HAFNER'S PARADIES - Kino macht Schule
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HAFNER’S <strong>PARADIES</strong><br />
Ein Film von Günter Schwaiger<br />
Bester Dokumentarfilm bei den 52. Internationalen Filmfestwochen<br />
Seminci in Valladolid<br />
<strong>Kino</strong>start: Freitag, 11. Jänner 2008<br />
Wien:<br />
Salzburg:<br />
Linz:<br />
De France<br />
Das <strong>Kino</strong><br />
Moviemento<br />
www.hafnersparadiese.com
HAFNER’S <strong>PARADIES</strong><br />
Österreich/Spanien 2007<br />
Beta digital PAL; deutsch und spanisch mit dt. UT;<br />
74 min<br />
Regie, Produktion, Verleih:<br />
GÜNTER SCHWAIGER<br />
Kamera:<br />
JUAN LUCAS<br />
Schnitt :<br />
MARTIN ELLER<br />
Sound:<br />
MIGUEL REJAS<br />
Produktionsassistenz :<br />
CRISTINA ALÍA<br />
Mit:<br />
PAUL MARIA HAFNER<br />
HANS LANDAUER – ehemaliger Häftling im KZ Dachau (1941 – 1945),<br />
Interbrigadist im Spanischen Bürgerkrieg<br />
JOACHIM HEYROTH – ehemaliges NSDAP Mitglied, Soldat in der Legion<br />
Condor - Hitlers Hilfstruppe für Franco<br />
CRISTINA DE RUEDA – Tochter eines Franco Generals
Kurzinhalt:<br />
Umgeben von seinen Nazifreunden lebt der frühere Schweinezüchter, ruinierte Erfinder, Playboy<br />
und v.a. ehemalige Waffen-SS Offizier HAFNER in Spanien und träumt vom kommenden 4. Reich.<br />
Im Laufe des Filmes führt er uns in seine dunkle und groteske Welt ein, die er sich nach seinem<br />
Gutdünken zurechtgelegt hat und, die er mit Stolz regiert. Am Ende jedoch wird auch er von der<br />
Realität eingeholt…<br />
Inhalt:<br />
Hafner´s Paradies scheint zunächst ein beschauliches Portrait des 84 jährigen Paul Hafner zu sein,<br />
der seit mehr als 50 Jahren in Spanien lebt. Doch das Bild des harmlosen netten alten Herren, der<br />
auf der iberischen wie viele Deutsche sein Paradies gefunden zu haben scheint, bröckelt schnell<br />
dahin. Als ehemaliger SS-Offizier fand Hafner wie andere nationalsozialistische Exponenten im<br />
Spanien von Francisco Franco Unterschlupf. Und von Einsicht, geschweige denn Reue, keine Spur:<br />
heute noch hebt er stolz den Arm zum Nazi-Gruß und leugnet den Holocaust, selbst in Anwesenheit<br />
eines ehemaligen Insassen des KZ Dachau.<br />
Hafner´s Paradies ist eine filmische „Toure de Force“, die ein diffiziles Gleichgewicht zwischen<br />
teilnehmender Beobachtung dezidierter Distanzierung, bitterem Humor und offenem Schaudern,<br />
Tabubrüchen und nüchterner Analyse hält. Der Zuschauer erlebt Hafner nie als bloßes Objekt<br />
journalistischer Nachforschung, sondern stets als lebhaftes und vielseitiges Subjekt, nicht selten mit<br />
dem Hang zur exhibitionistischen Selbstinszenierung.<br />
Die Bloßstellung und die entstehende Nähe machen den Film ebenso aufwühlend wie mitreißend.
