Kunst - Tourismusregion Anhalt-Dessau-Wittenberg
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ENTDECKEN<br />
KUNST THEATER MUSIK<br />
Stadt <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
Amt für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Marketing<br />
Reisebegleiter für <strong>Dessau</strong> und Umgebung
GOSLAR BERNBURG KÖTHEN AKEN ELBE ZERBST MAGDEBURG<br />
Mosigkau<br />
DESSAU<br />
ROSSLAU<br />
Burg<br />
Georgium<br />
C<br />
M<br />
F L Ä M I N G<br />
C<br />
Klieken<br />
VOCKERODE<br />
DESSAU OST<br />
ORANIENBAUM<br />
A 9 B E R L I N<br />
COSWIG<br />
COSWIG<br />
Buro<br />
WÖRLITZ<br />
WITTENBERG<br />
DÜBENER HEIDE<br />
„3 Säulen“ , Hartmut Renner, Sommerausstellung Natur Licht Raum II 1996<br />
Drei bewegliche, aus dem Lot gebrachte, 4 m hohe Edelstahlröhren stehen im Fußweg der<br />
Kavalierstraße, gegenüber der Stelle, wo sich der Portikus des Alten Theaters mit sechs<br />
Säulen befand. Dort ist jetzt das neue „Alte Theater“.<br />
HALLE LEIPZIG<br />
DESSAU SÜD<br />
M Ü N C H E N A 9 BITTERFELD- WOLFEN GOITZSCHE MULDE RAGUHN JESSNITZ ALTJESSNITZ<br />
FERROPOLIS<br />
GRÄFENHAINICHEN<br />
(Gremmin)<br />
„Zudem ist <strong>Dessau</strong> keineswegs menschenarm –<br />
seine 12.000 Bewohner haben sich nur recht bequem und geräumig<br />
ausgebreitet und dadurch zwei große Vorteile erreicht: Frische<br />
Luft und sonniges Licht, was am Ende mehr werth ist, als ein endloses<br />
Gedränge und Menschengetümmel.“<br />
[Franz Hoffmann: Das malerische und romantische <strong>Anhalt</strong>.<br />
Ein Album,um 1850]<br />
<strong>Dessau</strong>-Roßlau hat 85.000 Einwohner auf 245 Quadratkilometern.
Von Lukas Cranach zu Kurt Weill<br />
<strong>Kunst</strong>, Musik und Theater in <strong>Dessau</strong><br />
Wer nach <strong>Dessau</strong> kommt, um einfach nur das Bauhaus auf der persönlichen<br />
Das-muss-ich-gesehen-haben-Liste abzuhaken, verpasst<br />
viel. Denn die Stadt ist weit mehr als nur ein Museum der Moderne.<br />
Wertvolle Gemälde in Kirchen und Schlössern, ein vitales Theater<br />
und ein Musikfestival mit überregionaler Strahlkraft sind zu entdecken.<br />
Und immer wieder stößt man auf Biographien gescheiter<br />
Menschen, die in dieser Stadt ihren Anfang nahmen. Der Philosoph<br />
Moses Mendelssohn stammt ebenso von hier wie der Komponist<br />
Kurt Weill oder der Dichter Wilhelm Müller, der der Deutschen beliebtestes<br />
Wanderlied geschrieben hat. Lassen Sie sich von der Vielfalt<br />
dieser Stadt überraschen!<br />
Seite<br />
<strong>Anhalt</strong>isches Theater <strong>Dessau</strong> 2<br />
Ein Tipp von Antony Hermus<br />
Altes Theater 5<br />
Kurt Weill Zentrum 6<br />
Ein Tipp von Michael Kaufmann 7<br />
Bauhaus 9<br />
<strong>Kunst</strong>gutdepot in der Alten Brauerei 12<br />
Spurensuche: Carl Marx und Max Bill 14<br />
Wilhelm Müller – ein Dichter aus <strong>Dessau</strong> 15<br />
<strong>Anhalt</strong>ische Gemäldegalerie im Georgium 16<br />
C<br />
Cranach in der St. Johanniskirche 18<br />
C<br />
Cranach in der Kreuzkirche Klieken 19<br />
Ausflug in die Lutherstadt <strong>Wittenberg</strong> 20<br />
Abstecher nach Köthen 22<br />
Kurztrip nach Gräfenhainichen 23<br />
Aktivtipp: Offizielle Graffiti-Übungsfläche 24
<strong>Anhalt</strong>isches Theater <strong>Dessau</strong><br />
Über 200 Spielzeiten! Wie stolz das klingt. Das <strong>Anhalt</strong>ische Theater<br />
<strong>Dessau</strong> – wenn man am Stadteingang des Bahnhofs herauskommt,<br />
immer rechts halten und an den Straßenbahnschienen entlang – verdankt<br />
seine Erstgründung natürlich Fürst Leopold Friedrich Franz. Schon<br />
1766 schafft sich der kunstsinnige Herrscher ein Hoforchester an, 1777<br />
richtet Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff im herzoglichen Schloss<br />
ein Theater ein, ab 1794 wird aber in der „Herzoglichen Reitbahn“ der<br />
regelmäßige Spielbetrieb in <strong>Dessau</strong> aufgenommen. Vier Jahre später<br />
steht dann auch an der Kavalierstraße ein Theater für alle, ebenfalls<br />
ein Erdmannsdorff‘sches Werk. Es sind goldene Jahre für das Haus. Die<br />
Hofkapelle und das Musiktheater erblühen, Niccolo Paganini gastiert<br />
und Richard Wagner kommt zu Besuch. 1855 dann die erste Zäsur: Bei<br />
einem Brand wird der gesamte Theaterbau vernichtet. Doch das Haus<br />
gibt nicht auf, und spielt schon nach einem Jahr wieder: Meyerbeer,<br />
Gluck, Wagner. Apropos Wagner: 1893 der erste „Ring“ in <strong>Dessau</strong>. Ein<br />
Jahr später kommt Cosima Wagner höchstpersönlich, um Humperdincks<br />
„Hänsel und Gretel“ zu inszenieren. Der Ruf vom „Bayreuth des<br />
Nordens“ ist geboren. 1922, das Hoftheater ist längst republikanisch, in<br />
eine Stiftung überführt und wird von Hans Knappertsbusch gelenkt,<br />
der zweite Tiefschlag: Das Friedrich-Theater, wie es jetzt heißt, brennt<br />
bis auf die Grundmauern ab. Wieder wechselt man in die Reitbahn,<br />
um eine Ausweichspielstätte zu haben. Erst dreizehn Jahre später, die<br />
Nationalsozialisten sind an der Macht, wird ein Wettbewerb für einen<br />
neuen Theaterbau ausgelobt. Der Berliner Architekt Friedrich Lipp<br />
setzt sich schließlich durch und entwirft einen etwas einschüchternden<br />
Monumentalbau mit über 1.000 Plätzen, den Hitler und Goebbels<br />
1938 persönlich übergeben. Ein Jahr vor Kriegsende wird das <strong>Dessau</strong>er<br />
