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Dezember - Anwaltsblatt

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768<br />

MN<br />

Europäischer Juristentag<br />

Gesellschaftsrecht, Zivilprozessrecht<br />

und Grundrechte<br />

600 Juristen diskutierten in Genf<br />

Rechtsanwältin Eva Schriever, LL. M., Berlin/Brüssel<br />

Nach Nürnberg 2001 und Athen 2003 fand in diesem Jahr<br />

der dritte Europäische Juristentag vom 7. bis 9. September<br />

2005 in Genf statt. Alle Eröffnungsredner, darunter auch<br />

Prof. Dr. Paul Kirchhof als Präsident des Deutschen Juristentages,<br />

wurden nicht müde zu betonen, dass mit der dritten<br />

Veranstaltung nunmehr von einer Tradition der Europäischen<br />

Juristentage gesprochen werden könne.<br />

Drei Tage lang wurde von den ca. 600 Teilnehmern am<br />

Europäischen Haus gebaut, nach dem Wunsch von Kirchhof<br />

„bemüht, den Aufbau zu fördern und gleichzeitig mit<br />

einer Kultur des Maßes, um die Stabilität des Hauses nicht<br />

in Gefahr zu bringen“. Bei der großen Zahl an herausragenden<br />

Wissenschaftlern, Rechtsanwälten, Richtern, Verfassungsrichtern<br />

und vor allem Ministerialbeamten aus dem<br />

deutschen Bundesjustizministerium war es bedauerlich, nur<br />

sehr wenige Beamte der Europäischen Kommission unter<br />

den Gästen zu sehen. Anwesend waren u. a. die Justizminister<br />

Österreichs, Rumäniens, Ungarns und der<br />

Schweiz; das Bundesjustizministerium wurde durch den<br />

Staatsminister Dr. Hansjörg Geiger vertreten.<br />

Deutsch dominierte als Sprache<br />

Neben einer großen Zahl deutschsprachiger Teilnehmer<br />

(ca. 200) kamen die Besucher hauptsächlich aus der<br />

deutschsprachigen Schweiz. Leider ist es also auch im französischsprachigen<br />

Genf somit nicht gelungen, in großer<br />

Zahl Teilnehmer aus dem romanischen Sprachkreis anzuziehen;<br />

die sehr starke Präsenz deutschsprachiger Teilnehmer<br />

bei gleichzeitiger fast völliger Abwesenheit von Gästen<br />

aus Südeuropa oder den britischen Inseln war schon in<br />

Nürnberg und Athen festzustellen. Dies ist bedauerlich, da<br />

die Fachbeiträge äußerst interessant und die Diskussionen<br />

auf einem konstant hohen Niveau geführt wurden.<br />

Diskussion in den Abteilungen<br />

Der 3. Europäische Juristentag widmete sich drei gleichsam<br />

interessanten Themen: Während sich Abteilung 1 mit<br />

der Verantwortlichkeit der Gesellschafts- und Aufsichtsorgane<br />

in der Europäischen Union beschäftigte, ging es in<br />

Abteilung 2 um die Entwicklung eines gemeinschaftlichen<br />

Zivilprozessrechts. Abteilung 3 diskutierte die Koordination<br />

des Grundrechtsschutzes in Europa.<br />

9 Abteilung 1 wurde eingeleitet durch den die weitere Diskussion<br />

bestimmenden Vortrag des Generalberichterstatters<br />

Prof. Dr. Marcus Lutter, der in einer viel beachteten<br />

Tour de Force über die Haftung des Managements, der<br />

Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden<br />

referierte und sich speziell mit dem Pflichtenprogramm<br />

des Managements beschäftigte. Die Vorträge in dieser<br />

Abteilung waren von sehr hohem fachlichen Niveau und<br />

überaus gut besucht.<br />

9 In Abteilung 2 setzten sich die Redner recht kritisch mit<br />

den Vorschlägen der Kommission zum Europäischen Zi-<br />

AnwBl 12/2005<br />

Europa<br />

vilprozessrecht, unter anderem zum Europäischen Mahnund<br />

Bagatellverfahren, auseinander. Prof. Dr. Christian<br />

Kohler, Abteilungsleiter beim Wissenschaftlichen Dienst<br />

des EuGH, sprach von dem Systemwechsel, der mit der<br />

Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel<br />

für unbestrittene Forderungen eingeläutet sei. Dies gelte<br />

weniger für die Abschaffung des Verfahrens der eigentlichen<br />

Vollstreckbarkeitserklärung, als vielmehr für das<br />

Verbot, die Anerkennung der bestätigten Entscheidung<br />

außerhalb des Ursprungsstaates in Frage zu stellen und<br />

die damit verbundene Verkürzung des Rechtsschutzes im<br />

Vollstreckungsstaat. Es werde ein Herkunftslandprinzip<br />

mit einer Selbstkontrolle des Ursprungsstaates (Staat des<br />

Erkenntnisverfahrens) eingeführt, an der man rechtstaatliche<br />

Zweifel haben müsse. Es war in diesem Zusammenhang<br />

interessant von den schweizerischen Kollegen zu erfahren,<br />

dass dort trotz einer bundesweiten Anerkennung<br />

der Urteile anderer Kantone Fehler im Erkenntnisverfahren<br />

auch im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht<br />

werden können.<br />

9 Auf besonderes Interesse unter den Veranstaltungen in<br />

Abteilung 3 stießen die Vorträge und anschließende Diskussion<br />

der drei Gerichtspräsidenten Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />

Papier (Präsident des BVerfG), Prof. Dr. Vassilios<br />

Skouris (Präsident des EuGH) und Prof. Dr. Luzius Wildhaber<br />

(Präsident des EGMR). Papier musste sich unter<br />

anderem kritischen Fragen der Anwaltschaft, darunter<br />

des ehemaligen DAV-Präsidenten Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />

Rabe, des DAV-Vorstandsmitglieds Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />

Hellwig und Dr. Hartmut Lübbert aus Freiburg, Mitglied<br />

des DAV-Ausschusses Internationaler Rechtsverkehr, zum<br />

Verhältnis des BVerfG zum EuGH auf der einen und zum<br />

EGMR auf der anderen Seite stellen.<br />

4. Europäischer Juristentag 2007<br />

Der 4. Europäische Juristentag wird vom 3. bis 5. Mai<br />

2007 in Wien stattfinden und sich mit dem Themen Europäisches<br />

Vertragsrecht, Entstehung eines europäischen<br />

Strafrechts, sowie Migration in und nach Europa beschäftigen<br />

(Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite:<br />

http://www.eujurist2007.at). Auch der Tagungsort für den<br />

übernächsten Europäischen Juristentag steht bereits fest. In<br />

seiner Begrüßungsrede lud der ungarische Justizminister<br />

bereits jetzt für das Jahr 2009 nach Budapest ein.<br />

Die europäischen Juristen werden also weiterbauen am<br />

Europäischen Haus. Es ist dem Europäischen Juristentag zu<br />

wünschen, dass er für die Juristen in der Europäischen<br />

Union zu einer festen und gut besuchten Diskussionsplattform<br />

wird, vergleichbar den Deutschen Juristentagen. Dazu<br />

wird es allerdings notwendig sein, auch die bisher schwach<br />

vertretenen europäischen Länder, insbesondere den romanischen<br />

Sprachkreis, in stärkerem Maße zur Teilnahme zu bewegen,<br />

damit während des Europäischen Juristentages tatsächlich<br />

die Stimmen der verschiedenen europäischen<br />

Rechtstraditionen und -kreise ausreichend Gehör finden.

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