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symposiumsDokumentation<br />

BEYOND THE<br />

WHITE CUBE?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />

und Inszenierung heute


Beyond the<br />

White Cube?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />

und Inszenierung heute<br />

Dokumentation zum Symposium<br />

<strong>in</strong> der berl<strong>in</strong>ischen galerie<br />

am 25.03.2011<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

2


INHALT<br />

Vorwort 4<br />

Thomas Köhler<br />

1. Beyond the White Cube? 5<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann, Christ<strong>in</strong>a Landbrecht, Philip Norten<br />

2. Tendenzen der Kunstpräsentation seit 9<br />

Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />

Anke Kugelmann<br />

3. Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel – Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen 12<br />

und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

Charlotte Klonk<br />

4. Argumentationen im Raum – Vom modernen White Cube 17<br />

zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />

Ellen Blumenste<strong>in</strong><br />

5. Szenografie und Ausstellungsraum 20<br />

Beatrix von Pilgrim<br />

6. Curatorial Design 32<br />

Wilfried Kuehn<br />

7. Perform<strong>in</strong>g the Museum 42<br />

Re<strong>in</strong> Wolfs<br />

Biografien der Referenten 47<br />

Impressum 49<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

3


Vorwort<br />

Thomas Köhler<br />

„E<strong>in</strong> Grund, warum Kunstmuseen bei Architekten<br />

so beliebt und so absonderlich s<strong>in</strong>d, ist, dass die<br />

Architekten offensichtlich glauben, sie hätten ke<strong>in</strong>e<br />

Funktion, und ihre Auftraggeber denken genauso,<br />

denn für sie hat Kunst ke<strong>in</strong>e Bedeutung.“<br />

An Donald Judds Aussage manifestiert sich die<br />

grundlegende Kritik, die von Seiten der Künstler seit<br />

den 1960er Jahren an der Institution Museum und<br />

<strong>in</strong>sbesondere an der Artifizialität des White Cube<br />

und se<strong>in</strong>en geradezu diktatorischen Vorgaben an die<br />

Präsentation von Kunstwerken geübt wurde. Seither<br />

wurde das Pr<strong>in</strong>zip des White Cube wiederholt<br />

aufgebrochen und von Künstlern und Kuratoren als<br />

Herausforderung begriffen, alternative Präsentationsund<br />

Rezeptionsvoraussetzungen zu schaffen.<br />

Die Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong> bef<strong>in</strong>det sich seit 2004 <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em ehemaligen Glaslager, welches <strong>in</strong> kürzester<br />

Zeit von e<strong>in</strong>em Industriebau <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ausstellungs<strong>in</strong>stitut<br />

umgewandelt wurde. Man hat im Zuge der<br />

Baumaßnahmen den ursprünglichen Charakter<br />

grundlegend verändert und die Geschichte des Baus<br />

ausgelöscht. Ziel war es, e<strong>in</strong>en möglichst flexiblen<br />

Ausstellungskubus, e<strong>in</strong>en White Cube, zu schaffen,<br />

der nicht nur für die Sammlung, sondern auch für<br />

Wechselausstellungen e<strong>in</strong>en zeitgemäßen Rahmen<br />

bilden sollte. Ke<strong>in</strong>e große architektonische Geste<br />

dom<strong>in</strong>iert das Gebäude, sondern der Inhalt: <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

entstandene Kunst seit 1870. Der Kubus hat sich<br />

bewährt. Er ist offen und anpassungsfähig genug,<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl von Ausstellungs- und Interventionsformen<br />

zuzulassen. E<strong>in</strong> unverzichtbarer Vorzug, der<br />

<strong>in</strong>sbesondere für die zeitgenössischen Künstler viele<br />

Vorteile birgt.<br />

Das Symposium fragte nach e<strong>in</strong>em heutigen<br />

Umgang mit dem Ausstellungskonzept, Kunst <strong>in</strong> weißen<br />

Räumen zu präsentieren. Auch trotz der immer<br />

wieder thematisierten Kritik am White Cube bildet<br />

er als Idee weiterh<strong>in</strong> die konzeptuelle Grundlage<br />

vieler Ausstellungsräume. Anlass für das Symposium<br />

war die 2011 realisierte Neugestaltung der Sammlungspräsentation<br />

der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> durch<br />

das Berl<strong>in</strong>er Architekturbüro David Saik und die<br />

damit verbundene Inszenierung der Sammlung. Der<br />

Prozess der Neukonzeption erfolgte unter Mitwirkung<br />

aller Sammlungsbereiche des Museums. Das Ziel war<br />

e<strong>in</strong>e für den Besucher nachvollziehbare Ordnung und<br />

Abfolge sowie e<strong>in</strong>e visuell stimulierende Gestaltung,<br />

die auch vor farbigen Wänden nicht zurückschreckt.<br />

Die Idee zu diesem Symposium wurde von den<br />

damaligen wissenschaftlichen Volontären der Berl<strong>in</strong>ischen<br />

<strong>Galerie</strong> entwickelt: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke<br />

Kugelmann, Christ<strong>in</strong>a Landbrecht und Philip Norten.<br />

Allen b<strong>in</strong> ich für ihren kunsthistorischen Input, ihre<br />

Diskussionen, Konzeption und Umsetzung der Veranstaltung<br />

überaus dankbar. Desweiteren freue ich<br />

mich über die Bereitschaft der Referenten, Beiträge<br />

zu den unterschiedlichen Themenkomplexen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen:<br />

Charlotte Klonk, Professor<strong>in</strong> für Kunst und<br />

Neue Medien an der Humbold-Universität Berl<strong>in</strong>,<br />

Ellen Blumenste<strong>in</strong>, freie Kurator<strong>in</strong> und Gründer<strong>in</strong> des<br />

Salon Populaire, Beatrix von Pilgrim, Professor<strong>in</strong> für<br />

Szenografie an der Hochschule für Gestaltung <strong>in</strong><br />

Karlsruhe, Wilfried Kühn, Professor für Ausstellungspraxis<br />

ebenfalls an der Hochschule für Gestaltung <strong>in</strong><br />

Karlsruhe, sowie Re<strong>in</strong> Wolfs, ehemals künstlerischer<br />

Leiter der Kunsthalle Fridericianum. Allen sei für ihre<br />

engagierten Beiträge herzlich gedankt. Schließlich<br />

gilt me<strong>in</strong> Dank Susanne Pfeffer, Kurator<strong>in</strong> (KW – Institute<br />

for Contemporary Art Berl<strong>in</strong>), Friedrich von Borries,<br />

Professor für Designtheorie an der Hochschule<br />

für Bildende Künste <strong>in</strong> Hamburg, Dieter Scholz,<br />

Kurator (Neue Nationalgalerie Berl<strong>in</strong>) und Thomas<br />

Willemeit, Architekt (GRAFT), für Ihre Diskussionsbeiträge<br />

<strong>in</strong> dem von Nikolaus Bernau (Architekturhistoriker<br />

und -kritiker) moderierten Abschlusspodium.<br />

Neben sehr stimulierender Aufbruchsrhetorik<br />

und e<strong>in</strong>em historischem Rückblick wurde deutlich,<br />

dass weniger der White Cube als isolierter Raum im<br />

Mittelpunkt der Diskussion stand, sondern vor allem<br />

die Institution Museum – und wie diese unterschiedlichen<br />

ästhetischen Praktiken e<strong>in</strong>en Raum geben kann.<br />

1 Donald Judd, Kunst und Architektur, 1987, <strong>in</strong>: Donald Judd, Architektur,<br />

Ostfildern bei Stuttgart 1987, S. 170.<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

4


Beyond the<br />

White Cube?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />

und Inszenierung heute<br />

Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann,<br />

Christ<strong>in</strong>a Landbrecht und Philip Norten<br />

Bei se<strong>in</strong>em Ersche<strong>in</strong>en 1976 löste der Aufsatz<br />

„Inside the White Cube“ des Kritikers und Künstlers<br />

Brian O’Doherty e<strong>in</strong>e breite Debatte aus. Dar<strong>in</strong><br />

erörterte er die Funktion des „klassischen“ <strong>Galerie</strong>raums<br />

– des weißen, sterilen Ausstellungsraums,<br />

der die Umwelt soweit wie möglich ausschließt – im<br />

Kunstsystem. Der White Cube wurde von O’Doherty<br />

als „Kultraum der Ästhetik“ 1 def<strong>in</strong>iert, der jeglichen<br />

Bezug zum alltäglichen Leben verloren hatte. Se<strong>in</strong>e<br />

Überlegungen basierten jedoch nicht auf neuen<br />

Gestaltungsideen der Kuratoren, sondern oftmals auf<br />

e<strong>in</strong>er rigorosen Antihaltung der Künstler gegenüber<br />

dem weißgetünchten und fensterlosen Museumsraum.<br />

Yves Kle<strong>in</strong>, Joseph Kosuth, Daniel Buren und<br />

andere Künstler dieser Generation hatten sich seit<br />

den späten 1960er Jahren immer wieder und mit<br />

bemerkenswerter Radikalität mit dem <strong>Galerie</strong>- und<br />

Museumsraum ause<strong>in</strong>andergesetzt und dessen Rolle<br />

und Bedeutung <strong>in</strong> ihrer Kunstproduktion reflektiert.<br />

Sie machten auf die wichtige Funktion des White<br />

Cube im Kunstsystem aufmerksam, <strong>in</strong>dem sie die<br />

„weiße Zelle“ selbst zum Ausstellungsthema erklärten<br />

oder sie mit ihren Arbeiten gar verließen.<br />

Diese künstlerische Ause<strong>in</strong>andersetzung blieb<br />

nicht auf die 1960er Jahre beschränkt. Zeitgenössische<br />

Kunstschaffende wie Gerwald Rockenschaub,<br />

Louise Lawler oder Christoph Büchel haben sich <strong>in</strong><br />

vielfältiger Weise mit der Tradition des weißen Ausstellungsraumes<br />

befasst und ihn mit bildhauerischen,<br />

malerischen oder fotografischen Mitteln verändert,<br />

negiert und sogar außer Kraft gesetzt. Ob sie dabei<br />

die Künstlichkeit des Raumes betonten oder den<br />

Ausstellungsraum selbst zum Hauptaspekt ihrer<br />

künstlerischen Arbeit machten – es sche<strong>in</strong>t stets,<br />

als würde der idealtypische White Cube <strong>in</strong> gleichem<br />

Maße <strong>in</strong> der Kritik stehen wie er zu e<strong>in</strong>em formbaren<br />

Material wird.<br />

In Anlehnung an den e<strong>in</strong>flussreichen Aufsatz –<br />

aber auch an die zuvor genannten Beispiele – haben<br />

wir dem Symposium den Titel „Beyond the White<br />

Cube“ gegeben, diesen jedoch mit e<strong>in</strong>em Fragezeichen<br />

versehen. Bef<strong>in</strong>den wir uns heute im H<strong>in</strong>blick<br />

auf Raumlösungen für Ausstellungen tatsächlich<br />

„jenseits der weißen Zelle“? In Bezug auf den White<br />

Cube bietet sich aktuell e<strong>in</strong> ambivalentes Bild. Auf<br />

den ersten Blick dom<strong>in</strong>iert das Konzept der weißen<br />

Zelle weiterh<strong>in</strong> Museums- und <strong>Galerie</strong>räume für<br />

moderne und zeitgenössische Kunst. Der öffentliche<br />

Diskurs über Museumsarchitektur wird durch spektakuläre<br />

Neubauten bestimmt, die – ganz im S<strong>in</strong>ne<br />

des Stadtmarket<strong>in</strong>g – den künstlerischen Charakter<br />

der Architektur <strong>in</strong> den Vordergrund stellen. Gerade<br />

prom<strong>in</strong>ente Museumsneubauten wie Frank O. Gehrys<br />

Guggenheim-Dependance <strong>in</strong> Bilbao oder Zaha<br />

Hadids MAXXI <strong>in</strong> Rom überraschen jedoch lediglich<br />

mit spektakulären Fassaden, während das Innere<br />

dieser Museen jegliches Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er neuen<br />

Raumgestaltung zu negieren sche<strong>in</strong>t: Der Parkettboden<br />

und die weiß getünchten Decken und Wände<br />

s<strong>in</strong>d und bleiben <strong>in</strong>ternationaler Standard.<br />

Gerade <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> kann man verstärkt wahrnehmen,<br />

<strong>in</strong> welch vielfältiger Weise das Konzept des White<br />

Cube seit den 1990er Jahren aufgebrochen wird. Die<br />

KW – Institute for Contemporary Art leisteten bei<br />

dieser Entwicklung mit der 1998 <strong>in</strong>s Leben gerufenen<br />

Berl<strong>in</strong> Biennale Pionierarbeit. Diese Biennale hat die<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

5


Beyond the White Cube?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Präsentation von Kunst <strong>in</strong> umgenutzten historischen<br />

Räumen erfolgreich vorgeführt und auf das enorme<br />

Entfaltungspotenzial h<strong>in</strong>gewiesen, das zeitgenössische<br />

Kunst fernab aller Ausstellungsstandards zu<br />

entwickeln vermag. Seither haben sich be<strong>in</strong>ahe alle<br />

Berl<strong>in</strong> Biennalen an diesem Modell orientiert und<br />

dabei Gebäude wie die frühere Jüdische Mädchenschule<br />

<strong>in</strong> der Auguststraße, das Postfuhramt an der<br />

Oranienburger Straße oder e<strong>in</strong> ehemaliges Kaufhaus<br />

am Kreuzberger Oranienplatz erstmals als historische<br />

und kulturelle Orte im Bewusstse<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er<br />

Kultur<strong>in</strong>teressierten verankert.<br />

Diese nomadische Suche nach alternativen Ausstellungsorten<br />

ist <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> seit dem Fall der Mauer<br />

1989 <strong>in</strong> vollem Gange und stellt e<strong>in</strong>en nicht zu unterschätzenden<br />

Faktor der Popularität der Stadt bei<br />

Kunst- und Kulturproduzenten dar. Doch die dr<strong>in</strong>glichere<br />

Frage war für uns Organisatoren jene nach der<br />

Haltung der Institutionen. Was tun mit dem klassischen<br />

White Cube des Museums? Was kann dieses<br />

Modell heute noch leisten, und welche Bedeutung<br />

können Kuratoren ihm zugestehen? Warum spielt die<br />

Inszenierung von Ausstellungen e<strong>in</strong>e immer größere<br />

Rolle? Steht dies im Zusammenhang mit der Suche<br />

nach neuen Präsentationsformen für Installationen<br />

und Videoarbeiten?<br />

Um diese Fragen zu diskutieren und sich der wandelnden<br />

Bedeutung des White Cube zu nähern, bietet<br />

sich e<strong>in</strong> Blick auf die historische Entwicklung an. In<br />

den letzten Jahren setzte e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Beschäftigung<br />

mit den Ausstellungen der 1920er Jahre<br />

e<strong>in</strong> und <strong>in</strong>folgedessen e<strong>in</strong>e Untersuchung, wie diese<br />

Präsentationsformen die Wahrnehmung moderner<br />

Kunst bee<strong>in</strong>flussten. In diesem Zusammenhang<br />

thematisieren und h<strong>in</strong>terfragen Kunsthistoriker, Architekturhistoriker<br />

und Architekten den Entstehungsmythos<br />

des White Cube. Zahlreiche Publikationen der<br />

letzten Jahre – unter anderem von Charlotte Klonk 2<br />

– dokumentieren die historische Vielzahl an Ausstellungsformen<br />

moderner Kunst und widerlegen so die<br />

behauptete „natürliche“ Verb<strong>in</strong>dung von Werken der<br />

Avantgarde mit dem weißen, verme<strong>in</strong>tlich neutralen<br />

Ausstellungsraum.<br />

Die konkreten Ergebnisse dieser „Wiederentdeckung“<br />

historischer Präsentationsformen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Sammlungspräsentationen von Museen zu<br />

beobachten. So wird <strong>in</strong> Museumsräumen, <strong>in</strong> denen<br />

Werke der Klassischen Moderne gezeigt werden<br />

– wie zum Beispiel im Städel Museum <strong>in</strong> Frankfurt<br />

am Ma<strong>in</strong> oder im Wallraf-Richartz-Museum <strong>in</strong> Köln<br />

– heute wieder verstärkt mit Wandfarbe gearbeitet.<br />

Die farbigen Räume s<strong>in</strong>d dabei als Teil e<strong>in</strong>es atmosphärischen<br />

Ausstellungsparcours gedacht, der den<br />

Besuchern auf ihrem Rundgang abwechslungsreiche<br />

Räume bieten und zugleich an die Farbvielfalt historischer<br />

Kunstpräsentationen er<strong>in</strong>nern soll.<br />

Im Rahmen der Sammlungsneupräsentation<br />

wurden <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> im Jahr 2011 die<br />

Ausstellungsräume im Obergeschoss des Hauses<br />

nach Entwürfen des Berl<strong>in</strong>er Büros David Saik neu<br />

angeordnet. Die Farben der Wände orientieren sich<br />

hier jedoch weniger an historischen Präsentationsformen,<br />

sondern sollen vielmehr den Kunstwerken<br />

zusätzliche Tiefe verleihen und dem Betrachter beim<br />

Durchschreiten der Raumfolge Abwechslung bieten<br />

(Abb. 1).<br />

Auch e<strong>in</strong>ige zeitgenössische Künstler stellen den<br />

Mehrwert des klassisch weißen Ausstellungsraumes<br />

<strong>in</strong> Frage. Im Jahr 20<strong>10</strong> haben sich zwei Künstler<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>zelpräsentationen <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen<br />

<strong>Galerie</strong> auf ganz unterschiedliche Weise mit den traditionell<br />

<strong>in</strong> Weiß gehaltenen Museumsräumen ause<strong>in</strong>andergesetzt.<br />

So spaltete Susanne Kriemann <strong>in</strong> ihrer<br />

vielschichtigen Arbeit „Ashes and broken brickwork<br />

of a logical theory“ <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>gangshalle des Museums<br />

(Abb. 2) das weiße Neonlicht der Deckenbeleuchtung<br />

<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Farben des Spektrums auf<br />

und verlieh dem Raum e<strong>in</strong>e ungewohnte Ersche<strong>in</strong>ung.<br />

Wie e<strong>in</strong> Regenbogen breitete sich das Licht im Raum<br />

aus, so dass die Wahrnehmung des Betrachters<br />

herausgefordert wurde: Schließlich musste sich das<br />

Auge erst an den jeweiligen Farbton des Raumabschnitts<br />

gewöhnen, bevor man das Werk „im rechten<br />

Licht“ betrachten konnte. Susanne Kriemann erteilte<br />

dem White Cube als verme<strong>in</strong>tlich neutralem Raum<br />

e<strong>in</strong>e nachdrückliche Absage, brach jedoch sehr subtil<br />

mit dessen Neutralitätsanspruch.<br />

Während Kriemanns Umgang mit dem White<br />

Cube – ganz im Stil ihrer Arbeit als Konzeptkünstler<strong>in</strong><br />

– e<strong>in</strong> kalkuliert-konzeptueller E<strong>in</strong>griff war, nutzte Nan<br />

Gold<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Ausstellung Nan Gold<strong>in</strong> – Berl<strong>in</strong> Work<br />

(20<strong>10</strong>-11) verschiedene Wandfarben, um ihren Ausstellungsraum<br />

atmosphärisch zu verändern. Dabei<br />

ist <strong>in</strong> ihrem Fall die Farbauswahl sowohl e<strong>in</strong> ästhetisches<br />

Mittel – verliehen doch die präzise gewählten<br />

Wandfarben Nan Gold<strong>in</strong>s Fotografien e<strong>in</strong>e ungeahnte<br />

Leuchtkraft – als auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>haltliches Mittel, das<br />

bewusst der Inszenierung der eigenen Arbeiten dient<br />

(Abb. 3).<br />

Der englische Künstler Michael Dean wählt e<strong>in</strong>en<br />

ganz anderen Weg, <strong>in</strong>dem er den Besucher zur Interaktion<br />

anregt. In se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelausstellung Govern-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Beyond the White Cube?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

ment im Henry Moore Institute <strong>in</strong> Leeds verkleidete<br />

er den Boden des Ausstellungsraumes mit Teppich<br />

und setzte die Aufsichten als Performer e<strong>in</strong>. Sie sollten<br />

sich während ihrer Arbeitszeit auf den Teppich<br />

setzen und <strong>in</strong> unregelmäßigen Abständen Deans<br />

Texte vorlesen. Se<strong>in</strong>e Arbeit kann sowohl als E<strong>in</strong>griff<br />

<strong>in</strong> die Ästhetik des Raumes verstanden werden wie<br />

auch als Reflexion über <strong>in</strong>stitutionelle Vorgaben.<br />

Dem Bildhauer Michael Dean genügt nicht mehr der<br />

Diskurs über Form und Materialbehandlung. Se<strong>in</strong>e<br />

Werke sollen den Besucher vielmehr über das Taktile<br />

erreichen. Der Raum wird zur Handlungsanweisung<br />

– für das Publikum ebenso wie für die Personen, die<br />

täglich dar<strong>in</strong> arbeiten.<br />

Deans Government ist somit auch e<strong>in</strong> Beispiel<br />

für e<strong>in</strong>e neue Form des Dialogs zwischen Kunstwerk<br />

und Besucher. E<strong>in</strong> Aspekt, den die Kurator<strong>in</strong> Ellen<br />

Blumenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem Beitrag vertiefend erörtert. Mit<br />

ihrem Projekt „Salon Populaire“ denkt sie über neue<br />

Ausstellungsformen nach, welche die passive Rolle<br />

des Ausstellungsbesuchers aufbrechen. So ist der<br />

„Salon Populaire“ konzipiert als e<strong>in</strong> Ort der Diskussion<br />

und des Austauschs an der Schnittstelle zwischen<br />

Ausstellungsort und Wissenschaft.<br />

Seit Kurzem fällt immer häufiger e<strong>in</strong> Begriff, der<br />

den choreografischen Aspekt kuratorischen Denkens<br />

aufzeigt: Man spricht von „Inszenierungen“ oder gar<br />

von „Szenografie“. In den letzten Jahren entwickelte<br />

Studiengänge für Szenografie – etwa an der Hochschule<br />

für Gestaltung Karlsruhe oder an der Fachhochschule<br />

Dortmund – bestätigen die zunehmende<br />

Bedeutung dieses neuen Berufsfeldes, das sich mit<br />

dem Verhältnis von Betrachter, Raum und Ausstellungsobjekt<br />

befasst.<br />

Doch wie setzt man Kunst <strong>in</strong> Szene? Wie gestaltet<br />

man e<strong>in</strong>en Raum szenisch? Und wer tut dies: der Kurator,<br />

der Szenograf oder der Künstler? In welchem<br />

Verhältnis stehen Inszenierung und Szenografie, und<br />

welche Rolle spielen sie für den Ausstellungsraum?<br />

E<strong>in</strong>e nähere Begriffsdef<strong>in</strong>ition und Abgrenzung ist<br />

notwendig, um e<strong>in</strong>e klare Diskussionsgrundlage zu<br />

schaffen. Beatrix von Pilgrim, Professor<strong>in</strong> an der HfG<br />

Karlsruhe, bildende Künstler<strong>in</strong> und Szenograf<strong>in</strong>, erörtert,<br />

was der Begriff Szenografie me<strong>in</strong>t und welche<br />

Relevanz das Szenografische für den Ausstellungsraum<br />

haben kann.<br />

Kühn Malvezzi bei zahlreichen Projekten bewiesen.<br />

Doch wo ist die Grenze zwischen dem Aufgabenfeld<br />

des Kurators und jenem des Architekten? Ab welchem<br />

Punkt ist der Architekt mit se<strong>in</strong>er Raumplanung<br />

bereits <strong>in</strong> den Prozess des Kuratierens e<strong>in</strong>bezogen?<br />

Und schließlich: Kann und sollte man sich als Architekt<br />

überhaupt von e<strong>in</strong>em bestimmten Formenkanon<br />

<strong>in</strong> der Architektur lösen, oder ist der White Cube e<strong>in</strong><br />

allzu dom<strong>in</strong>antes Konstrukt?<br />

Künstler, Architekten, Szenografen, Kuratoren –<br />

wie kann e<strong>in</strong>e fruchtbare Zusammenarbeit und Kompetenzabgrenzung<br />

zwischen den Diszipl<strong>in</strong>en funktionieren?<br />

Steht die Frage nach der Autorenschaft e<strong>in</strong>er<br />

Ausstellung noch im Vordergrund, oder wird sie zugunsten<br />

e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen „th<strong>in</strong>k tank“ nebensächlich?<br />

Welche Rolle spielt der Kurator neben Architekten,<br />

Szenografen und Künstlern eigentlich noch? Und<br />

schließlich: Wie neutral s<strong>in</strong>d White Cube und Black<br />

Box eigentlich? Und wie viel Neutralität wollen wir<br />

heute überhaupt? Diesen Fragen g<strong>in</strong>gen wir ebenso<br />

im Symposium nach wie wir sie mit der vorliegenden<br />

Publikation thematisieren. Aktuelle Tendenzen der<br />

Ausstellungsgestaltung sollen historisch verortet,<br />

<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är diskutiert und auf ihre Relevanz für die<br />

Praxis geprüft werden.<br />

Wir danken allen Referenten, der Direktion und<br />

allen Kollegen der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong>, die dieses<br />

Projekt unterstützt und ermöglicht haben, sowie allen<br />

Zuhörern für das große Interesse und die Diskussionsbereitschaft.<br />

1 Brian O‘Doherty (1976), Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W.<br />

(Hrsg.): In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996. S. 9<br />

2 Charlotte Klonk, Spaces of Experience. Art Gallery Interiors from 1800 to<br />

2000. New Haven & London 2009<br />

Auch der Anspruch e<strong>in</strong>es flexiblen Umgangs mit<br />

dem Raum ist mittlerweile e<strong>in</strong> fester Bestandteil der<br />

Ausstellungspraxis. Architekten entwickeln Ausstellungsarchitekturen,<br />

die auf die besonderen Herausforderungen<br />

der Kunst e<strong>in</strong>gehen. Dies hat das Büro<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Beyond the White Cube?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Abb. 1: Kunst <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 1880–1980, Sammlungsneupräsentation der<br />

Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> 2011 (Architekt: David Saik), Raum: Aufbruch<br />

der Avantgarde<br />

Abb. 2: Susanne Kriemann. Ashes and broken brickwork of a logical<br />

theory. GASAG-Kunstpreis 20<strong>10</strong>, Ausstellungsansicht, Berl<strong>in</strong>ische<br />

<strong>Galerie</strong><br />

Abb. 3: Nan Gold<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong> Work, Ausstellungsansicht, Berl<strong>in</strong>ische<br />

<strong>Galerie</strong> 20<strong>10</strong><br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Tendenzen der<br />

Kunstpräsentation<br />

seit Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />

Anke Kugelmann<br />

In den drei wegweisenden Essays, die der Künstler<br />

und Kunstkritiker Brian O’Doherty unter dem Titel<br />

„Inside the White Cube“ 1 1976 im Kunstmagaz<strong>in</strong> artforum<br />

veröffentlichte, steht das Verhältnis von Raum,<br />

Kunstwerk und Betrachter im Mittelpunkt. Der Autor<br />

beschrieb den White Cube als e<strong>in</strong>e hochartifizielle<br />

Umgebung für zeitgenössische Kunst, e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>bar<br />

neutralen, hermetischen Raum mit glatten weißen<br />

Wänden, gleichmäßig ausgeleuchtet, clean und<br />

künstlich. Dabei ist der Text deutlich von O’Dohertys<br />

eigenen Erfahrungen mit Ausstellungsräumen geprägt.<br />

Den Ausstellungsraum e<strong>in</strong>er <strong>Galerie</strong> bezeichnete<br />

er als „unique chamber of esthetics“ 2 , <strong>in</strong> dem<br />

das aus dem Künstleratelier überführte Werk für den<br />

Handel bereitgestellt wird. „The work is isolated from<br />

everyth<strong>in</strong>g that would detract from its own evaluation<br />

of itself.” 3 Nicht unmittelbar im Zusammenhang mit<br />

den Exponaten stehende Objekte wie Büromöbel<br />

werden daher möglichst aus dem Raum verbannt.<br />

Selbst die Anwesenheit der eigenen Person – oder<br />

gar schlimmer: weiterer Betrachter – wirkt häufig<br />

überflüssig. O’Doherty führte diese Empf<strong>in</strong>dung auf<br />

den Umstand zurück, dass <strong>in</strong> Ausstellungsansichten<br />

lange Zeit der Betrachter elim<strong>in</strong>iert wurde. Diese<br />

Aufnahmemethode habe die Wahrnehmung der<br />

Rezipienten nachhaltig bee<strong>in</strong>flusst. 4 Während Ausstellungshäuser<br />

mit ihren oftmals künstlich belebten<br />

Ausstellungsfotos Attraktivität und Besucher<strong>in</strong>teresse<br />

suggerieren wollen, lenken Galeristen weiterh<strong>in</strong><br />

den Fokus auf die Kunstwerke, die es zu vermarkten<br />

gilt. „Für den Handel war es erforderlich, die weiße<br />

<strong>Galerie</strong> als e<strong>in</strong>e große Boutique aufrechtzuerhalten<br />

[…]“, kommentierte O’Doherty. 5 Der Betrachter und<br />

potentielle Käufer soll <strong>in</strong> diesem e<strong>in</strong>gangs beschriebenen<br />

Umfeld ohne störende E<strong>in</strong>flüsse zur Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit sich und dem Kunstwerk angeregt<br />

werden. Wie aber wirkt das Kunstwerk <strong>in</strong> den Räumlichkeiten<br />

des Käufers, die nicht zwangsläufig den<br />

oben genannten Kriterien entsprechen?<br />

Das Konzept der Weißen Zelle ist nicht unumstritten,<br />

aber dennoch liegt es auch heute noch<br />

zahlreichen Ausstellungsräumen zugrunde. Die vom<br />

Künstler John Bock kuratierte Ausstellung Fisch-<br />

GrätenMelkStand 6 <strong>in</strong> der Temporären Kunsthalle <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong> zeigte kürzlich e<strong>in</strong>drucksvoll, dass das Pr<strong>in</strong>zip<br />

der Weißen Zelle die ideale Grundlage für e<strong>in</strong>en<br />

vielseitig bespielbaren Ausstellungsort ist. Sie bietet<br />

maximale kuratorische Freiheit und – unabhängig von<br />

der Gattung – größtmögliche Flexibilität sowie e<strong>in</strong>en<br />

neutralen Ausgangspunkt für den Künstler. Die E<strong>in</strong>beziehung<br />

der Wände e<strong>in</strong>es Ausstellungsraumes <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Kunstwerk ist, wie etwa <strong>in</strong> Mona Hatoums Arbeit<br />

„Light Sentence“ von 1992, ebenfalls nur <strong>in</strong> schlichter,<br />

reduzierter Architektur denkbar.<br />

Dennoch gibt es seit jeher parallele Entwicklungen<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die Präsentation zeitgenössischer<br />

Kunst. Auf der Suche nach Alternativen zum White<br />

Cube setzt man häufig auf die Umnutzung historischer<br />

Räume 7 oder erprobt im Falle von Museumsneubauten<br />

bzw. -neue<strong>in</strong>richtungen unkonventionelle<br />

Herangehensweisen. 8<br />

O’Doherty verfasste se<strong>in</strong>e Essays <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Umfeld,<br />

<strong>in</strong> dem vornehmlich der Marktwert der Kunstwerke<br />

bestimmend war. Im musealen Bereich s<strong>in</strong>d<br />

dagegen aktuelle Diskurse und die Vermittlung von<br />

Kunst Faktoren, die die Präsentationsform entscheidend<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Die Inszenierung von Ausstel-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

9


Tendenzen der Kunstpräsentation<br />

Seit Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />

lungen spielt dabei e<strong>in</strong>e immer größere Rolle, nicht<br />

zuletzt bed<strong>in</strong>gt durch die Suche nach neuen Präsentationsformen<br />

für Installationen und Medienkunst.<br />

War früher die Wand des musealen Ausstellungsraums<br />

Mittel zum Zweck, ohne herausgehobenen ästhetischen<br />

Eigenwert, wandelte sich diese Sichtweise<br />

im Laufe der Jahre. Es ist e<strong>in</strong>e zunehmende <strong>in</strong>tensive<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit ihrer Ästhetik zu beobachten.<br />

Daraus folgte die Entstehung neuer Berufsfelder,<br />

wie etwa dem des Ausstellungsarchitekten, Ausstellungsdesigners<br />

oder Szenografen. Sie s<strong>in</strong>d heute<br />

neben Kuratoren und Künstlern häufig <strong>in</strong> Gestaltungsprozesse<br />

e<strong>in</strong>gebunden, um die bestmögliche<br />

Wirkung e<strong>in</strong>es Exponats zu erreichen, vielleicht gar<br />

dem Betrachter e<strong>in</strong> „Kunsterlebnis“ zu ermöglichen.<br />

Dies wirft neue Fragen auf: Darf die Handschrift<br />

des Gestalters dabei sichtbar werden? Ab welchem<br />

Zeitpunkt wird der Raum selbst zum Kunstwerk, zum<br />

künstlerischen Medium, und ist nicht länger nur Basis<br />

für die Präsentation künstlerischer Arbeiten? 9<br />

Während über Jahrhunderte die dicht gedrängte<br />

Petersburger Hängung dom<strong>in</strong>ierte, wurde nun dem<br />

e<strong>in</strong>zelnen Werk zunehmend Freiraum zugestanden.<br />

Mit e<strong>in</strong>er Veränderung der Aufgaben der Kunst g<strong>in</strong>g<br />

auch e<strong>in</strong>e Veränderung der Räumlichkeiten e<strong>in</strong>her.<br />

Repräsentationskunst erforderte aufwendig gestaltete<br />

Ausstellungsräume, die Erhabenheit ausstrahlen,<br />

während mit der Überw<strong>in</strong>dung tradierter Formen<br />

und der bewussten Abwendung von der offiziellen,<br />

akademischen Kunst neue Gestaltungsmöglichkeiten<br />

erprobt wurden. <strong>10</strong> Sowohl die Präsentation e<strong>in</strong>es Werkes<br />

als Solitär – ohne Bee<strong>in</strong>flussung durch umgebende<br />

Arbeiten – als auch e<strong>in</strong>e Interaktion der Kunstwerke,<br />

die vergleichendes Sehen schult, ist heutzutage<br />

denkbar. Arbeiten, die <strong>in</strong> den Ausstellungsraum<br />

e<strong>in</strong>greifen, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Abgeschlossenheit stören,<br />

s<strong>in</strong>d ebenso zu f<strong>in</strong>den wie Kunstwerke, die <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>es hermetischen Raumes, isoliert von äußeren<br />

E<strong>in</strong>flüssen, wirken.<br />

In Bezug auf den White Cube schrieb Brian<br />

O’Doherty der Hängung der Shaped Canvases von<br />

Frank Stella bei Leo Castelli <strong>in</strong> New York (<strong>in</strong> den<br />

Jahren 1960 und 1964) e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung<br />

zu: „[Sie] änderte für immer das Konzept des<br />

<strong>Galerie</strong>-Raums.“ 12 Raum und Kunstwerk traten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e neue Beziehung, was letztendlich e<strong>in</strong>en bedeutenden<br />

E<strong>in</strong>fluss auf das Verhalten des Betrachters<br />

im Raum hatte. Stella verzichtete zwar auf Rahmen,<br />

verwendete aber weiterh<strong>in</strong> traditionelle, wenn auch<br />

unterschiedlich geformte Bildträger, die sich über<br />

den Rand h<strong>in</strong>aus auf die Wand auswirkten. Durch<br />

die nicht länger parallel zu den Grenzen des Raumes<br />

verlaufenden Bildträger wurde der Besucher mit e<strong>in</strong>er<br />

völlig neuen Seherfahrung konfrontiert. Aus heutiger<br />

Sicht s<strong>in</strong>d Arbeiten des Hard Edge und der M<strong>in</strong>imal<br />

Art <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em anderen Umfeld als e<strong>in</strong>em Raum, der<br />

auf das Wesentliche reduziert ist, denkbar. Der mit<br />

Frank Stella befreundete Architekt und Künstler<br />

Richard Meier, dessen <strong>in</strong> den 1960er Jahren entworfene<br />

Bauten wie etwa das Smith House (1965–67) <strong>in</strong><br />

Darien, Connecticut, bahnbrechend waren, dürfte<br />

mit se<strong>in</strong>en schlichten, re<strong>in</strong>weißen Räumen ebenso<br />

großen E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung des Ausstellungsraumes<br />

genommen haben.<br />

Wie O’Doherty mit e<strong>in</strong>em zeitlichen Abstand<br />

von 35 Jahren resümiert, transformiert die <strong>Galerie</strong><br />

heute nicht länger den Inhalt des Raumes zur Kunst;<br />

vielmehr transformieren nun die neuen künstlerischen<br />

Medien die <strong>Galerie</strong>. 13 „Mit dem Niedergang der<br />

Malerei als vorherrschender Form jedoch wurde die<br />

Re<strong>in</strong>heit des weißen Raums gefährdet. Daher können<br />

wir nun auch von e<strong>in</strong>er Anti-White-Cube-Mentalität<br />

sprechen […].“ 14 Seitdem Medienkunst, Installationen<br />

und performative Ausstellungen <strong>in</strong> <strong>Galerie</strong>- und<br />

Museumsräumen präsentiert werden, änderte sich<br />

das Verhältnis von Kunstwerk und Raum noch e<strong>in</strong>mal<br />

grundlegend. 15<br />

Um Video- und Filmarbeiten zeigen zu können,<br />

wird der Raum häufig zur Black Box, e<strong>in</strong>em künstlich<br />

abgedunkelten, oftmals sogar schallisolierten Raum,<br />

umfunktioniert, der e<strong>in</strong>er tradierten Präsentationsform<br />

folgt – nämlich der des K<strong>in</strong>os. Ebenfalls artifiziell,<br />

clean und frei von störenden E<strong>in</strong>flüssen – also<br />

die Umkehrung der Weißen Zelle? Entgegen des<br />

Konzepts des White Cube wird der Betrachter, so<br />

isoliert er auch <strong>in</strong>nerhalb der Black Box se<strong>in</strong> mag,<br />

im Ausstellungsraum direkt mit den durch das Werk<br />

transportierten E<strong>in</strong>flüssen der Außenwelt konfrontiert.<br />

Die Black Box ist somit ke<strong>in</strong> hermetischer Raum.<br />

Die Verweildauer des Betrachters <strong>in</strong> der Black<br />

Box richtet sich nach der vom Künstler vorgegebenen<br />

Länge der Arbeit. Sie erhöht sich üblicherweise<br />

gegenüber der Verweildauer vor zwei- oder dreidimensionalen<br />

Objekten. Dennoch gel<strong>in</strong>gt es dem Betrachter<br />

<strong>in</strong> den meisten Fällen nicht, mehr als e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>druck zu gew<strong>in</strong>nen. Anhand des Beispiels der<br />

Documenta 11 im Jahr 2002 erläutert Charlotte Klonk<br />

<strong>in</strong> ihrer Abhandlung über die Entwicklung des <strong>Galerie</strong>raums<br />

zwischen 1800 und 2000 zwei unterschiedliche<br />

Modi des Sehens: „[…] one that is selective and<br />

concentrated on a few chosen works, and one that is<br />

comprehensive and surveys all exhibits <strong>in</strong> the show<br />

but rema<strong>in</strong>s by nature superficial.“ 16 Der Besucher<br />

kann auch durch Interventionen der Kuratoren, Sze-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

<strong>10</strong>


Tendenzen der Kunstpräsentation<br />

Seit Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />

nografen oder Ausstellungsarchitekten gelenkt, ja<br />

sogar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entscheidungsfreiheit e<strong>in</strong>geschränkt<br />

werden. O’Doherty stellte fest, dass viele Rezipienten<br />

„nicht zuerst die Kunst betrachten, sondern den<br />

Raum.“ 17 Tatsächlich sche<strong>in</strong>t der Blick häufig zunächst<br />

die Räumlichkeiten zu erfassen, ehe er zu den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Exponaten wandert. Dies entspricht dem<br />

menschlichen Bedürfnis nach Orientierung im Raum.<br />

Das Auge des Betrachters „scannt“ den gesamten<br />

Raum, versucht zunächst ihn und anschließend die <strong>in</strong><br />

ihm präsentierte Kunst zu erfassen, zu kategorisieren.<br />

Räume, <strong>in</strong> denen sich der Besucher beispielsweise<br />

durch Interventionen wie Verdunklung oder labyrithartige<br />

Wegführung verunsichert oder irritiert fühlt,<br />

können e<strong>in</strong>en deutlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Wahrnehmung<br />

des Betrachters haben. 18 Aber nicht nur die<br />

Besucher, sondern auch die Ausstellungsmacher<br />

stehen häufig vor neuen Herausforderungen. Oftmals<br />

fehlt die Infrastruktur, um medienbasierte Arbeiten<br />

präsentieren zu können: Aufwendige Um- oder<br />

E<strong>in</strong>bauten s<strong>in</strong>d notwendig. Flexibilität ist heutzutage<br />

wichtiger denn je. Die Räume sollten – vor allem im<br />

Museumsbetrieb – je nach Anforderungen umgestaltet<br />

werden können. Mit Hilfe modernster Technik,<br />

etwa fokussierter Lautsprechersysteme, die e<strong>in</strong>e<br />

punktgenaue Beschallung erlauben, ergeben sich<br />

neue Möglichkeiten der Präsentation.<br />

Bei performativen Ausstellungen und Installationen,<br />

vor allem solchen mit politischem oder gesellschaftskritischem<br />

H<strong>in</strong>tergrund, dr<strong>in</strong>gen zwangsläufig<br />

E<strong>in</strong>flüsse von außen <strong>in</strong> den Ausstellungsraum. Die<br />

„Re<strong>in</strong>heit“ des Raumes und dessen Neutralität s<strong>in</strong>d<br />

somit aufgehoben. Die Intention des Künstlers kollidiert<br />

mit dem von O’Doherty beschriebenen Konstrukt:<br />

„Die äußere Welt darf nicht here<strong>in</strong>gelassen<br />

werden […].“ 19 Der White Cube wird durch die Intervention<br />

des Künstlers schlicht zum weißen Raum.<br />

Um die jüngere deutsche Geschichte sowie die<br />

gegenwärtige politische und gesellschaftliche Situation<br />

<strong>in</strong> Deutschland zu thematisieren, verwandelte<br />

der Künstler Christoph Büchel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ausstellung<br />

Deutsche Grammatik 2008 die Kunsthalle Fridericianum<br />

<strong>in</strong> Kassel <strong>in</strong> e<strong>in</strong> absurdes Paralleluniversum. Die<br />