Theater bei Bombardierungen schwer getroffen, doch schon 1949 ist<br />
das Haus wieder aufgebaut und wird mit der „Zauberflöte“ wiedereröffnet.<br />
Doch neben Goethe und Schiller gibt es in den Fünfzigerjahren<br />
auch ganz andere Schauspiele: Die stalinistische Justizministerin Hilde<br />
Benjamin lässt hier politische Schauprozesse unter ihrem Vorsitz abhalten.<br />
Nach der deutschen Wiedervereinigung wird das <strong>Anhalt</strong>ische<br />
Theater <strong>Dessau</strong>, wie es jetzt heißt, von Johannes Felsenstein geleitet,<br />
dessen Vater die Komische Oper Berlin zu einer Wunderkammer des<br />
Musiktheaters werden ließ. Auch Felsenstein jr. gelingt sehr viel – das<br />
Haus nimmt einen künstlerischen Aufschwung, was besonders auch<br />
für die Tanzsparte gilt. 2009 wird André Bücker Generalintendant und<br />
richtet das Theater neu aus. 50 Künstler wechseln neu in die einzelnen<br />
Sparten. Der demograf ische Wandel wird für die Theatermacher zu<br />
einem Dauerthema. Paradiesische Verhältnisse herrschen hier nicht,<br />
aber man hakt sich gegenseitig unter. Die größte Bühne des Landes<br />
Sachsen-<strong>Anhalt</strong> wirbt mit einer klugen Spielplanpolitik erfolgreich<br />
um ihr Publikum, ist auch außerhalb des Theaters in der Stadt präsent<br />
und macht immer wieder überregional von sich reden. Vital und maßstabsetzend<br />
sind viele der Inszenierungen, die um die Probleme einer<br />
schrumpfenden und deindustrialisierten Stadt keinen Bogen machen.<br />
Die Bürger sprechen von „ihrem“ Theater, und daraus klingt viel Stolz.<br />
Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert gibt es wieder einen<br />
„Ring“ in <strong>Dessau</strong>. Die vier Sparten – Musiktheater, Schauspiel, Ballett<br />
und Puppenspiel – stehen nicht zur Disposition. Dazu hat sich der <strong>Dessau</strong>er<br />
Stadtrat im Frühjahr 2012 verpflichtet. Und der Oberbürgermeister<br />
geht sogar noch weiter: „Das Haus ist der kulturelle Leuchtturm<br />
<strong>Anhalt</strong>s“.<br />
ANHALTISCHES THEATER DESSAU Friedensplatz 1a | 06844 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
2 3
„Götterdämmerung“<br />
Elbmusikfest mit Scratch-Konzert<br />
Wer einmal mitgemacht hat, ist immer wieder dabei – beim Scratch-<br />
Konzert im <strong>Anhalt</strong>ischen Theater mit Großem Orchester und Großem<br />
Chor. Immer zu Jahresbeginn verschickt das Theater eine Mail, mit<br />
der Aufforderung sich anzumelden. Hunderte von Sangesbegeisterten<br />
studieren innerhalb von 24 Stunden ein Chorwerk ein und stehen<br />
am Abend dann auf der riesigen Bühne. Der Weg ist dabei das Ziel.<br />
Mitmachen kann jeder, der Spaß am Singen hat (Notenlesen ist von<br />
Vorteil, aber nicht zwingend, Tontreffen allerdings).<br />
Die <strong>Dessau</strong>er Theaterpredigten, verantwortet vom <strong>Anhalt</strong>ischen<br />
Theater <strong>Dessau</strong>, der Evangelischen Landeskirche <strong>Anhalt</strong>s und der<br />
Kirchengemeinde St. Johannis und St. Marien, dienen dem lebendigen<br />
Dialog zwischen <strong>Kunst</strong> und Religion und stehen so in der aufgeklärten<br />
und kulturfreundlichen Tradition <strong>Anhalt</strong>s (<strong>Anhalt</strong>isches<br />
Theater <strong>Dessau</strong>). Zweimal jährlich werden ausgewählte Inszenierungen<br />
besprochen.<br />
Das Alte Theater im Zentrum von <strong>Dessau</strong> ist nicht nur eine Spielstätte<br />
des Theaters und ein Restaurant. Es ist zugleich ein Ort mit<br />
einer interessanten Geschichte. Der ursprüngliche Theaterbau von<br />
Erdmannsdorff brannte 1922 teilweise aus. Kurt Elster errichtete<br />
dann Mitte der 1920er Jahre ein modernes Gebäudeensemble.<br />
Elster war gleichermaßen Modernist wie scharfer Kritiker des Bauhauses.<br />
Und doch konnten die Bauhäusler Gunta Stölzl, Richard<br />
Paulick und Hinnerk Scheper das Innere gestalten. Davon ist leider<br />
nichts mehr zu sehen, nachdem der Theaterbau dem Bombenhagel<br />
des Zweiten Weltkrieges zum Opfer fiel. Vor wenigen Jahren<br />
wurde hier zum dritten Mal das „Alte Theater“ aufgebaut, nun<br />
als knallrotes Gebäude. Aber wenn man von der Kavalierstraße<br />
ein paar Schritte ins Blockinnere geht, trifft man auf das alte und<br />
eindrucksvolle AOK-Gebäude: Der fulminante Rest des Gebäudekomplexes<br />
aus den 1920er Jahren. Hier zeigt sich, dass Moderne in<br />
<strong>Dessau</strong> nicht nur Bauhaus war.<br />
Altes Theater Lily-Herking-Platz 1 | 06844 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
Mein Tipp: Wagner anhören!<br />
Unser Theater – eines der größten Bühnenhäuser Europas<br />
und kultureller Leuchtturm in Sachsen-<strong>Anhalt</strong>, kann auf<br />
eine über 150-jährige Wagner-Tradition zurückblicken,<br />
die 2015 mit der ersten zyklischen Aufführung Wagners<br />
„Der Ring des Nibelungen“ seit einem halbem Jahrhundert<br />
seine Fortsetzung findet. Nach einer international<br />
beachteten „Götterdämmerung“ gestaltet unser Wagner<br />
erfahrenes Sängerensemble mit renommierten Gästen<br />
und der <strong>Anhalt</strong>ischen Philharmonie 2013 „Siegfried“<br />
(Regie: André Bücker). Theater muss sein!!!! Anschauen!<br />
Antony Hermus<br />
Generalmusikdirektor <strong>Anhalt</strong>isches Theater <strong>Dessau</strong><br />
4 5
Kurt Weill<br />
Rabbinerhaus in der Kantorstraße 3 mit Gedenktafel für Kurt Weill<br />
