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Dezember - Anwaltsblatt

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AnwBl 12/2005 795<br />

Rechtsprechung MN<br />

Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Beauftragen Eltern eines Kindes<br />

einen Rechtsanwalt mit der Vertretung des Kindes, dann ist der<br />

Vergütungsschuldner das Kind. Es besteht nämlich keine Haftung<br />

des Inhabers der elterlichen Sorge für die Anwaltskosten, nach<br />

dem § 1654 SGB durch das Gleichberechtigungsgesetz aufgehoben<br />

worden ist (Schumann-Geißinger, BRAGO-Kommentar, 2. Aufl.,<br />

§ 17 Rdnr. 12; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO-Kommentar,<br />

15. Aufl., § 1 Rdnr. 50). Will der Anwalt erreichen, dass<br />

die Eltern für den Vergütungsanspruch gerade stehen, so muss er<br />

mit ihnen eine ausdrückliche Vereinbarung dahin abschließen.<br />

Hierfür ist vorliegend nichts vorgetragen.<br />

Vorliegend ist auch in der über ein Jahr dauernden Tätigkeit der<br />

Beklagten eine Amtspflichtverletzung zu sehen. Der Bürger hat einen<br />

Anspruch darauf, dass seine Anträge von den Behörden in<br />

zeitlich vertretbarem Rahmen bearbeitet werden. Als Maßstab für<br />

den zeitlich vertretbaren Rahmen kann hier die 3-Monats-Frist des<br />

§ 75 VwVGO angenommen werden, mit der Maßgabe, dass keine<br />

besonderen Gründe für das Nichtentscheiden der Behörde innerhalb<br />

der 3-Monats-Frist vorliegen. Hierzu ist aber nichts hinreichendes<br />

vorgetragen. Der Vortrag der Beklagten, auf die Vielzahl<br />

der vorliegenden Anträge und die dadurch bedingte längere Bearbeitungsdauer,<br />

kann nicht zur Annahme eines zureichenden Grundes<br />

im Sinne des § 75 VwVGO führen. Anhaltspunkte für das Vorliegen<br />

einer außergewöhnlichen Belastung der Behörde sind nicht<br />

vorhanden. Soweit die beklagte Stadt einzelne Abteilungen auf<br />

Dauer unzureichend mit Personal ausgestattet hat, liegt ein Organisationsverschulden<br />

vor.<br />

Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war, nachdem der Einbürgerungsantrag<br />

14 Monate unbearbeitet liegen geblieben war und<br />

die 4-maligen Vorsprachen des Vaters der Klägerin nicht zu einer<br />

Beschleunigung des Verfahrens führten, auch erforderlich, wie<br />

schon der prompte zeitliche Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit<br />

zeigt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn dem Vater der<br />

Klägerin bei seiner letzten Vorsprache kurz vor der Beauftragung<br />

des Anwalts bedeutet worden wäre, die Bescheidung stehe unmittelbar<br />

bevor und es müsse nur noch eine gebührenrechtliche Frage<br />

geprüft werden. Dann wäre die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern,<br />

durchaus zumutbar gewesen, noch eine gewisse Frist abzuwarten.<br />

Dies ist aber nicht bewiesen.<br />

Letztlich kann die Beklagte auch mit dem Argument, eine Einschaltung<br />

des Anwaltes sei nicht erforderlich gewesen, weil die Eltern<br />

der Klägerin selbst ein entsprechendes Schreiben an die Behörden<br />

hätten richten können kein Gehör finden. Nach dem der<br />

Vater der Klägerin selbst 4 Mal fruchtlos vorgesprochen hatte,<br />

muss als extrem unwahrscheinlich angesehen werden, dass eine<br />

schriftliche Mahnung von seiner Seite zum Erfolg geführt hätte.<br />

Vielmehr spricht alles dafür, dass die Einschaltung des Anwalts<br />

und dessen recht knapp bemessene Fristsetzung unter Androhung<br />

der verwaltungsgerichtlichen Untätigkeitsklage zum raschen Abschluss<br />

des Einbürgerungsverfahrens führte.<br />

Ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtsverletzung scheidet<br />

auch nicht deshalb aus, weil in § 80 VwVfG die Erstattungsfähigkeit<br />

von Anwaltskosten in behördlichen Verfahren abschließend<br />

geregelt wäre. Diese Vorschrift regelt die<br />

Erstattungsfähigkeit bzw. Nichterstattungsfähigkeit von Anwaltskosten<br />

für ein ordnungsgemäß durchgeführtes Verwaltungsverfahren.<br />

Bei einer auf mangelnder personeller Besetzung oder auf Säumigkeit<br />

des Sachbearbeiters beruhenden Untätigkeit der Behörde<br />

liegt aber kein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren vor, sondern<br />

eine Amtspflichtsverletzung die zu einem Schadensersatzanspruch<br />

führt.<br />

Auch dem Argument der Beklagten die Klägerin sei auf die<br />

verwaltungsrechtliche Untätigkeitsklage zu verweisen und soweit<br />

sie auf diese verzichtet habe, liege eine Verletzung der Schadensminderungspflicht<br />

im Sinne von § 254 BGB vor, muss der Erfolg<br />

versagt bleiben. Bei Durchführung der Untätigkeitsklage wären<br />

nämlich höhere anwaltliche Gebühren, eine 10/10 Gebühr statt einer<br />

7,5/10 Gebühr angefallen, so dass das konkrete Vorgehen der<br />

Klägerin letztlich schadensmindernd ist.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, Aachen<br />

