Dezember - Anwaltsblatt
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AnwBl 12/2005 737<br />
Aufsätze MN<br />
haupt erfolgt. Meines Erachtens ja. Hat nicht der Mandant,<br />
sondern der Anwalt im Innenverhältnis den ausländischen<br />
Rechtsanwalt herangezogen, um dann den Mandanten<br />
selbst zu beraten, so wird er für Fehler des ausländischen<br />
Anwalts im Rahmen des § 278 BGB haften. Deckungsprobleme<br />
bestehen dann, wenn es sich um außereuropäisches<br />
Recht handelt.<br />
Dass die Zusammenarbeit mit ausländischen Sozien zu<br />
Haftungs- und damit verbunden zu Deckungsproblemen<br />
führen kann, habe ich behandelt. Möglich ist die Mithaftung<br />
des deutschen Anwalts für Fehler der ausländischen<br />
Sozien. Für diese besteht nach § 12 AVB kein Deckungsschutz<br />
beim deutschen Versicherer. Aber der deutsche Anwalt<br />
hat in einem solchen Fall auch keine zu seinen Gunsten<br />
bestehende Deckung, wie sie bei seinen inländischen<br />
Sozien gegeben wäre, weil die ausländischen Sozien keine<br />
Berufsangehörigen im Sinne des § 12 AVB sind.<br />
4.Wie weit reicht Europa?<br />
Bleibt zum Schluss die Frage: Wie weit reicht Europa?<br />
Unter Umständen muss man die Begriffe „europäisch“ und<br />
„außereuropäisch“ auslegen. Zu früheren Zeiten ist genauer<br />
definiert worden, welche Rechte welcher Länder nicht eingeschlossen<br />
zu werden brauchten und welche Rechte welcher<br />
Länder nicht eingeschlossen waren. Die Bedingungen<br />
für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind da immer noch<br />
etwas genauer, als diejenigen für Anwälte. Bei Aufzählungen<br />
wird die Türkei meist neben dem europäischen Ausland<br />
genannt und daneben auch die Staaten auf dem Gebiet<br />
der ehemaligen Sowjetunion, wobei Litauen, Lettland und<br />
Estland meist einzeln und extra erwähnt werden, als hätten<br />
sie nicht dazu gehört.<br />
Die gesetzlichen Vorgaben (z. B. § 4 Abs. 1 Ziff. 3<br />
WPBHV und § 53a DVStB) machen unterschiedliche Vorschriften.<br />
Bei den Wirtschaftsprüfern müssen nur eingeschlossen<br />
werden Ersatzansprüche, die vor Gerichten von<br />
EU- oder EWG-Staaten geltend gemacht wurden oder das<br />
Recht dieser Staaten betreffen. Bei den Steuerberatern sind<br />
in die Deckung für Rechtsberatung nur die europäischen<br />
Staaten und die Türkei einzubeziehen, während es in § 53a<br />
DVStB für die fehlende Deckung bei Inanspruchnahme einen<br />
umfangreichen Katalog möglicher auszunehmender<br />
Länder von Albanien bis Weißrussland gibt, der nicht mehr<br />
ausgeschöpft wird. Zu unterschiedlichen Zeiten haben<br />
Versicherer diesen Katalog unterschiedlich verwandt. Der<br />
jeweilige Deckungsumfang muss deshalb im Einzelfall festgestellt<br />
werden, denn es gelten die Versicherungsbedingungen,<br />
die dem Versicherungsvertrag im Verstoßzeitpunkt zu<br />
Grunde lagen.<br />
Bei Geltung der heutigen Bedingungen, die nur noch auf<br />
außereuropäische Rechte oder Tätigkeit vor außereuropäischen<br />
Gerichten abstellen, muss man sich fragen, was denn<br />
jetzt für die früher immer eigens neben Europa erwähnte<br />
Türkei gelten soll: Geographisch hat sie einen europäischen<br />
Teil bis zum Bosporus und einen außereuropäischen, nämlich<br />
Anatolien. Beratung im türkischen Recht, das einheitlich<br />
in der ganzen Türkei gilt, wäre gedeckt. Aber gilt dasselbe<br />
für eine Tätigkeit vor Gerichten oder Behörden in<br />
Ankara? Schließlich ist das geographisch nicht mehr Europa,<br />
von einer möglichen Aufnahme in die EU einmal abgesehen.<br />
