Dezember - Anwaltsblatt
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AnwBl 12/2005 747<br />
Aufsätze MN<br />
Europaweit und sogar transatlantisch schließen sich seither<br />
Kanzleien zusammen – sei es durch Fusionen oder zu Netzwerken.<br />
Dass dabei richtig große Firmen heraus kommen<br />
mit immensen Umsätzen und einer spannenden Tätigkeit,<br />
haben angelsächsische Medien sehr viel eher begriffen als<br />
kontinental-europäische. Dass aber auch Deutschland hier<br />
publizistisch den Anschluss gewonnen hat, hat zu allererst<br />
das Magazin „Juve“ gezeigt.<br />
Hinzu kommt die voran schreitende Verrechtlichung des<br />
Wirtschaftslebens, die von der Europäischen Union noch-<br />
Anwälte und ihre Branche sind längst selbst<br />
Thema der Wirtschaftspresse<br />
mals beschleunigt wird. Ein Zeitungsbericht beispielsweise<br />
über eine Firmenfusion ist in der Qualitätspresse kaum<br />
noch denkbar, ohne dass zahlreiche Anwälte und zusätzlicheine<br />
Handvoll von Professoren die Rechtsregeln erläutern.<br />
Dies kommt dem Aufmerksamkeitswert der gesamten<br />
Beraterbranche ebenfalls zugute. Und schließlich ist die<br />
Anwaltschaft ein ziemlich großer Berufsstand mit hohem<br />
Bildungsniveau, den Qualitätszeitungen deshalb gern als<br />
Leser für sich gewinnen möchten. Und wer liest ein Blatt<br />
emsiger als jemand, der dort ab und zu etwas über sich<br />
selbst oder – wichtiger noch – seine Konkurrenten entdeckt?<br />
Einigermaßen langsam entwickelt sich allerdings in<br />
Deutschland noch eine Einrichtung, die in anderen Wirtschaftszweigen<br />
völlig normal ist: die jährliche Bilanz-Pressekonferenz.<br />
Noch längst nicht alle größeren Sozietäten haben<br />
diese etabliert. Mitunter war der publizistische Output<br />
vielleicht auch enttäuschend, weil das Berufsrecht die Nennung<br />
von Zahlen verbot. Das war für jeden echten Wirtschaftsredakteur<br />
ein großes Handicap. Wenn jede Kanzlei<br />
aber nur erklärt: „Wir wollen aus eigener Kraft weiter<br />
wachsen, Fusionen und Übernahmen sind jedoch auch nicht<br />
ausgeschlossen“, ist das wenig bedeutsam. Trotzdem haben<br />
manche Praxen durchaus die Möglichkeit gefunden, sich zu<br />
profilieren und eigene Botschaften an Tageszeitungen auszusenden.<br />
Zudem hat kürzlich die Kanzlei Rödl ein (rechtskräftiges)<br />
Urteil erstritten, nach dem sie mit ihren Umsätzen<br />
werben darf. Dazu hat zwar<br />
Wenn „Deal-Meldungen“ und Personalien<br />
zur Plage werden ...<br />
noch nicht der Bundesgerichtshof das letzte Wort gesprochen,<br />
immerhin hat aber schon ein Oberlandesgericht entsprechend<br />
entschieden. Andere wie Clifford Chance schließen<br />
sich nun vorsichtig an. Ob man für so etwas zu einer<br />
offiziellen Pressekonferenz einladen sollte oder zu einem<br />
gemeinsamen Hintergrundgespräch mit mehreren Medien<br />
beim Mittagessen oder aber nach und nach Einzelgespräche<br />
mit der Handvoll bundesweit in Betracht kommender Presseleute<br />
veranstalten sollte, ist dagegen zweitrangig.<br />
Weniger von Bedeutung ist für Tageszeitungen allerdings<br />
das, was sie besonders häufig als E-Mail bekommen<br />
– die ewigen „Deal-Meldungen“ (Original-Beispiel einer<br />
Top-Kanzlei: „Katjes übernimmt von Ragolds Lizenz zur<br />
