerspruchsverfahren wird gesondert Rechtsschutz<br />
erteilt.<br />
8. Rechtsschutz kann bei Scheitern des Widerspruchs auch für eine<br />
Klageverfahren beantragt und erteilt werden.<br />
9. Überlegungen der Rechtsschutzstelle, ob ein Anwalt eingeschaltet<br />
Bei der Gratulation in der letzten <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong><br />
zum 89. Geburtstag von Herrn Erich Müller am 12.5.<br />
wurde eine falsche Adresse angegeben. Die richtige lautet:<br />
Jung-Stillig-Str. 38 · 57518 Betzdorf/Sieg<br />
Der Landesvorstand<br />
oder vom DGB übernommen wird. Dort gibt es profunde Kenner des<br />
Sozialrechts.<br />
10. Der Rechtsschutz prüft, ob die Kosten für ein evtl. Gutachten übernommen<br />
werden.<br />
11. Auch für ein Berufungsverfahren kann Rechtsschutz beantragt<br />
werden (Entscheid durch die Bundesrechtsschutzstelle).<br />
12. Geht das Berufungsverfahren negativ aus; kann der Kläger in das<br />
Revisionsverfahren gehen.<br />
13. Voraussetzung dafür ist die Zulassungsrevision, d.h., die Zulassung<br />
muss von der vorherigen Instanz zugelassen sein.<br />
14. Bei Nichtzulassung gibt es die Nichtzulassungsbeschwerde. Sie ist<br />
nur möglich, wenn das Gericht von einer obergerichtlichen Entscheidung<br />
abgewichen ist.<br />
15. Lehnt die Bundesrechtsschutzstelle ab, weil der Fall keine grundsätzliche<br />
Bedeutung hat und nicht von einer anderen Gerichtsentscheidung<br />
abgewichen wurde, dann hat der Kläger die Möglichkeit der Beschwerde<br />
beim <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand.<br />
16. Eine aus 6 Personen (Nichtjuristen) bestehende Kommission entscheidet<br />
dann endgültig.<br />
Grundsätzlich gilt: Immer zuerst einen Rechtsschutzantrag stellen, bevor<br />
man selbst einen Anwalt konsultiert. Nur dann hat das <strong>GEW</strong>-<br />
Mitglied Anspruch auf Rechtsschutz! Edmund Theiß<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
21
Rechtsschutz<br />
10 Fragen und Antworten zur Altersteilzeit *<br />
1. Was ist Altersteilzeit?<br />
Altersteilzeit ist eine Teilzeitbeschäftigung,<br />
bei der die Arbeitszeit auf die<br />
Hälfte der bisherigen Arbeitszeit reduziert<br />
wird. Die Altersteilzeit muss bis<br />
zum Erreichen der Altersgrenze (Ende<br />
des Schuljahres, in dem eine Lehrkraft<br />
das 64. Lebensjahr erreicht) oder der<br />
Antragsaltersgrenze (Ende des Schuljahres,<br />
in dem das 63. Lebensjahr vollendet<br />
wird) dauern. Die bisherige Arbeitszeit<br />
muss auf die Hälfte reduziert<br />
werden. Über- und Unterschreitungen<br />
sind bei Altersteilzeit nicht möglich.<br />
Im Schulbereich ist die Altersteilzeit<br />
sowohl als Blockmodell als auch als Teilzeitmodell<br />
möglich. Beim Blockmodell<br />
wird die Hälfte der Zeit bis zum Ruhestand<br />
mit der bisherigen Arbeitszeit<br />
gearbeitet, anschließend beginnt die<br />
Freistellungsphase bis zum Eintritt in<br />
den Ruhestand. Da die Altersteilzeit für<br />
ganze Schuljahre beantragt werden<br />
muss, kann die Freistellung sowohl bis<br />
31.1. eines Jahres (bei 3, 5, 7 und 9<br />
Jahren) als auch bis 1.8. eines Jahres<br />
(bei 2, 4, 6 und 8 Jahren) dauern.<br />
Beim Teilzeitmodell wird bis Eintritt<br />
in den Ruhestand mit der Hälfte der<br />
bisherigen Arbeitszeit gearbeitet. SchulleiterInnen,<br />
SeminarleiterInnen, deren<br />
StellvertreterInnen und FachleiterInnen<br />
wird Altersteilzeit nur im Blockmodell<br />
gewährt.<br />
2. Wer kann in Altersteilzeit wechseln<br />
- Können auch Teilzeitbeschäftigte<br />
in Altersteilzeit wechseln?<br />
Alle Lehrkräfte, die am 1. August eines<br />
Jahres das 55. Lebensjahr vollendet<br />
haben, können von diesem Zeitpunkt<br />
an in Altersteilzeit wechseln. Es<br />
gibt für BeamtInnen jedoch keinen<br />
Rechtsanspruch auf den Wechsel in die<br />
Altersteilzeit. Über den Antrag hat der<br />
Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen<br />
zu entscheiden.<br />
Für Angestellte (auch Lehrkräfte) gilt<br />
der Tarifvertrag zur Altersteilzeit:<br />
Wechsel in Altersteilzeit ist im Rahmen<br />
einer Kann-Bestimmung möglich ab<br />
Vollendung des 55. Lebensjahrs, ab<br />
* Die Antworten entsprechen dem Stand der Gesetzgebung<br />
vom 27.02.2002<br />
Vollendung des 60. Lebensjahrs besteht<br />
ein Rechtsanspruch.<br />
Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte werden<br />
seit Beginn des Schuljahres 2001/2002<br />
im Vorgriff auf die geplante gesetzliche<br />
Regelung in die Altersteilzeit einbezogen.<br />
Für die Angestellten wurden die<br />
notwendigen Regelungen im Tarifvertrag<br />
getroffen. Für teilzeitbeschäftigte<br />
BeamtInnen sieht der Entwurf des Landesbeamtengesetzes<br />
ausschließlich die<br />
Altersteilzeit im Blockmodell vor. Dabei<br />
wird von der Unterrichtsverpflichtung<br />
des letzten Jahres ausgegangen. Ist<br />
diese höher als im vorletzten Jahr, wird<br />
der Durchschnitt der Arbeitszeit der<br />
beiden letzten Jahre zugrunde gelegt.<br />
Die so ermittelte bisherige Arbeitszeit<br />
stellt auch die Bemessungsgrundlage für<br />
den Altersteilzuschlag (Frage 5) und die<br />
ruhegehaltfähige Dienstzeit (Frage 8)<br />
dar.<br />
3. Wie wird Altersteilzeit beantragt?<br />
Der Beginn der Altersteilzeit muss bis<br />
jeweils 1.2.eines Jahres für das folgende<br />
Schuljahr beantragt werden.<br />
Die Altersteilzeit muss bis zur Pensionierung<br />
dauern, d.h. mit dem Antrag<br />
muss auch die Entscheidung getroffen<br />
werden, wann der Ruhestand beginnen<br />
soll. Das kann das Ende des Schuljahres<br />
sein, in dem das 63. Lebensjahr vollendet<br />
wird (Antragsaltersgrenze nach §<br />
59 LBG). In diesem Fall wird ein Versorgungsabschlag<br />
wirksam.<br />
Die Altersteilzeit kann aber auch bis<br />
zur Regelaltersgrenze (§ 54 Abs.1 LBG)<br />
dauern. Sie endet dann mit dem Ende<br />
des Schuljahres, in dem das 64. Lebensjahr<br />
vollendet wird. In diesem Fall gibt<br />
es keinen Versorgungsabschlag.<br />
4. Wie hoch ist die Besoldung bei Altersteilzeit?<br />
Die Beamtinnen und Beamten erhalten<br />
83% der fiktiven Nettobezüge, die<br />
sie bekommen hätten, wenn sie in dem<br />
Umfang weitergearbeitet hätten wie die<br />
in den Antworten zur Fragen 1 bzw. 3<br />
beschriebene Berechnung ergeben hat.<br />
Dazu werden die so ermittelten Bruttodienstbezüge<br />
um die gesetzlichen Abzüge<br />
vermindert. Das sind die Lohnsteuer<br />
(entsprechend der eingetragenen<br />
Steuerklasse), der Solidaritätszuschlag<br />
sowie die Pauschalsteuer (8 % der ermittelten<br />
Lohnsteuer), die bei allen<br />
Antragstellern in Abzug gebracht wird.<br />
Das Ergebnis sind die fiktiven Nettodienstbezüge,<br />
von denen 83 % garantiert<br />
werden.<br />
Für die Zahlung heißt das praktisch,<br />
dass die Dienstbezüge zunächst im gleichen<br />
Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt<br />
werden. Für die geleistete Teilzeitarbeit<br />
wird anteilig Besoldung gezahlt,<br />
die versteuert werden muss. Zusätzlich<br />
zu diesen Dienstbezügen wird der Altersteilzeitzuschlag<br />
gezahlt. Der Zuschlag<br />
wird so bemessen, dass zusammen<br />
mit den anteiligen Dienstbezügen die<br />
o.g. 83 % der fiktiven Nettodienstbezüge<br />
erreicht werden. Dieser Zuschlag<br />
ist bei der Auszahlung steuerfrei<br />
5. Was ist der Progressionsvorbehalt<br />
und wie wirken sich Steuerfreibeträge<br />
aus?<br />
Der Altersteilzeitzuschlag selbst ist steuerfrei.<br />
Er muss aber bei der Einkommensteuererklärung<br />
angegeben werden<br />
und wird im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung<br />
bei der Ermittlung<br />
des Steuersatzes berücksichtigt, dem das<br />
steuerpflichtige Einkommen unterliegt<br />
(Progressionsvorbehalt).<br />