Verfahrensgebühr bei Kostenwiderspruch im<br />

Verfügungsverfahren<br />

RVG-VV Nr. 3100,Vorbem. 3 Abs. 2<br />

Legt der Gegner einer einstweiligen Verfügung lediglich Kostenwiderspruch<br />

ein und hat der Anwalt des Gegners eine 0,8 Verfahrensgebühr<br />

aus dem Hauptsachewert verdient, so ist diese<br />

auch neben der 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert zu erstatten.<br />

OLG München, Beschl. v. 31.8.2005 – 11 W 1883/05<br />

Aus den Gründen: I. Die Beklagte wendet sich dagegen, dass<br />

eine Verfahrensgebühr lediglich aus dem Kostenwert und nicht zusätzlich<br />

eine 0,8 Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert anerkannt<br />

wurde. Gegen die Beklagte erging eine einstweilige Verfügung<br />

vom 20.1.2005. Der Beklagtenvertreter wurde beauftragt,<br />

gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen. Nach Entgegennahme<br />

der Informationen und Prüfung der Sach- und Rechtslage<br />

wurde einer Empfehlung des Beklagtenvertreters folgend lediglich<br />

Kostenwiderspruch eingelegt. Die Rechtspflegerin hat lediglich<br />

eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert anerkannt.<br />

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.<br />

Unzweifelhaft ist, dass der Beklagtenvertreter eine 0,8 Verfahrensgebühr<br />

aus dem Hauptsachewert verdient hat. Er hatte einen<br />

umfassenden Verfahrensauftrag. Die Verfahrensgebühr entsteht<br />

dann gemäß VVRVG-Vorbemerkung 3 Abs. 2 bereits mit der Entgegennahme<br />

der Information.<br />

Allerdings vertritt die herrschende Meinung die Auffassung,<br />

dass bei einer Beschränkung auf einen Kostenwiderspruch lediglich<br />

eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert anfällt. Dies wird<br />

damit begründet, dass die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die<br />

nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtstreits dienen,<br />

nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig<br />

im Sinne von § 91 ZPO sind (BGH NJW-RR 03, 1293 = <strong>Anwaltsblatt</strong><br />

03, 592 = JurBüro 02, 466). Es müsse dasselbe gelten wie in<br />

dem Fall, in dem der Mandant dem Rechtsanwalt den Auftrag erteilt,<br />

ein erstinstanzliches Urteil im vollen Umfang mit der Berufung<br />

anzugreifen, in dem letztlich aber hur hinsichtlich eines Teils<br />

Rechtsmittel eingelegt wird. Hier bestehe kein Erstattungsanspruch<br />

hinsichtlich der Mehrkosten, die sich auf den Teil beziehen, für den<br />

kein Rechtsmittel eingelegt wurde (Hamburg JurBüro 85, 283).<br />

Demgegenüber sind nach Auffassung des Senats die Grundsätze<br />

heranzuziehen, die beim Anerkenntnis gelten. Ein erfolgreicher<br />

Kostenwiderspruch steht einem sofortigen Anerkenntnis i.<br />

S. v. § 93 ZPO nahe. In beiden Fällen wird der Gegner in unberechtigter<br />

Weise mit einer prozessualen Maßnahme überzogen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe<br />

16. Auflage. Anhang RdNr. 150; N.<br />

Schneider AGS 03, 447). Das ist nicht vergleichbar mit dem Fall,<br />

dass eine Partei nach anwaltlicher Beratung von einer weitergehenden<br />

Berufung absieht, weil sie einsehen muss, dass diese nicht erfolgversprechend<br />

ist. Bei einem Anerkenntnis erhält der Anerkennende<br />

eine 1,3 Verfahrensgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr<br />

erstattet. Die Tatsache, dass beim Kostenwiderspruch. nach der<br />

herrschenden Meinung durch die inzident vorliegende Verzichtserklärung<br />

keine Gebühr aus dem Hauptsachewert anfällt, kann<br />

nicht dazu führen, dass auch die 0,8 Verfahrensgebühr nicht erstattet<br />

wird, die zweifellos angefallen ist, wenn der Rechtsanwalt zunächst<br />

einen umfassenden und nicht auf die Kostenfrage beschränkten<br />

Auftrag hatte (Gerold/Schmid-Müller-Rabe 16. Auflage<br />

Anhang RdNr. 150 ff).<br />

Der Beklagten stehen somit folgende Erstattungsansprüche zu.<br />

1,3 Verfahrensgebühr aus Kostenwert 4.000,– E = 318,50 E<br />

0,8 Verfahrensgebühr aus Hauptsachewert<br />

100.000,– E = 1,083,20 E<br />

Kontrollrechung gemäß § 15 Abs. 3 RVG<br />

1,3 Verfahrensgebühr aus 100,000,– E =<br />

1.760,20 E Kommunikationspauschale 20,– E<br />

Endbetrag 1.421,70 E<br />

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1<br />

ZPO.<br />

IV. Im Hinblick darauf, dass der Senat von der herrschenden<br />

Meinung abweicht, wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.<br />

Mitgeteilt vom 11. Zivilsenat des OLG München

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