Er hat der Musik den Kopf verdreht. Mit fünf<br />
Jahren beginnt der <strong>Dessau</strong>er Kantorensohn<br />
Kurt Weill Klavier zu spielen, mit 18 begleitet<br />
er bereits Liederabende einer Opernsängerin,<br />
mit 26 Jahren bringt er in Dresden seine<br />
erste Oper auf die Bühne: „Der Protagonist“.<br />
Genau das wurde er, ein Protagonist, der<br />
aus dem Gewohnten Innovatives machte. Er<br />
wurde zu einem Weltkomponisten, dessen<br />
Gassenhauer noch heute Stars wie Robbie<br />
Williams oder David Bowie anstimmen. Kurt<br />
Weill ist neben dem Bauhaus der zweite<br />
große Kulturexportartikel aus <strong>Dessau</strong>. Und<br />
obwohl er hier nur lebte, bis er mit 18 Jahren<br />
zum Studieren nach Berlin ging und dann über Paris weiter in<br />
die Vereinigten Staaten emigrierte, wo er die amerikanische Staatsbürgerschaft<br />
annahm, ist die Liebe zu ihm in seiner Heimatstadt<br />
wohl am größten. 1993 war es, als kluger Bürgersinn in Gestalt der<br />
Kurt-Weill-Gesellschaft e.V., ein Ratschlag aus Amerika und großherzige<br />
Sponsoren das erste Kurt Weill Fest aus der Taufe hoben.<br />
Und es war der Versuch, den großen Komponisten, der von den Nationalsozialisten<br />
aus Deutschland verfemt und vertrieben wurde,<br />
gedanklich mit seiner Heimat zu versöhnen. Elf Veranstaltungen<br />
an vier Spieltagen! 1400 Besucher! Immer zwischen Ende Februar<br />
und Anfang März, also genau rundherum um Weills Geburtstag am<br />
2. März, sollten fortan seine Partituren aufgeklappt werden – von<br />
der „Dreigroschenoper“ bis zum „Silbersee“, von „Mahagonny“ bis<br />
„Oskar und die Groschenbande“<br />
„One Touch of Venus“, von den ersten Werken bis zu den Bretterknallern<br />
vom Broadway. Niemand konnte ahnen, dass dieses Kurt<br />
Weill Fest so schnell zu einem der wichtigsten Musikfestivals in<br />
Sachsen-<strong>Anhalt</strong> avancieren und ein ums andere Mal mehr Besucher<br />
anziehen würde.<br />
Drei Intendanten haben das Festival in zwei Jahrzehnten geprägt:<br />
Andreas Altenhof gestaltete die Gründungsphase, Clemens Birnbaum<br />
baute das Festival zu einem überregionalen Kulturereignis<br />
aus und Michael Kaufmann, der seit 2009 amtiert, profiliert das<br />
Kurt Weill Fest im deutschen Musikkalender mit neuen, innovativen<br />
Aktivitäten. Ihm ist vor allem wichtig, nach neuen Formaten<br />
und auch internationalen Kooperationen zu suchen, um den Ruf<br />
<strong>Dessau</strong>s als Stadt der Moderne weltweit zu mehren. Seit zehn<br />
Jahren pflegt man beim Festival eine jährliche Artist-in-Residence-<br />
Tradition. Namhafte Interpreten kamen, um in <strong>Dessau</strong> zu arbeiten:<br />
von Christine Schäfer bis Wayne Marshall, von HK Gruber bis Nils<br />
Mein Tipp: Essen im Alten Theater<br />
Eigentlich eine Anmaßung: Ich setze mich hinten ans<br />
Fenster, wo der Stammplatz von Albert Bing gewesen<br />
sein muss. Er war 1. Kapellmeister des Hoftheaters<br />
<strong>Dessau</strong> und der erste wichtige Lehrer von Kurt Weill.<br />
Genau dort am Fenster hätte er gesessen, wenn es das<br />
Restaurant im Alten Theater damals schon gegeben hätte.<br />
Ich stelle mir das vor und denke mich 100 Jahre zurück,<br />
wenn ich bei vorzüglichem Essen und einem guten Glas<br />
Wein in Jörg Foltas schönem Etablissement sitze. Genau<br />
an der Stelle, wo für Kurt Weill alles begann. Ob mit oder<br />
ohne Theaterbesuch: ein Platz zum Wohlfühlen.<br />
Prof. Michael Kaufmann, Intendant des Kurt Weill Festes<br />
6 7
Ausstellungen im Bauhausgebäude<br />
Mit 21.000 Objekten verfügt die Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong> über die<br />
zweitgrößte Bauhaussammlung weltweit. 200 davon sind in der<br />
Dauerausstellung „Werkstatt der Moderne“ im Sockelgeschoss des<br />
Bauhausgebäudes zu sehen, die den unterschiedlichen Entwicklungslinien<br />
der Hochschule nachgeht. <strong>Dessau</strong> war der Ort, wo der<br />
Anspruch des Bauhauses, die moderne Gesellschaft mitzugestalten,<br />
nachvollziehbar und anschaulich wurde. Hier fand die Zusammenarbeit<br />
mit der Industrie statt, hier wurde für die Siedler- und<br />
Genossenschaftsbewegung gebaut, hier entstanden viele der heute<br />
noch bekannten Prototypen. In der Ausstellung wird das Bauhaus<br />
als ganzheitliche und interdisziplinäre Werkstatt erlebbar. Die visionären<br />
Ideen und Ziele des Bauhauses entstanden in den Beziehungen<br />
zwischen Lehre, Künsten, Architektur und Produktgestaltung.<br />
Der Besucher erhält zugleich einen Einblick in das Leben der Menschen<br />
am und mit dem Bauhaus. Er erfährt viel über den komplexen<br />
Unterricht der Meister. Dessen Ergebnisse manifestieren sich in den<br />
zahlreichen Objekten der Schau, von der Fotocollage über Marcel<br />
Breuers Stahlrohrsessel bis hin zum berühmten Aschenbecher von<br />
Marianne Brandt. Dabei wird deutlich, wie sich der Unterricht aus<br />
der zunächst stark künstlerisch geprägten Weimarer Phase zu einer<br />
stärker produkt- und architekturorientierten Lehre in <strong>Dessau</strong> entwickelt<br />
hat.<br />
Dem Bauhauserbe widmen sich zudem zwei große thematische<br />
Wechselausstellungen, die die Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong> alljährlich<br />
ebenfalls im Werkstattflügel des Gebäudes präsentiert.<br />
Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong><br />
Gropiusallee 38 | 06846 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
www.bauhaus-dessau.de<br />
Dauerausstellung im Bauhaus <strong>Dessau</strong><br />
Archiv der Kurt-Weill-Gesellschaft e.V.<br />
Landgren, von Helmut Oehring bis zum Ensemble Modern. Und einige<br />
kommen immer wieder, weil die besondere Atmosphäre einer<br />
kleinen Stadt und die Begeisterung des Publikums für die Weillsche<br />
Musik wirklich außergewöhnlich sind.<br />
Und weil nach dem Festival natürlich immer auch vor dem Festival<br />
ist, lädt für die Zwischenzeit das Kurt Weill Zentrum ein, das im<br />
Meisterhaus Feininger beheimatet ist.<br />
Kurt Weill Zentrum im Feiningerhaus<br />
Ebertallee 63 | 06846 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
www.kurt-weill-zentrum.de<br />
8 9
Die Bauhausbühne<br />
Sie liegt zwischen Aula und Mensa, ist nur durch eine Falttür abgetrennt<br />
und kann von beiden Seiten gleichermaßen bespielt werden:<br />
die Bauhausbühne. Als das Bauhausgebäude 1926 nach den<br />
Plänen von Walter Gropius erbaut wurde, hatte er zwischen dem<br />
Arbeits- und dem Wohnbereich eine sogenannte Festebene vorgesehen,<br />
die fortan zur „Pflege des freundschaftlichen Verkehrs“<br />
(Walter Gropius), also für die extraordinären Bauhausfeste genutzt<br />
werden sollte. Doch die schwarz lackierten Bretter symbolisierten<br />
auch ein Labor der Theatermoderne und ein legendäres<br />
Projekt obendrein. Bereits in Weimar gegründet – wurde die Bauhausbühne<br />
in <strong>Dessau</strong> zu einem einzigartigen Ort für revolutionäre<br />
Experimente mit Körper und Raum und zu einer Adresse herausragender<br />
Künstler der damaligen Zeit, wie Gret Palucca oder Béla<br />
Bartok. Doch einer sollte sie besonders prägen. „Hier betrieb Oskar<br />
Schlemmer als Leiter der Bühnenwerkstatt gemeinsam mit Studierenden,<br />
aber auch mit zeitweise gastierenden Tänzern systematische<br />
und analytische Experimente zu Mensch und Raum, abstrakte<br />
Bewegungsstudien und Formenspiele mit den ‚Bühnenelementen‘.<br />
Theater war dies nicht; vielmehr lässt sich das, was die Bauhäusler<br />
auf und mit der Bühne gemacht haben als eine frühe Performance<br />
Art beschreiben“, schreibt Torsten Blume von der Stiftung Bauhaus<br />
<strong>Dessau</strong> in einem Aufsatz. Und weiter: „Es galt, Architektur nicht<br />
mehr nur als die Produktion von Gebäuden zu verstehen, sondern<br />
im Sinne einer universalen Architektonik als eine <strong>Kunst</strong> der Herstellung<br />
von Raumwirkungen bzw. räumlichen Wahrnehmungen – mit<br />
den Mitteln aller Künste und unter Einsatz aller dazu geeigneten<br />
Aula, Bühne und Mensa<br />
Technologien. Statt von ‚Architektur‘ sprach man am Bauhaus vom<br />
‚Bauen‘ und meinte damit eine interdisziplinär angelegte räumliche<br />
‚Gestaltung von Lebensvorgängen‘ (Walter Gropius). Schließlich<br />
wollte man damit die <strong>Kunst</strong> radikal in ein Medium des Erfindens<br />
für ein neues durchästhetisiertes Leben verwandeln, aber auch für<br />
die Erziehung ‚neuer Menschen‘ benutzen.“ Die Bauhausbühne war<br />
letztlich ein „Spielplatz“ (Torsten Blume) für die künstlerische Forschung.<br />
Noch immer wird sie in ihrer Bedeutung unterschätzt, weil<br />
die Rezeption sich meistens auf Architektur und Design fokussiert.<br />
Doch, dass sich zwischen Aula und Mensa ein Trainingszentrum der<br />
Hochkreativität verbarg, ist längst nicht mehr zu bestreiten.<br />
In den 1970er Jahren wurde die Bauhausbühne mit Tanz-, Theater-,<br />
Musik- und Performanceprojekten schrittweise wiederbelebt.<br />
Aufmüpfige wie wagemutige Künstler fanden hier eine gepflegte<br />
Nische und Anschluss an oppositionelle Gedanken. Heute versteht<br />
sich der legendäre Ort wieder als Laboratorium für performative<br />
Experimente, in dem Schauspieler und Tänzer, überhaupt Künstler<br />
aller Disziplinen gemeinsam Projekte entwickeln. Ein besonderer<br />
Schwerpunkt liegt dabei auf den Experimenten mit der Inszenierung<br />
des Raums.<br />
Außerdem überträgt der Jugendsender ZDF.kultur von diesem heiligen<br />
Boden eine Popsendung mit unplugged-Charakter. Die meisten,<br />
die hier spielen, wissen um die Herausforderung. Die Zuschauer<br />
sitzen bei den Konzerten in der Mensa und schauen in die leere Aula,<br />
die dann nur von den Soffitten unter der Silberdecke beleuchtet ist<br />
und wahrhaft erwartungsvoll erscheint.<br />
10 11
<strong>Kunst</strong>gutdepot in der Alten Brauerei<br />
Das Archiv der Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong> mit seinem Magazin beherbergt<br />
Nachlässe und Sammlungen von 168 Bauhauslehrern und<br />
-schülern, sichert und erschließt Quellen vor allem privater und institutioneller<br />
Provenienz und bietet so eine beeindruckende Übersicht<br />
über die Entwicklungslinien und Stationen des Bauhauses.<br />
Heute sind rund 25.000 Originalbestände, thematische Dokumentationen,<br />
Zeitzeugnisse, Ergebnisse aus Bauforschung und Sanierung<br />
von Bauhausbauten und Bauten der Moderne u.a. zugänglich<br />
gemacht.<br />
Zu den umfangreichsten historischen Beständen gehören Nachlässe<br />
von Franz Ehrlich, Carl Fieger, Reinhold Rossig, Friedrich und Alma<br />
Else Engemann, Konrad Püschel, die Teilnachlässe von Hannes Meyer<br />
und Lena Meyer-Bergner, ein Konvolut zu Marianne Brandt sowie<br />