Über den Film<br />
Statement des Regisseurs<br />
Die Begegnung mit Paul Maria Hafner, einem ehemaligen Waffen-SS Offizier, der in Spanien lebt,<br />
war mich mich abstossend und anziehend zugleich. Zum ersten Mal hatte ich die Gelegenheit mit<br />
einem Mitwisser, Mittäter und ideologisch gleichgeschalteten Autor des 3. Reiches zu sprechen. Als<br />
Österreicher mit Eltern, die während des Nazismus ihre Jugend verbrachten, eine unglaubliche<br />
Gelegenheit in die Vergangenheit zu tauchen, um in ihr Antworten zu suchen auf Fragen, die mir<br />
bisher unbeantwortbar erschienen.<br />
Auf meinem Weg diesen Film zu realisieren stiess ich v.a. in Österreich auf grosse Ablehnung<br />
seitens gewisser Leute, denen der Gedanke unmöglich erschien, einem ehemalgien SS-Offizier und<br />
KZ Mitwisser das Wort zu erteilen. Ich liess mich aber nicht davon abbringen, da ich davon<br />
überzeugt war, in dieser Begegnung etwas Neues und für mich persönlich Erschöpfendes zu finden.<br />
Hafners NS-Vergangenheit ist in unseren Breiten nichts Aussergewöhnliches. Es ist die Geschichte<br />
eines fanatisierten Jugendlichen, der sich in eine Welt hineinreissen liess, die er bis heute nicht<br />
verlassen hat. Ich hatte ihn nach monatelangen Recherchen entdeckt, und von Anfang an war es die<br />
Intensität, mit der er sich meinen Fragen auslieferte, die mich anzog. Mir war es wichtig ihm<br />
zuzuhören und zwischen seinen Worten den Menschen herauszuspüren, den Verblendeten, der sich<br />
benutzen liess, den Alten, der sich zu rechtfertigen sucht und den Zyniker, der Komplizen braucht.<br />
Zwischen uns entstand dabei eine Beziehung, die nicht leicht zu beschreiben ist. Widersprüchliche<br />
Gefühle menschlicher Nähe entfalten sich gleichzeitig mit verborgener Wut, Widerwillen und<br />
Verblüfftheit. Aber hinter all dem gab es immer eine schwer definierbare Verbindungslinie, die wir<br />
beide benutzten, um trotz enormer, meist unausgesprochener Differenzen miteinander zu<br />
kommunizieren.
Günter Johannes Schwaiger<br />
Geboren 1965 in Neumarkt-Salzburg, Österreich.<br />
Studiert Ethnologie und Theaterwissenschaften an der Universitat Wien.<br />
Seit 1993 Regie und Produktion von Kurz- und Dokumentarfilmen, die auf vielen<br />
internationalen Festivals teilgenommen und zahlreiche Preise gewonnen haben<br />
(Best Film Uppsala, Elche etc.).<br />
2005 bekommt er den Förderpreis für Kunst und<br />
Kultur der Stadt Salzburg für “Der Mord von Santa Cruz”.<br />
Führt auch Theater- und Opernregie.<br />
Filmographie und Theater<br />
2007: Arbeit an neuem Dokumentarfilm<br />
„HAFNERS <strong>PARADIES</strong>“ Regie/Buch/Produktion, Weltpremiere LOCARNO IFF 2007<br />
Mitarbeit am Drehbuch für den Featurefilm „Amanecer de un sueño“ von Freddy Mas<br />
2006/07: Co-Autor beim neuen Featurefilm von Acherco Mañas „Guilty“<br />
2005: Förderpreis für Kunst und Kultur des Kulturfonds der Stadt Salzburg „für<br />
hervorragende Leistungen im Bereich Filmregie“<br />
seit 2005:<br />
Drehbuch und Regie für den Spielfilm “Der Auftrag” Koproduktion Österreich-Spanien<br />
(in Vorbereitung)<br />
2005/2006: Installation „Fosa comun“ (Massengrab) – in Zusammenarbeit mit dem Künstler Tom<br />
Lavin – Antimuseo de Arte Contemporáneo / Galerie El Ojo Atómico – Madrid/Mexico,<br />
D.F. / ARGE Kultur Salzburg,<br />
2005: Mitbegünder des internationalen Filmemacherkollektives Imagenes contra el Olvido<br />
www.imagenescontraelolvido.com<br />
2004/05: Regie und Produktion des Dokumentarfilms “DER MORD VON SANTA CRUZ” (Santa<br />
Cruz…por ejemplo) BetaSP, 66 min., Farbe<br />
2004: Regie der Fernsehfassung der Oper “Triunfos y Lágrimas” Künstlerische Leitung:<br />
Jordi Savall, HerspérionXXI, Barcelona<br />
2003: Regie und Bühnenbearbeitung der Welturaufführung der Oper “Horizonte Cuadrado”<br />
von César Camarero. Teatro de la Abadía, Madrid In Koproduktion mit Teatro Central,<br />
Sevilla<br />
2002: Drehbuch für den Spielfilm : „Zero“<br />
Seit 2000:<br />
In jährlicher Zusammenarbeit mit dem Programmkino LA ENANA MARRÓN (Madrid),<br />
Koordinierung und Präsentation von Filmretrospektiven über Stroheim, Neuer<br />
Österreichischer Film, Cassavetes, Ozu, Memoria Histórica en España u.a.<br />
Kurzspielfilme<br />
2001: “DER AUSFLUG/ LA EXCURSIÓN” (“The Excursion”), 35mm, 17 min., color, Spanish<br />
1998: “NIEMANDSLAND “ (TIERRA DE NADIE“, “NO MAN´S LAND“),35 mm, b/w,17min.,<br />
1996: “Fünf Füsse und ein Wunsch“ (”Cinco Pies y un Deseo”- “Five Feet and one desire”)<br />
35mm, 19 min,<br />
1994: “SUPPENKASPER“ (“LEON”), 16 mm, b/w, 17 min.<br />
1993: “Das seltsame Ende eines Frühstücks in der Ewigkeit“ (El extraño final de un<br />
desayuno en la eternidad”, “The unusual end of a breakfast in eternity”), 16mm, b/w,<br />
12 min.