Überreste der von Büchel als Performance <strong>in</strong>szenierten<br />

umstrittenen Parteienmesse politica blieben bis<br />

zum Ende der Ausstellung erhalten. Von O’Dohertys<br />

White Cube, dem cleanen, neutralen Ausstellungsraum,<br />

ist Büchel deutlich abgerückt: ke<strong>in</strong> hermetischer<br />

Raum mehr, stattdessen zahlreiche E<strong>in</strong>griffe<br />

und Umbauten. Es handelte sich um e<strong>in</strong>e Kunstpräsentation,<br />

die der Dom<strong>in</strong>anz der Weißen Zelle <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>drucksvoller Weise entgegenwirkte.<br />

1 Brian O’Doherty: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery<br />

Space. In: Artforum, März 1976, S. 24-30. Ders.: The Eye and the Spectator.<br />

In: Artforum, April 1976, S. 26-34. Ders.: Context as Content. In:<br />

Artforum, November 1976, S. 38-44<br />

2 Brian O’Doherty: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery<br />

Space. Berkeley 2000, S. 14<br />

3 Ebd., S. 14<br />

4 Vgl. Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W.<br />

(Hrsg.): In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. 11<br />

5 Brian O’Doherty: Atelier und <strong>Galerie</strong>. Studio and Cube. Berl<strong>in</strong> 2012, S. 86<br />

6 FischGrätenMelkStand, Ausstellung <strong>in</strong> der Temporären Kunsthalle Berl<strong>in</strong>,<br />

kuratiert von John Bock, 2.7.–31.8.20<strong>10</strong>. Bock schuf e<strong>in</strong>e Raum-<strong>in</strong>-Raum-<br />

Konstruktion, e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen Ausstellungsraum <strong>in</strong>nerhalb des White<br />

Cube.<br />

7 Hier wären beispielsweise C/O Berl<strong>in</strong> – International Forum For Visual Dialogues<br />

oder Castello di Rivoli – Museo d’Arte Contemporanea zu nennen.<br />

8 Vgl. Daniel Libesk<strong>in</strong>ds Entwurf für das Felix Nussbaum Haus <strong>in</strong> Osnabrück<br />

9 Vgl. Ausstellungsarchitekturen des Büros GRAFT, z.B. SITE Santa Fe oder<br />

GRAFTWORLD <strong>in</strong> der <strong>Galerie</strong> Aedes <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

<strong>10</strong> Vere<strong>in</strong>zelt werden auch heute noch historische Präsentationsformen zitiert,<br />

wie bspw. 20<strong>10</strong>/11 <strong>in</strong> der Sammlungsneupräsentation Moderne Zeiten <strong>in</strong><br />

der Neuen Nationalgalerie Berl<strong>in</strong> (Farbgebung der Wände) oder im Statens<br />

Museum for Kunst <strong>in</strong> Kopenhagen (Hängung der Werke).<br />

11 Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W. (Hrsg.):<br />

In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. 15<br />

12 Ebd., S. 29 (Abb. S. 30)<br />

13 Vgl. Brian O’Doherty: Atelier und <strong>Galerie</strong>. Studio and Cube. Berl<strong>in</strong> 2012,<br />

S. 88<br />

14 Ebd., S. 87<br />

15 E<strong>in</strong>en bedeutenden E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung des Ausstellungsraumes<br />

als performativen Raum hatte die „Erste Internationale Dada-Messe“ im<br />

Jahr 1920. In der Kunsthandlung von Dr. Otto Burchard <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> wurden<br />

174 Werke der Dadaisten, unter ihnen George Grosz, Hannah Höch und<br />

Raoul Hausmann, präsentiert. Die Dada-Messe war mit der gewagten<br />

Anordnung ihrer nicht m<strong>in</strong>der gewagten Exponate e<strong>in</strong>e Provokation des<br />

bürgerlichen Kunstverständnisses. Fortschrittlich Ges<strong>in</strong>nte sahen <strong>in</strong> dieser<br />

Kunst, die versuchte, die Zeit sowie die politischen und gesellschaftlichen<br />

Umstände zu reflektieren und Missstände aufzudecken, die lange<br />

ersehnte Revolution. Die Veranstaltung hatte maßgeblichen E<strong>in</strong>fluss auf<br />

die weitere Entwicklung der modernen Kunst, <strong>in</strong>sbesondere der Konzeptund<br />

Installationskunst. Mit den modernen Praktiken des Fragmentierens,<br />

der Assemblage und Collage sowie der Performance revolutionierten die<br />

Dadaisten die Kunstwelt. Die Wände der Ausstellungsräume waren mit<br />

Bannern, Postern und Gemälden gefüllt, ergänzt durch Installationen wie<br />

Johannes Baaders raumfüllendem Werk „Plasto-Dio-Dada-Drama“. Durch<br />

Aktion sowie Partizipation der anwesenden Personen wurde der Raum<br />

neu def<strong>in</strong>iert.<br />

16 Charlotte Klonk: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors from 1800 to<br />

2000. New Haven & London 2009, S. 216<br />

17 Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W. (Hrsg.):<br />

In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. 9<br />

18 Vgl. Alfredo Jaar. The way it is. E<strong>in</strong>e Ästhetik des Widerstands. Ausstellung<br />

<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong>, 15.6.–17.9.2012<br />

19 Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W. (Hrsg.):<br />

In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. <strong>10</strong><br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

11


Mit Blick <strong>in</strong><br />

den Rückspiegel<br />

Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen<br />

und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

Charlotte Klonk<br />

(Das Interview wurde <strong>in</strong> Anlehnung an den Vortrag von Charlotte Klonk geführt.)<br />

Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann: Frau<br />

Klonk, Sie haben auf dem Symposium <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

e<strong>in</strong>führenden Vortrag über die Zeit „vor“ dem<br />

White Cube referiert bzw. darüber, wie und<br />

warum sich überhaupt e<strong>in</strong> Ausstellungsraum mit<br />

weißen Wänden entwickeln konnte und welche<br />

Alternativen es dazu gab. Können Sie uns e<strong>in</strong>leitend<br />

kurz die Def<strong>in</strong>ition des White Cube nach<br />

O’Doherty darlegen, auf die Sie sich bezogen<br />

haben?<br />

Charlotte Klonk: Vor fast vierzig Jahren hat<br />

Brian O’Doherty den Begriff des „white cube“ für den<br />

damals üblich geworden modernen Museumsraum<br />

e<strong>in</strong>geführt. O'Doherty jedoch hatte diese Bezeichnung<br />

eher metaphorisch verwendet, um das Selbstverständnis<br />

der Kunstmuseen zu kritisieren, die sich<br />

als von der Welt hermetisch abgeschlossene heilige<br />

Tempel der Kunstkontemplation verstanden. Real<br />

aber hat es die geschlossene weiße Zelle mit stabiler<br />

Funktion und Bedeutung im Museum so nie gegeben.<br />

Zwar setzte sich zunehmend im 20. Jahrhundert<br />

die weiße Wand als Bildh<strong>in</strong>tergrund durch, doch der<br />

„white cube“, so wie wir ihn heute als feststehenden<br />

Begriff verwenden, ist e<strong>in</strong> Mythos. Die Realität war<br />

wesentlich vielfältiger.<br />

DB, AK: Welche Bedeutung kam der Wandfarbe<br />

im frühen 20. Jahrhundert zu, beispielsweise<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bei der Präsentation expressionistischer<br />

Arbeiten? Welches Verständnis von Farbe<br />

herrschte bei Museumsdirektoren und Kuratoren<br />

wie Ludwig Justi, dem Direktor der Nationalgalerie<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, der im Kronpr<strong>in</strong>zenpalais e<strong>in</strong>e Abteilung<br />

für zeitgenössische Kunst e<strong>in</strong>richtete? Die<br />

Beckmann-Ausstellung (1933) im Kronpr<strong>in</strong>zenpalais<br />

führte e<strong>in</strong>e ganz neue Ästhetik e<strong>in</strong>. Haben wir<br />

es hier erstmals <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit der weißen Zelle zu<br />

tun?<br />

CK: Die weiße Wand im Museum hat mehrere Wurzeln,<br />

die <strong>in</strong> den 1930er Jahren schließlich im Museum<br />

of Modern Art <strong>in</strong> New York zusammenkommen. Da<br />

ist zunächst e<strong>in</strong>mal vor und nach dem Ersten Weltkrieg<br />

das Bestreben, Werke vor e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>tergrund zu<br />

zeigen, der <strong>in</strong> größtmöglichem Kontrast zu den dom<strong>in</strong>anten<br />

Farben der Bilder stand. Das hatte zur Folge,<br />

dass man zumeist stark farbige Wände bevorzugte.<br />

Jedoch bedeutete diese Vorliebe auch, dass man die<br />

schwarzgefassten Formen der Malereien deutscher<br />

Expressionisten unter anderem im Folkwang Museum<br />

<strong>in</strong> Essen auf Weiß hängte. Weiß war hier aber nur<br />

e<strong>in</strong>e der möglichen Farben, die zur Auswahl standen.<br />

E<strong>in</strong>en Rembrandt beispielsweise hätte man nie vor<br />

diesem H<strong>in</strong>tergrund gezeigt. Die Aufwertung des<br />

weißen Anstrichs wurde aber auch durch die Architekturdiskussion<br />

der Zeit unterstützt, <strong>in</strong> der Hygieneüberlegungen<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielten, die auf e<strong>in</strong>e uralte<br />

Tradition der Farbe <strong>in</strong> Arbeitsräumen zurückg<strong>in</strong>g. In<br />

den 1920er Jahren dann kamen schließlich Bestrebungen<br />

dazu, das Interieur zu öffnen, dynamisch<br />

zu konzipieren und funktional flexibel zu gestalten.<br />

Als der Direktor der modernen Sammlung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>,<br />

Ludwig Justi, den zeitgenössischen Künstler Max<br />

Beckmann (Abb. 1) <strong>in</strong> weißen Räumen zeigte, tat er<br />

dies jedoch noch ganz im S<strong>in</strong>n des farbigen Interieurverständnisses<br />

der Vorkriegszeit, nur dass er<br />

Beckmann nun eben für e<strong>in</strong>en idealen Künstler des<br />

modernen Bauhaus-<strong>in</strong>spirierten Interieurs hielt, und<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

12


Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />

Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

das war, se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach, weiß. Dazu kamen<br />

zunehmend auch Diskussionen, vor allem <strong>in</strong> den<br />

Kreisen konstruktivistischer Künstler und Architekten,<br />

<strong>in</strong> denen Weiß die Konnotation des unendlichen<br />

Raumes erhielt. Dies geschah zu e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der<br />

im Museum die wechselnden Ausstellungen immer<br />

wichtiger wurden. Man benötigte nicht nur flexibel<br />

verstellbare Wände im Innenraum, die es ermöglichten,<br />

ohne großen Kostenaufwand die Ausstellungsfläche<br />

an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen,<br />

sondern auch e<strong>in</strong>e entsprechend universell brauchbare<br />

Farbe, die nicht jedes Mal e<strong>in</strong>en Neuanstrich<br />

erforderlich machte. Weiß gewann hier zunehmend<br />

an Bedeutung, setzte sich aber <strong>in</strong> Deutschland erst<br />

<strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus flächendeckend<br />

durch. Hier wurde jedoch gleichzeitig noch die uralte<br />

Konnotation des Weiß als Farbe der Re<strong>in</strong>heit mobilisiert.<br />

Erst im Museum of Modern Art kommen <strong>in</strong><br />

den 1930er Jahren dann alle Strömungen so zusammen,<br />

dass von nun an die weiße Wand als neutraler<br />

H<strong>in</strong>tergrund im Museum wahrgenommen werden<br />

konnte: Die Ausstellungen wechselten kont<strong>in</strong>uierlich,<br />

der Grundriss war flexibel anpassbar, die Raumfolge<br />

dynamisch, aber die Wandfarbe blieb gleich. Von<br />

e<strong>in</strong>em White Cube kann man jedoch nicht sprechen,<br />

denn die große Erneuerung im New York der 1930er<br />

Jahre war ja gerade die Institutionalisierung e<strong>in</strong>es<br />

fließenden Rundgangs im Kunstmuseum entlang von<br />

Stellwänden, die alles andere als die Abgeschlossenheit<br />

e<strong>in</strong>es Kubus evozierten. Auch metaphorisch<br />

g<strong>in</strong>g es nie um e<strong>in</strong>e idealisierte Welt jenseits des<br />

Alltags, wie es O’Doherty mit dem Begriff nahegelegt<br />

hat. Von Anfang an verstand man sich im Museum of<br />

Modern Art <strong>in</strong> New York ganz bewusst als e<strong>in</strong> Ort, an<br />

dem gesellschaftlich relevante Zeitfragen verhandelt<br />

wurden.<br />

DB, AK: Inwiefern haben experimentelle Räume<br />

wie der diskursive Raum und der kollaborative<br />

Raum – wie etwa bei den Konstruktivisten um<br />

El Lissitzky – die Entwicklung des Ausstellungsraums<br />

geprägt und die Rolle des Kunstbetrachters<br />

verändert?<br />

CK: Das Entscheidende an diesen Experimenten<br />

war, dass sie erstmalig das Ideal des kontemplativen<br />

Betrachters <strong>in</strong> Frage stellten. Der Russe El Lissitzky<br />

zum Beispiel schuf <strong>in</strong> Hannover 1928 e<strong>in</strong>en Museumsraum,<br />

der darauf angelegt war, dass die Betrachter<br />

sich als Teil e<strong>in</strong>es Kollektivs wahrnahmen. Statt<br />

Wandflächen hatte das Abstrakte Kab<strong>in</strong>ett (Abb. 2)<br />

orthogonal fixierte schmale Metalllatten, die auf der<br />

e<strong>in</strong>en Seite weiß und auf der anderen Seite schwarz<br />

bemalt waren. An den Wänden waren <strong>in</strong> unterschiedlicher<br />

Anordnung verschiebbare Rahmen angebracht,<br />

die es den Besuchern erlaubten, die ausgestellten<br />

Bilder je nach Belieben zu verschieben oder sogar<br />

zu verdecken. Kle<strong>in</strong>figürliche Skulpturen wurden von<br />

mehreren Seiten gleichzeitig von e<strong>in</strong>em über Eck angebrachten<br />

Spiegel reflektiert, und unter dem Fenster<br />

ermöglichte e<strong>in</strong>e drehbare Vitr<strong>in</strong>e unterschiedliche<br />

Ansichten verschiedener Bildmaterialien. Das Resultat<br />

war e<strong>in</strong> Raum, der zu schimmern schien und se<strong>in</strong>e<br />

Tonalität von Weiß über Grau nach Schwarz mit jeder<br />

Bewegung des Betrachters veränderte. Ke<strong>in</strong>e zwei<br />

Besucher hatten zur gleichen Zeit den gleichen E<strong>in</strong>druck<br />

von dem Ausgestellten, und die Wahrnehmung<br />

e<strong>in</strong>es jeden wurde von den Handgriffen der anderen<br />

bee<strong>in</strong>flusst. In den Ausstellungen dagegen, die im<br />

Umkreis des Bauhauses konzipiert wurden, g<strong>in</strong>g es<br />

um die Nachvollziehbarkeit e<strong>in</strong>es klaren Arguments.<br />

Wandbeschriftung und dynamische Grundrisse<br />

gaben den Besuchern e<strong>in</strong>e klare L<strong>in</strong>ie vor, die nach<br />

Angaben des zeitgenössischen Kritikers Adolf Behne<br />

der Entwicklung e<strong>in</strong>es rationalen Gedankens entsprach,<br />

mit dem man sich auch kritisch und distanziert<br />

ause<strong>in</strong>andersetzen konnte. In beiden Fällen aber<br />

g<strong>in</strong>gen die Ausstellungsmacher von aktiven, und<br />

eben nicht re<strong>in</strong> kontemplativen Betrachtern aus.<br />

DB, AK: Wo und wann sehen Sie die Anfänge<br />

des White Cube <strong>in</strong> Deutschland? Welche Rolle<br />

spielt dabei die Frage nach der verme<strong>in</strong>tlichen<br />

Neutralität?<br />

CK: Die Frage nach Neutralität ist <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang vermutlich immer e<strong>in</strong>e Frage der Gewohnheit.<br />

Für die Besucher der Nationalgalerien des<br />

19. Jahrhunderts war wohl das damals übliche e<strong>in</strong>heitliche<br />

<strong>Galerie</strong>rot neutral. Man wäre zu der Zeit nie<br />

auf die Idee gekommen, e<strong>in</strong>e weiße Wand als neutral<br />

zu bezeichnen. Tatsächlich war das ja auch noch bis<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>in</strong> Europa und Nordamerika<br />

nicht der Fall. Noch die Nationalsozialisten<br />

wählten die Farbe Weiß im Haus der Kunst <strong>in</strong> München<br />

bewusst, um Assoziationen an protestantische<br />

Sakralbauten zu wecken. Den E<strong>in</strong>zug der weißen<br />

Wand als Standardbildh<strong>in</strong>tergrund im Museum kann<br />

man jedoch auch <strong>in</strong> dieser Zeit beobachten. 1930 errichtete<br />

der am Bauhaus ausgebildete Architekt Karl<br />

Schneider im Auftrag des Kunstvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Hamburg<br />

e<strong>in</strong> Gebäude <strong>in</strong> der Neuen Rabestraße, das, soweit<br />

ich sehe, der erste flexible weiße Kunstconta<strong>in</strong>er der<br />

Geschichte ist, jedoch <strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus<br />

<strong>in</strong> Deutschland bereits wieder abgerissen<br />

wurde. 1 Als re<strong>in</strong>es Ausstellungsgebäude erbaut, bot<br />

es im Erdgeschoss e<strong>in</strong>en Saal mit vollständig offenem<br />

Grundriss, <strong>in</strong> dem die Stellwände für jede Schau<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

13


Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />

Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

neu angeordnet werden konnten. Erstmals verstand<br />

man hier auch das Weiß der Wände als neutralen<br />

H<strong>in</strong>tergrund, der ohne große Kosten und Umstände<br />

e<strong>in</strong> Umhängen ermöglichen sollte. „Passend für e<strong>in</strong><br />

Ausstellungshaus“, schrieb e<strong>in</strong> Rezensent kurz nach<br />

der Eröffnung, „ist der Raum neutral <strong>in</strong> Form und Farbe“,<br />

so dass immer e<strong>in</strong> angemessener H<strong>in</strong>tergrund<br />

für die oft wechselnden Darbietungen bereit stünde.<br />

Zu diesem Zeitpunkt also existierten <strong>in</strong> Deutschland<br />

noch mehre Ausstellungsformen für moderne Kunst<br />

nebene<strong>in</strong>ander, die allesamt mit Weiß als Wandfarbe<br />

experimentierten.<br />

DB, AK: Spätestens seit O’Doherty wird der<br />

weiße, flexible Conta<strong>in</strong>er vor allem mit dem<br />

MoMA <strong>in</strong> New York assoziiert. Welche Rolle<br />

spielten die Neuerungen <strong>in</strong> Europa und vor allem<br />

die Ausstellungsexperimente am Bauhaus für die<br />

Entwicklung <strong>in</strong> den USA?<br />

CK: Alfred Barr, der erste Direktor des Museum<br />

of Modern Art <strong>in</strong> New York, kannte die Ausstellungsexperimente,<br />

hatte sie bewusst bei se<strong>in</strong>en mehrfachen<br />

Reisen durch Deutschland <strong>in</strong> den Jahren nach<br />

1929 aufgesucht und war tief von ihnen bee<strong>in</strong>druckt.<br />

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten <strong>in</strong><br />

Deutschland und Stal<strong>in</strong>s endgültiger Verbannung der<br />

Avantgarde <strong>in</strong> den Gulag verstand Barr sich geradezu<br />

als Statthalter ihrer Bemühungen. Das kollektive oder<br />

kritische Betrachtersubjekt jedoch, das von El Lissitzky<br />

und anderen erhofft worden war, hat die Reise<br />

über den Atlantik nicht überlebt. Wie der Hamburger<br />

Kunstvere<strong>in</strong> war auch der 1939 eröffnete Neubau des<br />

Museum of Modern Art <strong>in</strong> New York für e<strong>in</strong>e flexible<br />

Ausstellungsgestaltung konzipiert worden. Die vom<br />

Boden bis zur Decke reichenden Stellwände waren<br />

ke<strong>in</strong>e tragenden – und damit frei beweglich und<br />

für die jeweiligen Ausstellungsbedürfnisse anpassbar.<br />

Das künstliche Licht war ebenso jeweils neu<br />

zu adaptieren, denn die länglichen Vorrichtungen<br />

konnten beliebig abmontiert und an e<strong>in</strong>em neuen<br />

Ort angebracht werden. Hier wie <strong>in</strong> vielen deutschen<br />

Ausstellungen der 1920er Jahre g<strong>in</strong>g es darum, e<strong>in</strong>e<br />

dynamische Betrachterbewegung zu provozieren, die<br />

das Gefühl des geschlossenen Raumes um jeden<br />

Preis verh<strong>in</strong>dern sollte. Der Besucher wanderte<br />

durch asymmetrisch <strong>in</strong>stallierte Kojen und entlang<br />

geschwungener Wände. H<strong>in</strong> und wieder luden<br />

hölzerne Bänke zum Ausruhen e<strong>in</strong>, nicht wie auf den<br />

gepolsterten Versionen der Jahrhundertwende zum<br />

gemütlichen Verweilen, sondern zur kurzen konzentrierten<br />

Kunstbetrachtung. Dennoch g<strong>in</strong>g es Barr trotz<br />

Ähnlichkeiten mit den deutschen Ausstellungsexperimenten<br />

nie um die Schaffung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>schaftlich<br />

agierenden Betrachters. Im New York der 1930er und<br />

40er Jahre wurde e<strong>in</strong> anderes Modell entwickelt, das<br />

von viel größerer Reichweite se<strong>in</strong> sollte: der Besucher<br />

als <strong>in</strong>formierter Konsument. Das kann man schon daran<br />

sehen, dass auf der Straße der neue Museumsbau<br />

des Museum of Modern Art wie e<strong>in</strong> Kaufhaus<br />

wirkte, denn nirgendwo sonst öffnete sich 1939 das<br />

Erdgeschoss e<strong>in</strong>es Museums mit großflächigen Glasfenstern<br />

zur Straße. Sobald man e<strong>in</strong>trat, hatte man<br />

den E<strong>in</strong>druck, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e moderne, elegante Hotellobby<br />

geraten zu se<strong>in</strong>. Mehr noch: Auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausstellungen<br />