Das bedeutet::<br />
1. Zuerst wird das zu versteuernde Einkommen<br />
ohne den steuerfreien Zuschlag<br />
ermittelt.<br />
2. Es wird dann der Steuersatz nach<br />
der Steuertabelle ermittelt, der sich ergäbe,<br />
wenn auch der steuerfreie Zuschlag<br />
steuerpflichtig wäre. Dabei werden<br />
dem steuerpflichtigen Einkommen<br />
die steuerfreien Bezüge fiktiv hinzugerechnet.<br />
3. Der so ermittelte Steuersatz wird<br />
dann auf das zu versteuernde Einkommen<br />
angewendet. Das steuerpflichtige<br />
Einkommen wird also höher besteuert.<br />
Dadurch kommt es bei der Veranlagung<br />
durch das Finanzamt in der Regel zu<br />
Steuernachforderungen, da die monatlich<br />
abgeführte Einkommensteuer basierend<br />
auf einem niedrigeren, der Einkommenshöhe<br />
ohne steuerfreie Bezüge<br />
entsprechenden, Steuersatz abgeführt<br />
wurde.<br />
22 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Rechtsschutz<br />
Während der Altersteilzeit sollte man<br />
sich keine Steuerfreibeträge auf der<br />
Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Das<br />
führt lediglich zu einer Erhöhung der<br />
Nettodienstbezüge und damit zu einer<br />
Minderung des Altersteilzeitzuschlags,<br />
da die Grenze von 83% der Nettodienstbezüge<br />
nicht überschritten werden<br />
kann. Es spart also nur der Dienstherr.<br />
Daher ist es besser, wenn der Steuerfreibetrag<br />
erst im Rahmen der Einkommensteuererklärung<br />
geltend gemacht<br />
wird, weil dadurch das zu versteuernde<br />
Einkommen reduziert werden<br />
kann.<br />
6. Wie hoch sind Weihnachts- und<br />
Urlaubsgeld bei Altersteilzeit?<br />
Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld)<br />
und Urlaubsgeld werden ebenfalls in<br />
Höhe von 83 % dessen gezahlt, was<br />
zugestanden hätte, wenn in dem Umfang<br />
weitergearbeitet worden wäre, der<br />
sich aufgrund der in den Antworten<br />
zu Fragen 1 bzw. 3 beschriebenen Berechnung<br />
ergeben hat. Dabei können<br />
sich geringfügige Abweichungen infolge<br />
der Anwendungen der Jahressteuertabelle<br />
ergeben. Vermögenswirksame<br />
Leistungen werden allerdings stets nur<br />
zur Hälfte, d.h. in Höhe von 3,33 Euro<br />
gezahlt.<br />
7. Wie wird die Altersteilzeit bei der<br />
Pension berücksichtigt?<br />
In der Regel sind Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung<br />
nur zu dem Teil ruhegehaltfähig,<br />
der dem Verhältnis der ermäßigten<br />
zur regelmäßigen Arbeitszeit<br />
entspricht. Demgegenüber gibt es für<br />
die Altersteilzeit eine wesentlich bessere<br />
Regelung: Zeiten einer Altersteilzeit<br />
sind nicht nur arbeitszeitanteilig, sondern<br />
zu 9/10 der Arbeitszeit ruhegehaltfähig.<br />
Diese Arbeitszeit wird wiederum<br />
so berechnet, wie in den Antworten<br />
zu Fragen 1 und 3 beschrieben.<br />
In Altersteilzeit befindliche BeamtInnen<br />
werden also so behandelt, als<br />
würden sie im Umfang von 90% der<br />
bisherigen Arbeitszeit Dienst leisten,<br />
obwohl sie lediglich 50 % dieser bisherigen<br />
Arbeitszeit arbeiten. Auch hinsichtlich<br />
der Quotelung von Ausbildungs-<br />
und Zurechnungszeiten ist die<br />
Altersteilzeit mit dem günstigeren Verhältniswert<br />
zu berücksichtigen.<br />
Ruhegehaltfähige Dienstbezüge, also<br />
Bemessungsgrundlage für die Berechnung<br />
der Pension, sind die dem letzten<br />
Amt entsprechenden vollen ruhegehaltfähigen<br />
Dienstbezüge, also das<br />
Vollzeitgehalt.<br />
8. Was ist mit der Beihilfe bei Altersteilzeit?<br />
BeamtInnen behalten bei der Altersteilzeit<br />
ihren Beihilfeanspruch von 50<br />
v.H. Es gibt somit keine Abweichung<br />
gegenüber Vollzeitbeschäftigten. Dies<br />
gilt auch für die Freistellungsphase im<br />
Blockmodell<br />
9. Wo finden sich die rechtlichen<br />
Grundlagen der Altersteilzeit?<br />
Die grundlegende Regelung für die<br />
Beamtinnen und Beamten ist der § 80<br />
b LBG (Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz)<br />
Für den Schulbereich werden<br />
dazu Konkretisierungen in einer<br />
VV vom 15.06.2001 (Gem. AmtsblattSs.151<br />
des Ministeriums für Bildung,<br />
Wissenschaft und Weiterbildung<br />
S. 151/2001) festgelegt. Die Regelungen<br />
zur Besoldung finden sich im Bundesbesoldungsgesetz<br />
(BBesG) sowie in<br />
der Altersteilzeitzuschlagsverordnung<br />
(ATZV). Die Pension ist im Beamtenversorgungsgesetz<br />
(BeamtVG) geregelt.<br />
Für Angestellte (auch Lehrkräfte) im<br />
Schulbereich gilt der Tarifvertrag zur<br />
Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ).<br />
Die zusatzversorgungsrechtliche Berücksichtigung<br />
der Altersteilzeit erfolgt<br />
in der Satzung der Versorgungsanstalt<br />
des Bundes und der Länder (VBL).<br />
10. Gibt es Änderungen gegenüber<br />
der ursprünglichen Regelung?<br />
Den positiven Teil der Veränderungen<br />
wird in Frage 2 beschrieben. Es gibt<br />
aber auch eine Regelung, die sich teils<br />
positiv, teils negativ auswirken kann:<br />
Während bei der Einführung der Altersteilzeit<br />
Voraussetzung war, dass von<br />
den letzten 5 Jahren mindestens 3 Jahre<br />
in Vollzeit gearbeitet wurde, damit dem<br />
Block- oder Teilzeitmodell die volle<br />
Arbeitszeit zugrunde gelegt wurde, sind<br />
jetzt nur noch die beiden letzten Jahre<br />
maßgebend. Positiv ist das für die KollegInnen,<br />
die in den letzten beiden Jahren<br />
mit voller Stundenzahl beschäftigt<br />
waren. Für sie ist die Mindestzeit von<br />
3 Jahren Vollzeitbeschäftigung entfallen.<br />
KollegInnen, die in Kenntnis der<br />
ursprünglichen Regelung - möglicherweise<br />
auch nach Beratung durch Ministerium,<br />
ADD oder <strong>GEW</strong>- nach 3<br />
oder gar 4 Jahren Vollzeitbeschäftigung<br />
im 4. und/oder 5. Jahr Teilzeit in Anspruch<br />
nahmen, soll nach der neuen<br />
Regelung entweder die Teilzeit des letzten<br />
Jahres oder - wenn sich eine geringere<br />
Stundenzahl ergibt - der Durchschnitt<br />
der beiden letzen Jahre herangezogen<br />
werden. Die <strong>GEW</strong> hat den<br />
Ministerpräsidenten darauf hingewiesen,<br />
dass die vorgesehenen Regelung zu<br />
Ungerechtigkeiten führt und Personen<br />
benachteiligt werden, die sich auf die<br />
Aussagen des Ministeriums für Bildung,<br />
Wissenschaft und Weiterbildung verlassen<br />
haben. Diese KollegInnen müssen<br />
Vertrauensschutz genießen. Zusätzlich<br />
haben wir bei der Stellungnahme und<br />
bei mündlichen Anhörung zur Änderung<br />
des Landesbeamtengesetzes auf<br />
diese Problematik hingewiesen.<br />
Klaus Bundrück<br />
Nebentätigkeit<br />
nur mit Erlaubnis<br />
Wer als Beamter oder Beamtin<br />
nachhaltig einer unerlaubten Nebentätigkeit<br />
nachgeht, begeht ein<br />
schweres Dienstvergehen und<br />
muss unter Umständen mit der<br />
Entfernung aus dem Dienst rechnen.<br />
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz,<br />
Urteil vom 21. Januar<br />
2002 - 3 A 11578/01.OVG<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
23
Rechtsschutz<br />
Verschlechterungen in der Beamtenversorgung<br />
Neuregelungen im Versorgungsänderungsgesetz 2001 in Kraft<br />
Nach Beschluss des Bundestages<br />
und Zustimmung des Bundesrates<br />
zum Versorgungsänderungsgesetz<br />
2001 (VersÄndG 2001) am 20. Dezember<br />
2001 sind die geplanten Verschlechterungen<br />
im Beamtenversorgungsgesetz<br />
(BeamtVG) nun in<br />
Kraft getreten. Dazu gibt es eine<br />
Reihe von Neuregelungen. Im Wesentlichen<br />
bedeutet dies:<br />
* Kürzung der Pensionen um 4,33<br />
%<br />
* Kürzung des Witwen- bzw. des<br />
Witwergeldes um 5 %<br />
* Neuregelung der Kindererziehungszeiten<br />
und Pflegezeiten<br />
* Einbeziehung der BeamtInnen in<br />
die „Riester-Förderung“<br />
* Neuregelungen zur Teildienstfähigkeit.<br />
