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Dezember - Anwaltsblatt

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AnwBl 12/2005 767<br />

EUROPA<br />

EU-Kommission<br />

Der Anwaltsberuf im Visier<br />

der EU-Wettbewerbshüter<br />

Folge-Bericht zum „Monti-Bericht“<br />

Rechtsanwältin Eva Schriever, LL.M., Berlin/Brüssel<br />

Deregulierung ist ein Zauberwort der Europäischen Kommission.<br />

Der Generaldirektion Wettbewerb sind die Berufsrechte<br />

der freien Berufe seit langem ein Dorn im Auge. Im<br />

Februar 2004 hatte sie den so genannten Monti-Bericht<br />

vorgestellt (dazu Ahlers, AnwBl 2004, 239 sowie Henssler/<br />

Kilian, AnwBl 2005, 1). Der Monti-Bericht stellte die Berufsrechte<br />

auf den Prüfstand. Jetzt gibt es den Folgebericht.<br />

Was bedeutet er für die Anwaltschaft?<br />

Die Kommission hat am 5. September 2005 einen Folge-<br />

Bericht (siehe http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUri<br />

Serv/site/de/com/2005/com2005_0405 de01.pdf) zum so<br />

genannten „Monti-Bericht“ und ein dazugehöriges Arbeitspapier<br />

(auf Englisch) herausgegeben. In dem Bericht wird<br />

dargestellt, welche Fortschritte die Mitgliedstaaten bei der<br />

Umsetzung der Forderungen der Kommission im Hinblick<br />

auf die Deregulierung freier Berufe, darunter auch der<br />

Rechtsanwälte, in den fünf Bereichen (i) verbindliche Festpreise,<br />

(ii) Preisempfehlungen, (iii) Werbung (iv) Zugangsvoraussetzungen<br />

und ausschließliche Rechte sowie (v) zulässige<br />

Unternehmensform und berufsübergreifende<br />

Zusammenarbeit gemacht haben. Die Kommission hatte im<br />

Monti-Bericht die mitgliedstaatlichen Behörden und Berufsverbände<br />

dazu aufgefordert, Regelungen der freien Berufe<br />

in den genannten Bereichen auf ihre Vereinbarkeit mit<br />

dem europäischen Wettbewerbsrecht zu durchforsten und<br />

nur noch wirklich notwendige, verhältnismäßige und gerechtfertigte<br />

Regeln aufrechtzuerhalten. Im nun vorliegenden<br />

Bericht wird den Mitgliedstaaten aufgetragen, weitere<br />

Reformanstrengungen zu unternehmen und bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung<br />