<strong>in</strong> den ersten Jahrzehnten se<strong>in</strong>er Existenz war<br />

das Museum bemüht, die Grenze zwischen Designerware<br />

und Kunst zu verwischen. Seit Mitte der<br />

1930er Jahre gab es regelmäßig Ausstellungen von<br />

ausgewählten Konsumgegenständen, die ohne Probleme<br />

im Handel zu erwerben waren. Das Museum<br />

verstand sich als e<strong>in</strong>e Institution, deren gesellschaftliche<br />

Funktion die allgeme<strong>in</strong>e Konsumentenerziehung<br />

war. Bezeichnenderweise hatten sowohl die exklusive<br />

Modezeitschrift Vogue wie auch Harper’s Bazaar kurz<br />

nach der Eröffnung im Mai 1939 die Rechte für e<strong>in</strong>e<br />

Modereportage <strong>in</strong> den Räumen erhalten. Die Models,<br />

die z.B. Kleider von Elsa Schiaparelli vor e<strong>in</strong>er<br />

Skulptur von Constant<strong>in</strong> Brancusi im neu eröffneten<br />

Museum of Modern Art zur Schau trugen oder elegant<br />

geschnittene Tweedkostüme zu Gaston Lachaises<br />

nackten, bronzenen Frauenkörpern im ebenfalls<br />

neu eröffneten Skulpturengarten desselben Museums,<br />

s<strong>in</strong>d geradezu idealtypische Verkörperungen<br />

der erwarteten Besucher. Mit solchen Bildern wird<br />

der Betrachter oder die Betrachter<strong>in</strong> aufgefordert,<br />

Kunst im Kontext der eigenen Umgebung zu sehen<br />

und damit als Konsumgegenstand <strong>in</strong> die Lebensgestaltung<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen. Das Museum war e<strong>in</strong> Ort, an<br />

dem aktiv Geschmacksbildung von Konsumenten<br />

betrieben wurde.<br />

DB, AK: Sie schildern Alfred Barrs Ausstellung<br />

African Negro Art von 1935 als erste Ausstellung<br />

im MoMA mit Objekten vor weißer Wand: Welche<br />

Motivation lag dem zu Grunde? Und warum gerade<br />

bei e<strong>in</strong>er Ausstellung über afrikanische Kunst?<br />

CK: Alfred Barr hatte African Negro Art zusammen<br />

mit dem Kurator James J. Sweeney organisiert. Es<br />

war nicht nur die erste Ausstellung, die ausschließlich<br />

außereuropäische Artefakte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kunstmuseum<br />

zeigte, sondern auch die erste Ausstellung im<br />

Museum of Modern Art <strong>in</strong> New York, die alle Objekte<br />

vor weißer Wand zeigte und somit bewusst auf ihre<br />

formalen Qualitäten reduzierte. Es ist vielleicht ke<strong>in</strong><br />

Zufall, dass es sich um e<strong>in</strong>e Schau außereuropäischer<br />

Artefakte handelte, denn gerade hier g<strong>in</strong>g<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

14


Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />

Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

es ja darum, die Werke aus e<strong>in</strong>em ethnologischen<br />

Kontext <strong>in</strong> die ästhetische Rezeption des Kunstraums<br />

zu überführen. Der starke Schwarzweißkontrast, der<br />

hier vorherrschte, beförderte die Wahrnehmung der<br />

Expressivität der Skulpturen und knüpfte an die Ausstellung<br />

expressionistischer Skulpturen zum Beispiel<br />

im Folkwang Museum an, das Barr gut kannte. Doch<br />

deutlich wird <strong>in</strong> den Installationsbildern auch bereits,<br />

dass man sich große Mühe gab, die geschlossenen<br />

Kuben der Räume zu durchbrechen, die für das<br />

Museum <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>stweiligen Heim bereitstanden,<br />

dem großbürgerlichen Rockefeller House an der 53rd<br />

Street. Als Raumteiler fungierten Glasvitr<strong>in</strong>en, durch<br />

die h<strong>in</strong>durch man die h<strong>in</strong>tere Wand des nächsten<br />

Raumes und die dort aufgestellten Objekte sehen<br />

konnte. Bereits diese Ausstellung zeigt, dass der hier<br />

geschaffene Ausstellungsraum zwar erstmalig <strong>in</strong> der<br />

Geschichte dieses Museums weiß, aber auf ke<strong>in</strong>en<br />

Fall e<strong>in</strong> „white cube“ ist.<br />

DB, AK: Sie haben den White Cube <strong>in</strong> Ihrem<br />

Vortrag als Mythos bezeichnet. Existiert(e) der<br />

White Cube wie von O’Doherty beschrieben Ihrer<br />

Ansicht nach überhaupt jemals?<br />

CK: Dass der White Cube als solcher e<strong>in</strong> Mythos<br />

ist, den O´Doherty erst erschaffen hat, den es aber <strong>in</strong><br />

Wirklichkeit so nie gegeben hat, das, denke ich, machen<br />

alle<strong>in</strong> schon die vielen Wandlungen deutlich, die<br />

der weiße Ausstellungsraum im Museum im Verlauf<br />

des letzten Jahrhunderts durchlaufen hat, und die<br />

ich hier versucht habe, schematisch nachzuzeichnen.<br />

Zwar experimentierte man seit den 1920er Jahren<br />

stets aufs Neue mit verschiedenen Formen des weißen<br />

Raumes, die immer gleiche geschlossene weiße<br />

Zelle mit stabiler Funktion und Bedeutung gab es<br />

eben genau deshalb nie. Mit jeder Veränderung wird<br />

ja der Ansche<strong>in</strong> der Neutralität von Neuem <strong>in</strong> Frage<br />

gestellt, und tatsächlich ist nicht klar, ob man jemals<br />

<strong>in</strong> diesem Raumtypus der Wirklichkeit entrückt<br />

werden sollte. Vielmehr diente und dient die weiße<br />

Wand im Museum als Projektionsfläche für aktuelle<br />

Gesellschaftsentwürfe, deren Vorstellungen sich im<br />

Laufe der Zeit immer wieder verändert haben.<br />

DB, AK: Heute ist es längst nicht mehr der<br />

Kurator alle<strong>in</strong>, der für die Ausstellungsgestaltung<br />

verantwortlich zeichnet. In den letzten Jahren<br />

werden vermehrt Architekten oder Szenografen<br />

als Ausstellungsgestalter h<strong>in</strong>zugezogen. Welche<br />

Beispiele gibt es <strong>in</strong> der Geschichte für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre<br />

Zusammenarbeit, und wie war sie motiviert?<br />

CK: Immer wieder mal haben <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

Kuratoren das Heft aus der Hand gegeben, wenn es<br />

um die Gestaltung des Innenraums im Museum g<strong>in</strong>g.<br />

Alexander Dorner, der 1928 El Lissitzky beauftragte,<br />

das Abstrakte Kab<strong>in</strong>ett <strong>in</strong> Hannover zu entwerfen,<br />

ist hier e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en Museumsdirektor, der<br />

es e<strong>in</strong>em Künstler überließ, den Ausstellungsraum<br />

zu gestalten. Das ist ja etwas, das seit den 1960er<br />

Jahren immer mal wieder gerne gemacht wird. Aber<br />

auch Architekten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Vergangenheit gelegentlich<br />

schon für diese Aufgabe herangezogen worden.<br />

1906, zum Beispiel, hatte der damalige Direktor<br />

der Nationalgalerie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Hugo von Tschudi,<br />

den Architekten Peter Behrens beauftragt, für e<strong>in</strong>e<br />

großangelegte Jubiläumsausstellung zu e<strong>in</strong>hundert<br />

Jahren deutscher Kunst e<strong>in</strong> eigens dafür entworfenes<br />

Interieur zu schaffen. Mit wenigen Mitteln, wie hellgrauer<br />

Wandbespannung und abgehängten Decken,<br />

wurden die herrschaftlich historistischen Räume der<br />

Nationalgalerie verkleidet und e<strong>in</strong> durch und durch<br />

bürgerliches, modernes Interieur für die Ausstellung<br />

geschaffen (Abb. 3).<br />

DB, AK: Möchten Sie e<strong>in</strong>e Prognose abgeben,<br />

ob die weiße Wand künftig für das Ausstellen<br />

moderner und zeitgenössischer Kunst noch e<strong>in</strong>e<br />

Rolle spielen wird? Oder beschreiten wir aktuell<br />

e<strong>in</strong>en Weg „beyond the white cube“, wird die Suche<br />

nach Alternativen stärker <strong>in</strong> den Vordergrund<br />

rücken?<br />

CK: Die E<strong>in</strong>förmigkeit der Museums<strong>in</strong>terieurs, die<br />

<strong>in</strong> den letzten fünfzig Jahren doch mehr oder weniger<br />

unser Seherlebnis im Museum dom<strong>in</strong>iert hat, wird,<br />

me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach gerade großflächig verabschiedet.<br />

Ich glaube zwar, dass der weiße Ausstellungsraum<br />

immer noch Spielmöglichkeiten bietet<br />

und uns mit neuen Variationen überraschen kann,<br />

so wie es gerade das Städel Museum <strong>in</strong> Frankfurt<br />

mit der weißen Stadt im Ausstellungsconta<strong>in</strong>er der<br />

neueröffneten Gartenhallen vorgeführt hat (Abb. 4).<br />

Gleichzeitig jedoch sieht man zunehmend wieder,<br />

unter anderem ja auch <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong>,<br />

farbig gefasste und sehr unterschiedlich gestaltete<br />

Räume und selbstreflexive Inszenierungen. E<strong>in</strong> gutes<br />

Beispiel dafür bot schon 2007 die documenta 12 <strong>in</strong><br />

Kassel, <strong>in</strong> der sich die Ausstellungsmacher e<strong>in</strong>erseits<br />

auf die historische Tradition der Gebäude und<br />

anderseits auf e<strong>in</strong>e große Bandbreite von Ausstellungsmodi<br />

besonnen haben. Damit setzt man sich<br />

vielleicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> gewisses Spannungsverhältnis zu den<br />

Erwartungen der Künstler, die häufig immer noch von<br />

e<strong>in</strong>er weißen Wand als H<strong>in</strong>tergrund für ihre Werke<br />

ausgehen, doch das ist e<strong>in</strong> Risiko, das man me<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung nach e<strong>in</strong>gehen sollte. Ich kann mir nämlich<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

15


Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />

Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

ke<strong>in</strong> aufregenderes Museumserlebnis vorstellen, als<br />

e<strong>in</strong>es, das die Besucher durch sehr unterschiedliche<br />

und ausdifferenzierte Ausstellungsweisen aufs immer<br />

Neue herausfordert.<br />

1 Abbildung siehe Charlotte Klonk: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors<br />

from 1800 to 2000. New Haven & London 2009, S. 123.<br />

Abb. 1: Ludwig Justi, Ausstellungsansicht Max Beckmann im<br />

Kronpr<strong>in</strong>zenpalais <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, 1933<br />

Abb. 3: Peter Behrens, Blick <strong>in</strong> den Cornelius-Raum im Obergeschoss<br />

der Nationalgalerie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Jahrhundertausstellung<br />

deutscher Kunst, 1906<br />

Abb. 2: El Lissitzky, Kab<strong>in</strong>ett der Abstrakten von 1928/29,<br />

Rekonstruktion von 1968 im Niedersächsischen Landesmuseum<br />

Hannover<br />

Abb. 4: Die Erweiterung des Städel Museums <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />

(Schneider+Schumacher Architekten), Blick <strong>in</strong> die neuen Gartenhallen<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

16


Argumentationen<br />

im Raum<br />

Vom modernen White Cube<br />

zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />

Ellen Blumenste<strong>in</strong><br />

Seit der wegweisende Essay des irischen Künstlers<br />

und Kritikers Brian O'Doherty „Inside the White<br />

Cube“ („In der weißen Zelle“) 1976 erstmals als e<strong>in</strong>e<br />

Folge von drei Beiträgen im amerikanischen Kunstmagaz<strong>in</strong><br />

artforum erschien, hat sich <strong>in</strong> der Wahrnehmung<br />

von und dem Umgang mit dem Ausstellungsraum<br />

viel getan. Dennoch bleibt der White Cube bis<br />

heute die zentrale Bezugsgröße für die Präsentation<br />

von Kunst. Me<strong>in</strong> Beitrag möchte das fragile Verhältnis<br />

von Raum, Werk und Betrachter <strong>in</strong> Ausstellungen<br />

fokussieren, und parallel dazu alternative Formen der<br />

Begegnung mit Kunst aufzeigen.<br />

Der Ort und die Form der Präsentation von Kunst<br />

haben sich im Verlauf der Jahrhunderte häufig<br />

gewandelt, immer <strong>in</strong> Abhängigkeit davon, welche<br />

Funktion der Kunst <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

zugewiesen wurde. In der Moderne gibt es zwei<br />

sich widersprechende Ansprüche: zum e<strong>in</strong>en das<br />

Konzept ästhetischer Autonomie und zum anderen<br />

die avantgardistische Vorgabe der Vermischung von<br />

Kunst und Leben. Dem Autonomiekonzept entspricht<br />

räumlich der White Cube – also e<strong>in</strong> explizit als Ort<br />

ästhetischer Erfahrung gekennzeichneter Raum, der<br />

deutlich von anderen Orten, wie zum Beispiel öffentlichen<br />

oder politischen, abgegrenzt ist und eigenen<br />

Regeln unterliegt. Avantgardistische Kunst h<strong>in</strong>gegen<br />

stellt die strikte Trennung der Künste untere<strong>in</strong>ander<br />

wie auch von Kunst und Nicht-Kunst <strong>in</strong> Frage und<br />

versteht Kunst <strong>in</strong>sgesamt als e<strong>in</strong>e Praxis, die die<br />

Grenzen der geltenden gesellschaftlichen Normen<br />

h<strong>in</strong>terfragen und gegebenenfalls verschieben kann<br />

und sich an unterschiedlichsten Orten (realen wie<br />

virtuellen) manifestiert.<br />

Insbesondere mit der Konzeptkunst ist so e<strong>in</strong>e<br />

Diskussion über die gesellschaftliche Relevanz und<br />

das kritische Potenzial der Kunst entstanden, die das<br />

Verhältnis von Kunst zu anderen Feldern wie Politik,<br />

Wissenschaft und Ökonomie <strong>in</strong> den Blick nimmt und<br />

<strong>in</strong> der Folge auch den Ausstellungsraum als kontextstiftend<br />

für das Verstehen und die Bedeutung von<br />

Kunst h<strong>in</strong>terfragt 1 . O’Doherty war Mitte der 1970er<br />

Jahre der erste, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er heute kanonischen<br />

Schrift darauf h<strong>in</strong>wies, wie eng die Geschichte der<br />

Kunst mit dem Ausstellungsraum verknüpft ist: „…<br />

die Geschichte der modernen Kunst kann mit Veränderungen<br />

dieses Raumes und der Art und Weise, wie<br />

wir ihn wahrnehmen, <strong>in</strong> Wechselbeziehung treten.“ 2 In<br />

se<strong>in</strong>em Text analysiert er den soziologischen, ökonomischen<br />

und ästhetischen Kontext, <strong>in</strong>nerhalb dessen<br />

wir Kunst erfahren und zeigt, dass der Zusammenhang,<br />

<strong>in</strong> dem ausgestellt wird, erheblichen E<strong>in</strong>fluss<br />

hat auf die Wahrnehmung der Inhalte dessen, was<br />

ausgestellt wird. Damit führt er zugleich den Betrachter<br />

als zentrale Gestalt für die Bedeutungskonstitution<br />

von Kunst e<strong>in</strong>, die nun zwischen Künstler, Werk<br />

und Betrachter im Raum stattf<strong>in</strong>det.<br />

Als Folge der Institutional Critique wurde diese<br />

Debatte seit den 1990er Jahren über den Ausstellungsraum<br />

h<strong>in</strong>aus erweitert: Angefochten wurden<br />

nicht mehr nur der Raum und die Formen der<br />

Präsentation und Rezeption von Kunst, sondern das<br />

System Kunst und se<strong>in</strong>e Funktionsmechanismen im<br />

Verhältnis zur Gesamtgesellschaft. Damit geriet nur<br />

sche<strong>in</strong>bar paradoxerweise der Ausstellungsraum<br />

– der Hauptangriffspunkt der Institutional Critique<br />

gewesen war – aus dem Blick, weil durch die Pers-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

17


Argumentationen im Raum<br />

Vom modernen White Cube zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />

pektivverschiebung auf das Verhältnis unterschiedlicher<br />

Kontexte zue<strong>in</strong>ander das Museum als Ort für die<br />

Kunst re-naturalisiert wurde.<br />

Erst seitdem Kunsthistoriker nach dem Status<br />

und der Produktivität der Entgrenzung der Künste<br />

(Strategien aus Politik, Wissenschaft oder Ökonomie<br />

als <strong>in</strong>härenter Bestandteil künstlerischer Praktiken)<br />

fragen und Künstlerische Forschung (oder: artistic<br />

research) als Sonderfall Ästhetischer Erfahrung<br />

zwischen Kunst und Wissenschaft 3 untersuchen,<br />

rückt auch der Raum ihrer öffentlichen Verhandlung<br />

wieder <strong>in</strong> den Fokus. Forscher <strong>in</strong>teressieren sich für<br />

die Funktion, die das Museum im gesellschaftlichen<br />

Gefüge e<strong>in</strong>nimmt und für das Verhältnis zwischen<br />

Künstler, Werk und Betrachter. 4 Die Frage nach dem<br />

„Jenseits des White Cube“ verstehe ich unter diesen<br />

Voraussetzungen als Ausdruck der Unsicherheit über<br />

die Position des Museums und dessen gesellschaftlichem<br />

Ort.<br />

Die Beschaffenheit dieses Ortes, se<strong>in</strong>er Form<br />

und der Zeit, <strong>in</strong> der Kunst dort rezipiert wird, wandeln<br />

sich derzeit, ohne bislang e<strong>in</strong> deutliches Profil<br />

angenommen zu haben. Zugleich werden tradierte<br />

Vorstellungen und Sehgewohnheiten dem sich<br />

verschiebenden Umgang mit und der Wahrnehmung<br />

von Kunst nicht mehr h<strong>in</strong>reichend gerecht. Weder<br />

Macher noch Besucher haben e<strong>in</strong> genaues Bild,<br />

woh<strong>in</strong> das Museum sich entwickeln müsste, um den<br />

veränderten Anforderungen, Bedürfnissen, aber auch<br />

den Möglichkeiten e<strong>in</strong>es solchen Ortes gerecht zu<br />

werden.<br />

Wenn wir diese Verunsicherung, die durch das<br />

„jenseits“ im Titel des Symposiums durchsche<strong>in</strong>t,<br />

nicht als Anlass verstehen, den Museumsraum ganz<br />

zu verlassen, sondern ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Labor der Formate<br />

mit offenem Ausgang verwandeln, können wir uns<br />

den anstehenden Fragen aus neuer Perspektive widmen.<br />

Wir können Ausstellungen als Erfahrungsräume<br />

def<strong>in</strong>ieren, <strong>in</strong> denen nicht nur Bezug auf aktuelle politische,<br />

soziale oder kulturelle Diskurse genommen<br />

wird, sondern die selbst e<strong>in</strong>en Diskurs schaffen. Mit<br />

Deleuze/Guattari 5 wären Ausstellungen e<strong>in</strong>e spezifische<br />

Form des Denkens, bei dem Welt vermittels<br />

Kunst eben gerade nicht nur dargestellt, sondern<br />

überhaupt erst als Erfahrung hergestellt wird. Kunst<br />

ließe sich so als Wirklichkeit komponierendes Medium<br />

an der Schnittstelle zwischen Mensch und (Um-)<br />

Welt, Sichtbarem und Unsichtbarem, Gegenwärtigem<br />

und Abwesendem beschreiben, das nach Merleau-<br />

Ponty 6 notwendig körperliche Züge trägt. Dieser Ort<br />

wäre e<strong>in</strong>er, der mittels der ausgestellten Objekte<br />

(seien es Kunstwerke oder andere D<strong>in</strong>ge) e<strong>in</strong>e Argumentation<br />

im Raum entwirft, die e<strong>in</strong>e spezifische<br />

Form des Denkens ermöglicht, die sich über Wahrnehmung<br />

und Empf<strong>in</strong>dung vollzieht und anderswo<br />

(zuhause, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum) so<br />

nicht möglich wäre. E<strong>in</strong>en solcherart anderen Raum,<br />

der – <strong>in</strong> logistischer wie <strong>in</strong>haltlicher H<strong>in</strong>sicht – neuartige<br />