Ich vermute, dass die gerichtliche Tätigkeit deutscher<br />
Anwälte in Ankara nicht so häufig sein wird, dass<br />
wir das mit Sicherheit vom IV. Zivilsenat des BGH erfahren,<br />
bevor die Türkei in die EU aufgenommen wird.<br />
Zur Verjährung altrechtlicherSchadensersatzansprüche<br />
im Zivilrecht<br />
Rechtsanwalt Priv.-Doz. Dr. Andreas Piekenbrock, Karlsruhe/Halle<br />
(Saale)*<br />
Sind Schadensersatzansprüche, von denen der Geschädigte<br />
am 1.1.2002 noch gar nichts wusste, seit dem 31.12.2004 verjährt?<br />
Diese Frage stellt sich jedem Anwalt, der erst jetzt mit<br />
der Durchsetzung eines solchen Anspruchs beauftragt wird<br />
oder sich im laufenden Prozess überraschenderweise der Einrede<br />
aus § 214 Abs. 1 BGB ausgesetzt sieht. Der folgende Beitrag<br />
zeigt, dass es für den Geschädigten noch nicht zu spät ist.<br />
1. Einführung<br />
Dass die Verjährung ob des häufig geräumigen Zeitmoments<br />
für die intertemporale Rechtskollision besonders prädestiniert<br />
ist, ist eine uralte Erkenntnis. 1 Doch muss der<br />
Statutenwechsel trotz entsprechender Übergangsregelungen,<br />
die sich in ähnlicher Form seit dem Inkrafttreten des<br />
BGB immer wieder finden, 2 keineswegs immer reibungslos<br />
verlaufen. Dies zeigt schon die Kontroverse um die Bedeutung<br />
der Ultimoverjährung in § 199 Abs. 1 BGB für altrechtliche<br />
Ansprüche. 3<br />
Dabei ist freilich vielfach übersehen worden, dass die<br />
Stichtagsregel in Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB für den<br />
Beginn der Verjährung altrechtlicher Ansprüche für die<br />
Zeit bis zum 31.12.2001 auf die sogenannte lex prior verweist<br />
und damit die Anknüpfung punktueller Ereignisse an<br />
die lex temporis actus verwirklicht. 4<br />
Da mit der Entstehung des altrechtlichen Anspruchs<br />
aber in aller Regel zugleich die Verjährung zu laufen begann<br />
(§ 198 BGB a. F.) richtet sich deren Beginn prima facie<br />
gar nicht nach § 199 Abs. 1 BGB. Zwar müssen die Voraussetzungen<br />
des § 198 S. 1 BGB a. F. bei bestehenden<br />
Ansprüchen nicht zwingend gegeben sein, weil der Anspruch<br />
dazu nach der Rechtsprechung auch fällig gewesen<br />
sein muss, 5 während es kollisionsrechtlich nur auf die Er-<br />
* Der Autor ist Rechtsanwalt in Karlsruhe und Lehrstuhlvertreter an der Matin-<br />
Luther-Universität Halle (Saale).<br />
1 Vgl. beispielhaft die entsprechenden Regelungen der (ost-)römischen Kaiser<br />
Theodosius II. und Justinian I. (C. Th. 4.14.1.4 f.; Nov. 119.8) und dazu ausführlich<br />
Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung, Verwirkung, § 23 I 1<br />
(erscheint demnächst im Verlag Mohr Siebeck in der Reihe ius privatum).<br />
2 Vgl. Art. 169, Art. 229 § 3 Abs. 7, § 6, § 12, Art. 231 § 6 EGBGB.<br />
3 Vgl. dazu nur Peters, in: Staudinger, EGBGB, Neubearb. 2003, Art. 229 § 6<br />
Rdnr. 11; Budzikiewicz/Mansel, in: Anwaltkommentar, BGB, Band 1, 2005,<br />
Art. 229 § 6 EGBGB Rdnr. 60; Kandelhard, NJW 2005, 630 ff.; Schulte-Nölke/<br />
Hawxwall, NJW 2005, 2117 (2118 f.). Dabei ist in methodischer Hinsicht bemerkenswert,<br />
dass beide Auffassungen den angeblich klaren und eindeutigen<br />
Gesetzeswortlaut für sich in Anspruch nehmen.<br />
4 Vgl. zu diesem Grundsatz nur Heß, Intertemporales Privatrecht, 1998, S. 344.<br />
5 Vgl. nur BGHZ 53, 222 (225); 55, 340 (341); 113, 188 (193). Zur Kritik vgl.<br />
Piekenbrock, Jb.J.ZivRWiss. 2001, 309 (322 f.). Demgegenüber war § 199<br />
Abs. 1 Nr. 1 BGB-RegE (BT-Drucksache 14/6040, S. 3) ausdrücklich die Anknüpfung<br />
des Verjährungsbeginns an die Fälligkeit vorgesehen.