1. Kürzung der Pension<br />
Die Verschlechterungen in der Beamtenversorgung<br />
werden begründet<br />
mit der wirkungsgleichen Übertragung<br />
der Kürzungen im Rentenrecht<br />
auf die Beamtenversorgung. Hierzu<br />
hat die <strong>GEW</strong> im letzten Jahr bereits<br />
ausführlich Stellung genommen.<br />
Das Novum an dieser „Reform“ ist,<br />
dass auch in bereits bestehende Versorgungsansprüche<br />
eingriffen wird.<br />
Betroffen von der Kürzung sind<br />
nicht nur BeamtInnen, die in Zukunft<br />
pensioniert werden, sondern<br />
auch diejenigen, die sich bereits im<br />
Ruhestand befinden, obwohl für diese<br />
KollegInnen keine Möglichkeit<br />
beseht, die „Pensionslücke“ zu versichern<br />
(Stichwort Riester-Rente). Ob<br />
hiergegen mit juristischen Mitteln<br />
vorgegangen werden soll, wird zurzeit<br />
geprüft.<br />
Wie erfolgt die Kürzung?<br />
Die Berechnung der Versorgung basiert<br />
auf zwei Grundlagen, nämlich<br />
den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen<br />
und dem Ruhegehaltssatz. Die<br />
ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sind<br />
grundsätzlich die Dienstbezüge, die<br />
der Beamtin/ dem Beamten zuletzt<br />
zustanden, wobei immer die Vollzeitbesoldung<br />
zu Grunde gelegt wird.<br />
Der Ruhegehaltssatz („Prozente“)<br />
wird nach einem komplizierten Verfahren<br />
auf Grundlage der ruhegehaltfähigen<br />
Dienstzeiten ermittelt. Der<br />
Ruhegehaltssatz beträgt zurzeit 1,875<br />
% pro Dienstjahr. Für BeamtInnen,<br />
die am 31. Dezember 1991 bereits<br />
im Beamtenverhältnis standen, erfolgt<br />
eine andere Berechnung nach<br />
dem sogenannten Übergangsrecht.<br />
Die Pension ergibt sich, wenn man<br />
die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge<br />
mit dem Ruhegehaltssatz multipliziert.<br />
Beispiel: Besoldung nach A 12, Stufe<br />
12, verheiratet, keine Kinder :<br />
3472,70 € x Ruhegehaltssatz 75 %<br />
= 2604,53 € (Bruttopension).<br />
Die Kürzung der Pensionen erfolgt<br />
ab dem Jahre 2003 in acht Schritten,<br />
jeweils im Zusammenhang mit<br />
den kommenden Besoldungs- und<br />
Versorgungserhöhungen. Der<br />
Höchstsatz in der Beamtenversorgung<br />
betrug bisher 75 % und wird<br />
auf 71,75 % gekürzt. Niedrigere individuelle<br />
Versorgungen vermindern<br />
sich entsprechend. Der Steigerungssatz<br />
von 1,875 % mindert sich auf<br />
1,79375 %.<br />
Mit der ersten bis einschließlich der<br />
siebten Erhöhung der Besoldungen<br />
und Versorgungen („Anpassung“)<br />
erfolgt die Kürzung, indem die der<br />
Versorgungsberechnung nach bisherigem<br />
Recht zu Grunde liegenden<br />
ruhegehaltfähigen Dienstbezüge um<br />
einen bestimmten Faktor gekürzt<br />
(„angepasst“) werden.<br />
Hierzu gilt folgende Übersicht:<br />
Beispiel für die erste „Anpassung“:<br />
Die Pension wurde wie oben festgesetzt.<br />
Im Rahmen der Besoldungsund<br />
Versorgungsanpassung im Jahre<br />
2003 wird die Besoldung um 2<br />
% erhöht. Die Pension wird wie<br />
folgt neu festgesetzt:<br />
Bisherige ruhegehaltfähige Dienstbezüge:<br />
3.472,70 €<br />
Nach der Erhöhung plus 2 %:<br />
3.542,15 €<br />
Multipliziert mit dem Ruhegehaltssatz<br />
von 75%: 2.656,62 €<br />
Multipliziert mit dem Faktor<br />
0,99458: 2.642,22 € (neue Pension).<br />
Mit der achten Besoldungs- und<br />
Versorgungserhöhung wird die stufenweise<br />
Kürzung durch Anpassung<br />
des individuellen Ruhegehaltssatzes<br />
mit dem Faktor 0,95667 abgeschlossen.<br />
Der so ermittelte neue Ruhegehaltssatz<br />
gilt gesetzlich als neu festgesetzt.<br />
Die Beamtenpension wird somit auf<br />
Grund der vollen ruhegehaltfähigen<br />
Dienstbezüge (ohne „Anpassung“)<br />
ermittelt. Also auf Grundlage der<br />
Dienstbezüge, die sich aus der gültigen<br />
Besoldungsstabelle ergeben.<br />
Angepasst wird jedoch der zuvor<br />
festgesetzte Ruhegehaltssatz.<br />
Beispiele: Bei einem Ruhegehaltssatz<br />
von 75 % ergibt sich ein Ruhegehaltssatz<br />
von 71,75 % (75 % x<br />
0,95667 = 71,75 %). Bei einem<br />
Ruhegehaltssatz von 72, 3 % z. B.<br />
beim Ausscheiden auf Antrag bei<br />
Erreichen der Antragsaltersgrenze<br />
ab der ... gilt der bewirkt einen<br />
Anpassung nach Anpassungs- neuen Höchstdem<br />
31.12.2002 faktor ruhegehaltssatz von<br />
1. 0,99458 74,59 %<br />
2. 0,98917 74,19 %<br />
3. 0,98375 73,78 %<br />
4. 0,97833 73,38 %<br />
5. 0,97292 72,97 %<br />
6. 0,96750 72,56 %<br />
7. 0,96208 72,16 %<br />
24 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Rechtsschutz<br />
nach § 54 LBG sind es nach Ende<br />
der Übergangsphase nur noch 69,17<br />
%(72,3 % x 0,95667 = 69,17 %)<br />
Berechnung nach dem neuen Beamtenversorgungsgesetz<br />
Mit der letzten - der achten - Anpassung<br />
ist die Übergangsregelung<br />
abgeschlossen. Neue Pensionen werden<br />
dann nach dem neuen Beamtenversorgungsgesetz<br />
festgesetzt.<br />
Danach beträgt die Versorgung<br />
1,79375 % pro ruhegehaltfähiges<br />
Dienstjahr (bisher 1,875 %).<br />
Für BeamtInnen, die am 31. Dezember<br />
1991 bereits im Beamtenverhältnis<br />
standen, gilt weiterhin das<br />
sogenannte Übergangsrecht. Wenn<br />
ihre Versorgung nach der Besitzstandsregelung<br />
oder nach altem<br />
Recht festgesetzt wird, wird der Ruhegehaltssatz<br />
somit nach den bisherigen<br />
Berechnungsgrundlagen ermittelt<br />
und wie oben mit dem Anpassungsfaktor<br />
von 0,95667 multipliziert.<br />
Es gilt dann für alle Versorgungsfälle<br />
der neue Höchstsatz für<br />
das Ruhegehalt von 71,75 %.<br />
2. Kürzung des Witwen- bzw.<br />
Witwergeldes<br />
Höhe des Witwen- bzw. Witwergeldes:<br />
Die Witwen und Witwer hatten<br />
bisher Anspruch auf 60 % der<br />
Pension des verstorbenen Ehegatten.<br />
Nach dem Versorgungsänderungsgesetz<br />
beträgt der Anspruch nur noch<br />
55 %.<br />
Bei der alten Regelung bleibt es jedoch,<br />
wenn die Ehe vor dem 01. Januar<br />
2002 geschlossen wurde und<br />
mindestens ein Ehegatte vor dem 02.<br />
Januar 1962 geboren ist. Außerdem<br />
dann, wenn zur Hinterbliebenenversorgung<br />
ein Kindererziehungszuschlag<br />
gezahlt wird.<br />
Keine Kürzung auf 55 % erfolgt für<br />
diejenigen, die bereits bis einschließlich<br />
31. Dezember 2001 Witwenbzw.<br />
Witwergeld erhalten haben.<br />
Eine Kürzung erfolgt ebenfalls nicht<br />
bei Hinterbliebenen von BeamtInnen,<br />
die bis einschließlich 31. Dezember<br />
2001 pensioniert wurden.<br />
Auf die Anrechnungsvorschriften bei<br />
eigenen Einkünften der Witwe bzw.<br />
des Witwers soll hier nicht eingegangen<br />
werden.<br />
Wartezeit: Ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung<br />
besteht nur<br />
noch, wenn der<br />
verstorbene Ehegatte<br />
die versorgungsrechtliche<br />
Wartezeit von 5<br />
Jahren am Todestag<br />
erfüllt hat.<br />
Außerdem besteht<br />
ein Anspruch<br />
grundsätzlich<br />
nur,<br />
wenn die Ehe<br />
mindestens ein<br />
Jahr (bisher drei<br />
Monate) bestanden<br />
hat. Diese<br />
neue Regelung<br />
gilt für alle Ehen,<br />
die nach dem 31. Dezember 2001<br />
geschlossen wurden.<br />
3. Neuregelung von Kindererziehungs-<br />
und Pflegezeiten<br />
Nach den Neuregelungen werden<br />
verschiedene Formen von Zuschlägen<br />
für Kindererziehungs- und Pflegezeiten<br />
eingeführt.<br />
Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten<br />
und Pflegezeiten wurde<br />
an die ebenfalls verbesserten Regelungen<br />
der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
angepasst. Dies ist erfreulich.<br />
Darüber hinaus werden Kindererziehungszeiten<br />
und Pflegetätigkeiten<br />
durch Zuschläge zur Pension<br />
honoriert. Dies ist ebenfalls erfreulich.<br />
Allerdings sind die gesetzlichen<br />