die Werkgruppe der sogenannten Bröhan-Sammlung.<br />
Archiv der Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong> Brauereistraße 1/2 | 06847 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
Die Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong> bietet werktags auf Anfrage exklusive Führungen<br />
für Gruppen mit bis zu zehn Personen durch das Archiv in der Alten Brauerei an.<br />
Anmeldung unter Telefon +49 (0) 340 / 65 08251, besuch@bauhaus-dessau.de<br />
12<br />
13
14<br />
Carl Marx und Max Bill<br />
Wer sich auf die Suche nach<br />
Spuren des Bauhauses im <strong>Dessau</strong>er<br />
Stadtraum begibt, stößt<br />
immer wieder auf den Namen<br />
Carl Marx. Er war Bauhausschüler<br />
in den Jahren 1932 und<br />
1933, erhielt dort wesentliche<br />
Impulse für seine <strong>Kunst</strong> und<br />
blieb seiner Heimatstadt treu.<br />
Marx ist in vielen Sammlungen<br />
und Museen präsent, aber in<br />
<strong>Dessau</strong> sieht man seine <strong>Kunst</strong><br />
auch in der Zerbster Straße,<br />
wo er an den Bauten aus den<br />
Fünfzigerjahren gemeinsam<br />
mit Benno Butter, Heinz Szillat,<br />
Rudolf Hugk, Paul Schwerdtner<br />
und Erich Schmidt-Uphoff<br />
sechs markante Erker gestaltete – „mit lebensbejahenden Motiven<br />
in Sgrafitto und Putzkratztechnik.“ (Schriftenreihe zur Geschichte<br />
der Stadt <strong>Dessau</strong> und Umgebung, 1976). Ebenso stammt der ornamentale<br />
Fries in der Fritz-Hesse-Straße 2 von ihm. Marx, der 1993<br />
starb, schuf außerdem Arbeiten, die heute noch existieren, aber nur<br />
noch bedingt zu sehen sind: eine Keramikwand im Bahnpostamt<br />
<strong>Dessau</strong> (1956), ein Hinterglasbild für einen Friseursalon (1965, heute<br />
Sitzungsraum der <strong>Dessau</strong>er Wohnungsbaugesellschaft in der<br />
Ferdinand-von-Schill-Straße)<br />
und ein Wandbild über den<br />
Wiederaufbau von <strong>Dessau</strong><br />
im Ratssaal (Marx, Radack,<br />
Schmidt-Uphoff, Schwerdtner,<br />
1950er Jahre, später vertäfelt,<br />
1989 sichtbar, jetzt wieder<br />
verdeckt). Und noch ein Bauhäusler<br />
hat seine künstlerische<br />
Visitenkarte hinterlassen: Max<br />
Bill. Seine „Unendliche Treppe“<br />
(1990-1993) schenkte der große<br />
Gestalter dem damaligen<br />
Bauhausdirektor, Rolf Kuhn.<br />
1996 wurde die Skulptur am<br />
Seminarplatz aufgestellt.<br />
oben: Erker (Marx) in der Zerbster Straße<br />
rechts: Bill-Plastik am Seminarplatz<br />
Wilhelm Müller – ein Dichter aus <strong>Dessau</strong><br />
Wer wandert und dabei singt, hat dabei merkwürdigerweise immer<br />
einen gewissen Müller auf den Lippen, dem der forsche Schritt eine<br />
Lust sein soll. Diese Hymne auf die romantische Heimaterkundung<br />
stammt wiederum von einem Müller, von Wilhelm Müller, geboren<br />
1794 in <strong>Dessau</strong>. Als Student in Berlin lud er sich in den Salons der<br />
Romantiker wie Clemens Brentano und Ludwig Tieck mit guten Gedanken<br />
auf, ging auf Reisen und fand seine Bestimmung schließlich<br />
in der Dichtung. Neben deutschen Volks- und Wanderliedern,<br />
schrieb er die „Lieder der Griechen“ und immer wieder schöne<br />
Zeilen über die Liebe. Doch war er alles andere als ein sonderbarer<br />
Schwärmer. Zwischen den gefühlvollsten Zeilen steckte immer auch<br />
Gesellschaftskritik. Ewige Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach<br />
Individualität und Einsamkeit, unerfüllter Liebe und tragischen Auswegen<br />
beschäftigten ihn immer wieder. Seinen ewigen Ruhm aber<br />
dürfte er aus der Zusammenarbeit mit Franz Schubert schöpfen,<br />
der seine Gedichtzyklen „Die schöne Müllerin“ und „Winterreise“<br />
vertonte. Im jungen Alter von nur 32 Jahren starb Müller 1827 an den<br />
Folgen eines Herzinfarkts. Die Stadt <strong>Dessau</strong> stiftete dem Poeten ein<br />
Denkmal, für das im Oktober 1884 der Grundstein gelegt wurde. Es<br />
stammt vom Dresdner Bildhauer Hermann Schubert und wurde<br />
– Marmormangel soll Schuld gewesen sein – erst 1891 enthüllt. Es<br />
stand ursprünglich vor dem Schulhof des Gymnasiums in der Kavalierstraße,<br />
wurde im Krieg in einem Luftschutzbunker eingelagert<br />
und fand 1971 seinen Platz an den Resten der alten Stadtmauer im<br />
Stadtpark. Der literarische Nachlass Müllers wird übrigens in der<br />
<strong>Anhalt</strong>ischen Landesbücherei aufbewahrt.<br />
Das Wandern ist des Müllers Lust<br />
Musik: Carl Friedrich Zöllner (1800 - 1860)<br />
Text: Wilhelm Müller (1794 - 1827)<br />
Wilhelm-Müller-Denkmal<br />
im Stadtpark, Kavalierstraße<br />
15
16<br />
<strong>Anhalt</strong>ische Gemäldegalerie<br />
In der vornehmen Farbe der Eierschale empfängt das Schloss Georgium<br />
seit 1780 seine Gäste. Keine schlechte Kulisse für die erlesene<br />
Sammlung der <strong>Anhalt</strong>ischen Gemäldegalerie, die ihren Ursprung<br />
zum einen dem herzoglichen Haus und zum anderen der kunstsinnigen<br />
Prinzessin Henriette Amalie von <strong>Anhalt</strong>-<strong>Dessau</strong>, der Tante<br />
von Fürst Franz, verdankt. Die tüchtige Dame steckte ihr Vermögen<br />
in eine naturwissenschaftliche Sammlung, in eine Bibliothek, aber<br />
eben auch in etwa 700 Gemälde. Als sie 1793 nach ‚wildem‘ Leben<br />
starb, verfügte sie, dass ihre Schätze der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht werden sollten. Fürst Franz erfüllte ihr diesen letzten<br />
