Stadt Hemmoor S ta d t H e m m o o r
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<strong>S<strong>ta</strong>dt</strong> <strong>Hemmoor</strong><br />
Der <strong>S<strong>ta</strong>dt</strong>direktor<br />
Vorlage Nr. S 0008/2007<br />
Amt Sachbearbeiter(in) vom Beratungsart<br />
20 Herr Golloch 22.01.2007 öffentlich<br />
Vor Vervielfältigung Amt 10 z. K<br />
Beratungsfolge: am TOP Ja Nein Enth.<br />
S Fraktion<br />
S Ausschuss für Tiefbau und Umwelt<br />
S Verwaltungsausschuss<br />
S <strong>S<strong>ta</strong>dt</strong>rat<br />
<strong>S<strong>ta</strong>dt</strong> <strong>Hemmoor</strong><br />
Beratungsgegens<strong>ta</strong>nd:<br />
Benennung eines Wegestücks in der Gemarkung Basbeck<br />
Finanzielle Auswirkungen: Betrag Haushaltsstelle<br />
Einnahme 0 €<br />
Ausgaben 0 €<br />
Die Haushaltsmittel: [ ] stehen zur Verfügung<br />
[ ] stehen (tlw.) nicht zur Verfügung<br />
Beschlussvorschlag<br />
Der Rat der <strong>S<strong>ta</strong>dt</strong> <strong>Hemmoor</strong> beschließt, der Zufahrt zum <strong>S<strong>ta</strong>dt</strong>park von der<br />
S<strong>ta</strong>der Straße aus den Namen<br />
zu geben.<br />
Rosenthalweg
Sachbericht zur Vorlage Nr. S 0008/2007<br />
Die Herren Dr. Wilfried Behr, Helmut Plage und Heinz Plagmann beantragen,<br />
das Wegstück, das den <strong>S<strong>ta</strong>dt</strong>park mit der S<strong>ta</strong>der Straße verbindet,<br />
Rosenthalweg zu benennen. Auf dem nachstehenden Kartenausschnitt ist dieses<br />
Flurstück schattiert gekennzeichnet.<br />
Den Antrag, sowie zwei der mitgesandten Anlagen, die den Antrag begründen,<br />
füge ich dieser Ratsvorlage bei und bitte um entsprechenden Beschluss.
Widergabe eines Artikels aus der Niederelbe-Zeitung vom 7. Oktober 2006<br />
„Warum trug Herr Rosenthal diesen auffälligen Stern?“<br />
Helene Siemens Burmeister (USA) erinnert sich an die jüdische Familie Rosenthal aus<br />
Basbeck<br />
<strong>Hemmoor</strong> (ur). Das Schicksal der jüdischen<br />
Familie Rosenthal aus <strong>Hemmoor</strong>-<br />
Basbeck, die 1941 in den Osten deportiert<br />
und 1943 im Vernichtungsghetto in<br />
Minsk ausgelöscht wurde hatten wir vor<br />
einigen Wochen ausführlich in den<br />
Blickpunkt gestellt. Noch immer suchen<br />
Helmut Plage, in <strong>Hemmoor</strong> lebender<br />
Nachkomme, Heinz Plagmann und Basbecks<br />
evangelischer Pastor Dr. Wilfried<br />
Behr nach Zeitzeugen. die sich an die<br />
Rosenthals erinnern.<br />
Ziel ist es, die Geschichte der jüdischen<br />
Familie in einer Dokumen<strong>ta</strong>tion aufzuarbeiten.<br />
Ein weiterer Baustein, der die Geschichte<br />
der angesehenen Viehhändlerfamilie<br />
und deren Untergang im Nazi-<br />
Deutschland lebendig werden lässt, ist vor<br />
kurzem ausgerechnet aus den Vereinigten<br />
S<strong>ta</strong>aten nach <strong>Hemmoor</strong> gelangt. Durch eine<br />
Bekannte aus der alten Heimat erfuhr Helene<br />
Siemens Burmeister aus Bellevue, Washington,<br />
von der Berichters<strong>ta</strong>ttung in unserer Zeitung.<br />
Die gebürtige Basbeckerin brachte ihre eigenen<br />
Erinnerungen an die Rosenthals zu Papier und<br />
sandte sie nach <strong>Hemmoor</strong>.<br />
Nachfolgend die Ausführungen von Helene<br />
Siemens Burmeister „Jugenderinnerungen an<br />
Basbeck habe ich noch viele, aber keine davon<br />