Jurybegründung Valladolid<br />
Valladolid International Film Festival 2007, SEMNCI<br />
Günter Schwaiger: Hafners Paradies - First Prize:<br />
The Time of History Jury<br />
For its bold documentary approach in dealing with the mentality of quite a number of intermediate officials in<br />
the Nazi power structure who were instrumental as happened with lieutenant Paul Hafner - in materializing the<br />
holocaust.<br />
Hafner who has been living in Spain for fifty years now, is representative of all those who have tried to survive<br />
by lying and by denying the existence of extermination camps.<br />
Festivals (Auswahl)<br />
Locarno (Weltpremiere), Hof, Sao Paulo, Valladolid, Florenz, Gijon, Jerusalem
Pressestimmen<br />
Vielleicht hat Paul Hafner erst am Ende begriffen, dass er sich in einem Duell befand, dessen Ausgang er viel<br />
weniger steuern konnte, als er glaubte, nämlich mit dem Regisseur. Günter Schwaigers Film wird bilder des<br />
Schuldigseins und Schuldigbleibens bewahren, auch noch, wenn die Täter gestorben sind.<br />
Paul Ingendaay FAZ, 21. 11.07<br />
Ein Film mit herausragendem humanem, filmischem und politischem Interesse.<br />
Porro Maurizio – Corriere della Sera, 8.8.07<br />
„Hafners Paradies“ ist eine fundiert recherchierte und brillant montierte Tour de Force, die in Locarno im<br />
Rahmen der Semaine de la critique auf große Beachtung stieß. Es ist eine bestürzende Reise in die Abgründe<br />
des Bösen. (...) Schwaigers analytischer Beobachtung gelingt es in einem vielschichtigen, intelligenten<br />
Psychogramm, Hannah Arendts Kategorie der Banalität des Bösen um eine wichtige, die Bewegung der<br />
Neonazis vielleicht auch treffende Facette zu erweitern: die der eingestandenen Sinnleere des Bösen nämlich.<br />
Alexandra Stähli – Neue Zürcher Zeitung, 10.8.07<br />
Das Interesse dieses Dokumentarfilms liegt vor allem, so glauben wir, in den kleinen Dingen, die die Existenz<br />
dieses Mannes charakterisieren. (...) Was uns an Hafner erschüttert, ist nicht so sehr seine<br />
nationalsozialistische Vergangenheit und die Verbrechen seiner Jugend, sondern seine lamentable<br />
Stumpfheit, seine kultivierte Ignoranz, sein Abdanken der Intelligenz. Und das ist unverzeihlich.<br />
Stefano Bianca, Damiano Reqalini – La Regione Ticino, 7.8.07<br />
Der Regisseur, und er hätte es leicht machen können, lässt den Protagonisten nicht sofort abstoßend wirken,<br />
sondern beschränkt sich zunächst darauf das Porträt eines erfolgreichen Unternehmers (er züchtet Schweine),<br />
eines Gesundheitsfanatikers und eines kuriosen Erfinders zu zeichnen. Die Vorgangsweise Schwaigers führt<br />
uns jedoch keineswegs zu einer Glorifizierung Hafners Vergangenheit. Im Gegenteil. Mit Takt und<br />
Fingerspitzengefühl (aber auch mit subtiler Ironie) beginnt der Regisseur Hafners Gewissheit um seine<br />
Vergangenheit, die sich auf ein grobes „ich habe es erlebt und alles andere ist Propaganda“ versteift, zu<br />
unterminieren, bis er dem Protagonisten schliesslich direkt einen ehemaligen Häftling des KZ Dachau<br />
