Wenn das Urlaubsland zum wird - Bernd Frank Journalist
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Titelthema: So gelingt der Sommerurlaub<br />
<strong>Wenn</strong> <strong>das</strong> <strong>Urlaubsland</strong> <strong>zum</strong><br />
Krisengebiet<br />
<strong>wird</strong><br />
Der Tourismus in Tunesien und Ägypten<br />
erholt sich nur langsam<br />
Politische Unruhen wie in Nordafrika<br />
oder auch Naturkatastrophen und andere<br />
Gefahren kommen meist unerwartet.<br />
Urlauber und Reiseveranstalter müssen<br />
dann sehr kurzfristig reagieren – die Reisewarnungen<br />
des Auswärtigen Amtes<br />
bieten dabei eine wichtige Orientierung.<br />
»Umbuchungs-Gewinner« im Mittelmeerraum<br />
sind Spanien, die Türkei und<br />
Griechenland.<br />
Foto: www.fotolia.de<br />
Langsam erholt sich der Tourismus in<br />
Tunesien und Ägypten wieder. Dennoch<br />
<strong>wird</strong> dieses Jahr am Ende deutlich hinter<br />
den Erwartungen zurückbleiben. Die<br />
politischen Unruhen, die <strong>zum</strong> Teil blutigen<br />
Proteste gegen die dortigen Regierungen<br />
haben die Urlauber verschreckt.<br />
Im Februar ging gar nichts mehr, Reiseveranstalter<br />
wie TUI und Thomas Cook<br />
sagten alle Reisen in die beiden Länder<br />
ab und holten Gäste teilweise mit Sonderfliegern<br />
zurück nach Hause. Kunden,<br />
die ihren Urlaub noch vor sich hatten,<br />
stornierten oder buchten um, wobei<br />
ihnen die Anbieter entgegenkamen.<br />
Beispielsweise konnten bei TUI bis Ende<br />
Februar alle Kunden, die einen Ägyptenurlaub<br />
mit Anreise bis einschließlich 12.<br />
April gebucht hatten, gebührenfrei auf<br />
ein anderes Reiseziel oder einen anderen<br />
Reisezeitraum umbuchen.
Titelthema: So gelingt der Sommerurlaub 9<br />
Der Reiseboom insgesamt blieb<br />
ungebrochen, es wurden andere Urlaubsziele<br />
anvisiert, insbesondere die<br />
Kanarischen Inseln – Veranstalter wie<br />
Thomas Cook boten kurzfristig zusätzliche<br />
Flugverbindungen auf die Kanaren<br />
an. Teilweise wichen Kunden sogar auf<br />
teurere Ziele wie die Vereinigten Arabischen<br />
Emirate oder auch Asien und die<br />
Karibik aus, um im Februar oder März<br />
ihren Badeurlaub genießen zu können.<br />
Inzwischen hat sich die Lage aus<br />
Sicht der Urlauber etwas entspannt.<br />
Ende Februar/Anfang März nahmen die<br />
Veranstalter Reisen nach Tunesien und<br />
Ägypten wieder auf. Und je näher der<br />
Sommer kommt, umso mehr zusätzliche<br />
Badeziele kommen als Alternativen<br />
in Frage. Bislang haben bei den Buchungen<br />
insbesondere Spanien und die Türkei<br />
sowie – mit Abstrichen – Griechenland<br />
profitiert.<br />
Schnelle Umstellung erforderlich<br />
Ereignisse wie politische Unruhen, Naturkatastrophen<br />
und Streiks führen immer<br />
wieder dazu, <strong>das</strong>s Reiseveranstalter<br />
und Urlauber sich umstellen müssen.<br />
2010 aber war ein Rekordjahr – nach<br />
Angaben von TUI gab es insgesamt 17<br />
»Natur- und Polit-Krisen«, auf die reagiert<br />
werden musste, nachdem es in<br />
den Vorjahren jeweils nur drei waren.<br />
Darunter fielen die politischen Proteste<br />
und Straßenschlachten in Thailand,<br />
die Flugraumsperrung wegen der Vulkanaschewolken<br />
aus Island, der Generalstreik<br />
in Spanien, <strong>das</strong> Erdbeben in<br />
Neuseeland und der Streik der Lufthansa-Piloten.<br />
Zu Beginn der meist unvorhersehbaren<br />
Krisen ist der Zeitdruck groß, es<br />
muss schnell reagiert werden. So hat der<br />
größte deutsche Reiseveranstalter TUI<br />
nach dem Rekordkrisenjahr 2010 nun<br />
ein neues Alarmierungs- und Krisenmanagementsystem<br />
mit dem Namen<br />
»Fact24« installiert. Schnellstmögliche<br />
Alarmierung des Krisenstabs, besserer<br />
und schnellerer Informationsfluss sowie<br />
verbesserte Unterstützung der Gästebetreuer<br />
am Telefon, an Flughäfen und in<br />
den Reiseländern sind die Ziele.<br />
Urlauber reagieren recht unterschiedlich<br />
auf Krisenmeldungen. »Viele<br />
lassen sich von den Bildern in den Medien<br />
zunächst einmal stark beeindrucken«,<br />
sagt Sibylle Zeuch, Sprecherin<br />
des Deutschen ReiseVerbands (DRV).<br />