Erfahrungen ermöglicht, können wir als ‚Dritten<br />

Ort‘ 7 bezeichnen.<br />

Hier rücken das Vergnügen am Schauen und<br />

produktive Unsicherheit anstatt selbstreferenzieller<br />

und hermetischer Displays <strong>in</strong>s Zentrum, der Betrachter<br />

wird konstitutiv als Teil des Gefüges mitgedacht<br />

und die Ausstellung als e<strong>in</strong> System konzipiert, <strong>in</strong> dem<br />

Künstler, Werk, Raum, Kurator und Betrachter vone<strong>in</strong>ander<br />

abhängen und Denken sich zwischen diesen<br />

konstitutiven Faktoren entwickelt. Hier erfahren wir<br />

‚am eigenen Leib‘, dass ke<strong>in</strong>e Erfahrung nur von<br />

e<strong>in</strong>em selbst abhängt und dass auch Denken nur <strong>in</strong><br />

Bezug auf Objekte, Menschen, Welt – als e<strong>in</strong>e Übertragungssituation<br />

zwischen ihnen – sich vollziehen<br />

kann.<br />

Wenn wir das „Jenseits“ des Ausstellungsraumes<br />

nun wörtlich nehmen, welche zusätzlichen Formen<br />

könnte es für derartige Erfahrungen im Umgang mit<br />

Kunst geben? Im Folgenden sei das Experimentallabor,<br />

das wir genau für Fragen dieserart im Salon<br />

Populaire e<strong>in</strong>gerichtet haben, auszugsweise vorgestellt<br />

(Abb. 1).<br />

Salon Populaire ist e<strong>in</strong> Treffpunkt für Gespräche<br />

über Kunst und angrenzende Themengebiete und<br />

für das Aufe<strong>in</strong>andertreffen unterschiedlicher Ideen,<br />

Haltungen und Kontexte, dessen Raumkonzept <strong>in</strong><br />

Zusammenarbeit mit raumlaborberl<strong>in</strong> (Markus Bader)<br />

erarbeitet wurde. Als <strong>in</strong>formeller sozialer Raum, der<br />

sich an der Schnittstelle von Ausstellungsraum<br />

und Akademie positioniert und programmatisch<br />

entlang zweier jährlich wechselnder Leitthemen<br />

gestaltet, kann er je nach Bedarf aktiv von und mit<br />

den Gästen für den jeweiligen Gebrauch umdef<strong>in</strong>iert<br />

und -genutzt werden. Gedacht sowohl <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an, wie auch als Weiterentwicklung der Geschichte<br />

der Salons, ist Salon Populaire e<strong>in</strong> Laboratorium für<br />

unterschiedlichste Formen künstlerischen Denkens.<br />

Als halböffentlicher Raum erlaubt er Nutzungen, die<br />

sich zwischen der Privatheit e<strong>in</strong>er Wohnung und der<br />

Öffentlichkeit e<strong>in</strong>er Institution bewegen.<br />

Im Rahmen verschiedener Veranstaltungsreihen<br />

und Sonderformate suchen wir nach Formen, die<br />

übliche Vorträge <strong>in</strong> Gesprächssituationen umformen,<br />

aus der Präsentation von Kunst e<strong>in</strong>en Austausch<br />

über Kunst machen, Zuhörer zu Gesprächspartnern<br />

werden, die die Veranstaltung aktiv mitgestalten.<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

18


Argumentationen im Raum<br />

Vom modernen White Cube zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />

Specific Objects – Show and Tell ist beispielsweise<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von Werkstattgesprächen, die e<strong>in</strong>en<br />

Gast e<strong>in</strong>lädt, e<strong>in</strong> Objekt se<strong>in</strong>er/ihrer Wahl mitzubr<strong>in</strong>gen<br />

und im Rahmen e<strong>in</strong>es Gespräches vorzustellen.<br />

Der mitgebrachte Gegenstand kann sowohl e<strong>in</strong><br />

physisches Objekt wie e<strong>in</strong> Buch oder e<strong>in</strong> Film, als<br />

auch e<strong>in</strong> nicht-physisches Objekt wie etwa e<strong>in</strong>e<br />

Denkfigur von Foucault oder auch die Innenstadt von<br />

Berl<strong>in</strong> se<strong>in</strong>. Der spezifische Gegenstand kann frei<br />

gewählt werden, soll aber ke<strong>in</strong> eigenes Kunstwerk<br />

se<strong>in</strong>, sondern vielmehr mit dem Denkhorizont des<br />

Gastes <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen. Das Objekt soll zu e<strong>in</strong>er<br />

Mittlerfigur werden, die über das <strong>in</strong>dividuelle Interesse<br />

h<strong>in</strong>aus führt und sich für aktuelle (künstlerische)<br />

Diskurse öffnet und so tradierte Hierarchien außer<br />

Kraft setzt.<br />

Die Ausstellung und das Ausstellen greift die<br />

aktuelle Diskussion um die Rolle des Kurators <strong>in</strong><br />

Form e<strong>in</strong>es offenen Forums auf, <strong>in</strong>nerhalb dessen e<strong>in</strong><br />

Gast e<strong>in</strong>mal pro Monat se<strong>in</strong>e/ihre je verschiedene<br />

Perspektive vorstellt und mit dem Plenum diskutiert.<br />

Die Reihe verlagert den Schwerpunkt der Debatte<br />

aus Kunstfeld und Medien, <strong>in</strong>dem sie den Kurator<br />

und se<strong>in</strong>e Arbeit gerade nicht aus dem Gefüge, <strong>in</strong><br />

dem er/sie arbeitet, herauslöst, sondern im Verhältnis<br />

zu anderen Akteuren beschreibt und das Format der<br />

Ausstellung und die Arbeit am Ausstellen grundsätzlich<br />

thematisieren. Dabei geht es nicht alle<strong>in</strong> um die<br />

Befragung unterschiedlicher Praktiken, sondern auch<br />

um den Versuch, das Sprechen über die Ausstellung<br />

und das Ausstellen als e<strong>in</strong>en Diskurs zu etablieren.<br />

Wir möchten die Bed<strong>in</strong>gungen des Ausstellens erörtern<br />

und beschreiben, was ‚Kuratieren‘ – <strong>in</strong>nerhalb<br />

wie außerhalb des musealen Rahmens – bedeuten<br />

kann.<br />

Can you pass the salt, please? nimmt die griechische<br />

Tradition des Gastmahls (Symposion) auf (Abb.<br />

2). Die Teilnehmer versammeln sich zu ‚Speis und<br />

Trank‘ an e<strong>in</strong>er großen Tafel, um geme<strong>in</strong>sam philosophische<br />

Fragen zu diskutieren. Jeder Gast br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e<br />

Geschichte, e<strong>in</strong>en Gedanken oder Text, e<strong>in</strong> Bild oder<br />

e<strong>in</strong> Kunstwerk mit, welche für sie oder ihn <strong>in</strong> Zusammenhang<br />

mit dem jeweiligen Thema des Abends<br />

stehen. Ausgehend von e<strong>in</strong>er je kurzen Vorstellung<br />

dieser Beiträge entwickelt sich e<strong>in</strong> Austausch von<br />

Positionen, Interessen und Ideen …<br />

3 Siehe http://www.sfb626.de/veroeffentlichungen/onl<strong>in</strong>e/aesth_erfahrung/<br />

<strong>in</strong>dex.html<br />

4 Siehe z.B. Dorothea von Hantelmann, Carol<strong>in</strong> Meister (Hg.), Die Ausstellung.<br />

Politik e<strong>in</strong>es Rituals, Zürich/Berl<strong>in</strong> 20<strong>10</strong>.<br />

5 Gilles Deleuze/Félix Guattari, Was ist Philosophie?, Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 1991.<br />

6 Maurice Merleau-Ponty, Das Auge und der Geist. Philosophische Essays,<br />

Hamburg 1984 (1961).<br />

7 Der Begriff wurde von Daniel Tyradellis als term<strong>in</strong>us technicus zur<br />

Beschreibung von Ausstellungen als Orten politischer Ontologie vorgeschlagen.<br />

Er leitet sich aus der soziologischen Figur des „Dritten“ ab, die<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Interaktion über „Ich“ und „Du“ (Ego und Alter Ego) h<strong>in</strong>aus<br />

neue Funktionen für die Kommunikation übernimmt, die zwischen zwei<br />

Interaktionspartnern alle<strong>in</strong> nur schwer erreichbar s<strong>in</strong>d.<br />

Abb. 1: Salon Populaire, Raume<strong>in</strong>druck<br />

(Raumkonzept: raumlaborberl<strong>in</strong>, Markus Bader)<br />

Abb. 2: Salon Populaire, Can you pass the salt, please? E<strong>in</strong> Gastmahl.<br />

D<strong>in</strong>ner, dr<strong>in</strong>ks and discussions on friendship, 27.<strong>10</strong>.20<strong>10</strong><br />

1 Was Marcel Duchamp schon 1938 mit se<strong>in</strong>er Intervention 1200 Kohlesäcke<br />

<strong>in</strong> der Internationalen Ausstellung der Surrealisten <strong>in</strong> Paris thematisierte,<br />

benötigte fast drei Jahrzehnte, um als Infragestellung des <strong>Galerie</strong>raumes<br />

im öffentlichen Diskurs anzukommen. Vgl. Brian O’Doherty: In der weißen<br />

Zelle, Berl<strong>in</strong> 1996. S. 73 f.<br />

2 Ebd., S. 8.<br />

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Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

19


Szenografie und<br />

Ausstellungsraum<br />

Beatrix von Pilgrim<br />

Ausstellungsraum und Szenografie – was hat das<br />

eigentlich mite<strong>in</strong>ander zu tun?<br />

Ist Szenografie so e<strong>in</strong>e Art Tun<strong>in</strong>gprogramm für<br />

Ausstellungsgestaltung?<br />

Oder ist Szenografisches etwas selbstständig<br />

Lebensfähiges und bef<strong>in</strong>det sich als Objekt oder<br />

Skulptur im Ausstellungsraum?<br />

Ist Szenografie selbst e<strong>in</strong>e Kunstform oder eher<br />

e<strong>in</strong>e Strategie, e<strong>in</strong> handwerkliches Hilfsmittel für<br />

gelungene Ausstellungen?<br />

Was ist Szenografie überhaupt?<br />

Ich stehe hier als Szenograf<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ausstellungsraum<br />

und versuche e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition dieses im<br />

Augenblick oft verwendeten, geradezu modisch <strong>in</strong>flationär<br />

zitierten, aber ebenso vagen wie schillernden<br />

Begriffs „Szenografie“.<br />

Szenografie ist, denken die meisten, Bühnenbild,<br />

Theater halt. Wird man im Taxi vom Fahrer nach dem<br />

Beruf gefragt, versteht er Stenografie und denkt, aha,<br />

e<strong>in</strong>e Sekretär<strong>in</strong>.<br />

Das Wort Szenografie ist griechisch und <strong>in</strong> den<br />

antiken Arenen entstanden.<br />

Arena mit „skenä“<br />

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Szenografie und Ausstellungsraum<br />

Per Schatten<br />

Panoptischer Blick<br />

Die „skenä“, die Wand, auf die man blickt, war<br />

e<strong>in</strong>mal jener bedeckte, schattige Ort, e<strong>in</strong>e Laube, e<strong>in</strong><br />

Zelt und hat etwas mit „skia“ – Schatten zu tun, e<strong>in</strong><br />

wichtiger Begriff für Szenografie.<br />

Aus der „skenä“ im Allgeme<strong>in</strong>en wurde die „szenä“<br />

im Halbrund der griechischen Theaterarenen,<br />

e<strong>in</strong>e Auftritts- und Abdeckwand, auf die der Blick<br />

der rundum sitzenden Zuschauer sich fixierte – <strong>in</strong><br />

Erwartung e<strong>in</strong>es Auftritts, als H<strong>in</strong>tergrund für die<br />

Vortragenden. Es entsteht beides: der panoptische<br />

Blick – die Wahrnehmung des Ganzen rundum – und<br />

es entsteht der ausschließende, frontal gerichtete,<br />

fokussierte Blick. Auf ebendieses Stück here<strong>in</strong>gestellte<br />

Architektur. Diese „Szenen-Wand“ wurde<br />

wohl angemalt – daher das „grafe<strong>in</strong>“ – übersetzt also<br />

e<strong>in</strong>e „angemalte Kulisse“. Kulisse wiederum kommt<br />

von „couler“ (französisch: rollen, sich bewegen),<br />

aber bewegt hat sich bei den Griechen die Szene<br />

noch gar nicht. Die Entwicklung der Szenografie<br />

von Epidauros bis, sagen wir, <strong>in</strong>s Deutsche Schauspielhaus<br />

Hamburg hat e<strong>in</strong> bisschen gedauert und<br />

e<strong>in</strong>ige fundamentale architektonische Erf<strong>in</strong>dungen<br />

gemacht, die unsere kompletten Sehgewohnheiten<br />

bis heute bestimmen, auch, wenn wir vor Computern<br />

sitzen und Layer, Frames, W<strong>in</strong>dows, sogar Pop-ups<br />

betrachten – denn auch diese Ordnung der Sehweisen<br />

im digitalen Gerät hängt mit e<strong>in</strong>em speziellen<br />

„szenografischen“ Blick zusammen, beruht auf e<strong>in</strong>er<br />

lange tradierten Sehgewohnheit im Raum.<br />

Ich übersetze daher Szenografie nicht als „Bühnen-Bild“<br />

sondern als „e<strong>in</strong>e Szene schreiben“.<br />

Der Prozess, die Abfolge, die Bewegung ist das,<br />

was mich <strong>in</strong>teressiert und auch das flüchtige, eph-<br />

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21


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

emere Bild, welches, ist das Ereignis vorbei, nur im<br />

<strong>in</strong>neren Bild der Er<strong>in</strong>nerung weiterexistieren kann.<br />

Szenografie ist das, was man nicht sieht oder<br />

nicht mehr sieht oder vielleicht erst sehen wird – e<strong>in</strong>e<br />

Kunstform also, die deutlich zeitbasiert ist.<br />

Mich <strong>in</strong>teressieren hier genau diese Phänomene,<br />

die Szenografie wesentlich def<strong>in</strong>ieren und die gleichermaßen<br />

für Ausstellungsräume fundamental s<strong>in</strong>d:<br />

- die Bewegung des Körpers/Blicks im Raum<br />

- die Fragmentierung/Beschränkung des Blicks<br />

- das Licht/die Beleuchtung<br />

Der Begriff „Bühnen-Bild“ stimmt eigentlich nicht<br />

mehr, seitdem es die bestimmende Seherfahrung mit<br />

Filmen gibt, denn seitdem denken Szenografen noch<br />

mehr <strong>in</strong> Abläufen, <strong>in</strong> Bewegungsräumen.<br />

Um das zu verstehen, werfe ich e<strong>in</strong>en Rückblick <strong>in</strong><br />

die Entwicklung von Theaterarchitekturen.<br />

Die Zuschauerräume <strong>in</strong> der Renaissance, die<br />

vorher nur e<strong>in</strong>en schmalen Blickkorridor, <strong>in</strong> dem man<br />

die Spieler sehen konnte, ermöglichten, öffnen sich<br />

zu „demokratischen“ Foren.<br />

… und im Wahrnehmen des Gegenübers.<br />

Sofort spr<strong>in</strong>gen die Gedanken zum Ausstellungsraum<br />

– Stellwände mit Bildern drauf –, also extrem<br />

konventionelle Ausstellungsarchitekturen, falls man<br />

Stellwände noch halbwegs zum architektonischen<br />

Maßnahmenkatalog zählen will – s<strong>in</strong>d auch oft bloße<br />

H<strong>in</strong>tergründe für das Wesentliche – s<strong>in</strong>d die Kulissen<br />

das nicht auch oft gewesen? Bloß H<strong>in</strong>tergrund für<br />

prächtige Darsteller und schöne Stimmen? Flache<br />

Raumkonstruktionen, die additiv <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Abfolge gesetzt<br />

waren? Re<strong>in</strong>e Dekoration? Kann man „Stellwände“<br />

oder Kulissen mit gemalten Blättern drauf analog<br />

zu rupfenbespannten mobilen Stellwandsystemen<br />

sehen und vergleichen?<br />

Man sieht sowohl beim Ausstellungsraum als<br />

auch bei der Szenografie e<strong>in</strong>e Entwicklung von der<br />

zweiten zur dritten Dimension, vom Bild zum Raum<br />

bis h<strong>in</strong> zu der spannenden Frage, wie sich die virtuellen<br />

Räume beurteilen lassen.<br />

Der Fokus liegt zentralperspektivisch …<br />

Die Zuschauer, repräsentativ hergerichtet, richten<br />

ihren Blick aus fast gegenüberliegenden Logen<br />

zuerst aufe<strong>in</strong>ander, dann f<strong>in</strong>den sich ihre Blicke im<br />

Fokus auf der Bühne und sehen die nach h<strong>in</strong>ten zentralperspektivisch<br />

gestaffelten Kulissen.<br />

Zurück zur Szenografie der Bewegung, der Erf<strong>in</strong>dung<br />

der bewegten und (sich) bewegenden Räume –<br />

e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong>s Barocktheater, welches sich im mitteleuropäischen<br />

Raum entwickelt hat, um klar zu machen,<br />

was ich me<strong>in</strong>e.<br />

Das Barocktheater erf<strong>in</strong>det drei fundamentale<br />

Neuerungen:<br />

1. Die Bewegung des Raumes<br />

Der Bildraum fängt an sich zu bewegen durch die<br />

Erf<strong>in</strong>dung der Theatermasch<strong>in</strong>erie. Von allen Seiten<br />

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Szenografie und Ausstellungsraum<br />

kann e<strong>in</strong> Kulissenteil <strong>in</strong> den Bildausschnitt gerollt,<br />

gezogen oder geschwenkt werden, die Mechanik ist<br />

dem Zuschauer verborgen und es entstehen Zauberkästen<br />

oder Illusionsmasch<strong>in</strong>en.<br />

Der italienische Architekt und Ingenieur Nicola<br />

Sabbat<strong>in</strong>i hat das zu Beg<strong>in</strong>n des 17. Jahrhunderts<br />

wunderbar gezeichnet und beschrieben.<br />

2. Die Cadrierung oder Rahmung des Blicks<br />

Die Erf<strong>in</strong>dung des Portals ist exemplarisch zu sehen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von heute noch existierenden Theaterbauten<br />

im oberitalienischen Raum – auf e<strong>in</strong>er Reise<br />

vom Teatro Olimpico <strong>in</strong> Vicenza nach Sabbioneta,<br />

nach Mantua, Padua und schließlich <strong>in</strong>s La Fenice<br />

<strong>in</strong> Venedig lässt e<strong>in</strong>en begreifen, wie und warum das<br />

Portal aus dem Theater-Innenraum förmlich aus dem<br />

Ste<strong>in</strong> gewachsen ist und die spezielle architektonische<br />

Trennung zwischen Bühnenraum und Zuschauerraum<br />

etabliert hat.<br />

Die Vorbühne ist der Spielort.<br />

Der Rahmen gibt e<strong>in</strong>e Trennung vor.<br />

Der Bühnenkasten entsteht<br />

Der bewegliche Bühnenraum<br />

Der Blick <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en übersichtlichen Schaukasten<br />

öffnet sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unübersehbare, große<br />

geschlossene Box – e<strong>in</strong>e Schaubühne. Die Vermutung,<br />

die Erwartung, kurz: das Unsichtbare tritt auf<br />

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23


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

den Plan.<br />

Licht „bewegt“ – durch Dimmung, bewegliche Reflektoren,<br />

Schwenks, Blackout Shutter – das Licht<br />

schafft zunehmend differenziert Atmosphäre und<br />

erzeugt Emotionen. Das Theater wird zur Masch<strong>in</strong>e,<br />

der Architekt zum Ingenieur. „Mechanisch“ kommt<br />

uns eher negativ vor, die alten Griechen jedoch me<strong>in</strong>ten<br />

damit – ers<strong>in</strong>nen, lebendig machen (griechisch:<br />

mechanao) – eben das „Nichtdarstellbare vorstellbar“<br />

zu machen.<br />

Der Guckkasten entsteht<br />

Das Portal wird zum bestimmenden architektonischen<br />

Bauteil.<br />

Der Guckkasten entsteht<br />

Das Portal entsteht<br />

H<strong>in</strong>ter dem Portal liegen im Pr<strong>in</strong>zip noch viele weitere<br />