Wunsch und baute im Stadtpalais „Reina“ die Sammlung aus. Noch<br />
heute gehören die Meisterwerke deutscher Malerei des 15. bis 19.<br />
Jahrhunderts und gern gesehene Niederländer des 16. und 17. Jahrhunderts<br />
wie Pieter Breughel oder Peter Paul Rubens zur Sammlung<br />
der Gemäldegalerie. <strong>Anhalt</strong>ische Fürstenköpfe gibt es ebenso zu sehen<br />
wie Landschaftsmotive deutscher und europäischer Maler. Zu<br />
den Spitzenstücken zählen sicherlich Arbeiten des jüngeren Pieter<br />
Brueghel („Das Pfingstbraut-Spiel“), ein Rubens-Porträt des französischen<br />
Königs Ludwig XIII. und eine Anbetung der drei Könige von<br />
Hans Baldung. Vom älteren Cranach ist u.a. die „Madonna umgeben<br />
von Heiligen“ und ein Porträt der Erzherzogin Margarethe von<br />
Österreich zu sehen. Das 18.Jahrhundert ist mit Künstlern wie Adám<br />
Mányoki, der Malerfamilie Tischbein, Wilhelm Schadow, Jakob Philipp<br />
Hackert und Johann Conrad Seekatz vertreten. Mit über 2000<br />
<strong>Anhalt</strong>ische Gemäldegalerie <strong>Dessau</strong><br />
Schloss Georgium Puschkinallee 100 | 06846 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
www.dessau-rosslau.de<br />
Werken verfügt <strong>Dessau</strong> über die größte Sammlung altmeisterlicher<br />
Malerei in Sachsen-<strong>Anhalt</strong>. Und damit noch nicht genug! Im nahen<br />
Fremdenhaus wird zudem mit einer außergewöhnlichen „Graphischen<br />
Sammlung“ aufgewartet, darunter Handzeichnungen und<br />
Druckgraphiken des 16. bis 19. Jahrhunderts und der graphische<br />
Nachlass von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff. Auch die Orangerie<br />
gehört zum <strong>Dessau</strong>er <strong>Kunst</strong>quartier. Hier sind im ganzen Jahr<br />
Wechselausstellungen mit Werken aus der Zeit des Mittelalters bis<br />
zur Gegenwart zu sehen.<br />
Von Beginn an geriet die <strong>Anhalt</strong>ische Gemäldegalerie immer wieder<br />
in die Wirren der Zeit und hatte sich zwischen Tradition und<br />
Avantgarde, zwischen Ignoranz und Propaganda zu behaupten.<br />
Landeskonservator Ludwig Grote gründete sie 1927 im Auftrag des<br />
Freistaats <strong>Anhalt</strong>. Grote war es auch, der ein Jahr zuvor das Bauhaus<br />
von Weimar nach <strong>Dessau</strong> geholt hatte und damit der Gemäldegalerie<br />
einen Anschluss an die Moderne verschaffte. Georg Muche und<br />
Marcel Breuer gingen ein und aus, Paul Klee und Wassily Kandinsky<br />
schwärmten von der Qualität ihrer „Kollegen“. Landschaftsmaler<br />
und Lokalimpressionisten hingen fortan traut neben den radikalen<br />
Arbeiten von Lyonel Feininger oder Laszlo Moholy-Nagy. Die Nazis<br />
ließen die Arbeiten der Bauhausmeister abhängen und verunglimpften<br />
Grote als „Kulturbolschewisten“. Im Krieg fiel das Palais<br />
Reina in Schutt und Asche und Teile der Sammlung verschwanden<br />
auf Nimmerwiedersehen, darunter natürlich auch Spitzenstücke<br />
der Bauhäusler. Einige Werke sollen unterdessen auf dem amerikanischen<br />
<strong>Kunst</strong>markt aufgetaucht sein. Trotz dieser Verluste<br />
konnte die <strong>Anhalt</strong>ische Gemäldegalerie an neuem Ort, im Schloss<br />
Georgium, an ihre<br />
Glanzzeit anknüpfen.<br />
Die sowjetischen Beutekunstsammler<br />
haben<br />
1958 wichtige Schätze<br />
zurückgegeben.<br />
Heute fehlen noch immer<br />
etwa 200 Werke;<br />
dennoch erschließt die<br />
großartige Sammlung<br />
die <strong>Kunst</strong>geschichte<br />
zwischen Mittelalter<br />
und Moderne.<br />
oben<br />
Friedrich Wilhelm von Schadow (1788-1862)<br />
Wilhelmine Luise Prinzessin<br />
von Preußen (1799-1882)<br />
unten<br />
Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812)<br />
Christiane Amalie Erbprinzessin<br />
von <strong>Anhalt</strong>-<strong>Dessau</strong> (1774-1846)<br />
17
18<br />
Cranach in der St. Johanniskirche<br />
In der <strong>Dessau</strong>er Avantgardegeschichte spielt die St. Johanniskirche<br />
eine frühe Rolle. 1702 wurde sie als lutherische Kirche im reformierten<br />
<strong>Anhalt</strong> in Dienst genommen, um den vielen zugewanderten Lutheranern<br />
ein Gotteshaus zu geben. Architektonisch war sie im Spätbarock<br />
verhaftet, verbunden mit klassizistischen Zitaten. Immer wieder umgebaut,<br />
wurde sie im Krieg zerstört und erstand noch schlichter neu.<br />
Der ganze Stolz der Gemeinde ist der sogenannte „Cranachschatz“.<br />
Die drei Tafelgemälde aus den Werkstätten der Cranach-Familie<br />
stammen aus der Marienkirche, die im Krieg völlig zerstört wurde.<br />
Seit der Restaurierung der Bilder Anfang der Neunzigerjahre hängen<br />
sie nun im Altarraum von St. Johannis. Vom jüngeren Cranach ist<br />
„Jesus am Ölberg“ (1561) und „Das <strong>Dessau</strong>er Abendmahl“ (1565) mit<br />
den Protagonisten der Reformation wie Luther, Bugenhagen, Jonas,<br />
Melanchthon und verschiedenen Mitgliedern des anhaltischen Fürstenhauses<br />
zu sehen. Georg III. Fürst von <strong>Anhalt</strong>-<strong>Dessau</strong> galt als großer<br />
Anhänger der Reformation, auch wenn er sie erst spät in seinem<br />
Reich einführte. Außerdem wartet das „Abendmahl“ mit einer weiteren<br />
kleinen Sensation auf: im Mundschenk gibt sich Lucas Cranach d.<br />
J. zu erkennen. Es ist das einzig bekannte Selbstbildnis des Künstlers.<br />
