Dezember - Anwaltsblatt
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780<br />
MN<br />
RVG-Frage des Monats<br />
Wird von der Verfahrensgebühr<br />
die teilweise<br />
anzurechnende Geschäftsgebühr<br />
abgezogen?<br />
Schon die BRAGO sah in § 118 Abs. 2 S. 1 eine Anrechnung<br />
der Geschäftsgebühr aus § 118 Abs. 1 S. 1 auf<br />
eine nachfolgend entstehende Prozessgebühr aus § 31<br />
Abs. 1 Nr. 1 vor, soweit es sich um den selben Gegenstand<br />
handelt. Das RVG behält diese Anrechnung prinzipiell<br />
bei (Anrechnung Geschäftsgebühr aus VV Nr. 2400<br />
bis 2403 auf Verfahrensgebühr aus VV Nr. 3100 bis<br />
3103), wenn auch der Höhe nach begrenzt auf 50 % der<br />
Geschäftsgebühr und maximal für einen Anteil von 0,75<br />
(Vorbem. 3 Abs. 4 im Vergütungsverzeichnis des RVG).<br />
Für beide Anrechnungsregelungen stellt sich im Hinblick<br />
auf die Kostenfestsetzung von prozessual entstandenen<br />
Anwaltsgebühren (Prozess-/Verhandlungs-/Beweisgebühr<br />
nach BRAGO bzw.<br />
Verfahrens-/Terminsgebühr nach RVG) die Frage, ob sich<br />
die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die festsetzbare<br />
Höhe der bisherigen Prozess- bzw. der heutigen Verfahrensgebühr<br />
auswirkt.<br />
Beschluss des Kammergerichts<br />
Klarheit bringt eine neue Entscheidung des Kammergerichts<br />
(KG, Beschl. v. 20.7.2005 – 1 W 285/05, veröffentlicht<br />
in diesem Heft auf S. 792). Auf der Grundlage<br />
des Gesetzeswortlauts stellt das Gericht fest, dass sowohl<br />
nach geltendem wie auch schon nach bisherigem Gebührenrecht<br />
die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr<br />
in der nachfolgenden Verfahrensgebühr im vorgegebenen<br />
Umfang aufgeht. Die Verfahrensgebühr<br />
entsteht also ungeschmälert und ist vollständig festsetzbar.<br />
An dieser Konstruktion hat auch der Wechsel von<br />
der BRAGO zum RVG dem Grunde nach nichts geändert.<br />
Bemerkenswert ist das zusätzliche Argument des<br />
Kammergerichts: Eine die Verfahrensgebühr reduzierende<br />
Wirkung der Anrechnung von Geschäftsgebühren<br />
ist auch aus prozessökonomischen Gründen abzulehnen.<br />
Das Kostenfestsetzungsverfahren bietet nämlich der obsiegenden<br />
Partei die Möglichkeit, auf einfache Weise einen<br />
vollstreckbaren Titel gegen die unterlegene Partei<br />
auf Ersatz der ihr durch den Rechtsstreit entstandenen<br />
Kosten zu erlangen. Bei Abzug der hälftigen Geschäftsgebühr<br />
von der festzusetzenden Verfahrensgebühr wäre<br />
nen Arbeitsgruppen knüpfen konnten. Auch die deutschen<br />
Mitglieder haben sich in Mexiko getroffen: Zwischen ihnen<br />
besteht ein funktionierendes Netzwerk, welches über<br />
Dr. Mario Krogmann (krogmann@delaw.de) zusammengeführt<br />
wird.<br />
Auch dieses Jahr wird es für Einige wieder der letzte<br />
aija-Kongress gewesen sein, da sie die Altersgrenze von<br />
AnwBl 12/2005<br />
Mitteilungen<br />
die obsiegende Partei darauf angewiesen, außergerichtlich<br />
die volle Geschäftsgebühr gegen die unterlegene Partei<br />
geltend zu machen und diese evtl. erneut einzuklagen.<br />
