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0.10 __ //// TITELTHEMA | ABOSCHEIN<br />
Zu dieser schonungs<strong>los</strong>en Kritik sind bei weitem nicht alle bereit<br />
und fähig, die sich aus innerer Überzeugung auf unterschiedliche<br />
Weise für ihren Staat DDR eingesetzt hatten. Gerade<br />
die Verteufelung dessen, was für viele Menschen ein wesentlicher<br />
Teil ihres Lebensinhalts war, die Plattheiten und Vereinfachungen,<br />
das schon absurde Vorgehen, allem was DDR bedeutete<br />
ein negatives Vorzeichen zu geben, die Verdrehungen<br />
und Lügen, all das provoziert geradezu das Entstehen neuer<br />
Mythen zur Verteidigung der DDR, zur Verteidigung des eigenen<br />
Lebens.<br />
Für einen „<strong>Sie</strong>ger“ war eindeutig: Die Niederlage der anderen<br />
Seite war der Beweis für die Richtigkeit der eigenen Auffassung<br />
und des eigenen Handelns. Er bastelt weiter an den alten Mythen,<br />
deren Grundlage (zumindest für die Zeitgeschichte) eine<br />
sehr vereinfachte, dem kalten Krieg adäquate und gleichzeitig<br />
märchengerechte Sicht auf die Geschichte als Kampf zwischen<br />
gut und böse ist, und, darauf basierend, auch an neue Mythen,<br />
die die alten Kriege fortführen.<br />
„Man kann auch stalinistisch gegen den Stalinismus sein, mit<br />
den gleichen, den stalinistischen Methoden, und zu diesen Methoden<br />
gehört es, sich den Gegner, den Abweichler immer nur<br />
als Feind und Feind der Menschheit denken zu können, ohne<br />
den die Menschheit besser aussähe, ohne den die Welt eigentlich<br />
in Ordnung wäre, der also mit allen Mitteln bekämpft <strong>werden</strong><br />
muss. Die totale Feindschaft, die Feindschaft, die den<br />
Feind nicht in seinem Recht anerkennt, die ihn entwertet und<br />
am liebsten aus der Menschheit ausschließen würde – wenigstens<br />
in Worten, wenn nun nicht in Taten mehr.“ (Florian Havemann<br />
in seinem Buch „Havemann“, Suhrkamp 2008)<br />
In den alten Bundesländern war 1976 ein Kompromiss zwischen<br />
den unterschiedlichen Strömungen in der politischen<br />
Bildung gefunden worden, der sogenannte Beutelsbacher Konsens.<br />
Er beinhaltet das Indoktrinations- oder auch Überwältigungsverbot,<br />
also das Verbot, dem Lernenden eine Meinung<br />
aufzuzwingen sowie die Forderung nach Ausgewogenheit der<br />
Darstellung, d.h. eine Abbildung kontroverser Debatten als<br />
ebensolche, was ein unvereingenommenes Kennenlernen aller<br />
Meinungen als. als Grundlage für die eigene Meinungsbildung<br />
ermöglicht.<br />
Dieser Konsens existiert ganz augenscheinlich nicht mehr. Die<br />
politische Bildung – und darin eingesch<strong>los</strong>sen die Vermittlung<br />
historischer Fakten und Erkenntnisse - ist weitgehend der Agitation<br />
und der Oktroyierung einer einzelnen, politisch motivierten<br />
Meinung gewichen. Die im Osten auftretenden Probleme<br />
<strong>werden</strong> der schon 20 Jahre lang toten DDR angelastet, heutige<br />
wirtschaftliche Krisen der planwirtschaftlich organisierten<br />
Misswirtschaft der DDR, Parteienverdrossenheit und Skepsis<br />
gegenüber dem praktizierten Parlamentarismus der aus der<br />
DDR-Zeit herrührenden Entwöhnung der Bürger von Entscheidungsfreiheit<br />