Bestimmungen so kompliziert und<br />
schwer verständlich, dass sie selbst für<br />
Fachleute kaum nachvollziehbar<br />
sind. Betroffenen und Interessierten<br />
können wir die ausführliche Information<br />
des <strong>GEW</strong>-Landesverbandes<br />
Hamburg zukommen lassen.<br />
An dieser Stelle möchen wir nur die<br />
Neuregelungen nennen:<br />
* Kindererziehungszuschlag(§ 50a<br />
BeamtVG)<br />
* Kindererziehungsergänzungszuschlag<br />
(§ 50b BeamtVG)<br />
* Kinderzuschlag zum Witwen- bzw.<br />
Witwergeld (§ 50c BeamtVG)<br />
* Pflege- und Kinderpflegeergänzungszuschlag<br />
(§ 50d BeamtVG)<br />
* Vorübergehende Gewährung von<br />
Zuschlägen (§ 50e BeamtVG)<br />
4. Einbeziehung der BeamtInnen<br />
in die „Riester-Förderung“<br />
BeamtInnen können nun auch die<br />
staatliche Förderung zur privaten<br />
Altersvorsorge in Anspruch nehmen.<br />
Wie bei Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmern müssen jedoch bestimmte<br />
Voraussetzungen erfüllt werden.<br />
Wenn Versicherungsverträge die<br />
Bedingungen zur „Riester-Förderung“<br />
erfüllen, wird dies durch eine<br />
Zertifizierung von staatlicher Seite<br />
bestätigt. So müssen Vorsorgeverträge<br />
zum Beispiel vorsehen, dass Leistungen<br />
erst nach Vollendung des 60.<br />
Lebensjahres und in den Fällen der<br />
vorzeitigen Pensionierung wegen<br />
Dienstunfähigkeit gewährt werden.<br />
Zu den einzelnen Voraussetzungen<br />
und den möglichen Formen der privaten<br />
Altersvorsorge wird die <strong>GEW</strong><br />
noch weiter informieren. Wer bis<br />
Ende 2002 eine private Vorsorgeform<br />
abschließt, verliert keinen Cent staatlicher<br />
Förderung. Eile ist deshalb<br />
nicht geboten.<br />
5. Neuregegelungen zur Teildienstfähigkeit<br />
Im Beamtenrechtsrahmengesetz wurden<br />
zwei Änderungen zur Teildienstfähigkeit<br />
vorgenommen. Zum einen<br />
wurde die Altersgrenze bei Teildienstfähigkeit<br />
von 50 Jahren gestrichen.<br />
Zum anderen soll nun eine Reaktivierung<br />
wegen Dienstunfähigkeit<br />
pensionierter BeamtInnen auch bei<br />
Vorliegen von Teildienstfähigkeit<br />
möglich sein. Diese Regelungen werden<br />
in die Änderungen des Landesbeamtengesetzes<br />
eingearbeitet, das<br />
zur Zeit in der Anhörung ist.<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
25
Tipps + Termine<br />
Lehrer-Kursbuch ISLAM<br />
Über 700.000 muslimische SchülerInnen<br />
gehen in Deutschland zur<br />
Schule. Doch wie viel wissen ihre<br />
MitschülerInnen und Lehrkräfte<br />
über die islamische Kultur und Religion?<br />
Bei weitem nicht genug!<br />
Nach den Ereignissen des 11. September<br />
2001 wird deutlich, wie groß<br />
der Aufklärungsbedarf in der Gesellschaft<br />
ist. In diesem Zusammenhang<br />
sind insbesondere Schulen und Bildungseinrichtungen<br />
gefordert. Darüber<br />
hinaus ist die Schule ein Ort,<br />
an dem sich SchülerInnen aus unterschiedlichen<br />
Kulturen treffen,<br />
sich miteinander auseinander setzen<br />
Multikulti-Idylle?<br />
„Die Idylle von Stensby“ ist der Erstlingsroman<br />
der Schwedin Lena Andersson<br />
und gleich ein großer Wurf.<br />
Nur zu gut kennt sie selbst, was sie<br />
dort beschreibt: Das Leben von Jugendlichen<br />
in einer irgendwann auf<br />
dem Reißbrett entworfenen Trabantenstadt,<br />
einerseits nüchtern und<br />
schnörkellos, andererseits bewegend<br />
und prokokativ. Und obwohl Rassismus,<br />
Arbeitslosigkeit und allerlei fa-<br />
Bunte deutsche Geschichte<br />
„Unser Jahrhundert im Bild“ - nur<br />
farbiger, persönlicher, mitreißender:<br />
„Die Lisa“ heißt das bereits preisgekrönte,<br />
nun neu aufgelegte (Bilder-)<br />
Buch von Klaus Kordon mit beeindruckenden<br />
Illustrationen von Peter<br />
Schimmel. Die Lisa kommt um die<br />
Jahrhundertwende zur Kaiserzeit in<br />
ABC-Schatzkiste<br />
Grundschul-Fachfrau Ute Andresen<br />
hat ein neues Werk vollbracht: „ABC<br />
und alles auf der Welt“ ist, auch dank<br />
der liebevollen Illustrationen von<br />
Monika Popp, ein „Lese-Schatz-<br />
Buch“ geworden, da übertreibt der<br />
Verlag absolut nicht. Poetische und<br />
pfiffige Bilder, Wörter, Gedichte<br />
und Geschichten für Kinder, die sich<br />
dem ABC nähern, faszinieren und<br />
und Toleranz entwickeln können.<br />
Dabei entstehen auch Konflikte. Das<br />
neu beim Cornelsen-Verlag Scriptor<br />
erschienene Lehrer-Kursbuch IS-<br />
LAM möchte die Lehrkräfte beim<br />
Umgang mit Konflikten und Krisensituationen<br />
unterstützen.<br />
Im ersten Teil des Lehrer-Kursbuches<br />
Islam geben bekannte Islamwissenschaftler<br />
einen Überblick über die<br />
Geschichte und Kultur des Islam.<br />
Im zweiten Teil setzen sich eine Lehrerin<br />
und eine Sozialpädagogin mit<br />
der Situation ausländischer SchülerInnen,<br />
oft aus muslemisch geprägten<br />
Elternhäusern, an deutschen<br />
miliäre Probleme vorherrschen, ist<br />
das Buch keine Anklageschrift, sondern<br />
eine ganz ehrliche Darstellung,<br />
wie das Leben eben ist, und das nicht<br />
nur in Stensby: „Wissen Sie, dass die<br />
Bäume hier nicht blühen, sondern<br />
in ihren künstlich angelegten Quadraten<br />
aus nährstoffloser Erde verkümmern?<br />
Und wissen Sie, dass gestern<br />
unsere Haustür eingeschlagen<br />
wurde? Und dass es im Aufzug nach<br />
Pipi riecht? Wissen Sie, dass sich der<br />
Himmel hier an den Häusern schneidet?<br />
Und wissen Sie, dass es Stensby<br />
der Hauptstadt zur Welt und erlebt<br />
aus ihrer Sicht Kriege, Judenverfolgung,<br />
Befreiung und Teilung Berlins.<br />
„Dass ich das noch erlebe!“, die Wiedervereinigung<br />
nämlich, schließt ein<br />
wunderschönes Bilderbuch ab, das<br />
Große mit Hang zum Bilderbuch an<br />
hundert Jahre deutsche Geschichte<br />
wecken Neugier auf alles andere Lesbare.<br />
Die FAZ meinte gar, dass für<br />
„ABC und alles auf der Welt“ viele<br />
Erstleser „die Schulfibel in die Ecke<br />
schmeißen würden“. Da könnte die<br />
FAZ Recht haben. Los, ihr i-Dötzchen,<br />
tut’s und werft, es lohnt sich!<br />
Ute Andresen/Monika Popp: ABC<br />
und alles auf der Welt. Weinheim<br />
2002.<br />
(tje)<br />
Schulen auseinander und zeigen praxisnah<br />
Möglichkeiten auf, das soziale<br />
und interkulturelle Lernen zu fördern.<br />
Schließlich weist eine Berliner Sozialpädagogin<br />
mit mehr als zwanzigjähriger<br />
Berufspraxis mit beispielhaften<br />
Einzelfällen und konkreten<br />
Übungen Wege zum Umgang mit<br />
Konfliktsituationen, wie sie alltäglich<br />
in interkulturell zusammengesetzten<br />
Klassen auftreten. pm<br />
Gudrun Böttger, Margit Dellbrück,<br />
Peter Heine, Baber Johansen, Fritz<br />
Steppat: Lehrer-Kursbuch ISLAM,<br />
Grundwissen und Praxistipps, 112<br />
Seiten, kartoniert, 12,90 EURO,<br />
ISBN 3-589-21795-2<br />
überall in Europa gibt?“<br />
Und wissen Sie, dass das Buch nicht<br />
nur für PädagogInnen lesenswert ist,<br />
die sich im Plantagenholz-Liegestuhl<br />
auf der heimischen Terracotta-Terrasse<br />
mit Blick über die Weinberge<br />
zurücklehnen, sondern auch für<br />
SchülerInnen, die von eben dem nur<br />
träumen können, weil sie in deutschen<br />
Stensbys aufwachsen?<br />
(tje)<br />
Lena Andersson: Die Idylle von<br />
Stensby. Frankfurt 2001.<br />
erinnert, Mittelgroßen so manches<br />
aus einfachem Blickwinkel erklärt<br />
und für Kleine ein Einstieg sein<br />
könnte, allerdings besser mit geschichtlich<br />
vorgebildeten Vor- oder<br />
MitleserInnen. Ein passendes Arbeitsheft<br />
als Unterrichtsmaterial ist<br />
übrigens in Vorbereitung.<br />
Klaus Kordon/Peter Schimmel: Die<br />
Lisa. Weinheim 2002.<br />
(tje)<br />
Klassenfahrten nach Berlin<br />
(incl. Transfer, Unterkunft,<br />
Programmgestaltung nach Absprache).<br />