Diese Auffassung des Kammergerichts verdient Zustimmung<br />
(a. A. aber N. Schneider, Anm. zu dem KG-<br />
Beschl., AGS 11/05, 515). Sie steht auch nicht im Widerspruch<br />
zu dem gebührenrechtlichen Grundsatz, dass<br />
einmal entstandene Gebühren nicht mehr nachträglich<br />
entfallen oder gekürzt werden. Die anzurechnende Hälfte<br />
bzw. max. 0,75 der Geschäftsgebühr aus RVG-VV<br />
Nr. 2400 entfällt nicht nachträglich durch das Entstehen<br />
der Verfahrensgebühr, sondern geht in dieser Gebühr auf,<br />
wird auf die Verfahrensgebühr verschmolzen. Mit anderen<br />
Worten: die einmal entstandene Geschäftsgebühr fällt<br />
durch die Anrechnung nicht nachträglich weg, sondern<br />
wird aufgrund der Anrechnung von der Verfahrensgebühr<br />
überlagert und in einen Bestandteil der Verfahrensgebühr<br />
„verwandelt“. Soweit der Mandant bereits<br />
die volle Geschäftsgebühr an den Anwalt bezahlt haben<br />
sollte, deckt diese Zahlung in Höhe des Anrechnungsbetrages<br />
nun auch die Vergütungsforderung auf eine Verfahrensgebühr<br />
ab.<br />
Die Zahlung auf die volle Geschäftsgebühr enthält<br />
damit potenziell bereits einen Vorschuss auf eine eventuell<br />
entstehende, anrechnungsrelevante Verfahrensgebühr.<br />
Das ändert nichts daran, dass gegen eine unterliegende<br />
Gegenpartei in der Kostenfestsetzung die Verfahrensgebühr<br />
ungeschmälert, also nicht um die Hälfte der Geschäftsgebühr<br />
gekürzt, anzusetzen ist (so auch Madert in<br />
Gerold/Schmidt, RVG Komm., 16. Aufl. 2004, VV 2400<br />
Rn. 205 sowie OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v.<br />
12.07.1996 – 9 W 114/96 AnwBl 1997, 125). Es wäre ja<br />
auch widersinnig, wenn allein der Umstand, dass eine<br />
Partei zusätzliche außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten<br />
(Geschäftsgebühr) aufgewendet hat, dazu führen<br />
würde, die Gegenpartei in der Kostenfestsetzung günstiger<br />
zu stellen als ohne diesen Zusatzaufwand.<br />
Im Übrigen würde ein eventueller Streit über die<br />
Höhe der anzurechnenden Geschäftsgebühr in das der<br />
vereinfachten Titulierung dienende Festsetzungsverfahren<br />
hineingetragen. Der Kostenbeamte müsste dann – zumindest<br />
kursorisch – alle für die Höhe der Geschäftsgebühr<br />
relevanten Kriterien des § 14 RVG überprüfen.<br />
Ein solcher Streit über die Angemessenheit der Gebührenhöhe<br />
sollte aus prozessökonomischen Gründen auf<br />
den anrechnungsfreien Teil der Geschäftsgebühr beschränkt<br />
werden.<br />
Rechtsanwalt Udo Henke, Berlin<br />
RVG-Fragen können DAV-Mitglieder im Internet-Forum<br />
unter www.anwaltsforum.de diskutieren. Dort haben<br />
sich seit August 2004 bereits über 3.000 Benutzer registrieren<br />
lassen und etwa 3.200 Beiträge verfasst.<br />
45 Jahren erreichen werden. „Overaged“ zu sein ist für<br />
viele eine Bestrafung, ihr Bedauern ist offensichtlich.<br />
Die nächste Aija-Tagung findet statt vom 22. bis 26.<br />
August 2006 in Genf (Schweiz). Weitere Informationen finden<br />
Sie im Internet unter www.aija.org.