bat mich so tief ergriffen und nie mehr losgelassen<br />
wie ein Abend in unserem Bauernhaus<br />
am Acker. Es war 1941 und ich war neun Jahre<br />
alt. Der ‚alte Herr Rosenthal‘, wie wir Karl<br />
Rosenthal nannten, saß mir am Küchentisch<br />
gegenüber er trug auf seinem dunklen Mantel<br />
den großen gelben „Judenstern“, worauf das<br />
Wort ‚Jude“ deutlich zu lesen war. Ich erinnere<br />
mich an sein ernstes Gesicht und weiß noch,
dass mich die Stimmung sehr bedrückte,<br />
weil auch kaum ein Wort gesprochen wurde.<br />
Was das alles zu bedeuten hatte, wusste<br />
ich nicht und habe auch nicht danach gefragt.<br />
Warum hatte mich aber niemand<br />
aufgeklärt und warum wagte ich auch<br />
nicht, meine Eltern zu fragen, warum Herr<br />
Rosenthal diesen auffälligen Stern tragen<br />
musste?<br />
Nur wenn es dunkel war, kamen Karl und<br />
Henriette Rosenthal uns besuchen, um einen<br />
gemütlichen Abend mit meinen Eltern<br />
zu verbringen. Auch nur bei Dunkelheit<br />
kam Herr Rosenthal regelmäßig, um für<br />
seine Familie Nahrungsmittel und frische<br />
Milch bei uns zu holen. Um nicht gesehen<br />
zu werden, ging sein Fußweg über die Felder,<br />
weil die Hauptstraße zu gefährlich<br />
war. So besuchten auch meine Eltern die<br />
Rosenthals in ihrem Haus, wo auch ich<br />
einige Male zu Gast war. An einen Abend<br />
bei der Familie erinnere ich mich noch<br />
deutlich. Meine Eltern waren eingeladen<br />
und ich durfte mitgehen. Ich glaube, es war<br />
unser letzter Besuch vor ihrer Abreise, von<br />
der sie nicht zurückkehrten. Wenn ich ü-<br />
berhaupt gewusst habe, dass die ganze Familie<br />
Basbeck verlassen musste, war mir<br />
ganz sicher der Ernst der Lage nicht bewusst.<br />
Von meinem Vater weiß ich, dass er der<br />
Familie Rosenthal angeboten hatte, sie mit<br />
Pferd und Wagen zum Bahnhof zu fahren.<br />
Sie lehnten das ab, weil es für ihn schlimme<br />
Folgen haben würde. Ihnen war bekannt,<br />
dass mein Vater, Bernhard Siemens,<br />
bei den Nazis als „politisch nicht einwandfrei“<br />
galt. Neun Wochen später saß er in S<strong>ta</strong>de<br />
im Gefängnis in Untersuchungshaft und wurde<br />
wohl nur freigelassen, weil Bauern gebraucht<br />
wurden.<br />
Erst nach dem Krieg lernten wir durch Dokumen<strong>ta</strong>rfilme<br />
und Zeugenaussagen, mit welcher<br />
Grausamkeit Hitler seinen Plan verfolgte. Die<br />
Schrecken der Naziregierung waren und sind<br />
noch heute unfassbar. Vergeblich warteten wir<br />
auf die Rückkehr der Familie Rosenthal. Ich<br />
bin dankbar, dass ich sie gekannt habe.<br />
Der ‚Judenstern‘ ist der ‚Davidstern ‘ - Hitler<br />
machte ihn zum Symbol für seine Vernichtungsstrategie.<br />
Gott hatte einen anderen Plan -<br />
der Stern Davids fliegt heute über Israel.<br />
Helene Siemens Burmeister<br />
Bellevue, Washington USA“<br />
An dem Abend hatte noch keiner eine Vorstellung<br />
von der grausamen Naziherrschaft<br />
und von Vernichtungsghettos. Meine Erinnerung<br />
an diesen Abend ist eine sehr schöne:<br />
Adolf Rosenthal, der mit seiner kleinen<br />
Familie ein Zimmer im Haus bewohnte,<br />
lud uns ein, hereinzukommen, seine Frau<br />
Lina begrüßte uns herzlich. Noch heute<br />
denke ich an diese hübsche junge Frau mit<br />
ihrem Baby im Arm zurück - eine glückliche<br />
Mutter, die uns freundlich zulächelte.