Portale, die den Blick perspektivisch e<strong>in</strong>engen –<br />

seitlich gesehen Schichten, <strong>in</strong> der Computersprache<br />

würde man sagen „Layer“.<br />

3. Das Licht oder die Beleuchtung<br />

Die Steuerung der Wahrnehmung der Zuschauer<br />

durch die Lichttechnik hängt mit der Erf<strong>in</strong>dung des<br />

Portals eng zusammen – Zuschauerraum und Bühnenraum<br />

entwickeln eigene Beleuchtungstechniken.<br />

Erst mechanisch, später automatisch wird das<br />

Barocke Bühnenbilder<br />

Im Barocktheater entstehen also komplizierte<br />

lllusionstechniken, e<strong>in</strong> ausgefeiltes manipulatives<br />

Handwerk, e<strong>in</strong>e wirkliche Schule des Sehens und<br />

der Wahrnehmungsforschung. Das Vorstellungsvermögen<br />

der Zusehenden verändert sich an diesen<br />

„Schaubühnen“ sehr – und zwar im Kontext von<br />

Sprache. Sie hätten aber nicht diese Fasz<strong>in</strong>ationskraft,<br />

wenn nicht Sprachkunstwerke ausgestellt<br />

würden und Bild und Sprache sich verb<strong>in</strong>den würden.<br />

Fabelhafte, fantastische, nicht alltägliche Räume<br />

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24


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

entstehen, die den Betrachter emotionalisieren und<br />

ihm Reflexionen und Er<strong>in</strong>nerungen verschaffen wollen,<br />

visuelle E<strong>in</strong>drücke geben, die mit den auditiven<br />

zusammen e<strong>in</strong>e unauflösliche Verb<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>gehen.<br />

E<strong>in</strong>e Konvention des Sehens <strong>in</strong> diese Schaukästen<br />

entwickelt sich, die bis heutige tradiert wird, <strong>in</strong> diese<br />

noch nicht ganz schwarzen Boxen, <strong>in</strong> die man mit<br />

Erwartung und Erfüllungslust h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sieht. Die Zeit-<br />

Raum-Kunst Theater entwickelt sich.<br />

Mit diesen Wirkungsmechanismen – Bewegung,<br />

Cadrierung des Blicks und Lichtführung – hat Ausstellungsarchitektur<br />

gleichermaßen zu tun.<br />

Auch wenn diese Mittel e<strong>in</strong>en anderen Zweck verfolgen,<br />

sche<strong>in</strong>t ihr Ursprung mit dem Theaterbesuch<br />

verknüpft.<br />

Diese szenografischen Erf<strong>in</strong>dungen des Barock<br />

waren ziemlich haltbar, im 18. und 19. Jahrhundert<br />

haben sie sich konsolidiert und immer weiter konventionalisiert,<br />

bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert, bis h<strong>in</strong><br />

zu der Tatsache, dass sogar noch 1997 e<strong>in</strong> Theaterneubau<br />

<strong>in</strong> Hof entstehen konnte, der das Barockmodell<br />

weitgehend modifiziert, ja wiederholt – und<br />

vollkommen un<strong>in</strong>novativ zitiert. Die architektonische<br />

Konvention der Theaterbauten reicht also bis heute,<br />

heißt Stadt- oder Staatstheater und ist das, was die<br />

meisten jungen Szenografen hassen und zutiefst<br />

verachten, oft ohne zu realisieren, wie fundamental<br />

diese Wirkungsweisen von Raum und Bewegung,<br />

Portal/Bildausschnitt und manipulativer Lichttechnik<br />

Film, Video und auch Architektur bee<strong>in</strong>flusst haben.<br />

Blicks abschaffen!<br />

So fängt der szenische Raum an, sich durch die<br />

sich mobilisierenden Zuschauer komplett zu bewegen<br />

oder zu verselbständigen, und der Raum gew<strong>in</strong>nt<br />

e<strong>in</strong>en skulpturalen Aspekt. Die Keimzelle dafür liegt<br />

<strong>in</strong> Hellerau bei Dresden.<br />

Die bahnbrechende Idee dort war, e<strong>in</strong> architektonisches<br />

Gehäuse zu erf<strong>in</strong>den für die rhythmischen<br />

Körperübungen des Tanztheoretikers Emile Jaques-<br />

Dalcroze – das Festspielhaus Hellerau wird vom Architekten<br />

He<strong>in</strong>rich Tessenow 1911 um dessen Ideen<br />

herum gebaut.<br />

Bahnbrechend waren der ungerichtete Raum, die<br />

Abschaffung des Portals und e<strong>in</strong> komplett dimmbarer<br />

Lichtraum – e<strong>in</strong> szenischer Ausstellungsraum, der<br />

gleichermaßen Black Box und White Cube ist.<br />

Der Innenraum ist gänzlich weiß, und der Raum<br />

hat sogar Fenster.<br />

Der große Saal des Festspielhauses gibt baulich ke<strong>in</strong>e festgelegte<br />

Bespielungsrichtung vor und ist aufgrund se<strong>in</strong>er offenen Struktur<br />

geeignet für vielerlei Nutzung – Performance oder Ausstellung.<br />

Neue Lichttechnik<br />

Aber schon zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts<br />

haben Bildraumerf<strong>in</strong>der diese Konventionen angefangen<br />

zu hassen, s<strong>in</strong>d radikal denkende Szenografen<br />

von ihren roten Plüschsesseln aufgesprungen, haben<br />

dieses zu eng sche<strong>in</strong>ende Sichtprogramm gesprengt<br />

und weiterentwickelt. Sie s<strong>in</strong>d von ihren Sitzen aufgestanden<br />

und forderten: Die Zuschauer sollen sich<br />

gefälligst selbst bewegen! E<strong>in</strong>en eigenen Standpunkt<br />

suchen! Das Multiperspektivische denken! Das<br />

Simultane erf<strong>in</strong>den! Die Diktatur des fokussierten<br />

Ke<strong>in</strong> Portal – viele Portale<br />

Bezeichnenderweise erzeugten diese Wiege der<br />

Avantgarde Künstler aller Abteilungen: Maler wie Kokoschka,<br />

Architekten wie Le Corbusier, Choreograf<strong>in</strong>nen<br />

wie Mary Wigman, Komponisten und Musiker<br />

führten spannendste Streitgespräche <strong>in</strong> wenigen<br />

verdichteten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg.<br />

Danach gab es den Versuch e<strong>in</strong>er Wiederbelebung<br />

und die schnelle Okkupation durch die Nazis,<br />

welche den Ort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kaserne umwandelten. Das<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

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25


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

blieb sie dann bis zum Mauerfall und zur mühsamen<br />

Rückeroberung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en avantgardistischen Kulturort.<br />

Auch Piscator denkt über e<strong>in</strong> neues Raumverständnis<br />

nach und erf<strong>in</strong>det <strong>in</strong> Mannheim e<strong>in</strong>en mobilen<br />

szenischen Raum, der e<strong>in</strong>e Rundum-Bespielung<br />

ermöglichen soll oder auch e<strong>in</strong>e vis-a-vis Anordnung<br />

zweier Tribünen.<br />

Räumliche Varianten im Piscator-Bau<br />

Der repräsentative Aspekt im Theater wandelt<br />

sich wieder – vom Logenblick im Barocktheater zur<br />

radikalen Frontstellung im Piscator-Bau.<br />

Das Licht bleibt an, der Raum ist nicht mehr<br />

schwarz, <strong>in</strong> Hellerau nicht, <strong>in</strong> Mannheim nicht, der<br />

Zuschauer spiegelt sich entweder <strong>in</strong> sich selbst<br />

beziehungsweise im frontalen Blick des Gegenübers,<br />

er wird e<strong>in</strong>bezogen und macht somit fast selbst mit<br />

als Teil der Spielanordnung. Themen und Geschehen<br />

werden zunehmend „ausgestellt“ – mit Brechts<br />

Verfremdungseffekten steht die Sprache im Zentrum<br />

und auch e<strong>in</strong>e politische Haltung, brisant, gefährlich<br />

(wie <strong>in</strong> der DDR) und von Zensur bedroht. Das Publikum<br />

ist also auf dem Wege, selbst zum Handelnden<br />

zu werden, die Gegenüberstellung des Publikums<br />

bekommt e<strong>in</strong>en appellativen Charakter, Brecht sagt<br />

sozusagen: Ändere die Welt! Das Licht ist aus den<br />

Illusionsmasch<strong>in</strong>en wieder herausgekommen und<br />

setzt Publikum und Spieler unter e<strong>in</strong>e räumliche Bed<strong>in</strong>gung,<br />

stellt das e<strong>in</strong>e wie das andere aus, erhellt im<br />

Grunde beides. E<strong>in</strong>e Arena war schon <strong>in</strong> der Antike<br />

auch e<strong>in</strong> politischer Ort – Gladiatorenkämpfe dienten<br />

nicht nur der Schaulust, sondern waren auch Exekutiv-<br />

und Exekutionsorte, und es gibt kaum (herz)<br />

blutgetränktere Orte als die runde Bodenfläche des<br />

Kolosseums <strong>in</strong> Rom.<br />

So werden die szenischen Räume im Verlauf ihrer<br />

historischen Entwicklung vom re<strong>in</strong>en Spielfeld zum<br />

Verhandlungsraum, zum Reflexionsfeld – Verhältnisse<br />

werden ausgestellt und bei Licht betrachtet. Im Zentrum<br />

aber steht meistens noch der verdichtete Text,<br />

der – immer noch mit Hilfe e<strong>in</strong>es Bildraumes und<br />

e<strong>in</strong>er räumlichen Verhältnissetzung – Zusehenden<br />

„das Nichtvorstellbare sichtbar macht“. Gleichzeitig<br />

gab es schon die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Projektionen<br />

im szenischen Raum. Sobald es Filme gab,<br />

wanderte diese Technik auf die Bühne, bereits vor<br />

fast <strong>10</strong>0 Jahren nunmehr, weil dieses neue Medium<br />

Theaterleute sofort brennend <strong>in</strong>teressiert hat – das<br />

bewegte projizierte Bild und die authentische Realität<br />

des simultan anwesenden Spielers <strong>in</strong>s Verhältnis<br />

zu setzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und e<strong>in</strong>er<br />

trostlosen restaurativen Phase sucht sich das Theater<br />

<strong>in</strong> den späten 60er, 70er und 80er Jahren gleich<br />

ganz andere Räume – Fabrikhallen vor allem, Orte<br />

mit Aura und Geschichte, deutlich nicht repräsentativ,<br />

Experimentierfelder für die Frage: Wie ist das<br />

Publikum positioniert – bei Peter Brook <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arena<br />

(„Carmen“), bei Robert Wilson <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rundumbühne<br />

und e<strong>in</strong>em Publikum, welches auf Drehstühlen sitzt<br />

(„Death Destruction and Detroit“), bei Klaus Grüber<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>szenierten Raumfolge <strong>in</strong> der Salpêtrière<br />

(„Faust“) <strong>in</strong> Paris. Die Kampnagelfabrik <strong>in</strong> Hamburg<br />

bildet diese Suche nach neuen szenisch nutzbaren<br />

Räumen exemplarisch ab. Die Kampnagelfabrik ist<br />

seit ihrer Umnutzung zu Kulturräumen (1981) e<strong>in</strong>e<br />

Institution geworden und quasi museales Zeugnis<br />

dieser Entwicklung.<br />

Die Schaubühne Berl<strong>in</strong> wird ebenfalls Anfang der<br />

1980er Jahre eröffnet als vorläufige Summierung der<br />

neuen Erkenntnisse – als räumlich mobile Avantgardebühne<br />

schlechth<strong>in</strong>, <strong>in</strong>teressanterweise <strong>in</strong> den<br />

Räumen e<strong>in</strong>es umgebauten Lichtspielhauses.<br />

Der Architekt Jürgen Sawade konzipiert mobil<br />

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Szenografie und Ausstellungsraum<br />

nutzbare Räume ohne Portalzonen, mit ausgefeilter<br />

Lichttechnik von überallher und e<strong>in</strong>er masch<strong>in</strong>ell<br />

veränderbaren Boden- und Tribünentechnik – so<br />

e<strong>in</strong>e Art baulicher Zwitter von Barockbühne und<br />

Kampnagelfabrik mit allen Zutaten, die für szenische<br />

Umsetzungen jeglicher Art <strong>in</strong> dieser Zeit <strong>in</strong>teressant<br />

schienen.<br />

Die Räume könnten gleichermaßen Ausstellungsräume<br />

se<strong>in</strong> – farblich waschbetongrau, etwas<br />

zwischen Black Box und White Cube.<br />

Ausstellungsraum und szenischer Raum gleichen<br />

sich sche<strong>in</strong>bar an – als e<strong>in</strong>e Art kultureller Nutz- und<br />

Mehrzweckbau? E<strong>in</strong> neues bürgerliches Repräsentationstheater<br />

entsteht <strong>in</strong> den weitgehend schmucklosen<br />

Foyers der neuen Schaubühne, bevor es das<br />

Theaterpublikum auch <strong>in</strong>s komplett Alternative zieht,<br />

<strong>in</strong> staubige Fabrikhallen und Gasgebläsehallen, <strong>in</strong><br />

Stadtraum<strong>in</strong>szenierungen oder Katakomben.<br />

Vor und nach der letzten Jahrhundertwende<br />

entstehen dann vollkommen neue Raumformen für<br />

die szenischen Künste – Publikumsprozessionen zum<br />

Beispiel – das Publikum wandert mit den Spielern mit<br />

von Spielort zu Spielort, <strong>in</strong> ganzen <strong>in</strong>szenierten Häusern,<br />

zum Beispiel <strong>in</strong> der Produktion „End-Spiele-8“<br />

(Samuel Beckett) von Jossi Wieler <strong>in</strong> Basel 1993.<br />

Oder es entstehen Raumskulpturen, die simultan<br />

bespielbare szenische Bühnen bilden, bestehend aus<br />

Live-Acts und Projektionen, rundum begehbar und<br />

betrachtbar vom Publikum, das kommen und gehen<br />

kann, wie es will – ganz wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung.<br />

„Das Büro“. Performatives Installationsprojekt von Beatrix von<br />

Pilgrim und Tilman Raabke, geplant für Kampnagel, Hamburg 2008<br />

Und es entstehen mit diesem neuen Raumverständnis<br />

neue Erzählstrukturen.<br />

Walter Benjam<strong>in</strong> sieht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Passagen-Werk<br />

e<strong>in</strong>e Analogie zwischen der Erzeugung e<strong>in</strong>es narrativen<br />

Werkes und der Bewegung des Betrachters.<br />

Die Vorwärtsbewegung des Flaneurs durch die<br />

Straßen e<strong>in</strong>er Stadt vergleicht er mit der Erzeugung<br />

e<strong>in</strong>es Filmes. Roland Barthes bezieht sich als Semiotiker<br />

auf Victor Hugo und sieht den Fußgänger <strong>in</strong> der<br />

Stadt als e<strong>in</strong>en Leser, der die Stadt im Fortlauf der<br />

Fortbewegung entziffert – die Stadt ist demnach wie<br />

e<strong>in</strong>e Schrift und jemand, der sich <strong>in</strong> ihr bewegt, ihr<br />

Leser.<br />

Szenografie entspräche somit dem Lesen e<strong>in</strong>er<br />

Stadt als Schrift, der fiktionale narrative Charakter<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Text der Erzählung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em räumlichen<br />

Kont<strong>in</strong>uum.<br />

Michel de Certeau bef<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der Kunst des Handelns,<br />

dass der Akt des Gehens für das urbane System<br />

das ist, was die Äußerung, was der Sprechakt für<br />

die Sprache oder für die formulierte Aussage ist.<br />

Fährt man im Auto <strong>in</strong> Las Vegas über den berühmten<br />

„Strip“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz bestimmen Geschw<strong>in</strong>digkeit,<br />

ziehen die bl<strong>in</strong>kenden Häuserfassaden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise<br />

an e<strong>in</strong>em vorbei, die offensichtlich macht, dass ihre<br />

räumlich Anordnung und ihr Aufe<strong>in</strong>anderbezogense<strong>in</strong><br />

sich ausschließlich dem fahrenden, also selbst sich<br />

bewegenden Zuschauer erschließt. Als Zuschauer<br />

auf dem Boden sieht man diese genau geplante Anordnung<br />

schlicht nicht – e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drückliches und wunderbares<br />

Beispiel von Architektur als Film, welcher<br />

sich dem Betrachter „frame“ für „frame“ erschließt.<br />

So sieht man wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „stop-motion-film“, was<br />

für e<strong>in</strong>en gerahmt wurde. Diese Wahrnehmung des<br />

sich selbst bewegenden Zuschauers zu kalkulieren<br />

hat die szenischen Künste bee<strong>in</strong>flusst und wohl auch<br />

die Ausstellungsmacher: Früher sah man gerahmte<br />

Bilder, heute läuft der Besucher quasi im gerahmten<br />

Ausstellungsraum herum. Heute ist der Rahmen das<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

27


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

räumliche Display selbst, und das Kunstwerk ist zum<br />

Handelnden geworden – es spricht selbst und korrespondiert<br />

mit se<strong>in</strong>em Nachbarn, und man kann sich<br />

dazu verhalten oder nicht, und nicht zuletzt wird der<br />

Besucher selbst ausgestellt.<br />

Die Absicht ist deutlich, den Zuschauer zum Handelnden<br />

zu machen, und die Räume handeln bisweilen<br />

selbst bis h<strong>in</strong> zur mechanisch-digitalen Variante<br />

des Track<strong>in</strong>gs, bei der die Zuschauerbewegungen<br />

die Bildräume animieren. Man sieht, es s<strong>in</strong>d sehr<br />

ähnliche Fragen, die sich e<strong>in</strong> Ausstellungsmacher<br />

stellt. In jedem Fall bleiben es <strong>in</strong>szenierte Räume.<br />

Wie ist der Zuschauer positioniert, oder – wie soll<br />

er laufen? Was soll er sehen und wie soll er das Objekt,<br />

die Figur sehen – das Portal, der Bildausschnitt,<br />

die Sichtachse, die Lichtführung – Szenografen<br />

kalkulieren sowohl im Ausstellungsraum wie im szenischen<br />

oder performativen Raum und beantworten<br />

die gleichen Fragen.<br />

Das Verhältnis Szenografie und Ausstellungsraum<br />

kann aber auch aus e<strong>in</strong>em anderen Blickw<strong>in</strong>kel<br />

untersucht werden. Benötigt man e<strong>in</strong>e durchdachte<br />

Szenografie für e<strong>in</strong>e gute Ausstellung oder erzeugt<br />

jede dramaturgisch und räumlich gut konzipierte<br />

Ausstellungsarchitektur quasi automatisch e<strong>in</strong>e<br />

gelungene Szenografie? Dazu muss entschieden<br />

werden, wie man Szenografie grundsätzlich auffassen<br />

will, ob man Szenografie als Technik oder als<br />

Kunst begreift.<br />

Für die Diskussion dieses Themas hier ist die<br />

Unterscheidung wichtig.<br />

Szenografie als Technik ist <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong> Verfahren,<br />

„das Nichtvorstellbare sichtbar zu machen“ im S<strong>in</strong>ne<br />

von Verdichtung – also – die Ausstellungsarchitektur<br />

ist selbst schon e<strong>in</strong> Teil szenografischer raumbildender<br />

Strategie. Technik kommt aus dem Griechischen<br />

und heißt Gerät, das Verb dazu machen, verfertigen.<br />

Der antike „technä“-Begriff bedeutet aber auch die<br />

wissenschaftliche Bearbeitung der Redekunst, die<br />

Rhetorik, die Grammatik und die Theorie der Dichtkunst<br />

betreffend – und dies ist e<strong>in</strong>e Erweiterung des<br />

nur handwerklichen Begriffes, denn schon ist die<br />

Sprache wieder auf dem Plan.<br />

Die zweite Möglichkeit ist, Szenografie als Kunstform<br />

zu verstehen – wenn man die Arbeiten sehr<br />

szenografisch arbeitender Künstler sieht wie Janet<br />

Cardiff, Aernout Mik oder Ilya Kabakov. Man könnte<br />

also sagen, das s<strong>in</strong>d orig<strong>in</strong>är szenografische Arbeiten,<br />

die ausgestellt werden mittels wiederum szenografisch<br />

def<strong>in</strong>ierter Techniken.<br />

In diesem Vortrag konzentriere ich mich auf<br />

Szenografie als Technik:<br />

- die Führung des Blicks kalkulieren durch Architektur<br />

- den Weg/Rhythmus der Betrachter bee<strong>in</strong>flussen/<br />

lenken<br />

- e<strong>in</strong>e genaue Dramaturgie/Abfolge (e<strong>in</strong>geschlossen<br />

kont<strong>in</strong>gente Phasen oder simultane Ereignisse) mit<br />

Anfang und Ende konzipieren<br />

- e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltlich durchkonzipierte Bezüglichkeit der<br />

e<strong>in</strong>zelnen Stationen/Exponate/Räume<br />

- e<strong>in</strong>e präzise Lichtführung entwickeln<br />

- e<strong>in</strong>e genaue Klangkalkulation suchen (nicht Beschallung<br />

sondern Trittgeräusche etc.)<br />

- die Entscheidung, e<strong>in</strong>e mehr oder weniger erklärende<br />

Metaebene e<strong>in</strong>zuführen mit Text, Sprache,<br />

Übertiteln etc. und wie man diese wahrnimmt<br />

- das Zusammenspiel all dieser mehr oder weniger<br />

manipulativen Wahrnehmungsstrategien<br />

So wie ich szenografischen Raum verstehe – sowohl<br />

<strong>in</strong> der Theaterkunst, vor allem aber bei Performances<br />

und auch bei vielen Raum<strong>in</strong>stallationen –,<br />

würde ich sagen, dass es e<strong>in</strong> zentrales Abhängigkeitsverhältnis<br />

gibt von Raum und Körper. Der Raum<br />

bee<strong>in</strong>flusst den Körper – der Körper bee<strong>in</strong>flusst den<br />