gegenüberstellt.<br />
El Corriere del Ticino, 7.8.07, Locarno<br />
Ohne jede Sympathie oder irgendeinen Versuch die schrecklichen Worte Hafners zu rechtfertigen, beleuchtet<br />
der Regisseur auf intelligente Weise die ideologischen „Reste“ einer finsteren Periode. (...) Dieser<br />
Dokumentarfilm bestürzt uns, denkt man an den Menschen und seine Kapazität der Selbsttäuschung.<br />
Unbedingt anschauen.<br />
Marie Rumignani, Pardo Cinema, 9.8.07<br />
Einer der eindrucksvollsten Filme überhaupt dieses Jahr.<br />
Bayrisches Fernsehen, Hof Filmfestival, 28.10.07<br />
Ein Dokumentarfilm von grossem moralischen Wert…und eine schonungslose animalische Metapher.<br />
Javier Ocaña, EL PAIS, 16.11.07
Material: Nazis in Spanien<br />
Zu den Recherchen:<br />
Seit August 2005 beschäftige ich mit dem Thema Spanien als Fluchtland für Nationalsozialisten, unter besonderer<br />
Rücksichtnahme der Rolle von Franco-Spanien als Fluchthelfer bzw. Fluchtland.<br />
Ich habe auf dieser „Reise“ in ein noch dunkles Kapitel der NS-Nachkriegsgeschichte sowohl die einschlägige Fachliteratur<br />
(Meding, Klee, Collado Seidl, Quijada, Uki Goñi, Irujo, Ramon Garriga, Ruhl, CEANA, Horae, Spitzy etc.) genau<br />
durchgearbeitet, wie auch Interviews mit letzten Zeitzeugen, Journalisten und einem Grossteil der Historiker, die sich mit<br />
diesem Thema beschäftigen, geführt und dokumentiert. Ich bin durch Spanien gereist, habe Klöster besucht, war mehrere<br />
Male in Deutschland um mit Historikern zu sprechen und bin schließlich in Archive gegangen, um die Resultate meiner<br />
Untersuchungen zu überprüfen.<br />
Das Ergebnis dieser Arbeit ließe sich in einem Buch zusammenfassen, was ich aber lieber den Historikern überlasse, die<br />
dazu weit besser qualifiziert sind als ich.<br />
Dennoch werde ich versuchen resümierend den Eindruck festzuhalten, den ich von dem Material und den Recherchen<br />
gewonnen habe, um daraus abzuleiten, welchen Film ich drehen möchte.<br />
Geht man also davon aus, dass nach dem 2. Weltkrieg vielen Nazis die Flucht gelungen ist, waren es dennoch keine<br />
großen Gruppen von Nazikriegsverbrecher, die Spanien ab 1945 überfluteten, sondern meist Einzelpersonen, die mit Hilfe<br />
von geheimen Hilfsorganisationen durch das Land geschleust wurden und nach einiger Zeit nach Südamerika<br />
entschwanden.<br />
Schon Ende des Krieges deutete Franco den Alliierten an, dass er gerne bereit war, die Seiten zu wechseln, wenn man<br />
ihm garantieren würde, seine Diktatur nicht anzugreifen. Die USA hatten ihn spätestens ab 1942 durch hinausgezögerte<br />
Erdöllieferungen schwer unter Druck gesetzt. Als sich die deutsche Niederlage abzeichnete lenkte er ein. Er war viel zu<br />
pragmatisch und opportunistisch, um für die ehemaligen „deutschen Brüder“ den eigenen Kragen aufs Spiel zu setzen.<br />
Nach der deutschen Kapitulation war er im Gegenteil darauf bedacht, Distanz zu halten und zeigte sich anfangs sogar<br />