„Rosenthals haben sie auch abgeholt“<br />
1941 bestieg die achtköpfige jüdische Viehhändlerfamilie Rosenthal aus Basbeck den Zug / Zwei Jahre<br />
später wurde sie im Vernichtungsghetto Minsk ausgelöscht<br />
Von Ulrich Rohde<br />
Es war ein Tag im Herbst des Kriegsjahres 1941,<br />
als die achtköpfige Familie Rosenthal am Bahnhof<br />
Basbeck-Osten in den Zug stieg, um nach<br />
Bremen zu fahren. Sie hatte nur das Nötigste bei<br />
sich, der gesamte Hauss<strong>ta</strong>nd war schon beim<br />
Auktionator in Cadenberge gelandet. Die vier<br />
Generationen der Rosenthals begaben sich freiwillig<br />
nach Bremen, der Sammelstelle für die<br />
„Umsiedlung“ nach Osteuropa. Die Rosenthals<br />
kehrten nicht zurück.<br />
„Ick kum nu wohl nie mehr wedder“, hatte Viehhändler<br />
Adolf Rosenthal, der seit Jahren seinen<br />
Beruf nicht mehr ausüben durfte, kurz zuvor zu<br />
einem Bauern in der Nachbarschaft gesagt, der die<br />
Familie gelegentlich mit Essen versorgt hatte. „Se<br />
wad us nu wohl bald affholen“, vermutete der 38-<br />
Jährige. Zum zehnjährigen Sohn des Bauern sagte<br />
Rosenthal: „Tschüß, mien Jung.“<br />
Eine Uhr zum Abschied<br />
Die Fahrt nach<br />
Bremen unternahmen<br />
die Rosenthals<br />
in einem<br />
fahrplanmäßigen<br />
Zug. Sie wurden weder von der Polizei noch von<br />
der Ges<strong>ta</strong>po oder irgendwelchen Nazi-Schergen<br />
begleitet Aber die Schwester von Adolf Rosenthal<br />
war dabei, Minna Plage. Sie wollte von ihrer Familie<br />
Abschied nehmen. Minna Plage war mit einem<br />
so genannten „Arier“ verheiratet und war von der<br />
drohenden Depor<strong>ta</strong>tion in den Osten verschont<br />
geblieben. Ihr ältester Sohn, Helmut Plage, war<br />
damals sieben Jahre alt Er hatte sich vor der Abreise<br />
von seinen Großeltern Karl und Henriette Rosenthal<br />
verabschiedet und erhielt von seinem Onkel<br />
Adolf eine Uhr zum Geschenk.<br />
Helmut Plage lebt auch heute noch in Basbeck,<br />
auch seine drei jüngeren Geschwister haben den<br />
Krieg überlebt. Seine Mutter und Vater Friedrich<br />
Plage liegen auf dem Basbecker Friedhof begraben.<br />
Minna Plage s<strong>ta</strong>rb mit 84 Jahren 1985. 40 Jahre<br />
zuvor war Minna Plage in den Wirren der letzten<br />
Kriegsmonate nur durch glückliche Umstände dem<br />
sicheren Tod entronnen. Sie hielt sich mit den Kindern<br />
in Hamburg auf, war ausgebombt. Auch<br />
Mischehen waren in dieser Zeit nicht mehr sicher.<br />
Ihr Ehemann Friedrich war aus der Wehrmacht<br />
entlassen worden, musste zur Strafe für seine Ehe<br />
mit einer Jüdin Trümmer wegräumen.<br />
Minna P1age rettete die Krankheit eines ihrer vier Kinder.<br />
Als der Krieg endete, war die Familie am Leben. Die<br />
Familie Plage zog nach dem Krieg aus dem zerbombten<br />
Hamburg zurück nach Basbeck in das Haus ihrer Familie.<br />
Helmut Plage ging nach der Schulzeit bei einem<br />
Malermeister in die Lehre. Plage: „Die Lehrstelle habe<br />
ich bekommen; weil der Meister mit meinem Großvater<br />
Karten gespielt hatte.“ Doch nach und nach verblasst die<br />
Erinnerung an die einst wohlhabende und angesehene<br />
jüdische Viehhändlerfamilie Rosenthal in Basbeck. Viele<br />
wollten oder konnten sich nicht mehr entsinnen, bis auf<br />
wenige, die die Schatten der Vergangenheit nicht aus<br />
dem Blick verloren hatten. Basbecks evangelischer Pastor<br />
Dr. Wilfried Behr hat sich gemeinsam mit Helmut<br />
Plage und dem <strong>Hemmoor</strong>er Helmut Plagmann auf Spurensuche<br />
begeben. Auch Plagmann, Jahrgang 1930, war<br />
noch ein Kind, als die Rosenthals aus dem Dorf verschwanden,<br />