»Während manche in der Folge von Reisen<br />
in <strong>das</strong> betreffende Land vorübergehend<br />
absehen, wissen andere – insbesondere<br />
Stammgäste und Gäste vor<br />
Ort, die <strong>das</strong> Land schon näher kennen<br />
– die aktuelle Lage in den Urlaubsgebieten<br />
besser einzuschätzen.« So waren<br />
die Destinationen am Roten Meer praktisch<br />
gar nicht von den politischen Unruhen<br />
in Ägypten betroffen. Nur wenige<br />
der vor Ort befindlichen Gäste wollten<br />
vorzeitig abreisen, die Mehrzahl setzte<br />
ihren Urlaub fort. »Urlauber sollten<br />
bei der Reiseplanung grundsätzlich die<br />
Reisehinweise der Veranstalter und insbesondere<br />
die Sicherheitshinweise und<br />
Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes<br />
beachten«, empfiehlt Zeuch.<br />
Reisewarnungen beachten<br />
Von diesen Hinweisen hängt maßgeblich<br />
ab, ob Reisekunden unproblematisch<br />
und mit geringen bzw. ohne<br />
Kosten von ihrer Reise zurücktreten<br />
können. Die Hinweise des Auswärtigen<br />
Amtes gibt es in drei Abstufungen.<br />
Zunächst einmal sind da normale<br />
»Reisehinweise« (etwa zu Impfungen,<br />
Zollbestimmungen, etc.), die gar keine<br />
Krise oder ähnliches betreffen. Dann<br />
gibt es »Sicherheitshinweise«, die gewisse<br />
Empfehlungen enthalten und<br />
auch schon von bestimmten Reisen abraten<br />
können. Schärfste Form sind die<br />
»Reisewarnungen«, die nur dann ausgesprochen<br />
werden, wenn von einer<br />
»akuten Gefahr für Leib und Leben« in<br />
einem Land oder einer bestimmten Region<br />
ausgegangen <strong>wird</strong>.<br />
»<strong>Wenn</strong> eine konkrete Reisewarnung<br />
des Auswärtigen Amtes vorliegt,<br />
dann <strong>wird</strong> <strong>das</strong> von Gerichten wie auch<br />
von Reiseveranstaltern in der Regel als<br />
höhere Gewalt akzeptiert, und für den<br />
Urlauber ist ein Rücktritt nach § 651 j<br />
BGB ohne Stornogebühr möglich«, sagt<br />
Boris Narewski, ein aufs Reiserecht spe-<br />
zialisierter Anwalt in Berlin. Juristisch<br />
entscheidend ist für einen Reiserücktritt<br />
ohne Stornogebühr also <strong>das</strong> Vorliegen<br />
höherer Gewalt. Dies kann <strong>zum</strong><br />
Beispiel auch für eine Gesundheitswarnung<br />
der Weltgesundheitsorganisation<br />
WHO gelten, wie dies vor gut sechs Jahren<br />
bei der SARS-Epidemie in Südostasien<br />
der Fall war.<br />
Im Krisenfall hilft oft Kulanz<br />
Für <strong>das</strong> Vorliegen höherer Gewalt sind<br />
drei Voraussetzungen nötig: Das Ereignis<br />
muss bei Buchung der Reise unvorhersehbar<br />
sein, es darf nicht in der Verantwortung<br />
oder im Einflussbereich des<br />
Veranstalters oder des Reisenden liegen<br />
und es muss unabwendbar sein. Rechtsanwalt<br />
Narewski empfiehlt, in Fragen<br />
einer Stornierung vorher mit dem Veranstalter<br />
Kontakt aufzunehmen und<br />
ihm den Rücktrittswunsch und den<br />
Grund mitzuteilen. »Dann gewähren<br />
die Veranstalter meist auch kostenlose<br />
Umbuchungen oder Gutscheine für<br />
eine spätere Reise.«<br />
Ist die Reise schon angetreten und<br />
tritt während des Urlaubs eine Krise ein,<br />
so sollte man dem Veranstalter oder direkt<br />
dem Reiseleiter vor Ort möglichst<br />
schriftlich den Rücktritt mitteilen. Liegt<br />
höhere Gewalt oder eine akute Gefährdung<br />
vor, ist der Veranstalter verpflichtet,<br />
für den Rücktransport zu sorgen.<br />
Die Kosten für den bis dahin genossenen<br />
Urlaub trägt anteilig der Kunde,<br />
den Rest bekommt er erstattet. Die<br />
Rückflugkosten sind jeweils hälftig von<br />
Veranstalter und Kunde zu tragen, wobei<br />
in klaren Krisenfällen, wie sie in Tunesien<br />
und Ägypten im Februar herrschten,<br />
die Veranstalter meist die vollen<br />
Kosten übernehmen. Nichts zu tun mit<br />
solchen Fällen hat die Reiserücktrittskostenversicherung,<br />
die sich in der Regel<br />
nur auf Gründe bezieht, die im persönlichen<br />
Bereich des Reisenden liegen<br />
(Unfall, Krankheit, berufliche Dinge, Tod<br />
eines nahen Angehörigen, etc.).<br />
<strong>Bernd</strong> <strong>Frank</strong><br />
DHB-Magazin | Juni/Juli 2011