auf den jeweiligen Empfänger abzustellen.<br />

Des weiteren kündigt die Kommission an, gegebenenfalls<br />

selbst Gesetzgebungsmaßnahmen nach Artikel 86<br />

Abs. 3 EG an die Mitgliedstaaten zu richten.<br />

Kritik an der Methode<br />

Wie schon bei der dem Monti-Bericht zugrunde liegenden<br />

Wiener Studie (siehe Henssler/Kilian, AnwBl 2005, 1),<br />

basiert die wirtschaftliche Analyse der Kommission auf<br />

Einzeluntersuchungen in verschiedenen Staaten, ohne damit<br />

verbundene Fragestellungen (z. B. Zusammenhang zwischen<br />

Vergütungssystem und Zugang zum Recht) zu untersuchen.<br />

Der Europaabgeordnete Klaus-Heiner Lehne hat in<br />

einer Presseerklärung kritisiert, dass die Kommission dem<br />

Ziel, zugunsten des Verbrauchers mehr Wettbewerb zu<br />

schaffen, durch den reinen Liberalisierungsansatz nicht gerecht<br />

werde. Im Hinblick auf die Forderung der Kommission,<br />

Festpreise in Gebührenordnungen abzuschaffen, verweist<br />

er auf Großbritannien als ein Land, das vor Jahren<br />

zwar Gebührenordnungen abgeschafft habe, heute aber die<br />

mit Abstand höchsten Anwaltshonorare in der EU kenne.<br />

MN<br />

Die für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissarin Neelie<br />

Kroes wird nun voraussichtlich Ende November 2005 mit<br />

dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments diskutieren.<br />

Deregulierung in Deutschland<br />

Wo steht die deutsche Anwaltschaft der Kommission zufolge?<br />

Die Kommission bezeichnet die durch den DAV eingeforderte<br />

und auf den Weg gebrachte RVG-Reform als positiv:<br />

So entfallen ab dem 1. Juli 2006 die gesetzlichen<br />

Vergütungsvorschriften für den außergerichtlichen Bereich.<br />

Der DAV hat sich für diese und auch andere Reformen innerhalb<br />

des Anwaltsberufs stark gemacht, um den Gegebenheiten<br />

der Zeit gerecht zu werden, und hat dies bei seinen<br />

Gesprächen mit den Entscheidungsträgern in Brüssel<br />

immer wieder deutlich gemacht. So wirbt der DAV für Qualitätssicherung<br />

und Anreize für eine verstärkte Aus- und<br />

Fortbildung der Anwaltschaft. Auch bei der Reform des<br />

Rechtsberatungsgesetzes hat sich der DAV schon in einem<br />

sehr frühen Stadium durch die Vorlage eigener Vorschläge<br />

intensiv an der Diskussion beteiligt.<br />

Gespaltenes Berufsrecht denkbar?<br />

Gleichzeitig hat der DAV jedoch auch immer wieder betont,<br />

dass alle Reformen die anwaltlichen Grundwerte unangetastet<br />

lassen müssen. Aus dieser Forderung ergeben sich<br />

die Diskussionspunkte für die nun vorliegende Folgemitteilung.<br />

Die Kommission erkennt an, dass es grundsätzlich drei<br />

Gründe gibt, derartige Regelungen aufrecht zu erhalten (Informationsasymmetrien<br />

zwischen Experten und Kunden, externe<br />

Effekte der freiberuflichen Dienstleistungen auf andere<br />

Wirtschaftsbereiche und ihre Eigenschaft als<br />

öffentliches Gut, z. B. eine funktionierende Justizverwaltung).<br />

Allerdings seien diese Gründe nicht für alle Dienstleistungsempfänger<br />

in gleicher Weise relevant. Es müsse bei<br />

der Definition des öffentlichen Interesses nach unterschiedlichen<br />

Empfängern (zum einen einmalige/seltene Nutzer,<br />

d. h. Verbraucher und Privathaushalte; des weiteren der öffentliche<br />

Sektor; sowie Unternehmen, gegebenenfalls mit<br />

kleinern und mittleren Unternehmen als Extragruppe) und<br />

daraus folgender unterschiedlicher Schutzbedürftigkeit differenziert<br />

werden.<br />

Diese Aufspaltung des Regelungsansatzes je nach<br />

Dienstleistungsempfänger würde dazu führen, dass z. B. bei<br />

den Berufszulassungsregeln im Zusammenhang mit Vorbehaltsaufgaben<br />

danach differenziert werden müsste, für<br />

wen eine bestimmte Dienstleistung erbracht werden soll.<br />

Der Deutsche Anwaltverein hat sich in seinen bisherigen<br />

Gesprächen mit der Generaldirektion Wettbewerb deutlich<br />

gegen eine solche Aufspaltung des öffentlichen Interesses<br />

je nach Dienstleistungsempfänger ausgesprochen. Ein solcher<br />

Ansatz ist nämlich aus mehreren Gründen bedenklich:<br />

Zum einen können Unternehmen in noch viel größerem<br />

Umfang als Private auf Einhaltung strenger Berufsregeln,<br />

z. B. der Vermeidung von Interessenkonflikten, angewiesen<br />

sein. Zum anderen verkennt dieser Ansatz, dass es neben<br />

den genannten Gruppen von Rechtsdienstleistungsempfängern<br />

einen weiteren „Nutzer“ gibt: den Rechtsstaat. Anwälte<br />

und der Gesetzgeber sind der Erhaltung des Letzteren<br />

verpflichtet. Der DAV wird sich weiter dafür einsetzen,<br />

dass dieser Gedanke nicht aus den Augen verloren wird.

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