Raum.<br />

In der Inszenierung „Der Weg zum Glück“ von<br />

Ingrid Lausund am Deutschen Schauspielhaus <strong>in</strong><br />

Hamburg (2003) sah man die choreografierte Sprachperformance<br />

von Bernd Moss, der sich <strong>in</strong> Schleifen<br />

und Schlaufen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen leeren Raum bewegt,<br />

der gleichwohl begrenzt, den Klang und das Licht<br />

bestimmt, der dem sich bewegenden Körper se<strong>in</strong>e<br />

Fassung gibt. Aber weder Performances (und hier<br />

nehme ich die Theaterkunst mit dazu) noch Ausstellungen<br />

kreisen um e<strong>in</strong> leeres Thema – sie haben e<strong>in</strong><br />

Zentrum, e<strong>in</strong>en Fokus, e<strong>in</strong>en Gegenstand – sie wollen<br />

<strong>in</strong> dem ihnen zugewiesenen oder zu schaffenden<br />

Raum darstellen oder konzentrieren oder klar machen<br />

oder handeln. Der Kurator sorgt sich um e<strong>in</strong>e<br />

Verdichtung auf se<strong>in</strong>e Weise und sucht nach den<br />

Räumen, die e<strong>in</strong>e angemessene Konzentration liefern.<br />

Das Äquivalent dazu wäre der Inszenator im theatralischen<br />

und performativen Bereich, wobei der Inszenator<br />

auch aus e<strong>in</strong>em Dreigespann aus Regisseur/<br />

Dramaturg/Bühnenbildner bestehen kann oder eben<br />

aus e<strong>in</strong>em Szenografen. Kuratoren wie Inszenatoren<br />

schaffen sprachliche und räumliche Kontexte, wie<br />

es sie noch nie vorher gab. Sie erzeugen kalkulierte<br />

Reflexionen <strong>in</strong> Raumbildfolgen. Die Bewegung im<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

28


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

Raum aber ist essentiell für die Wahrnehmung und<br />

Er<strong>in</strong>nerung des Gesehenen, dabei verb<strong>in</strong>den sich der<br />

Klang der Schritte, das Licht, die Entfernungen, die<br />

ganze Raumwahrnehmung.<br />

Sergej Eisenste<strong>in</strong> sagt, <strong>in</strong> fiktiven Filmarchitekturen<br />

sei das nicht anders. Le Corbusier spricht von<br />

„Promenaden-Architektur“ – beide Künstler beschreiben<br />

die kalkulierte Bildabfolge oder Raumabfolge<br />

als e<strong>in</strong>en Pfad, auf dem man gehen kann. Auguste<br />

Choisy beschreibt im 19. Jahrhundert e<strong>in</strong>en Gang<br />

über die Akropolis als e<strong>in</strong>e genau kalkulierte Abfolge<br />

von Sichtpunkten, e<strong>in</strong> kontrolliertes Arrangement<br />

städtebaulicher Bilder mit präzise berechneten Blickpunkten.<br />

Damit das funktioniert, gibt es, wie man<br />

weiß, variierende Säulenabstände, die ganz gleich<br />

aussehen oder gebogene Treppenstufen, die gerade<br />

wirken, aber eigentlich krumm s<strong>in</strong>d – architektonische<br />

Tricks, die heute noch vorkommen und als kalkulierte<br />

Fehler Computerprogramme zum Verzweifeln<br />

br<strong>in</strong>gen können.<br />

Der Ursprung der Rhetoriklehre liegt bei Qu<strong>in</strong>tilian,<br />

der empfiehlt, sich die e<strong>in</strong>zelnen Kapitel e<strong>in</strong>er Rede<br />

zu merken, <strong>in</strong> dem man sie im Kopf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Räumen<br />

e<strong>in</strong>es Gebäudes verortet und diese dann beim<br />

Reden durchschreitet, um sich so an den Aufbau zu<br />

er<strong>in</strong>nern. All das funktioniert, weil die Bewegungen<br />

der Betrachter genau kalkuliert und erwartbar waren<br />

– und so wurden diese genau untersucht. Auch<br />

Eisenste<strong>in</strong> filtert drei vergleichbare Erkenntnisse im<br />

Vergleich zwischen Film und narratologisch motivierter<br />

Architektur heraus: die wechselnden Blickpunkte<br />

oder der po<strong>in</strong>t of view der Kamerae<strong>in</strong>stellung, die<br />

Abfolge beziehungsweise der Filmschnitt und <strong>in</strong>teressanterweise<br />

die spezifische Geschw<strong>in</strong>digkeit der<br />

Bildfolgen.<br />

Im Buch Fabelhafte Räume von Rödel/Knoop<br />

werden die architektonischen Erzählstrukturen untersucht,<br />

die zwei so verschieden sche<strong>in</strong>ende städtebauliche<br />

Ensembles liefern: das alte Rom und Las<br />

Vegas. So wie das Trajansforum <strong>in</strong> Rom als Abfolge<br />

e<strong>in</strong>er begehbaren Biografie zu verstehen ist, s<strong>in</strong>d<br />

die Raumfolgen der großen Kas<strong>in</strong>os <strong>in</strong> Las Vegas<br />

gedacht und zwar von außen und von <strong>in</strong>nen. Nur<br />

präzise motivierte E<strong>in</strong>zele<strong>in</strong>drücke entwickeln sich zu<br />

e<strong>in</strong>er Story („sett<strong>in</strong>g the story <strong>in</strong> motion“, würde die<br />

Erzähltheorie sagen), zu e<strong>in</strong>em reflektierten S<strong>in</strong>nzusammenhang<br />

oder zu e<strong>in</strong>er verdichteten Ausstellung.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d die Kas<strong>in</strong>os <strong>in</strong> Las Vegas<br />

e<strong>in</strong>e Art Mischung aus Ausstellungsraum und Schaubühne,<br />

gruppiert um Spielfelder, auf denen sich die<br />

Besucher betätigen. Das Interessanteste sche<strong>in</strong>t die<br />

Schnittfolge zu se<strong>in</strong>, um beim Film zu bleiben, denn<br />

im kle<strong>in</strong>sten Bauste<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen provokanten<br />

Verknüpfung, kann die gesamte These aufsche<strong>in</strong>en,<br />

so wie e<strong>in</strong> Filmbild besonders unheimlich wirken<br />

kann, wenn es mit kalkulierter Harmlosigkeit beg<strong>in</strong>nt<br />

und e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen kle<strong>in</strong>en Unregelmäßigkeit, die<br />

das Harmlose stört und das Grauen erzeugt. So<br />

sche<strong>in</strong>t doch das Verhältnis richtig – Szenografie<br />

und Ausstellungsraum, nicht Szenografie im Ausstellungsraum<br />

und auch nicht Szenografie für Ausstellungsraum.<br />

Beide Begriffe s<strong>in</strong>d jeweils Werkzeug des anderen<br />

– beide Betriebsfelder vermischen sich.<br />

Vorläufig zusammenfassend könnte man sagen:<br />

Das Theater stellt zunehmend aus, und bei e<strong>in</strong>igen<br />

Ausstellungen steigt die Neigung zu theatralischen<br />

Inszenierungen.<br />

E<strong>in</strong> gutes Beispiel s<strong>in</strong>d die choreografischen Arbeiten<br />

von Xavier le Roy, welche sich den Strategien<br />

der Performance nähern und der bildenden Kunst.<br />

Szenografen begreifen diese Entwicklung als<br />

Fortschritt. E<strong>in</strong> Beispiel für sehr theatralisierte und<br />

publikumswirksame Ausstellungen s<strong>in</strong>d die Berl<strong>in</strong>er<br />

Ausstellung Sieben Hügel – Bilder und Zeichen des<br />

21. Jahrhunderts im Berl<strong>in</strong>er Mart<strong>in</strong>-Gropius-Bau<br />

(2000) oder die Andy Warhol-Ausstellung, kuratiert<br />

von Eva Meyer-Hermann (Amsterdam, Stockholm e.a.<br />

2008).<br />

Weitere Vermischungen und ähnliche Entwicklungen<br />

beider Betriebssysteme „Szenografie“ und<br />

„Ausstellungsdesign“ s<strong>in</strong>d konstatierbar: Beide entwickeln<br />

gewissermaßen selbstreferentielle Tendenzen.<br />

Szenografie – und hier me<strong>in</strong>e ich die Bühnenraumkunst<br />

– neigt immer mehr dazu, ihre Mittel offenzulegen<br />

– man sieht die „Kulissen“ gleichzeitig von außen<br />

und von <strong>in</strong>nen, genau wie bei den Künstlern Ilya<br />

Kabakov oder Janet Cardiff. Man f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e gewisse<br />

entlarvende Methode bis h<strong>in</strong> zu ironischer Behandlung,<br />

weit ab vom alten Illusionscharakter, die Kulisse<br />

soll als Kulisse wahrgenommen werden.<br />

Ausstellungsarchitektur stellt gelegentlich ganze<br />

Archive aus, Ausstellungen beschäftigen sich mit<br />

dem Ausstellungsmachen als solchem. Die Arbeit<br />

des Museums wird thematisiert und h<strong>in</strong>terfragt.<br />

Die Teilung <strong>in</strong> Depots und Schausammlungen wird<br />

offengelegt. Die forschende Seite der Museen und<br />

Sammlungen wird visualisiert. E<strong>in</strong> gewisses Interesse,<br />

sich um sich selbst zu drehen, ist <strong>in</strong> beiden Abteilungen,<br />

Szenografie und Ausstellungsdesign, zu sehen.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Geme<strong>in</strong>samkeit sche<strong>in</strong>t das Verwenden<br />

erprobter dramaturgisch konzipierter theatralischer<br />

Mittel zu se<strong>in</strong>. Gezielte Werbung erhöht die Vermu-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

29


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

tung und den repräsentativen Wert der Veranstaltung.<br />

Dann wird e<strong>in</strong>e hohe Erwartung etabliert und e<strong>in</strong>e<br />

Verknappung der Möglichkeiten, die Veranstaltung zu<br />

besuchen – es ist ja nicht immer geöffnet. Das Entrée<br />

oder Foyer ist wichtig als Vorstufe zum Eigentlichen<br />

und wichtig für die Repräsentanz. E<strong>in</strong>e Schleuse wird<br />

durchschritten wie e<strong>in</strong> Vorhang, der sich endlich hebt<br />

und der oder die e<strong>in</strong>e zeitliche und räumliche Abtrennung<br />

markiert. Dramaturgisch gesprochen wird<br />

e<strong>in</strong>e Abfolge etabliert – mit Exposition, Erklärung der<br />

Ausgangslage oder E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>s Thema und dann<br />

1. dem Höhepunkt (provokante These/Verwicklung)<br />

zur Spannungserzeugung<br />

2. e<strong>in</strong>er Katastrophe (emotionale Involvierung, Spannungsetablierung)<br />

3. e<strong>in</strong>em Lösungsversuch (Kontextualisierung)<br />

4. dem zweiten Höhepunkt (Erfüllung oder Kippen der<br />

These usw.)<br />

5. e<strong>in</strong>em Schluss – Überraschung – Spiel mit Erwartung/Hoffnung/Erkenntnis<br />

Diese Abfolge basiert auf Bildungslust und<br />

Erkenntnisgew<strong>in</strong>n – und der Absicht und Lust, sich<br />

<strong>in</strong> genau def<strong>in</strong>ierten repräsentativen Räumen zu<br />

bewegen – im Opernfoyer wie <strong>in</strong> den alternativen<br />

<strong>Galerie</strong>räumen mit ihren anderen Dresscodes.<br />

E<strong>in</strong>ander ähnlich s<strong>in</strong>d Szenografie und Ausstellungsraum<br />

auch <strong>in</strong> Bezug auf den Live-Aspekt und<br />

bei der Entstehung kont<strong>in</strong>genter Prozesse – man<br />

weiß nie genau, wie sich die Besucher oder Betrachter<br />

wirklich verhalten werden.<br />

In e<strong>in</strong>em modernen Verständnis von Szenografie<br />

und Ausstellungsdesign s<strong>in</strong>d die Betrachter im<br />

Grunde Mitproduzenten der <strong>in</strong>szenierten Räume<br />

oder der „geschlossenen Gärten“, die der Außenwelt<br />

erst e<strong>in</strong>mal verborgen s<strong>in</strong>d. Die Abgeschlossenheit<br />

ist nötig, um ihre Konzeption der Ausgrenzung des<br />

Alltäglichen zu entfalten.<br />

Frank Rödel beschreibt <strong>in</strong> Fabelhafte Räume –<br />

im Vergleich des alten Rom mit Las Vegas – das<br />

Publikum als Mitproduzenten der szenisch genutzten<br />

Räume, sowohl im alten Rom wie im heutigen Las<br />

Vegas. Die Abschottung, der geschlossene Garten,<br />

das Überschreiten e<strong>in</strong>er bestimmten Schwelle f<strong>in</strong>det<br />

sich auch <strong>in</strong> den Foucaultschen Heterotopien, die<br />

transitorische Räume wie Passagen se<strong>in</strong> können,<br />

aber auch Gefängnisse oder gar Schiffe, Orte, die<br />

den Utopien entgegengesetzt s<strong>in</strong>d. Im Gegensatz zu<br />

Utopien s<strong>in</strong>d Heterotopien tatsächlich existent, s<strong>in</strong>d<br />

wirkliche, wirksame Orte, die <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung der<br />

Gesellschaft h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gezeichnet s<strong>in</strong>d. Zu durchwandernde<br />

Räume, die es nur e<strong>in</strong>e kurze Zeit gibt, bilden<br />

als temporäre Orte e<strong>in</strong>e weitere Geme<strong>in</strong>samkeit.<br />

In der Szenografie sche<strong>in</strong>t das temporäre Element<br />

allerd<strong>in</strong>gs oft noch ephemerer, flüchtiger zu se<strong>in</strong> als<br />

<strong>in</strong> Ausstellungsarchitekturen, doch die potenzielle<br />

Wandelbarkeit der Räume, die man betritt, ist jeweils<br />

spürbar. Wenn sich dann e<strong>in</strong>e Grenze <strong>in</strong> die Außenwelt<br />

öffnet, so wie im Theater manchmal die Tore zur<br />

H<strong>in</strong>terbühne aufgehen und der Blick auf die Straße<br />

geht, auf der Autos vorbeifahren und der Alltag<br />

rauscht, und wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Galerie</strong> e<strong>in</strong> Schaufenster<br />

den Blick nach außen zulässt, so s<strong>in</strong>d das doch<br />

Ausnahmen, die die Regel der Abgeschlossenheit<br />

bestätigen.<br />

„Die Heterotopie vermag an e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Ort<br />

mehrere Räume, mehrere Platzierungen zusammenzulegen,<br />

die an sich unvere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d. So lässt das<br />

Theater auf dem Viereck der Bühne e<strong>in</strong>e ganze Reihe<br />

von e<strong>in</strong>ander fremden Orten aufe<strong>in</strong>ander folgen; so<br />

ist das K<strong>in</strong>o e<strong>in</strong> merkwürdiger viereckiger Saal, <strong>in</strong><br />

dessen H<strong>in</strong>tergrund man e<strong>in</strong>en zweidimensionalen<br />

Schirm e<strong>in</strong>en dreidimensionalen Raum sich projizieren<br />

sieht.“ (Michel Foucault, Heterotopien)<br />

Der Live-Aspekt, das Temporäre, die Abgrenzung<br />

vom Alltäglichen zum Künstlichen und dramaturgische<br />

Wirkungsweisen, die aus dem Theater stammen<br />

und dem Filmgeschäft s<strong>in</strong>d auch zu Handlungsstrategien<br />

im Ausstellungsdesign geworden. Performative<br />

Räume haben sich oft <strong>in</strong> White Cubes verwandelt<br />

– Performances f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>Galerie</strong>n statt.<br />

Die „Handwerkszeuge“, die Überlegungen für e<strong>in</strong>e<br />

Konzeption bei Szenografen und bei Ausstellungsmachern<br />

ähneln sich.<br />

Sie stammen aus den Kognitionswissenschaften,<br />

der Soziologie, aus dem Bereich der Philosophie, aus<br />

dem Bereich der Film- und Architekturwissenschaft<br />

und vor allem der Theaterwissenschaft.<br />

Ich plädiere für e<strong>in</strong>en subtilen, unspektakulären<br />

szenografischen Umgang mit Ausstellungsarchitekturen.<br />

Und ich plädiere für e<strong>in</strong>e dem jeweiligen<br />

Ort gerecht werdende Architektur des Sehens – für<br />

dieses Theater, für diese <strong>Galerie</strong>, für diese Stadt, für<br />

diese Gesellschaft und e<strong>in</strong>e dem Gegenstand sich<br />

verpflichtende Form, e<strong>in</strong>e Haltung, so wie e<strong>in</strong> Regisseur<br />

e<strong>in</strong>e Haltung f<strong>in</strong>den muss zu dem Inhalt dessen,<br />

was er <strong>in</strong>szeniert.<br />

Szenografie ist e<strong>in</strong> eigenständiges Fach. Szenografie<br />

ist Ausstellungsraum. Oder e<strong>in</strong>e kuratorische<br />

Strategie, <strong>in</strong> Ausstellungen das Nichtvorstellbare<br />

sichtbar zu machen.<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

30


Szenografie und Ausstellungsraum<br />

Zeichnungen:<br />

Beatrix von Pilgrim<br />

Bücher:<br />

Roland Barthes: Das semiologische Abenteuer, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1988<br />

Walter Benjam<strong>in</strong>: Gesammelte Schriften. Band V1. Das Passagenwerk. Hg.:<br />

Rolf Tiedemann. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1982<br />

Auguste Choisy: Histoire de L’Architecture. Band 1. Paris 1899<br />

Michel de Certeau: Die Kunst des Handelns. Berl<strong>in</strong> 1988<br />

Michel Foucault: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />

2005<br />

Alexander Knoop, Frank Rödl: Fabelhafte Räume. Die Narrativität der Architektur<br />

im antiken Rom und <strong>in</strong> Las Vegas. Saarbrücken 2007 (Diss.)<br />

Niccola Sabbat<strong>in</strong>i: Di fabricar scene e mach<strong>in</strong>e ne`teatri. Weimar 1926<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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CURATORIAL<br />

DESIGN<br />

Wilfried Kuehn<br />

Curatorial Design ist ke<strong>in</strong> gängiger Begriff – es<br />

gibt ihn eigentlich nicht. Es gibt Kuratoren und Designer,<br />

die jedoch völlig unterschiedliche Persönlichkeiten<br />

s<strong>in</strong>d: Kuratoren s<strong>in</strong>d meistens Kunsthistoriker,<br />

die viel von ihren wissenschaftlichen Gegenständen<br />

verstehen; Ausstellungsdesigner s<strong>in</strong>d Praktiker, die<br />

Räume konzipieren – wenig Geme<strong>in</strong>samkeiten zunächst.<br />

Dass sich Curatorial Design nicht <strong>in</strong>nerhalb<br />

der beiden Diszipl<strong>in</strong>en, sondern <strong>in</strong> ihrem Zwischenraum<br />

ereignet, birgt e<strong>in</strong>en wesentlichen Ansatz, der<br />

für Lehre und Praxis unserer Arbeit als Ausstellungsmacher<br />

wichtig ersche<strong>in</strong>t. Geme<strong>in</strong>sam arbeiten<br />

Kuratoren und Architekten im Team, wobei sich im<br />

H<strong>in</strong>blick auf das Ergebnis der Arbeit ke<strong>in</strong>er ohne den<br />

anderen betätigen kann. Kommen auch Künstler h<strong>in</strong>zu,<br />

kann e<strong>in</strong> Panorama aufgespannt werden, <strong>in</strong> dem<br />

die Diszipl<strong>in</strong>en sich tatsächlich ergänzen und etwas<br />

Drittes, Anderes erzeugen, das dann Curatorial<br />

Design se<strong>in</strong> kann. Ausstellungen folgen immer mehr<br />

diesem Ansatz: Sie s<strong>in</strong>d nicht mehr alle<strong>in</strong> kunsthistorisch<br />

kuratiert, sie s<strong>in</strong>d auch nicht ausschließlich<br />

von Künstlern im künstlerischen Raum geschaffen,<br />

und sie s<strong>in</strong>d natürlich ebenso wenig re<strong>in</strong> räumlicharchitektonische<br />

Werke.<br />

Vielmehr entstehen Ausstellungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hybridform,<br />

und zwar von e<strong>in</strong>em relativ frühen Zeitpunkt<br />

an. Die Zusammenarbeit, die wir als Architekten mit<br />

Kuratoren erleben, verlagert sich zunehmend <strong>in</strong> die<br />

frühen Projektphasen, was den Zeitraum der geme<strong>in</strong>samen<br />

Entwicklung vergrößert und uns Architekten<br />

durch Entwicklung des Raummodells der Ausstellung<br />

auch häufig Teilhabe an Entscheidungen kuratorischer<br />

Art gibt. E<strong>in</strong>e fertige Werkliste ist nicht immer<br />

die Voraussetzung e<strong>in</strong>es Ausstellungsentwurfs,<br />

obgleich es der pragmatische und häufig genutzte<br />

Ansatz ist. Die Tendenz, dass die Zusammenarbeit<br />

tatsächlich zu neuen gegenseitigen Bee<strong>in</strong>flussungen<br />

führt, ist deutlich erkennbar und birgt die Möglichkeit<br />

des Curatorial Design als Ergebnis e<strong>in</strong>er kuratorisch-architektonischen<br />