usw.<br />
Die vehement verbreitete These vom DDR-Unrechtssystem<br />
und der zweiten deutschen Diktatur neben dem Faschismus<br />
wird zum funktionalen Todschlagargument, darauf abzielend,<br />
die begründete Unzufriedenheit über den Status quo auf Jemanden<br />
zu lenken, der sich nicht mehr wehren und damit alternatives<br />
Denken und Handeln in der Gegenwart zu verhindern.<br />
Auch eine Form von Leichenfledderei.<br />
Material- und quellenmäßig gut belegte Untersuchungen und<br />
Veröffentlichungen, die eine andere, differenzierte, aber keineswegs<br />
unkritische Position zur DDR einnehmen, <strong>werden</strong> von<br />
vielen Journalisten, Politikern, Publizisten, Wissenschaftlern,<br />
darunter vielen Historikern, gar nicht erst zur Kenntnis genommen<br />
oder als Versuch der Verharm<strong>los</strong>ung des Regimes verdammt.<br />
3. 1989/90 und die neuen Mythen<br />
Die Grundaussage über die Zeit 1989/90 lautet bei der übergroßen<br />
Zahl aller Darstellungen: In einer friedlichen Revolution<br />
befreite sich die Bevölkerung der DDR von einer menschenverachtenden<br />
Diktatur und strebte zur Einheit Deutschlands.<br />
Die Einheit Deutschlands wird als neutraler Wert, als<br />
die zentrale Kategorie einer von Oktober 1989 bis Oktober<br />
1990 aufsteigend verlaufenden Revolution herausgehoben, die<br />
in der Einheit Deutschlands gipfelte, verbunden mit der damit<br />
erfolgten Befreiung von Willkür und Diktatur und dem Beginn<br />
eines Lebens in Demokratie, Freiheit und Wohlstand.<br />
Sehen wir uns diese Aussage etwas näher an:<br />
- Bis in den Dezember 1989 hinein war das Ziel der in der<br />
DDR in Opposition stehenden Kräfte ziemlich einheitlich,<br />
eine neue DDR mit einem neuen Sozialismus zu erstreiten,<br />
der Schluss machte mit dem bisher in der DDR<br />
(und anderen Staaten) praktizierten Sozialismus. So vertrat<br />
der im Oktober 1989 entstehende „Demokratische Aufbruch<br />
– sozial + ökologisch (DA)“ (damalige politische<br />
Heimat von Angela Merkel, Rainer Eppelmann, Günter<br />
Nooke, Wolfgang Schnur, zunächst auch Friedrich Schorlemmer<br />
und Daniela Dahn) bis in den Dezember hinein<br />
die Idee des demokratischen Sozialismus und forderte Reformen<br />
am DDR-System. Die Einheit Deutschlands spielte<br />
zunächst keine oder nur eine marginale Rolle. So entsetzlich<br />
kann es in der DDR und im Sozialismus nicht gewesen<br />
sein, wenn nach Meinung der Opposition auf dieser<br />
Basis nicht doch ein Neuanfang möglich gewesen wäre.<br />
- Das Streben nach deutscher Einheit blieb in der ehemaligen<br />
BRD immer Grundgesetzauftrag. Es war lange Zeit ein<br />
mit den verschiedensten Mittel und innerhalb des westlichen<br />
Bündnissystems geführter kalter Krieg gegen die<br />
nicht als Staat anerkannte DDR. Das veränderte sich in<br />
den 1970er und besonders in den 1980er Jahren. Die Realitäten<br />
wurden – unzählige Beispiele belegen es - zunehmend<br />
Grundlage westdeutscher Politik. Was lange Zeit undenkbar<br />
war, trat ein: Erich Honecker wird im September<br />
1987 vom Bundeskanzler Helmut Kohl als Staatsgast empfangen.<br />
- Die westlichen Partner der Bundesrepublik sahen sehr