doch viele Erlebnisse sind in ihm noch lebendig<br />
geblieben, denn seine Großeltern verkehrten mit<br />
den Rosenthals.<br />
Er spielte mit Benjamin, genannt Benno, dem Sohn von<br />
Sophia Rosenthal, der Schwester von Adolf und Minna.<br />
„Es gab dort viel<br />
Spielzeug, unter<br />
anderem ein Kettcar.<br />
Damals nannte<br />
man es aber<br />
noch ‚Holländer‘.<br />
Es war nicht zum Treten, man musste zum Fortbewegen<br />
mit den Händen einen Hebel bedienen. Mit diesem Ding<br />
kurvten wir auf der Diele der Rosenthals herum.“ Es gibt<br />
noch einige weitere ältere Basbecker Bürgerinnen und<br />
Bürger, die bereit waren, ihre Erinnerungen preiszugeben.<br />
Manche wollten ungenannt bleiben. Aber einige<br />
lehnten es rundweg ab, die dunklen Jahre wachzurufen.<br />
Die Vergangenheit wirkt bis heute nach. Die Angst<br />
ist offenbar immer noch gegenwärtig, der Mechanismus<br />
der Verdrängung funktioniert.<br />
„Wie kommt Ihr denn her?“<br />
Zufallsbegegnung auf dem Warschauer Bahnhof im<br />
Herbst 1941: Auf den Gleisen s<strong>ta</strong>nd ein Urlauberzug,<br />
ihm gegenüber ein Depor<strong>ta</strong>tionszug mit Juden. Im Urlauberzug<br />
ein Basbecker Bürger. Er entdeckte im anderen<br />
Waggon hinter Gittern Adolf Rosenthal. Er rief:<br />
„Hallo, wie kommt Ihr denn her?“ Soldaten im Zug<br />
zischten ihm nur zu: „Halt Deinen Mund!“ Das war noch<br />
nicht der letzte Zeugenbericht über das Schicksal der<br />
Familie Rosenthal, die auf dem Weg ins Vernichtungsghetto<br />
im weißrussischen Minsk war.<br />
Nach dem Krieg musste Minna Plage ihre verschollenen<br />
Familienangehörigen gerichtlich für tot erklären lassen.<br />
Ein Zeuge, der bis September 1943 im Ghetto Minsk
gewesen war, hatte zu Protokoll gegeben, dass Karl<br />
Rosenthal und seine Frau Henriette, Gelea, die<br />
zweijährige Tochter Adolfs und Lina Rosenthals,<br />
vermutlich auch ihr nur ein Jahr älterer Bruder<br />
Sally sowie Sophia Rosenthal und ihr Sohn Benno<br />
zu diesem Zeitpunkt bereits im Ghetto an Entkräftung<br />
gestorben waren.<br />
Nur Adolf und seine Frau Lina Rosenthal hätten noch<br />
gelebt. Nachdem der Zeuge aus Minsk abtransportiert<br />
worden war, will er laut der gerichtlichen Aufzeichnung<br />
erfahren haben, dass auch diese beiden letzten Überlebenden<br />
der verschleppten Familie im September oder<br />
Oktober 1943 von der Ges<strong>ta</strong>po umgebracht worden seien.<br />
Suche nach den Zeitzeugen<br />
Dokumen<strong>ta</strong>tion über Familie Rosenthal geplant<br />
seine Mutter Jüdin ist und ein großer Teil seiner Familie<br />
während der Naziherrschaft in einem Vernichtungsghetto<br />
umgekommen ist hat nur in seiner eigenen Erinnerung<br />
eine wichtige Rolle gespielt.<br />
Seine Umwelt hat diesen Teil seiner Biographie größtenteils<br />
ausgeblendet Umso bemerkenswerter ist es, dass<br />
Plage gemeinsam mit Basbecks Pastor Dr. Wilfried Behr<br />
und dem <strong>Hemmoor</strong>er Heinz Plagmann die Geschichte<br />
seiner Familie aufarbeiten möchte. Geplant ist die Zusammenstellung<br />
einer Dokumen<strong>ta</strong>tion.<br />
Die Spurensuche, Gespräche mit noch lebenden Zeitzeugen<br />
haben bereits viele Anhaltspunkte ergeben, die Erinnerung<br />
lebendiger werden lassen. Doch das Bild ist noch<br />
nicht annähernd komplett. Wer seinen Beitrag zu der<br />
Dokumen<strong>ta</strong>tion leisten möchte, kann sich - auch vertraulich<br />
- an Pastor Behr, Heinz Plagmann oder Helmut Plage<br />
wenden.<br />
Helmut Plage, der heute 72 Jahre alt ist, hat fast<br />
sein gesamtes Leben in <strong>Hemmoor</strong> verbracht. Dass<br />