bereit, viele schon während des Krieges in Spanien lebende NSDAP Mitglieder an die Alliierten auszuliefern. Erst der<br />
innere Druck seitens der faschistischen Partei und der Militärs zwang ihn jedoch die prominentesten Nazis der AO<br />
(Auslandsorganisation) mit Hilfe der Kirche im Land zu verstecken. Dabei trat er aber nur in ganz wenigen Fällen offen als<br />
Beschützer auf, gab sich den Alliierten gegenüber meist als williger Kollaborateur, dem es aber einfach nicht gelänge, die<br />
gesuchten Personen zu finden.<br />
So konnten sich von den Alliierten gesuchten Figuren wie Johannes Bernhardt, Hans Lazar, Reinhard Spitzy oder die<br />
Brüder Lipperheide erfolgreich jahrelang in Spanien verstecken, um sich später entweder definitiv im Lande<br />
niederzulassen oder, wenn sie nicht ohnehin durch die jeweiligen Amnestien der 50er Jahre in Österreich oder<br />
Deutschland schon straffrei waren, nach Südamerika zu verschwinden.<br />
Von den meistgesuchtesten Kriegsverbrechern kamen zwar viele durch Spanien, aber nachweislich hat sich keiner länger<br />
auf der iberischen Halbinsel aufgehalten. So nimmt man an, dass beispielsweise Walter Kutschmann, Josef Mengele wie<br />
auch kroatische und rumänische Faschisten über Spanien nach Südamerika gelangt sind.<br />
In Spanien selbst blieben 1945 erst einmal v.a. diejenigen Nazis, die schon während des Krieges im Lande ansässig<br />
waren. Ausnahmen bilden hier u.a. belgische und französische Kollaborateure wie Leon Degrelle oder Abel Bonnard, auf<br />
die wir später noch zu sprechen kommen.<br />
Entwicklung:<br />
Die Situation der Nationalsozialisten in Spanien durchlief mehrere Phasen:<br />
Waren sie während des Bürgerkriegs und am Anfang des 2. Weltkrieges die herausragenden Persönlichkeiten, die alle<br />
ausländischen Empfänge dominierten, wurde es ab 1943 ruhiger um sie. Die SS-Uniformen verschwanden langsam aus<br />
den Prachtstrassen und ab 1944 zogen sich die ersten Parteispitzen und Gestapo Offiziere in sicher Landdomizile zurück.<br />
Das Klima innerhalb der Deutschen Kolonie veränderte sich im Zuge des Kriegsgeschehens. Die lockere Werbung der<br />
Partei um neue Mitglieder in der Zeit von 1933-40 verwandelte sich am Ende des Krieges in eine strikte Überwachung der<br />
Kolonie seitens der Gestapo. Den Zeitzeugen zufolge wurde damals das Klima des gegenseitigen Misstrauens<br />
unerträglich. Beispielsweise wurde die Anfang des Krieges noch locker gehandhabte „Anwesenheitspflicht bei<br />
Parteiveranstaltungen“ ab 43 genau kontrolliert. Eine Missachtung konnte schlimme Folgen haben. In jeder Firma hatte die<br />
Gestapo ihre Leute. Botschaft, und Kolonie waren von Agenten unterwandert.<br />
Man darf sich die Kolonie, speziell in Madrid, nicht als homogene Gruppe vorstellen, sondern als bunt<br />
zusammengewürfelten Haufen, in dem sich, neben ganz normalen und unpolitischen deutschen Angestellten,<br />
Berufsdiplomaten und karrieresüchtige Jungnazis eifersüchtig um die Gunst der Politiker und Mächtigen des Gastlandes<br />
stritten.