Broschüre anfordern bei:<br />
Biss, Freiligrathstr. 3, 10967 Berlin,<br />
Tel. (030) 6 93 65 30<br />
26 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Tipps + Termine<br />
Stiftung Warentest prüfte Lebensversicherungen<br />
Einen Vergleich von kapitalbildenden<br />
Lebensversicherungen hat die<br />
Stiftung Warentest in der April-Ausgabe<br />
der Zeitschrift FINANZtest<br />
veröffentlicht. Die Debeka Lebensversicherung<br />
erreichte bei den Verträgen<br />
für Männer und Frauen die<br />
beste Bewertung und wurde mit dem<br />
Qualitätsurteil „sehr gut“ ausgezeichnet.<br />
Insgesamt standen 126<br />
Angebote von den in Deutschland<br />
tätigen Lebensversicherern auf dem<br />
Prüfstand. Zusammen mit der Auszeichnung<br />
als beste private Krankenversicherung,<br />
die der Debeka Anfang<br />
März von den Analysten des Wirtschaftsdienstes<br />
map-report verliehen<br />
Eng verbunden mit<br />
der Geschichte der<br />
Menschheit ist die<br />
Geschichte des<br />
Bauens und Wohnens.<br />
Die Art der<br />
jeweiligen Behausung<br />
verrät viel<br />
über die Epoche,<br />
die Geographie sowie<br />
über Umwelt<br />
und Klima. In der World of Living,<br />
Europas erstem Infotainmentpark<br />
für Bauen und Wohnen in Rheinau-<br />
wurde, erreichte die Unternehmensgruppe<br />
damit einen Doppelsieg innerhalb<br />
eines Monats.<br />
Nach Ansicht der Stiftung erfüllen<br />
die „sehr guten Angebote der Debeka<br />
alle fünf Kriterien“, die in den Test<br />
eingeflossen sind. Dazu zählten die<br />
garantierten Leistungen, die prognostizierten<br />
Leistungen und die Qualität<br />
der Beispielrechnungen, die den<br />
Kunden vor Abschluss eines Vertrages<br />
ausgehändigt werden. Wichtigste<br />
Anhaltspunkte seien dabei eine<br />
möglichst verbraucherfreundliche<br />
Transparenz und Plausibilität der<br />
Informationen für die Versicherten.<br />
Das Ergebnis der Untersuchung<br />
Zeitreise von der Steinzeithöhle zur Raumstation<br />
Linx - unweit des Rheinübergangs<br />
von Kehl nach Straßburg -, kann<br />
man sich auf die Zeitreise durch die<br />
Wohnkulturen der Menschheitsgeschichte<br />
begeben und dabei Geschichte<br />
live erleben. Die Besucher<br />
begegnen im ”Universum der Zeit“<br />
z.B. dem Höhlenbewohner in der<br />
Steinzeit, besuchen die Paläste am<br />
Nil zur Zeit Königin Kleopatras und<br />
das Rom Neros und lernen die „Future<br />
World“, das Leben im Weltall,<br />
kennen.<br />
Von der PISA-Studie zur Elternparanoia<br />
Die Zeitschrift NOVO präsentiert in<br />
ihrer 57sten Ausgabe ein Interview<br />
mit Frank Furedi, Soziologe und<br />
Autor von „Die Elternparanoia: Warum<br />
Kinder mutige Eltern brauchen“<br />
(Eichborn 2002). Das Interview ist<br />
unter http://www.novo-magazin.de/<br />
57/novo5741.htm verfügbar.<br />
Elternparanoia ist nicht als Vorwurf<br />
gegen Eltern zu verstehen, sondern<br />
als Beschreibung einer morbiden<br />
Angstkultur, die Eltern verunsichert<br />
und paranoid werden lässt. Furedi<br />
analysiert in seinem Buch die Hintergründe<br />
dieses Problems. Er macht<br />
dafür die wachsende Beraterindustrie,<br />
die vorgibt, am besten über<br />
Kindererziehung Bescheid zu wissen,<br />
mitverantwortlich. Auch die PISA-<br />
Studie hat wieder zahllose Experten<br />
auf den Plan gerufen. Im NOVO-<br />
Interview erklärt Furedi, warum Erziehungsratgeber<br />
das Problem verschärfen:<br />
„Im Schatten der Angstkultur ist eine<br />
ganze Armee von Experten herangewachsen,<br />
deren Aufgabe zu sein scheint,<br />
Eltern schlaflose Nächte zu bescheren.<br />
Ständig erinnern sie uns daran, wie<br />
hilf- und wehrlos Kinder sind. Dabei<br />
sollten wir uns lieber ins Gedächtnis<br />
rufen, dass sie sehr widerstands- und<br />
anpassungsfähig sind. Die Kleinen<br />
müssen lernen, Risiken einzuschätzen<br />
drückten die Warentester in Zahlen<br />
aus: „Im Modellfall würde ein Kunde<br />
mit einem guten Tarif bei Vertragsende<br />
45.000 Euro mehr ausgezahlt<br />
bekommen als einer mit einem<br />
schlechten. Selbst wenn er nur die<br />
garantierten Leistungen bekäme -<br />
ohne Überschussbeteiligung - geht<br />
es noch um mehr als 10.000 Euro<br />
Unterschied.“ Eine gute bis sehr gute<br />
Bewertung der Leistung zeige nach<br />
Aussage der Stiftung Warentest auch,<br />
dass ein Unternehmen kostengünstig<br />
kalkuliert und seinen Kunden nicht<br />
mit hohen Kosten für den Vertragsabschluss<br />
und für die Verwaltung<br />
belastet.<br />
pm<br />
Schüler- und Studentengruppen, einschließlich<br />
einer Begleitperson, erhalten<br />
freien Eintritt. Die Einlasszeiten:<br />
Dienstag bis Sonntag, 10.00 bis<br />
18.00 Uhr (ab 1. Oktober bis 31.<br />
März 10.00 - 17.00 Uhr). Anmeldung<br />
mindestens 5 Tage im Voraus<br />
unter Tel. 07853/83800. Unter dieser<br />
Nummer kann auch eine kostenlose<br />
CD-ROM mit den Unterrichtsmaterialien<br />
angefordert werden.<br />
Weitere Infos: www.world-ofliving.de<br />
und selbstständige Entscheidungen zu<br />
treffen. Wenn aber Eltern dem Expertenrat<br />
folgen und versuchen, Kindern<br />
eine risikofreie Umgebung zu bieten,<br />
wird es gefährlich. Unter dieser Sicherheitsparanoia<br />
leidet heute wahrscheinlich<br />
die Entwicklung der kindlichen Potenziale<br />
am meisten.“<br />
Einen Auszug aus der Einleitung von<br />
Furedis Buch, das in England einen<br />
Pädagogenstreit entfachte, und weitere<br />
Artikel zum Thema gibt es in der<br />
NOVO-Printausgabe.<br />
Detaillierte Buch-Informationen<br />
sind zu finden unter<br />
www. novo-magazin.de/<br />
buecher.htm#elternparanoia.<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
27
Tipps + Termine<br />
Bildungsverlag EINS ruft Spendenaktion ins Leben<br />
Mit einer Spendenaktion zum Verkauf<br />
des aktuellen Sonderheftes „Terrorismus“<br />
unterstützt der Bildungsverlag<br />
EINS die Afghanistan-Flüchtlinge.<br />
Vom Verkaufspreis jeden Heftes<br />
fließt ein EURO direkt an die<br />
Kindernothilfe e.V. - Flüchtlingshilfe<br />
Afghanistan.<br />
Der Bildungsverlag EINS will damit<br />
direkte Hilfe vor Ort in Afghanistan<br />
ermöglichen. Die Spenden fließen in<br />
Sofortmaßnahmen wie die Beschaffung<br />
von Grundnahrungsmitteln,<br />
medizinischer Versorgung, Zelte für<br />
Lernen im Schullandheim<br />
Zu einer Fachtagung mit dem Thema<br />
„Die Schule der Zukunft braucht<br />
das Lernen im Schullandheim“ lädt<br />
der Verband Deutscher Schullandheime<br />
e.V. in Zusammenarbeit mit<br />
dem Landesverband der Schullandheime<br />
in Hessen e.V. und der Stiftung<br />
Frankfurter Schullandheim<br />
Wegscheide vom 23. bis 26. Mai<br />
2002 ins Schullandheim Wegschei-<br />
Schulpädagogik kompakt<br />
Ein neuartiger Zugang zum pädagogischen<br />
Basiswissen: 100 zentrale<br />
Fragen werden in dem neuen Band<br />
„Schulpädagogik kompakt. Prüfungsvorbereitung<br />
auf den Punkt<br />
gebracht“ von Rolf Arnold und Henning<br />
Pätzold jeweils auf einer Dop-<br />
23. Pfingsttreffen schwuler Lehrer<br />
Wie jedes Jahr treffen sich schwule<br />
Lehrer, die im Schuldienst, in der<br />
Ausbildung, die arbeitslos oder im<br />
Ruhestand sind, im Waldschlösschen<br />
bei Göttingen. Im persönlichen<br />
Gespräch und in vorbereitenden<br />
Arbeitsgruppen wollen wir unsere<br />
Erfahrungen austauschen, uns auseinandersetzen<br />
mit unseren Lebens-<br />
Notunterkünfte oder warme Decken<br />
und Kleidung für die Flüchtlinge.<br />
Das Sonderheft „Terrorismus - Der<br />
Krieg des 21. Jahrhunderts?“ aus<br />
dem Bildungsverlag EINS richtet<br />
sich an Lehrkräfte, SchülerInnen von<br />
allgemeinbildenden und beruflichen<br />
Schulen. Es soll dazu beitragen, die<br />
Diskussion über den Terrorismus,<br />