Von Lucas Cranach d. Ä. hingegen stammt das Bild „Kreuzigung“ von<br />
1523, das neben dem Gekreuzigten Johannes den Täufer, den Heiligen<br />
Franziskus von Assisi, den Jünger Johannes und die Mutter Jesu zeigt.<br />
Von April bis Oktober können die Bilder in der Saison der Offenen Kirche<br />
besichtigt werden. St. Johannis liegt selbstverständlich am Lutherweg,<br />
der zu den wichtigsten Wirkungsstätten des Reformators<br />
führt. Und eben auch nach <strong>Dessau</strong>.<br />
Johanniskirche Johannisstraße 11 | 06844 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
Cranach in der Kreuzkirche Klieken<br />
Das Örtchen Klieken nahe Coswig hat zwar nur etwa über 1.000<br />
Einwohner, aber Anschluss an die Weltkunst und eines der schönsten<br />
protestantischen Gotteshäuser Deutschlands. Die im 17. Jahrhundert<br />
errichtete Kreuzkirche ist bekannt für ihre seltene Fachwerkkonstruktion,<br />
berühmt allerdings war sie für die Altartafeln<br />
von Lucas Cranach dem Älteren. 1697 wurde der kostbare Flügelaltar,<br />
den Cranach in seiner <strong>Wittenberg</strong>er Zeit zwischen 1505 und<br />
1550 als Hofmaler schuf, der Kirche zugeeignet. Die Bedeutung des<br />
Altars für die <strong>Kunst</strong>geschichte liegt darin, dass er vor der Reformation<br />
entstand und trotz katholischer Bildinhalte etwa 500 Jahre lang<br />
evangelisch „genutzt“ wurde. Frühe Ökumene, wenn man so will.<br />
In den Achtzigerjahren wurde der Cranach-Altar geraubt und 2007<br />
zufällig in Bamberg wiederentdeckt. Mit Hilfe des Landes Sachsen-<br />
<strong>Anhalt</strong> und der Kulturstiftung der Länder konnten die Bilder, auf<br />
denen Maria und Josef, aber auch die<br />
Heilige Genoveva, der Heilige Christopherus<br />
sowie Marias Eltern an der Goldenen<br />
Pforte von Jerusalem zu sehen<br />
sind, für eine fünfstellige Summe zurückgekauft<br />
werden. Nach einer umfassenden<br />
Sanierung der Kreuzkirche<br />
werden Cranachs Werke nun wieder<br />
an Ort und Stelle zu sehen sein. Und<br />
einbruchsicher dürfte das Gotteshaus<br />
künftig auch sein.<br />
Kreuzkirche Klieken<br />
Kliekener Schulstraße | 06869 Klieken
Ausflug in die Lutherstadt <strong>Wittenberg</strong><br />
empfohlen von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff<br />
Wer die Stadt <strong>Dessau</strong>-Roßlau besucht, der sollte einen Ausflug nach<br />
Lutherstadt <strong>Wittenberg</strong> nicht versäumen. Ich will Sie gerne mitnehmen<br />
auf einen persönlichen Spaziergang durch meine Heimatstadt.<br />
Ihre Geschichte ist geprägt durch das Wirken Martin Luthers<br />
und die Reformation, deren 500. Jubiläumsjahr wir 2017 feiern. Die<br />
Lutherstätten in <strong>Wittenberg</strong> gehören (zusammen mit denen in Eisleben)<br />
zum Weltkulturerbe der UNESCO.<br />
Unsere Stadttour beginnt im Osten der Innenstadt am Lutherhaus<br />
(Wirkungsstätte und Wohnhaus des Reformators), das mit dem<br />
Augusteum auch Mittelpunkt der Wendeaktivitäten der Kirchen in<br />
<strong>Wittenberg</strong> war. Ich selbst war damals dabei und verbinde wichtige<br />
Erinnerungen damit.<br />
Ein Stück weiter westlich befindet sich die Stadtkirche St. Marien<br />
mit einer Bausubstanz aus dem 15. Jahrhundert. Sie war die Predigtkirche<br />
Martin Luthers. Hier wurde die Heilige Messe erstmals<br />
in deutscher Sprache gefeiert. St. Marien war gewissermaßen die<br />
„Mutterkirche“ der Reformation. Geschmückt wird die Kirche durch<br />
den Reformationsaltar von Lukas Cranach d. Ä.. In unmittelbarer<br />
Nähe können Sie den Cranach-Hof besichtigen, wo der Reformationskünstler<br />
gelebt und gearbeitet hat.<br />
Marktplatz und Stadtkirche<br />
Die vor gut 500 Jahren errichtete und später im neugotischen Stil<br />
restaurierte Schlosskirche bildet nach Westen hin den Abschluss<br />
der Innenstadt. Sie ist vor allem bekannt durch den Thesenanschlag<br />
Martin Luthers von 1517. Luther, sein Weggefährte Philipp Melanchthon,<br />
sowie die sächsischen Kurfürsten Friedrich der Weise und<br />
Johann der Beständige als Fürsprecher der Reformation liegen hier<br />
begraben.<br />
Es sei mir noch gestattet, Sie auf einen Abstecher zu entführen,<br />
der mich an meine Schulzeit erinnert. Am früheren Melanchthon-<br />
Gymnasium am Rande der Altstadt habe ich mein Abitur abgelegt.<br />
2006 wurde es mit dem Martin-Luther-Gymnasium zum Luther-<br />
Melanchthon-Gymnasium fusioniert. Das Luther-Gymnasium war<br />
zuvor nach Plänen des Künstlers Friedensreich Hundertwasser umgestaltet<br />
worden. Das Gebäude ist ein liebenswerter Farbtupfer<br />
meiner Heimatstadt. Den Umbau der Schule habe ich als damaliger<br />
Kreistagsabgeordneter selbst mit beschlossen.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei Ihrer Erkundungstour durch die<br />
Lutherstadt <strong>Wittenberg</strong>, die Sie natürlich gerne beliebig ausweiten<br />
können.<br />
Lutherhaus<br />
Cranachhof<br />
Schlosskirche<br />
Hundertwasserschule<br />
20 21
Bach in Köthen<br />
In Köthen hat Johann Sebastian Bach von 1717-1723 als Kapellmeister<br />
gearbeitet und sechs Jahre mit seiner Familie gelebt. Eine Vielzahl<br />
zentraler Werke, wie die Brandenburgischen Konzerte, sind hier<br />
entstanden. Hier hat Bach das Wohltemperierte Klavier geschrieben.<br />
Seitdem ist das gemeinschaftliche Musizieren leichter geworden.<br />
Die Stimmung muss kleine Abstriche von der Reinen Quinte<br />