Ab Ende 1944 brach jedoch die Disziplin innerhalb der Kolonie und der Partei endgültig auseinander und jeder versuchte<br />
„zu retten, was zu retten war“. Von der so hoch gepriesenen deutschen Disziplin und Ordnung blieb wenig übrig. Innerhalb<br />
der Botschaft kam es zu Bestechungen, Raub und Betrug. Zurück blieb eine leere Gesandtschaft und ein<br />
unbeschreibliches Chaos.<br />
Nach dem Sieg der Alliierten herrschte zunächst einmal Panik. Parteimitglieder, Gestapo und Wehr<strong>macht</strong>soffiziere<br />
versteckten sich in Klöstern oder bei spanischen Familien. Jeder hatte Angst um sein Leben.<br />
Nachdem jedoch bald ersichtlich war, dass die Alliierten keine blutige Rache üben würden, kamen die kleineren<br />
Angestellten und Parteimitglieder bald wieder aus den Verstecken hervor.<br />
Bald darauf fertigten die Alliierten Listen mit Nazigrößen an und verlangten ihre Auslieferung. Franco zeigte sich anfangs<br />
willig, wusste er doch, dass auch sein Regime Gefahr lief zusammenzubrechen, würden die Alliierten auch nur<br />
wirtschaftlichen Druck machen.<br />
Mitte 1945 kamen erste Geflohene, speziell des Vichy-Regimes ins Land. Auf den Druck der Alliierten lieferte Franco<br />
Pierre Laval, den Ministerpräsidenten des Vichy-Regimes aus. Die Hinrichtung Lavals im Oktober 1945 in Paris brachte<br />
Franco in innenpolitische Bedrängnis, wurde ihm doch von Partei und Militärs vorgeworfen seine „alten Kameraden“ zu<br />
verraten. Dies hatte zur Folge, dass andere belgische und französische Kollaborateure wie Abel Bonnard, Rene Lagrou<br />
oder León Degrelle der Auslieferung entkamen. Degrelle, Waffen-SS General und Führer der belgischen Pro-Nazi<br />
Bewegung Rex, war 1945 mit einem Flugzeug des norwegischen Faschisten Vidkun Quisling nach Spanien gefürchtet.<br />
Speziell geschützt jedoch waren ehemalige Mitglieder der Legion Kondor - Hilters Luftwaffenkorps, das während des<br />
Bürgerkriegs bei dem Sieg der Franco Armee eine entscheidende Rolle spielte – die bei den Militärs und den<br />
falangistischen Kreisen immer noch großes Ansehen genossen.<br />
Im Allgemeinen kennzeichnete diese zweite und dritte Phase jedoch ein jäher Abstieg der Position der Deutschen im<br />
Lande, bedeutete sie doch immerhin den Wandel des „Herrenmenschen“ zum „Fluchttier.“ Dass dieses „Tier“ schliesslich<br />
doch nicht erlegt wurde, ist nicht zuletzt der Hilfe - wie ja auch in Österreich und Italien – von Teilen der katholischen<br />
Kirche zuzuschreiben. Die für ehemaligen Nazis unsicheren Jahre 45 bis 48 waren aber nur ein vorübergehender Sturm,<br />
der sich mit Beginn des kalten Krieges legte.<br />
Die Lockerung der Situation nützen viele Nazis, um in das endgültig sichere Südamerika zu entkommen, andere, die sich<br />
dem Schutz Francos sicher waren, begannen sich eine neue Existenz in Spanien aufzubauen.<br />
Ein besonderes Tätigkeitsfeld waren dabei Bauunternehmen und Waffenhandel. Wohl auf Empfehlung ihrer spanischen<br />
Kameraden zog man sich aber aus den von alliierten Spionen überfüllten Metropolen wie Madrid und Barcelona zurück<br />
und suchte in den abgelegenen Küstenstädten Südspaniens neue Betätigungsfelder.<br />
Anfang der 50er Jahre flüchtete auch der Wiener SS-Offizier Otto Skorzeny nach Spanien. Er war 1943<br />
bekanntlicherweise bei der „Befreiung“ Mussolinis dabei gewesen und hatte bei der Niederschlagung des Widerstands um<br />
Stauffenberg aktiv mitgewirkt. Skorzeny wurde vor dem amerikanischen Kriegsverbrecher-Tribunal in Dachau ("Dachauer<br />
Prozesse") angeklagt und freigesprochen. Einer Bestrafung durch die deutschen Behörden entzog er sich im Juli 1948<br />
durch Flucht aus dem Gefängnis in Darmstadt und tauchte in Spanien unter. Skorzeny war der mutmaßliche Organisator<br />
der "Spinne", die NS-Funktionären zur Flucht - zunächst über die "Nordroute", später nach Italien und Spanien und von<br />
dort aus über die sogenannte Rattenlinie in südamerikanische Länder – verhalf. Anfang 1949 kam er selbst in Argentinien<br />
an. 1951 tauchte er wieder in Spanien auf, wo er eine Import-Export-Firma betrieb und zugleich Repräsentant mehrerer<br />