die in vielen Schulen geführt wird,<br />
zu versachlichen - immer unter Berücksichtigung<br />
von Ursachen und<br />
Auswirkungen des internationalen<br />
Terrorismus. Das Heft kostet 7,80<br />
und Arbeitsbedingungen.<br />
Folgende Arbeits- und Gesprächsgruppen<br />
sind vorgesehen:<br />
• Schwule Identität im Schuldienst<br />
• Selbsterfahrung im Gespräch und<br />
in Übungen<br />
• Spannungsverhältnis zwischen<br />
schwulen Lehrern und den SchülerInnen<br />
Euro und kann bestellt werden bei<br />
www. Bildungsverlag1.de<br />
Der Bildungsverlag EINS ist der<br />
Zusammenschluss der Verlage Gehlen,<br />
Kieser und Stam mit Sitz in<br />
Troisdorf bei Köln und ist marktführend<br />
im Bereich der beruflichen Bildung.<br />
Das Angebot umfasst Lehrwerke<br />
und Unterrichtsmaterialien<br />
für die berufliche Aus- und Weiterbildung.<br />
Ergänzt wird das Programm<br />
durch multimediale Lernsoftware<br />
und Online-Angebote.<br />
pm<br />
de bei Bad Orb/Spessart ein.<br />
Die Tagung möchte neue Konzepte<br />
zur Diskussion stellen, von praktischen<br />
Erfahrungen und Ergebnissen<br />
berichten und einige Ansätze in<br />
Workshops erproben. Der Einstieg<br />
erfolgt am Freitag im Plenum mit<br />
einigen grundlegenden Ausführungen<br />
von Prof. Dr. Peter Struck zum<br />
Tagungsthema.<br />
Das Tagungsprogramm und die Anmeldung<br />
für diese Fachtagung sind<br />
im Internet zu finden unter:<br />
www.fachtagung.schullandheim.de<br />
Exemplare des Tagungsprogramms<br />
können beim Bundesverband angefordert<br />
werden: Verband Deutscher<br />
Schullandheime e.V., Pädagogische<br />
Arbeitsstelle, Mendelssohnstr. 86,<br />
22761 Hamburg<br />
Tel: 040 / 890 15 41, Fax: 040 / 89<br />
86 39<br />
pm<br />
pelseite prägnant beantwortet. Die<br />
linke Seite präsentiert stets eine verbale<br />
Kurzdarstellung des Themas, die<br />
rechte bietet eine grafische Veranschaulichung<br />
oder Ergänzung. Dazu<br />
kommen Lern- und Reflexionsfragen<br />
sowie zu jeder Frage grundlegende<br />
und weiterführende Literaturangaben.<br />
Das Buch eignet sich ausgezeichnet<br />
zur Prüfungsvorbereitung oder<br />
auch als aktuelles und handliches<br />
Nachschlagewerk.<br />
Rolf Arnold, Henning Pätzold: Schulpädagogik<br />
kompakt. Prüfungsvorbereitung<br />
auf den Punkt gebracht. Berlin:<br />
Cornelsen Verlag Scriptor, 2002.<br />
216 S., 12,73 EUR<br />
• Homosexualität nicht nur im Biologieunterricht<br />
• Initiativen in der <strong>GEW</strong><br />
Termin: 17. Mai (Anreise) bis 20.<br />
Mai 2002. Telefonische Anmeldung<br />
und Auskunft: (0 55 92) 9277-0,<br />
FAX (05592) 9277-77, e-mail:<br />
info@waldschloesschen.org<br />
www.waldschloesschen.org<br />
Akademie Waldschlösschen e.V.,<br />
37130 Reinhausen bei Göttingen<br />
Noch Plätze bei Türkeireise ben touristischen Zielen interessante<br />
Auf eine Bildungsreise der <strong>GEW</strong> in den<br />
Herbstferien (28.9.02 - 12.10.02) in<br />
die Türkei unter Leitung von Mehmet<br />
Kilic hatte die <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> in der<br />
Ausgabe 1-2/02 auf S. 25 hingewiesen.<br />
Dieses attraktive Angebot, das ne-<br />
Kontakte bietet, ist noch nicht ausgebucht.<br />
Anmeldeschluss für die Reise, die<br />
ca. 800 EURO kostet, ist allerdings<br />
schon bald, nämlich am 15. Mai<br />
2002. Das nächste Vorbereitungstreffen<br />
findet am Freitag, dem 07. Juni,<br />
um 19.30 im Gasthaus Efes, Magister-<br />
Faust-Gasse, 55545 Bad Kreuznach,<br />
statt.<br />
Anmeldungen: Mehmet Kilic, Bretzenheimer<br />
Str. 63, 55545 Bad<br />
Kreuznach, Tel./Fax.: 0671/44009,<br />
eMail: MehmetKil@aol.com red.<br />
28 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
Kreis + Region<br />
Kreis Neuwied<br />
Macht Schule krank ?<br />
Macht Schule krank? Unter diesem bewusst provokant gewählten<br />
Titel hatte die <strong>GEW</strong> Neuwied zu einer Veranstaltung ins Heimathaus<br />
Neuwied eingeladen, an die sich eine Mitgliederversammlung<br />
anschloss.<br />
Nachdem der Bildungswissenschaftler Otto Herz den Termin kurzfristig<br />
absagen musste, konnte als Referentin die Schulleiterin der<br />
Gesamtschule Essen-Holsterhausen, Frau Margarete Rasfeld, gewonnen<br />
werden.<br />
Kollegin Rasfeld berichtete über das Konzept an ihrer Schule im<br />
Rahmen der AGENDA 21. Sie erläuterte, wie durch veränderte<br />
Stundenplangestaltung, Projektarbeit, Mitverantwortung der SchülerInnen<br />
am Schulkonzept, Mitarbeit der Eltern sowie der Bereitstellung<br />
personeller Ressourcen durch das Bildungsministerium<br />
Schule entlastend gestaltet werden kann.<br />
Die positive Überzeugungskraft, mit der die Referentin ihre Arbeitsweise<br />
darlegte, ließ bei den Zuhörern Mut und Hoffnung für<br />
die eigene tägliche Praxis aufkommen.<br />
In der sich anschließenden Mitgliederversammlung fanden die<br />
Vorstandswahlen mit folgenden Ergebnissen statt:<br />
1. Vors. Kollege W. Heckmann, 2. Vors. Kollege R. Thelen, Rechner<br />
Kollege J. Jaenisch. Zu Rechnungsprüfern wurden KollegInnen<br />
Frankhäuser und Hohmann gewählt. Für die Fachgruppen<br />
wurden folgende Vorsitzende gewählt: Berufsbild. Schulen H.<br />
Bäumner, Grundschule R. Jakobi, Gymnasium H. Maxeiner, Sonderschulen<br />
R. Thelen, FG Senioren A. Seim.<br />
Ralph Thelen<br />
Kreis Worms-Alzey-Frankenthal<br />
Von wilden Kerlen und stillen Wassern<br />
In Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Zentrum (PZ) Alzey<br />
führte der Kreisverband Worms-Alzey-Frankenthal erneut eine<br />
hochinteressante Fortbildungsveranstaltung im Ausdrucksspiel<br />
(Jeux Dramatiques) durch.<br />
„Ich bin der Max!“, sagt eine Sonderschullehrerin in Felle gehüllt<br />
und das Gesicht dick geschminkt, „und ich möchte Krach machen<br />
und zu den wilden Kerlen reisen und so richtig mit denen<br />
toben“. Eine Frau ganz in grün ist ein Baum und möchte langsam<br />
an die Decke von Max’ Kinderzimmer wachsen und dabei das<br />
Zimmer in einen Wald verwandeln. Und dann sind da noch die<br />
wilden Kerle, verwegen verkleidet und mit dem Wunsch nach ordentlich<br />
Zoff und Rabatz. Mehr in die Stille zieht es das personifizierte<br />
Meer und das Schiff, das Max auf seiner Reise begleiten<br />
und schützen möchte.<br />
Die meisten der TeilnehmerInnen tauchen zum ersten Mal ein in<br />
die Welt der Jeux und sind gleich nach einer einstimmenden Fantasiereise<br />
verzaubert vom Reiz der bereitgestellten Koffer und Taschen<br />
mit farbigen Tüchern, Stoffen verschiedenster Materialien,<br />
Fellen, Hüten und Helmen und natürlich von der Schminke.<br />
Im Jeu wird keine vorgegebene Rolle gespielt, sondern jede/r SpielerIn<br />
erlebt ihre/seine persönlich gewählte. Dies kann eine Person,<br />
eine Naturerscheinung (Tag, Nacht, Sonne etc.), ein Gefühl (Trauer,<br />
Freude, Geborgenheit) oder sonst etwas sein, womit sich die/der<br />
Spielende identifizieren kann. Jeux sind demnach eine Methode<br />
der Selbsterfahrung und -entfaltung, gerade weil die Vielschichtigkeit<br />
der eigenen Persönlichkeit entdeckt (gespielt) werden kann.<br />
Neben dem eigenen Erleben wird auch der Einsatz im Unterricht<br />
reflektiert. Besonders geeignet ist diese Methode für die Fachbereiche<br />
Deutsch und Religion in Grund- oder Sonderschulen aber<br />
auch in der Orientierungsstufe und in Arbeitsgemeinschaften.<br />
Weiter Infos zu „Jeux Dramatiques“ unter www.jeux.de oder 07243-<br />
28655 (AG Ausdrucksspiel) oder bei Christian Diehl (Autor) unter<br />
06242-901573.<br />
Werner Breuder (PZ-Alzey)<br />
Kreis Worms-Alzey-Frankenthal<br />
Erfolgreiche Aufbauschulung<br />
Nahezu 30 örtliche Personalräte aller Schularten nahmen an der<br />
Aufbauschulung des Kreises Worms-Alzey-Frankenthal teil. Themen<br />