machen, dafür lässt sich in allen Tonlagen gleichermaßen wohlklingend<br />
musizieren. Eine Revolution! Aus dieser Geschichte begründet<br />
sich die Musiktradition in Köthen: Die Köthener Bachfesttage, die jedes<br />
zweite Jahr im Wechsel mit dem Nationalen Bach-Wettbewerb<br />
für junge Pianisten stattfinden. Konzerte finden in den schönsten<br />
Räumen statt: im Johann-Sebastian-Bach-Saal, im Spiegelsaal des<br />
Schlosses, und an Orten mit Orgeln: in der Schlosskapelle, natürlich<br />
in den Kirchen: in St. Jakob und St. Agnus (mit Abendmahlsbild von<br />
Lucas Cranach d. J.).<br />
Köthen Information<br />
www.bachstadt-koethen.de<br />
Historisches Museum und<br />
Bachgedenkstätte<br />
Schlossplatz 4 | 06354 Köthen<br />
Öffnungszeiten Di-So 10-17<br />
Telefon +49 (0) 3496 / 700 99 271<br />
Tipp: Köthen ist Homöopathie-Stadt<br />
(Samuel Hahnemann als Begründer),<br />
es gibt das homöopathische Zentrum<br />
mit der Europäischen Bibliothek für<br />
Homöopathie. Das Naumann-Museum<br />
(einziges ornithologiegeschichtliches<br />
Museum der Welt) zeigt eine einzigartige<br />
Vogelsammlung.<br />
Gräfenhainichen<br />
Zwischen den Baggerriesen von Ferropolis sticht eine Turmnadel in<br />
den Himmel über dem Gremminer See, der gefluteten Tagebaugrube.<br />
In der Visierlinie lag das Dorf Gremmin mit seiner Kirche, dort<br />
hat ein gar nicht evangelisches Altarbild überlebt. Vor dem Wegbaggern<br />
wurde ihm in der Gräfenhainicher St. Marien-Kirche Asyl<br />
gewährt. Neben der Strahlenmadonna sind die virgines capitalis,<br />
vier wegen ihrer Standhaftigkeit im Glauben grausam gequälte,<br />
heilig gesprochene Jungfrauen auf die Altarflügel gemalt. Warum<br />
sollte man sich nicht in der Not von ihnen helfen lassen, ihnen seine<br />
Schmerzen und Ängste mitteilen.<br />
Die wunderschönen Kirchenlieder wie „Befiehl du deine Wege“, aber<br />
auch „Nun ruhen alle Wälder“ hat Paul Gerhardt (hier 1617 geboren)<br />
gedichtet, oder „O Haupt voll Blut und Wunden“, das in der Matthäuspassion<br />
Johann Sebastian Bachs erschütternd im Chorsatz erklingt.<br />
In der Paul-Gerhardt-Gedächtniskappelle (1844) finden sich<br />
seine Lebensdaten.<br />
Wenn Sie an der Sächsischen Distanzsäule (1728) des Kurfürsten August<br />
II. König von Polen vorbeikommen, können Sie sich ganz europäisch<br />
wohl fühlen. 4 Stunden bis <strong>Dessau</strong>, das sind umgerechnet ca.<br />
18 km, heute sind es 23 km, da muss etwas dazwischen gekommen<br />
sein.<br />
Außerdem gibt es in Gräfenhainichen<br />
ein Schlossereimuseum mit Kolonialwarenladen<br />
und eine Buchdruckmaschinenausstellung<br />
an der Stadtbibliothek<br />
zu besichtigen.<br />
Touristikinformation Gräfenhainichen<br />
August-Bebel-Str. | 06773 Gräfenhainichen<br />
Telefon +49 (0) 34953 / 25 76 20<br />
Ausstellung Paul Gerhardt<br />
in der Kapelle: Di-So 13-17 Uhr<br />
Ev. Gemeindebüro Di und Do 9-11.30<br />
Telefon +49 (0) 34953 / 22060<br />
22 23<br />
Köthen St. Jakob Ladegastorgel Gräfenhainichen St. Marien Altarbild
Aktivtipp: Offizielle Graffiti-Übungsfläche<br />
Ist das <strong>Kunst</strong>? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Jedenfalls<br />
ist es sichtbare Meinungsäußerung. Oft nicht gewollt, und<br />
häufig Straftatbestand, wenn Mauern und Gebäude beschmiert<br />
werden. Hinter dem Theater, in einem Garagenensemble, gibt es<br />
Wände, die besprüht werden dürfen. Jeder kann sich ausprobieren.<br />
Die Community sagt: „Wenn jemand kommt, und etwas übersprühen<br />
will, dann muss es besser sein, als das was zuvor da war.“ Das<br />
passiert nicht nachts in Vermummung – sondern man trifft sich bei<br />
gutem Wetter, wenn die Sonne scheint; man bringt alle Utensilien<br />
mit und was zum Picknicken, quatscht über die Ideen und zeigt sich<br />
die Entwürfe.<br />
Bitterfelder Straße | 06844 <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
24<br />
Bildnachweis<br />
© Christoph Petras, Berlin Umschlagseite innen, S. 10/11 , 14, 18, 20, 21<br />
© Siftung Bauhaus <strong>Dessau</strong> S. 9<br />
© Thomas Ruttke, <strong>Dessau</strong> S. 2/3<br />
<strong>Anhalt</strong>isches Theater S. 4 o., 7 o., Foto: Antony Hermus S. 4 u., © Claudia Heysel, <strong>Dessau</strong> S. 5 o.,<br />
© Kurt-Weill-Gesellschaft Foto: Kurt Weill S. 6, Foto: Michael Kaufmann S. 7 u., S. 8<br />
Ev. Landeskirche <strong>Anhalt</strong>s S. 19 o. (Landeskriminalamt Bayern), Johannes Killyen S. 19 u., 22<br />
Beatrix Gulde S. 17<br />
Anne Sommer, Dieter Bankert, <strong>Dessau</strong> Umschlagseite außen, S. 5 u., S. 6 o., 12, 13, 15, 16, 23, 24<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: Stadt <strong>Dessau</strong>-Roßlau<br />
Konzept und Gestaltung: bankertsommer ARCHITEKTEN<br />
Text: Ingolf Kern, außer S. 4, 22, 24: Anne Sommer, S. 5: Philipp Oswalt, S. 23: Dieter Bankert<br />
Redaktion: Christin Irrgang, Ingolf Kern, Jutta Stein<br />
Fotografie: Christoph Petras<br />
Fachliche Beratung: AK „Aufklärung und Moderne“ des TourismusRegion <strong>Anhalt</strong>-<strong>Dessau</strong>-<strong>Wittenberg</strong> e.V.<br />
(Stadt <strong>Dessau</strong>-Roßlau, Stiftung Bauhaus <strong>Dessau</strong>, Kulturstiftung <strong>Dessau</strong>Wörlitz, Reisewerk StattReisen <strong>Dessau</strong>)<br />
Druck: DRUCKWERK, Talstraße 7-8 | 06120 Halle<br />
1. Auflage November 2012