„…und gesehen werden durften sie schon gar nicht“<br />
Seit 1937 geriet die Familie in Bedrängnis / Karl und Adolf Rosenthal mussten in einer Ziegelei arbeiten<br />
Die Schlinge zog sich immer enger zu. Es lag<br />
Angst in der Luft. Die Leute fürchteten sich<br />
davor, etwas Falsches zu sagen. An den Bäumen<br />
hingen Zettel, auf denen s<strong>ta</strong>nd geschrieben:<br />
Nörglern und Spießbürgern drehen wir den<br />
Hahn zu. Seit 1937 war es für die Familie Rosenthal<br />
in Basbeck zunehmend schwieriger geworden.<br />
Sie geriet immer mehr in Bedrängnis.<br />
Familienoberhaupt Karl, im Ersten Weltkrieg mit<br />
dem Eisernen Kreuz dekoriert, und Sohn Karl Rosenthal,<br />
die mit ihren Familien in Basbeck als<br />
Viehhändler tätig waren, wurden an der Berufsausübung<br />
gehindert. „Se arbeid nu op de Hütt‘n“, hieß<br />
es. Sie mussten in der nahe gelegenen Ziegelei<br />
schuften. Auch das Auto durften sie nicht behalten.<br />
Die Ges<strong>ta</strong>po zog es ein. „Wir dürfen ja nicht mehr<br />
los“, hatte Karl Rosenthal, damals schon weit über<br />
60, zu dem Lehrling in einer Schmiede gesagt. Der<br />
kleine Mann mit den krummen Beinen fuhr Tag für<br />
Tag auf seinem Fahrrad zur beschwerlichen Plackerei<br />
in der Ziegelei, zu der er und sein Sohn gezwungen<br />
worden waren.<br />
Die Rosenthals wurden bespitzelt, sie wurden als „dreckige<br />
Juden“ beschimpft. Für die Nachbarn wurde es<br />
komplizierter, Kon<strong>ta</strong>kt mit ihnen zu halten. Dennoch<br />
fanden sich immer noch Menschen, die die einstmals<br />
wohlhabende und als großzügig geltende Familie heimlich<br />
mit Nahrungsmitteln versorgten.<br />
Die Rosenthals hatten sich als Händler um das Jahr 1869<br />
zunächst in Lamstedt niedergelassen. Sie waren ursprünglich<br />
aus Haren in Westfalen gekommen. Benjamin<br />
Rosenthal, er s<strong>ta</strong>rb 1927 87-jährig, und auch sein 1873<br />
geborener Sohn Karl waren „Productenhändler“, die<br />
Garn, Lumpen, Federn, Me<strong>ta</strong>lle, Felle und Häute in den<br />
Dörfern aufkauften und an Großhändler weitergaben. Im<br />
Gegenzug verkauften oder <strong>ta</strong>uschten sie „Manufacturwaren“.
Später sattelten die Rosenthals auf den lukrativeren<br />
Viehhandel um. Von Lamstedt zog die Familie<br />
1923 nach Hechthausen um, bald darauf aber nach<br />
Basbeck. Karl Rosenthal und sein Sohn Adolf<br />
(1903 geboren) waren vor allem an Kälbern interessiert.<br />
Sie luden die Tiere auf einen Hänger, fuhren<br />
damit in die Marsch und verkauften sie an die Bauern.<br />
Im Herbst 1941, erinnert sich Heinz Plagmann, sind<br />
seine Großeltern im Schutz der Dunkelheit mit<br />
Handwagen und Karren weggegangen. „Sie kamen<br />
mit Weckgläsern, leeren und vollen, und anderem<br />
Kleinkram zurück. Es durfte keiner wissen und<br />
gesehen werden durften sie schon gar nicht“ Eine<br />
andere Basbeckerin erinnert sich daran, dass Rosenthal<br />
im gleichen Zeitraum zu ihrem Vater, gleichfalls ein<br />
Viehhändler, kam.<br />
Er brachte ihm einen Pelzmantel - außen Leder, innen<br />
Fell - für den Viehwagen. Außerdem gab er ihm einen<br />
Fußsack. Beide Gegenstände zur Verwahrung, um sie<br />
nach der Rückkehr wieder abzuholen. Sie wurden nie<br />
abgeholt.<br />
Nach ihrer Depor<strong>ta</strong>tion wurde der übrig gebliebene<br />
Hausrat der Rosenthals von einem Cadenberger Auktionator<br />
versteigert. Als Minna Plage nach dem Krieg mit<br />
ihrer Familie nach Basbeck heimgekehrt war, brachten<br />
einige Bürger Stücke aus der Auktion zurück oder sie<br />
boten sich an, den entsprechenden Preis dafür zu zahlen.