der ganztägigen Veranstaltung waren aktuelle Informationen,<br />
so zum Beispiel zur Änderung der Altersteilzeitregelung, Fragen<br />
der Beurlaubung, aber selbstverständlich auch Themen um die<br />
rechtlichen Bedingungen der Personalratsarbeit.<br />
Unter der Leitung von Alexander Witt referierte Sybilla Hoffmann<br />
über das umfängliche Tätigkeitsfeld eines Schulpersonalrats im<br />
Verlauf eines Schuljahres. In handlungsorientierter Weise wurde<br />
der so genannte „Jahresarbeitsplan“ eines Personalrats erarbeitet<br />
und vertieft. Nicht wenige der anwesenden ÖPR brachte bereits<br />
dieser Auftakt mächtig ins Staunen.<br />
Helmut Thyssen wies die Personalräte anschließend - exemplarisch<br />
aufgezeigt am Thema des Vierteljahresgesprächs - in die Bedeutung<br />
von Kommentierungen zum LPersVG ein.<br />
Jörg Pfeiffer erläuterte die Grundstruktur der Personalplanung an<br />
den Schulen, aufgezeigt am Beispiel des Vorläufigen Gliederungsplans<br />
aus den GHS/RegS. Hingewiesen wurde dabei sowohl auf<br />
die positiven Veränderungen, die der BPR bei der Ausgestaltung<br />
der aktuellen Pläne erreichen konnte, als auch auf die zwingende<br />
Erörterung der Pläne mit dem ÖPR, die auf jedem Blatt einzeln<br />
vom ÖPR schriftlich bestätigt werden muss, bevor der Plan an die<br />
ADD rückgemeldet wird<br />
Die sich an die Veranstaltung anschließende Fragestunde (ein<br />
Novum im Kreisverband) bot dann die Möglichkeit, auf aktuelle<br />
ÖPR-Fragen vertiefende Einzelberatungen zu erhalten. Auch dabei<br />
zeigte sich, dass zahlreiche Schulleitungen den ÖPR (immer)<br />
noch als ein ungeliebtes Verhinderungsgremium eigener Spontaneität<br />
ansehen. Leider haben diese die vom Gesetzgeber gewollte<br />
Möglichkeit kollegialer und nicht hierarchischer Zusammenarbeit<br />
nicht erkannt. Deswegen lädt die <strong>GEW</strong> ausdrücklich auch die<br />
Schulleitungen immer zu ihren Veranstaltungen ein.<br />
WB/jöpf<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
29
<strong>GEW</strong>-Intern<br />
Unser Ehrenvorsitzender wird 80!<br />
Ernst Ranzenberger feiert am 26. Mai 2002 Geburtstag!<br />
Wer kennt ihn nicht, den engagierten<br />
Kollegen, der auch<br />
heute noch mit wachem Auge<br />
das Geschehen in der <strong>GEW</strong> begleitet<br />
und in allen Landesvorstandssitzungen<br />
fundierte Redebeiträge<br />
hält? Wer schätzt<br />
nicht seine Kompetenz in<br />
Haushaltsfragen der Landesregierung?<br />
Wer möchte freiwillig<br />
auf seine kritische Begleitung<br />
der Bildungspolitik in<br />
Rheinland-Pfalz verzichten?<br />
Lange Jahre war Ernst Ranzenberger<br />
stellvertretender Landesvorsitzender<br />
(1977 - 1986) und<br />
hat sich auch nach seiner Pensionierung<br />
noch aktiv als<br />
Schriftführer in den Dienst des<br />
Landesverbandes gestellt (1986<br />
- 1992). Neben weiteren Funktionen<br />
in der <strong>GEW</strong> (Leiter der<br />
Schulpolitischen Landesstelle<br />
von 1964 - 1966, Leiter der<br />
Landespressestelle von 1970 bis<br />
1977) engagierte sich Ernst in<br />
der Personalratsarbeit, der<br />
Kommunalpolitik und natürlich<br />
in seiner Schule in Mainz-<br />
Bretzenheim. Noch heute ist er<br />
Schriftführer im <strong>GEW</strong> Kreis<br />
Mainz-Bingen.<br />
schafts- und Bildungs-politik!<br />
Aber auch deine Menschlichkeit,<br />
deine Freundlichkeit, der immer<br />
richtige Ton - auch in schwierigen<br />
innergewerkschaftlichen<br />
Auseinandersetzungen - hilft<br />
uns an Klippen vorbei, die wir<br />
sonst nicht so einfach umschiffen<br />
könnten.<br />
Wir, der Landesverband und die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
der Geschäftsstellen, gratulieren<br />
dir ganz herzlich zu diesem<br />
schönen runden Geburtstag.<br />
Wir wünschen dir, dass du auch<br />
in dem neuen Lebensjahrzehnt<br />
Zeit und Muße findest - und<br />
deine Gesundheit weiterhin gut<br />
mitspielt -, deine Reisetätigkeit<br />
(besonders in deiner zweiten<br />
Heimat Schweden) fortzusetzen.<br />
Wir wünschen uns, dass du uns<br />
noch lange mit deinem Detailwissen<br />
in Haushaltsfragen - aber<br />
auch in allen anderen gewerkschafts-<br />
und bildungspolitischen<br />
Feldern - zur Verfügung stehst.<br />
Wir brauchen dich als aktiven<br />
Ehrenvorsitzenden der <strong>GEW</strong>!<br />
Lieber Ernst,<br />
wir schätzen an dir deine Gradlinigkeit,<br />
deine Beharrlichkeit<br />
in der Sache und dein aktives<br />
Engagement in der Gewerk-<br />
30 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002
<strong>GEW</strong>-Intern<br />
Gratulation<br />
für einen<br />
wichtigen<br />
<strong>GEW</strong>-Weggefährten<br />
Lieber Ernst,<br />
meine Freude, dir zum 80. Geburtstag<br />
gratulieren zu können,<br />
ist mehr als groß und zugleich<br />
bestimmt von den Erinnerungen an einen langen gemeinsamen<br />
Weg gewerkschaftlichen und bildungspolitischen Engagements.<br />
Ich glaube, alle rheinland-pfälzischen <strong>GEW</strong>-Mitglieder freuen sich<br />
mit mir und wünschen dir Gesundheit, Lebensfreude, weiterhin<br />
möglichst intensive Teilhabe am (bildungs-)politischen Alltagsgeschehen<br />
und wünschen dir auch zukünftig Streitfrische und Freude<br />
am Diskurs, dich immer wieder mal einzumischen in die <strong>GEW</strong>-<br />
Debatten um die bildungspolitischen Leitziele und gewerkschaftlichen<br />
Forderungen.<br />
Lieber Ernst,<br />
ich glaube unser jahrelanges kollegiales Miteinander war - neben<br />
dem über das Kollegiale hinaus gehenden Gelingen unseres persönlichen<br />
Umgangs - gerade die Übereinstimmung über die inhaltlich<br />
nicht trennbaren zwei Säulen gewerkschaftlicher Arbeit:<br />
dem Kampf um die demokratische Schule, dem Kampf um Chancengleichheit<br />
für alle Kinder dieser immer divergierender werdenden<br />
Gesellschaft, der auch nach PISA mit unveränderter Energie<br />
weitergeführt werden muss, und dem Kampf um die Verbesserung<br />
für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in allen Bildungseinrichtungen.<br />
In dieser Zielsetzung waren wir uns auch schon vor meiner damaligen<br />
ersten turbulenten Wahl zum Landesvorsitzenden einig. Erst<br />
recht aber dann mit der Arbeitsaufnahme als Vorsitzender, als du<br />
mit Mut machend in der Geschäftsstelle gegenübergesessen und<br />
mir deine Unterstützung zugesichert hattest.<br />
„Du schaffst das schon“, so deine Zusicherung und Aufforderung,<br />
die deutlich machten, dass wir gemeinsam die unterschiedlichen<br />
Flügel und die verschiedenen Generationen der <strong>GEW</strong> zusammenführen<br />
und zusammenhalten wollten, um die <strong>GEW</strong> schlagkräftig<br />
für alle <strong>GEW</strong>-Mitglieder als identitätsstiftende Organisation erhalten<br />
und weiterentwickeln zu können.<br />
Mir scheint, deine damalige Integrationsbereitschaft und Integrationskraft,<br />
dich auch uns Jüngeren zuzuwenden, die in den frühen<br />
80er Jahren endlich die <strong>GEW</strong>-Politik mitbestimmen und mitentscheiden<br />
wollten, ist eine Leistung für den gesamten <strong>GEW</strong>-Landesverband<br />
gewesen, die auch aus heutiger Sicht gar nicht hoch<br />
genug eingeschätzt werden kann.<br />
Verbindung zu mir nicht gekappt hast, nachdem ich damals mit<br />
Rose Götte ins erste sozialdemokratisch geführte Bildungsministerium<br />
dieses Bundeslandes wechselte.<br />
Wir blieben im Gespräch, deine Kritik blieb für mich immer nachvollziehbar<br />
und oft habe ich auch dort Zuspruch von dir erfahren.<br />
Lieber Ernst,<br />
begleite mich weiterhin, begleite deine <strong>GEW</strong>, von der du auch mit<br />
80 sicher noch immer nicht lassen kannst und willst, auch wenn<br />
du deine Kräfte bestimmt vorsichtiger dosieren musst.<br />