Herstellung von Granini-Bonbons“) und die Personalien<br />
über neue Partner, über Aussteiger, Einsteiger und Bürowechsler.<br />
Die meisten dieser Nachrichten über Firmen-<br />
Transaktionen hätten die Medien allenfalls interessiert, bevor<br />
sie von den Mandanten selbst bekannt gegeben worden<br />
sind. Dass Anwälte da nicht vorpreschen können, versteht<br />
sich von selbst. Doch damit sind diese Meldungen „Schnee<br />
von gestern“, wenn sie die Presse erreichen. Ganz gelegentlich<br />
bringen zwar einzelne Tageszeitungen doch einmal<br />
eine solche Nachricht. Das steht aber ganz und gar in keinem<br />
Verhältnis zu der Dimension, in der sie ständig mit<br />
solchen Presseerklärungen bombardiert werden. Ein radikales<br />
Plädoyer dafür, ganz von den Verteilern gestrichen zu<br />
werden, wäre übertrieben. Aber zumindest bombastische<br />
Ankündigungen wie „Frei zur sofortigen Veröffentlichung“<br />
sollten einem erspart bleiben. Oder die Lästigkeit, dass man<br />
oft nicht aus der Betreff-Zeile der Mail, sondern erst durch<br />
weiteres Herum-Klicken erkennen kann, worum es jeweils<br />
geht. Dann entwickelt sich das Ganze zu einer echten<br />
Plage.<br />
VI.<br />
Eine Gelegenheit zur Positionierung bringt schließlich<br />
die Berichterstattung über Entwicklungen, die die gesamte<br />
Branche betreffen. Die Lage der Anwaltschaft bietet<br />
schließlich Stoff für Reportagen und Nachrichten im Überfluss:<br />
Nach der Fusionswelle kam die Ernüchterung. Anwaltskanzleien<br />
näherten sich Wirtschaftsprüfungsgesellschaften<br />
an und nabelten sich nach dem<br />
Sarbanes-Oxley-Act wieder von ihnen ab. Der Berufsstand<br />
wächst und wächst – und unternimmt dennoch enorme Anstrengungen,<br />
um gute Nachwuchskräfte zu rekrutieren.<br />
Symbiose zum beiderseitigen Nutzen –<br />
das sollte das Ziel sein<br />
Der Anwaltsmarkt erhält Konkurrenz aus Nachbarberufen,<br />
und zumindest die rot-grüne Bundesregierung wollte das<br />
Quasi-Monopol der Anwälte im Einklang mit der Rechtsprechung<br />
des Bundesverfassungsgerichts weiter lockern.<br />
Die Honorarvorschriften hatte sie bereits liberalisiert. Aus<br />
Brüssel weht den Standesregeln in ganz Europa der (wenngleich<br />
derzeit abflauende) Wind der Deregulierung ins Gesicht.<br />
Eine Aufspaltung des Berufsstandes zeichnet sich ab.<br />
Die deutschen Anwaltsorganisationen kämpfen für die Interessen<br />
ihrer Gilde – und sind dennoch in wesentlichen<br />
Punkten wie der Aus- oder Fortbildung untereinander zerstritten.<br />
Da wäre es ein Jammer, wenn sich einzelne Anwälte<br />
und Kanzleien nicht stärker einmischen würden. Nicht nur,<br />
um die Interessen ihrer Zunft offensiv zu vertreten. Sondern<br />
auch, um diese vielen Themen, die sozusagen auf der<br />
Straße herumliegen, für sich persönlich zu nutzen: dafür,<br />
dass sie als konkreter Anbieter von Rechtsdienstleistungen<br />
in die Medien kommen. Ohne Anregungen aus der Praxis<br />
gingen die besten Geschichten an den Journalisten vorbei.<br />
Und die Zeitungen blieben langweilig, würden sie nur mit<br />
„B-Themen“ gefüllt. Das Verhältnis zwischen Juristen und<br />
Journalisten ist, wenn es sich ordentlich entfaltet, eine Symbiose<br />
zum beiderseitigen Nutzen. Advokaten sollten diese<br />
botanische Besonderheit zum Wachsen und Blühen bringen.