bundesdeutscher Firmen war. Später verlegte er sich auf Immobiliengeschäfte an der Costa del Sol. Mehrere Jahre reiste<br />
er ständig zwischen Buenos Aires und Madrid hin und her; Mit dem argentinischen Präsidentenpaar "Evita" und Juan<br />
Perón pflegte er engen Kontakt. In Spanien genoss Skorzeny den persönlichen Schutz von Diktator Franco und konnte<br />
sich so unbehelligt in Madrid bewegen und gab sogar Interviews. Zu dem führenden Rexisten und belgischen Nazi-<br />
Kollaborateur Léon Degrelle pflegte er eine freundschaftliche Beziehung und gründete zusammen mit ihm 1960 den<br />
internationalen Neonazi-Zirkel CEDADE (Circulo Espanol de Amigos de Europa).<br />
Ab Anfang der 60er Jahre, nach den jeweiligen Amnestiegesetzen in Deutschland und Österreich fiel jede Vorsicht ab und<br />
man zeigte sich wieder in der Öffentlichkeit. Skorzeny wurde zum gern gesehen Kuriosum in der madrilenischen<br />
Gesellschaft, Degrelle zum rechtsradikalen Mythos des „Antikommunistischen Widerstandes“. Beide arbeiteten eng<br />
zusammen und hielten besonders gute Kontakte zu den in Südamerika versteckten Kriegsverbrechern.<br />
In dieser Zeit wanderten zahlreiche ehemalige Nazis nach Spanien aus, um hier ihre Existenz aufzubauen. Teils aus<br />
wirtschaftlichen Überlegungen, v.a. wohl auch aus ideologischen, denn Spanien war zu dieser Zeit das letzte Redukt des<br />
europäischen Pronazi-Faschismus (abgesehen von Portugal und Griechenland, die aber nie Verbündete von Hitler waren).<br />
Unter die vielen deutschen Urlauber gemischt fühlte man sich wohl im faschistischen Franco-Spanien. Häuser wurden<br />
gekauft und „deutsche“ Siedlungen entstanden, in denen neben ganz normalen deutschen und österreichischen Urlaubern<br />
und Pensionisten, kleine Alt-Nazizirkeln wirkten. Besondere Bedeutung haben hier die Küstenstädte Denia und Marbella.<br />
Anfang der 60er Jahre soll es in Marbella auch zu einem Geheimtreffen von weltweit gesuchten ehemaligen SS Schergen<br />
gekommen sein. Geleitet haben sollen dieses Treffen Otto Skorzeny und Leon Degrelle. Das Treffen steht im<br />
Zusammenhang mit ODESSA, und wurde von Simon Wiesenthal ja umfangreich beschrieben und kommentiert. (Ob dieses<br />
Treffen nun wirklich stattfand oder nicht, in jedem Fall ist Ort und Zeitpunkt bezeichnend für die Rolle Franco-Spaniens zu<br />
jener Zeit.)
In jenen Jahren beginnt die eigentliche Bedeutung Spaniens für den Aufbau der europäischen Neonazibewegung.<br />
Einerseits fungierte es als Brückenkopf zu den geflüchteten Nazis in Südamerika, andererseits als Rückzugsgebiet für in<br />
Europa verurteilte Neonazis. In Franco-Spanien wurden sie weder verfolgt, noch überwacht. Viele der deutschen und<br />
österreichischen Neonazi-Schriften wurden in der Folgezeit hier veröffentlicht und vertrieben.<br />
Spanien war also eine Art „Insel der Seligen“ für die über die demokratische Entwicklung in Westdeutschland und<br />
Österreich verbitterten Alt-Nazis und kampfmüden Neonazis.<br />
Hier traf man sich, hier feierte man Hitler-Geburtstage, hier konnte man ganz offen das Dritte Reich bejubeln und die<br />
Alliierten beschimpfen. Ein ehemaliger SS-Mann oder Nazi-Funktionär gewesen zu sein, war hier keine Schande. Denn<br />
verurteilte die offizielle Franco-Propaganda zwar den Massenmord an den Juden, sympathisierten breite Teile der Franco<br />
Anhänger jedoch mit dem NS-Regime und dessen Methoden.<br />
In diesem Klima gegenseitiger Empathie entwickelte sich im Laufe der Zeit ein wohlig warmes Nest für „Ehemalige“, die<br />
gerne und oft die warme Sonne der Küsten Spaniens und das „freiheitliche“ Ambiente genossen, in dem man mit<br />
freizügiger Unverfrorenheit alten Gewohnheiten freien Lauf lassen konnte.<br />
So ist es nicht verwunderlich, dass Skorzeny und Degrelle in wenigen Jahren zu ungeheurem Reichtum brachten,<br />
verwickelt in Grundstückspekulationen und Waffenhandel.<br />
Man darf diese Freiraum, den Franco-Spanien den Alt- und Neonazis bot, nicht unterschätzen. Gibt es nämlich ein<br />
Rückzuggebiet, so gibt auch die Möglichkeit von dort aus subversiv zu wirken.