Wir sind froh, dass es dich gibt, deshalb kann mein abschließender<br />
Wunsch nur sein: Bleibe noch lange bei Kräften, habe noch<br />
lange Freude am Leben, Freude an deiner Familie, an deiner <strong>GEW</strong><br />
und vielleicht manchmal auch an der Bildungspolitik.<br />
Sei umarmt und herzlichst mit den besten Wünschen gegrüßt,<br />
dein Frieder<br />
Die Redaktion<br />
der <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong><br />
und die<br />
MitarbeiterInnen des Verlages<br />
schließen sich den Gratulationen<br />
herzlichst an.<br />
Studienreisen / Klassenfahrten<br />
8-Tage-Busreise z.B. nach<br />
WIEN ÜF 192,-- €<br />
BUDAPEST ÜF 192,-- €<br />
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in den Niederlanden oder Belgien) auf Anfrage möglich!<br />
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TELEFON (0 23 06) 7 57 55-0 · FAX (0 23 06) 7 57 55-49<br />
Ernst,<br />
du warst vielleicht der wichtigste gewerkschaftliche Begleiter für<br />
mich während meiner Vorsitzendentätigkeit und du bist dies sicher<br />
auch für viele andere damals jüngere <strong>GEW</strong>-Vorständler auf<br />
Kreis-, Bezirks und Landesebene gewesen.<br />
Dafür nochmals herzlichen Dank, aber auch dafür, dass du die<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5 /2002<br />
31
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Beilage zur E&W<br />
<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />
Telefon: 06131-28988-0 • FAX 06131-28988- 80<br />
E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />
Schulgeist<br />
Als Opa noch Lehrer war …<br />
- 8. Schj. : 5 Kinder: 4 Kinder lesen<br />
fast befriedigend, 1 mangelhaft.<br />
Früher war eh alles besser:<br />
Die Lehrer sorgten noch für<br />
Disziplin und forderten<br />
Leistung. Die Schüler lernten<br />
noch besser und waren<br />
leistungsbereit. Die Industrie<br />
und das Handwerk<br />
mussten sich nicht über<br />
mangelhafte Lese- Rechtschreib-<br />
und Mathematikpardon,<br />
Rechenleistungen<br />
beklagen. Und außerdem<br />
gab es noch keine Pisa-Studie,<br />
die das Gegenteil hätte<br />
beweisen können.<br />
Aber Leistungen wurden auch damals<br />
überprüft. Mir liegt da so ein vierzig<br />
Jahre alter „Revisionsbericht“ vor, der<br />
minutiös festhält, was die Kinder dieser<br />
Schule leisteten.<br />
Da dieser Bericht schon so alt ist, beurteilte<br />
er die Leistungen von heute<br />
MittvierzigerInnen bis MittfünfzigerInnen,<br />
also genau der Generation, die<br />
sich heute am lautesten über das miese<br />
Abschneiden der deutschen SchülerInnen<br />
in der Pisa- Studie erregt.<br />
Wenn damals der Schulrat kam - es<br />
waren wirklich alles Männer - dann<br />
zitterten SchülerInnen und LehrerInnen<br />
gemeinsam. Die Kinder, die damals<br />
meist sehr schüchtern und gehemmt<br />
waren, wenn eine fremde Person<br />
mit im Schulsaal war, die KollegInnen,<br />
weil von den erbrachten Schülerleistungen<br />
letztendlich die Benotung<br />
ihrer Beurteilung abhing.<br />
Der mir vorliegende Revisionsbericht<br />
stammt aus einer einklassigen Volksschule<br />
aus dem nördlichen Bereich von<br />
Rheinland-Pfalz. Für die jungen KollegInnen:<br />
Das waren die ach so idyllischen<br />
„Zwergschulen“, die meist neben<br />
der Kirche im Dorf standen und alle<br />
Jahrgänge von der ersten bis zur 8.<br />
Klasse (9 Pflichtschuljahre gab`s noch<br />
nicht) im gleichen Klassenzimmer versammelte.<br />
Eine einzige Lehrkraft versuchte<br />
etwa 20 bis 30 Kindern zwischen<br />
sechs und vierzehn Jahren mit<br />
den gesamten geistigen Gütern unserer<br />
Kulturnation vertraut zu machen. Das<br />
war meist schwierig bis aussichtslos, da<br />
die Kinder und ihre Eltern „Schule“ als<br />
eine lästige staatliche Pflichtveranstaltung<br />
betrachteten, die nur von der eigentlichen<br />
Arbeit - Hilfe auf dem elterlichen<br />
Hof - abhielt.<br />
25 Kinder gingen in die genannte<br />
Zwergschule, aus der der Revisionsbericht<br />
stammt, 8 Kinder waren es in der<br />
„Unterstufe“ (Klassen 1 bis 4) und 17<br />
in der Oberstufe (Klassen 5 bis 8).<br />
Der vorliegende Bericht sagt über die<br />
Leseleistung:<br />
- 2. Schj.: 1 Kind: Kann Text nur auswendig<br />
aufsagen. Erkennt nur Wörter<br />
aus der Fibel des 1. Schuljahres.<br />
- 3. Schj.: 3 Kinder: Eines fehlt, 1 Kind<br />
kann kein Wort selbständig lesen, 1<br />
Kind liest stockend, aber ohne jede<br />
Sinnerfassung.<br />
- 4. Schj.: 2 Kinder: 1 Kind kann einen<br />
bekannten Text lesen, 1 Kind kann<br />
nur kurze Wörter „die, der “ lesen „wo“<br />
und „wie“ aber nicht.<br />
Fazit für die Unterstufe (ohne erstes<br />
Schj.): Von 5 Kindern kann nur<br />
eines lesen und das nur einen bekannten<br />
Text! Also 80 Prozent der SchülerInnen<br />
sind trotz Schule AnalphabetInnen!<br />
- 5. Schj.: 5 Kinder: 1 Kind liest gar<br />
nicht, 2 Kinder lesen mangelhaft, 2<br />
Kinder ausreichend.<br />
- 6. Schj. : 3 Kinder: Sie lesen alle sehr<br />
mäßig.<br />
- 7. Schj. : 3 Kinder: 1 mangelhaft, 2<br />
ausreichend.<br />
Kurz und knackig<br />
Blamage für die <strong>GEW</strong>: „Das 21. Jahrhundert<br />
muss ein Jahr der Bildung<br />
werden!“, so lautete der Titel eines Antrags<br />
der <strong>GEW</strong> für den DGB-Bundeskongress<br />
Ende Mai in Berlin. PISA lässt<br />
grüßen.<br />
Professur für den Staatssekretär: Von<br />
der Uni Gießen zum Honorarprofessor<br />
ernannt wurde Dr. Hofmann-Göttig.<br />
Die <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> gratuliert und beruhigt<br />
ihre LeserInnen: Eine Honorarprofessur<br />
bringt zwar viel Ehr‘, aber<br />
Fazit für die Oberstufe: Von 16<br />
SchülerInnen lesen 8 Kinder gar nicht<br />
oder mangelhaft oder sehr mäßig. Das<br />
heißt 50 Prozent erbringen noch nicht<br />
einmal ausreichende Leseleistungen.<br />
Der überprüfende Schulrat stellte fest :<br />
„Das Ergebnis war so deprimierend...“<br />
Er lastet dies jedoch nicht dem unterrichtenden<br />
jungen Lehrer an, denn dieser<br />
war erst seit vier Monaten an dieser<br />
Schule. „Es kommt hinzu, daß der<br />
Begabungsstand der unteren Jahrgänge<br />
sehr schwach ist“. Zur Abhilfe rät<br />
er: „Lehrer S. wurde beauftragt, ganz<br />
systematisch die Kulturtechniken (Lesen,<br />
Schreiben, Rechnen) zu fördern,<br />
unter Kürzung der Sach- oder/ und ggf.<br />
der musischen Erziehung“.<br />
Als Heilmittel gegen die schlechten Leistungen<br />
fiel dem überprüfenden Schulrat<br />
exakt das ein, was vierzig Jahre später<br />
wieder als Rezept gegen die durch<br />
die Pisa-Studie nachgewiesenen Defizite<br />
gefordert wird: Pauken der Kulturtechniken.<br />
Na, schlauer als damals<br />
scheinen gewisse Lobbyistengruppen<br />
immer noch nicht geworden zu sein.<br />
Um auf den Anfang der Geschichte<br />
zurückzukommen: Früher war also<br />
doch nicht alles besser! Aber die subjektive<br />
Rückschau der heute Vierzig- bis<br />
Fünfzigjährigen, man war jung, voller<br />
Schwung und voller Hoffnung, verklärt<br />
eben den Blick zurück.<br />
Ursel Karch<br />
kein zusätzliches Honorar zum bescheidenen<br />
Staatssekretärs-Salär.<br />
Erpressung durch Arbeitgeber: Mit einem<br />
landesweiten Ausbildungsboykott<br />
droht der Landesinnungsverband des<br />
Tischler-/Schreinerhandwerks, falls die<br />
derzeitige Anzahl der Unterrichtsstunden<br />
in der Berufsschule von 1280 wieder<br />
auf die eigentlich vorgesehenen<br />
1440 angehoben werden sollte. Die<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> wird in der nächsten<br />
Ausgabe genauer darüber berichten und<br />
ist schon jetzt gespannt auf die Reaktion<br />
der Landesregierung. gh<br />
32 <strong>GEW</strong>-<strong>Zeitung</strong> Rheinland-Pfalz 5/2002