Zusammenarbeit.<br />

Die Zeitschrift Displayer ist e<strong>in</strong>e Publikation, die<br />

ich geme<strong>in</strong>sam mit der Kurator<strong>in</strong> Doreen Mende<br />

an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe vor<br />

sechs Jahren gegründet habe und seitdem herausgebe.<br />

In dieser Zeitschrift wurde mit Studenten<br />

aus verschiedenen Theorie- und Praxisfächern e<strong>in</strong>e<br />

Versuchsanordnung geschaffen, <strong>in</strong> der Fragen zum<br />

Curatorial Design gestellt werden. Künstler, Architekten,<br />

Kuratoren, Kunstwissenschaftler und Theoretiker<br />

laden wir zu Workshops e<strong>in</strong>, führen Interviews<br />

mit ihnen, besuchen sie und diskutieren mit ihnen<br />

über das Ausstellen. Als Ergebnis geben wir e<strong>in</strong>mal<br />

im Jahr die editierten Orig<strong>in</strong>albeiträge heraus. Das<br />

zugrunde liegende Konzept ist es, nicht journalistisch,<br />

sondern gleich e<strong>in</strong>er Ausstellung kuratorisch sowie<br />

gestalterisch tätig zu werden, <strong>in</strong>dem die Zeitschrift<br />

auch ihr Format wie e<strong>in</strong> Ausstellungsdesign ständig<br />

weiterentwickelt. Die Idee ist, dass Studenten die<br />

Beiträge im Displayer editieren und ausstellen. Es<br />

geht nicht darum, über etwas zu berichten, sondern<br />

e<strong>in</strong>e Plattform zu schaffen. Dabei ist es mir sehr<br />

wichtig, diese Publikation als Teil e<strong>in</strong>er Lehraktivität<br />

aufzufassen. Dies ist ke<strong>in</strong>e Aktivität, <strong>in</strong> der ich Inhalte<br />

vermitteln kann, die ich schon kenne, sondern e<strong>in</strong>e<br />

Aktivität des geme<strong>in</strong>samen Erarbeitens von Inhalten,<br />

Veranstaltungen, Ausstellungen.<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

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Curatorial Design<br />

White Cube<br />

Es kann sich lohnen, Genealogien oder Bewegungen<br />

zu suchen, die als Ideen zum White Cube führen.<br />

Vielleicht haben diese vorerst gar nicht so viel mit<br />

dem Museum an sich zu tun.<br />

E<strong>in</strong> typisches Künstleratelier im Paris des 19.<br />

Jahrhunderts ist jenes von Eugène Gerault 1 : zenitales<br />

Oberlicht, viele Bilder sowie auch andere D<strong>in</strong>ge<br />

an der Wand und Felle auf dem Boden. Gleichsam<br />

Leben und Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em. Man sieht auf Geraults<br />

Bild se<strong>in</strong>es Ateliers sogar e<strong>in</strong>e Gesellschaft von<br />

Menschen, die sich dort aufhält und mite<strong>in</strong>ander<br />

redet. Es ist ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Arbeitssituation, wie man<br />

sie sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Handwerkeratelier vorstellt. Das<br />

Künstleratelier ist e<strong>in</strong> Ort, an dem man sich trifft, wo<br />

man auch wohnt – und wo man ausstellt. Sicherlich<br />

ist dieser Raum ke<strong>in</strong> White Cube, aber er be<strong>in</strong>haltet<br />

die Voraussetzungen für jenen Ort, den e<strong>in</strong>e Skizze<br />

von Le Corbusier aus den 1920er Jahren zeigt 2 . In<br />

se<strong>in</strong>er Zeichnung gibt Le Corbusier im Grunde genau<br />

das Atelier von Gerault wieder, jedoch bere<strong>in</strong>igt von<br />

den Gegenständen. Es fehlen die Felle, die Bilder an<br />

der Wand und die farbigen Tapeten, aber mit dem<br />

zenitalen Oberlicht, mit der Wohnsituation und e<strong>in</strong>em<br />

Künstler bei der Arbeit an der Staffelei. Es wird genauso<br />

gelebt, nur s<strong>in</strong>d Farbe und Ausstattung elim<strong>in</strong>iert<br />

– <strong>in</strong> nuce e<strong>in</strong> White Cube, der wie e<strong>in</strong> gestrippter<br />

Atelierraum des 19. Jahrhunderts aussieht. Es ist<br />

nichts dazugekommen, es hat sich nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

etwas verändert, es ist nur etwas weggenommen<br />

worden.<br />

In dem Projekt von Le Corbusier 3 , das er für se<strong>in</strong>en<br />

Freund und Künstler Amedée Ozenfant <strong>in</strong> Paris<br />

ab 1922 entworfen und verwirklicht hat, ist das Atelier<br />

nun real e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er White Cube geworden – wirklich<br />

kubisch, wirklich weiß, mit zenitalem Oberlicht und<br />

wieder auch das Leben und Arbeiten vere<strong>in</strong>end. In<br />

der Lichtführung, <strong>in</strong> der Idee des Weißen und des<br />

Leergeräumten und <strong>in</strong> der Idee des Generischen<br />

liegt hier der moderne Museumsraum als Modell vor.<br />

Das Bild h<strong>in</strong>ten hängt e<strong>in</strong>fach an der Wand, es hat<br />

ke<strong>in</strong>en Rahmen und bedarf auch ke<strong>in</strong>es Rahmens<br />

mehr, denn der ganze Raum hat nun diese Funktion:<br />

Er stellt aus.<br />

Im Äußeren ist <strong>in</strong>teressanterweise zu beobachten,<br />

dass das Atelierhaus wie e<strong>in</strong> Modell oder gar<br />

e<strong>in</strong> Modul aussieht. Theoretisch könnte aus diesem<br />

Stück Atelier auch e<strong>in</strong> ganzes Museum realisiert<br />

werden, gleich e<strong>in</strong>er mit Sheddächern ausgestatteten<br />

Industriehalle. Aber ebenso e<strong>in</strong> Stück Ausstellungsraum,<br />

denn der moderne Ausstellungsraum orientiert<br />

sich nicht nur an den Wunderkammern, nicht nur<br />

an den Schatzhäusern und musealen Sammlungen,<br />

sondern viel eher am Produktionsraum der Kunst,<br />

also an e<strong>in</strong>em künstlerischen Studio wie dem eben<br />

vorgestellten. Vergleichen wir dieses mit den Räumen,<br />

die wir als Kunstvere<strong>in</strong>e oder privat sowie öffentlich<br />

betriebene Lofts wahrnehmen, so s<strong>in</strong>d selbst zu den<br />

Museen ke<strong>in</strong>e markanten Unterschiede auszumachen.<br />

Wir sehen denselben generischen, Sheddach<br />

gedeckten und zenital belichteten offenen Raum. So<br />

wurde auch Donald Judds Loft <strong>in</strong> der Spr<strong>in</strong>g Street<br />

<strong>in</strong> New York paradigmatisch zum nahtlosen Lebensund<br />

Ausstellungsraum.<br />

Durch Spr<strong>in</strong>g Street, New York und Marfa, Texas 4<br />

sehen wir <strong>in</strong> Donald Judd die Figur, die die Idee des<br />

Loftgebäudes wie der Industriehalle als Ort der Produktion<br />

und Präsentation von Kunst etabliert. Auch<br />

hier s<strong>in</strong>d wieder das künstlerische Arbeiten und die<br />

Idee des Studios als Ausgangspunkte zu erkennen.<br />

Spätestens mit der Industriehalle stellt sich die Frage,<br />

ob der White Cube so etwas wie die Idee e<strong>in</strong>es Raumes<br />

ist, der reduziert und so e<strong>in</strong>fach geworden ist,<br />

dass er nunmehr ke<strong>in</strong>e Verkleidung und Auskleidung<br />

hat. Er ist so e<strong>in</strong>fach geworden, dass wir schon wieder<br />

<strong>in</strong> ihm produzieren können, da er uns ke<strong>in</strong>e Vorgaben<br />

macht. Der moderne Ausstellungsraum basiert<br />

<strong>in</strong> diesem Fall auf der Idee des Weglassens sowie auf<br />

dem Verlangen, sich von der Ausstattung zu befreien.<br />

Im Zusammenhang mit dem Sichtbeton <strong>in</strong> Marfa<br />

oder <strong>in</strong> Peter Zumthors Kunsthaus Bregenz sehen<br />

wir auch, dass der White Cube nicht weiß se<strong>in</strong> muss,<br />

denn der Sichtbeton kann erneut als Stripvorgang<br />

bewertet werden: Während Le Corbusier die grünen<br />

Tapeten weggelassen hat, wird jetzt <strong>in</strong> Bregenz auch<br />

noch das Weiß, also die normale weiße Spachtelung<br />

und Wandfarbe auf Beton, weggelassen. Nur noch<br />

den Sichtbeton zu belassen ist zugleich die Idee, zu<br />

e<strong>in</strong>er Art Rohbau zurückzukehren. Der White Cube<br />

ist <strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht grau geworden.<br />

Retrospektiv zeichnet sich e<strong>in</strong>e frühe Form von<br />

Curatorial Design im Klimt-Saal auf der Wiener<br />

Kunstschau von 1908 ab (Abb. 1). In der <strong>in</strong>tensiven<br />

Zeit der Wiener Secession trat Gustav Klimt <strong>in</strong><br />

sehr enger Zusammenarbeit mit dem Architekten<br />

Josef Hoffmann zugleich als Künstler wie Kurator der<br />

Kunstschau auf. Insbesondere ist hier das <strong>in</strong>novative<br />

Zusammenspiel von künstlerischem, kuratorischem<br />

und architektonischem Arbeiten von großem Interesse.<br />

Es ist von dem damaligen Kritiker Richard<br />

Muther die Bemerkung überliefert, dass die Wiener<br />

Kunstschau e<strong>in</strong>e Ausstellung sei, „die gar nicht<br />

wie e<strong>in</strong>e Ausstellung, wie e<strong>in</strong>e öde Ane<strong>in</strong>anderreihung<br />

von Kunstwerken, sondern wie e<strong>in</strong> Fest, wie<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Curatorial Design<br />

e<strong>in</strong> Stück schönheitsverklärten Lebens anmutet.“ 5<br />

E<strong>in</strong>e Ausstellung, die gar nicht wie e<strong>in</strong>e Ausstellung<br />

aussah, wurde für gut befunden, da e<strong>in</strong>e Ausstellung,<br />

die wie e<strong>in</strong>e Ausstellung aussah, offenbar öde war.<br />

Es zeigt, dass Ausstellungen 1908 nicht <strong>in</strong>teressant<br />

waren, und dass die Ausstellung, die wir heute mit<br />

diesem Begriff me<strong>in</strong>en, offenbar erst danach entstand.<br />

Glichen die Ausstellungen zuvor mehr e<strong>in</strong>em<br />

Salon, e<strong>in</strong>em dicht gehängten Verkaufsraum, wird <strong>in</strong><br />

der Kunstschau jetzt der Versuch unternommen, aus<br />

der Ausstellung selbst e<strong>in</strong> Kunstwerk zu machen. Im<br />

Zusammenwirken von Architekt und Künstler, wobei<br />

dieser zugleich auch Kurator für se<strong>in</strong>e weiteren<br />

befreundeten Künstler ist, entsteht e<strong>in</strong> neuer Ausstellungsraum.<br />

Die Wände s<strong>in</strong>d – typisch für Josef Hoffmann<br />

und typisch für die Wiener Secession – übersät<br />

mit Ornamenten. Es ist der Versuch, die weißen<br />

oder hellgrauen Wände nicht neutral ersche<strong>in</strong>en zu<br />

lassen, sondern sie vielmehr zu e<strong>in</strong>em Bildträger und<br />

Bildrahmen mit eigener Ornamentik zu machen. Als<br />

Ergebnis dessen verschwimmen H<strong>in</strong>ter- und Vordergrundverhältnisse;<br />

Bild und Wand wirken vere<strong>in</strong>t und<br />

die Wände s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutig nicht mehr nur H<strong>in</strong>tergrund.<br />

Die Idee der Figur-Grund-Relation tritt hier zugunsten<br />

e<strong>in</strong>er Synergieidee von Werken und Raum zurück, wir<br />

sehen e<strong>in</strong>e Oszillation zwischen Display und Exponat,<br />

die zu neuen Formen der Autorschaft führen könnte.<br />

Alexander Dorner lässt 1925 im Prov<strong>in</strong>zialmuseum<br />

Hannover das Kab<strong>in</strong>ett der Abstrakten von El<br />

Lissitzky e<strong>in</strong>richten (siehe dazu Abb. 2 im Beitrag<br />

von Charlotte Klonk). Letzterer ist e<strong>in</strong>er der ersten<br />

bewussten Ausstellungsdesigner. Das Thema der<br />

Ausstellung nimmt er dabei so ernst, dass er speziell<br />

an diesem Thema arbeitet und es nicht nur als<br />

Nebeneffekt se<strong>in</strong>er sonstigen Praxis als Designer<br />

und Künstler sieht. El Lissitzky schafft das Kab<strong>in</strong>ett<br />

der Abstrakten für die Präsentation der Bilder<br />

se<strong>in</strong>er konstruktiven und abstrakten Künstlerkollegen.<br />

Dabei versucht er e<strong>in</strong>en Raum zu schaffen, der nicht<br />

neutral ist, sondern der mit der Kunst e<strong>in</strong>e Relation<br />

e<strong>in</strong>geht und vor allem aber den Betrachter aktiviert:<br />

In diesem Fall geht es entscheidend darum, dass der<br />

Betrachter sich bewegt.<br />

Denn mit der räumlichen Bewegung verändert<br />

sich die Wahrnehmung der Wände, die aus Lamellen<br />

bestehen, die wiederum e<strong>in</strong>e tiefere und e<strong>in</strong>e vordere<br />

Farbe haben. So kann die Wand entweder als weiß,<br />

grau oder schwarz wahrgenommen werden. Die<br />

Bewegung des Betrachters wird jetzt zum entscheidenden<br />

Kriterium – er wird Teil der Komposition und<br />

somit auch Teil der Architektur. Diese ist nicht mehr<br />

statisch, von nur e<strong>in</strong>em Punkt aus zu betrachten, sie<br />

ist tatsächlich als Bewegung und somit als Parcours<br />

gedacht, aber nicht als e<strong>in</strong> berechneter, sondern<br />

als e<strong>in</strong> sich für jeden Besucher anders darstellender.<br />

Diese Idee des aktiven Besuchers und der Kunst, die<br />

hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wechsel- und auch Spannungsverhältnis<br />

zum Raum steht, ist e<strong>in</strong>e entscheidende Vorgabe<br />

für die Ausstellung, die wir im weiteren Verlauf der<br />

Moderne und Nachkriegsmoderne immer mehr als<br />

autonome Form erleben.<br />

In der heutigen Rekonstruktion des Kab<strong>in</strong>ett der<br />

Abstrakten im Sprengel Museum Hannover s<strong>in</strong>d<br />

die Bilder nicht mehr jene von 1925. Andere Arbeiten<br />

derselben Künstler s<strong>in</strong>d jetzt hier und es zeigt sich,<br />

dass das Display unabhängig vom ausgestellten Bild<br />

Teil der Ausstellung geworden ist und selbst Werkcharakter<br />

angenommen hat.<br />

In den 1950er Jahren beschäftigt sich <strong>in</strong> London<br />

die Independent Group noch e<strong>in</strong>mal von e<strong>in</strong>er<br />

anderen Seite mit dem Zusammentreffen von Kunst<br />

und Architektur <strong>in</strong> der Ausstellung und stellt dabei<br />

e<strong>in</strong>e Raumcollage vor. Mit der Ausstellung Parallel<br />

of Life and Art von 1953 (Abb. 2), aber auch mit der<br />

späteren Ausstellung This is Tomorrow wird die<br />

Möglichkeit untersucht, unter Beteiligung von Architekten,<br />

Bildhauern, Malern und Fotografen sowie<br />

Theoretikern als Ko-Autoren Ausstellungen zu machen,<br />

bei denen nicht mehr genau trennbar ist, wer<br />

ab wann für die Autorschaft verantwortlich zeichnet.<br />

In dieser Zeit haben zum Beispiel Richard Hamilton,<br />

Eduardo Paolozzi, Nigel Henderson, James Stirl<strong>in</strong>g,<br />

Alison & Peter Smithson, Lawrence Alloway und<br />

andere mitgearbeitet. In der genauen Betrachtung<br />

der Ausstellungen wird sehr gut erkennbar, welches<br />

Potential sich aus dem Begriff der Installation für<br />

das Curatorial Design heute schöpfen lässt. Diese<br />

Ausstellungen zeigen zudem, dass nunmehr das<br />

Ausgestellte nicht mehr unbed<strong>in</strong>gt orig<strong>in</strong>ales Material<br />

se<strong>in</strong> muss. Wir sehen Kopien und an die Wand oder<br />

sogar an die Decke gep<strong>in</strong>nte Bilder, die nicht Kunstwerke<br />

s<strong>in</strong>d (Abb. 2). Es geht um das Entstehen e<strong>in</strong>er<br />

Raumwirkung, e<strong>in</strong>er Installation, die erst vollständig<br />

wahrgenommen werden kann, wenn der Besucher<br />

vorab mitgedacht wurde und wenn er zudem die<br />

Installation tatsächlich auch aufsucht und wahrnimmt.<br />

Er wird wieder zum Teilnehmer, beziehungsweise zu<br />

e<strong>in</strong>er Art Nutzer.<br />

Doch was bedeutet es, wenn der Besucher selbst<br />

nicht mehr nur als Besucher, sondern nun als Nutzer<br />

gedacht wird? Was heißt das im S<strong>in</strong>ne unserer heutigen<br />

Vorstellung von Design, wenn die Ausstellung um<br />

die Idee der Nutzbarkeit erweitert wird, aber nicht im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er programmatischen Vere<strong>in</strong>fachung, son-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Curatorial Design<br />

dern im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er komplexen Involviertheit?<br />

Anhand von Projekten aus me<strong>in</strong>er Praxis sowohl<br />

als Architekt mit me<strong>in</strong>em Büro als auch als Lehrender<br />

mit den Studenten und Partnern an der Hochschule<br />

für Gestaltung möchte ich Ihnen weitere Gedanken<br />

zum Ausstellen und Curatorial Design erläutern.<br />

Die vorzustellenden Projekte resultieren dabei aus<br />

unterschiedlichen Auftraggeberverhältnissen und<br />

haben dementsprechend anders gewichtete Themenschwerpunkte,<br />

auf die ich e<strong>in</strong>gehen werde.<br />

Documenta 11<br />

Kassel 2002<br />

Vor nunmehr elf Jahren wurden wir <strong>in</strong> Kassel<br />

e<strong>in</strong>geladen, am Wettbewerb für die Documenta 11<br />

teilzunehmen. Zum ersten Brief<strong>in</strong>g von Okwui Enwezor<br />

waren allerd<strong>in</strong>gs weder die Namen der Künstler<br />

bekannt noch gab es Anweisungen, wie groß oder<br />

welcher Art die Räume überhaupt se<strong>in</strong> sollten. Die<br />

ausschließliche Überlegung sah vor, dass alle Räume<br />

e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>stallativen Charakter haben und diese geme<strong>in</strong>sam<br />

mit den Künstlern entwickelt werden sollten.<br />

Der Wettbewerb hatte dabei nur die Vorgabe, diesen<br />

Prozess <strong>in</strong> Gang zu br<strong>in</strong>gen. Zur Umsetzung stand<br />

uns die B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g Brauerei, e<strong>in</strong>e Industriehalle von<br />

etwa 6000 m 2 , am Rande der Stadt zur Verfügung.<br />

Die Abbildung zeigt den Ausgangszustand der<br />

Planungsgrundlage (Abb. 3), über die wir allerd<strong>in</strong>gs<br />

zu Beg<strong>in</strong>n noch sehr wenig wussten. Die Planungen<br />

sollten aber letztendlich def<strong>in</strong>iert genug se<strong>in</strong>, um<br />

eben jenen gewollten <strong>in</strong>tegrativen Prozess <strong>in</strong> Gang zu<br />

setzen. Wir entschieden uns, die Bewegung des Besuchers<br />

als Ausgangspunkt zu nehmen, um dadurch<br />

wiederum die Künstlerräume zu generieren. Durch<br />

das langsame Involvieren von Künstlern und Kuratoren<br />

während der Vorbereitungsphase gestalteten sich<br />

dann die tatsächlichen Räume. Zu Beg<strong>in</strong>n war unser<br />

architektonischer Beitrag e<strong>in</strong> gänzlich unarchitektonischer.<br />

Wir hatten eher im S<strong>in</strong>ne von Urbanisten<br />

die Bewegung von Menschen <strong>in</strong> Städten def<strong>in</strong>iert,<br />

wobei es im Unklaren blieb, welche Nutzung, welche<br />

Position oder welche präzisen Architekturen<br />

an welchem präzisen Ort se<strong>in</strong> werden – und somit<br />

für uns die Räume auch noch nicht vorhersehbar<br />

waren. Aufgrund der strukturellen Beschaffenheit des<br />

Bestandsgebäudes sahen wir e<strong>in</strong>e Achse und e<strong>in</strong>en<br />

R<strong>in</strong>g als e<strong>in</strong>e starke Struktur, und def<strong>in</strong>ierten diese<br />

als e<strong>in</strong>e Art Rückgrat. Diese Struktur wird durch e<strong>in</strong><br />

graues Bankelement wie e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierliches Foyer<br />

durch die gesamte Ausstellung gezogen (Abb. 4). Es<br />

beg<strong>in</strong>nt im E<strong>in</strong>gangsbereich und zieht sich durch<br />

die Ausstellung h<strong>in</strong>durch, generiert zum Teil sogar<br />

Freiräume und bildet e<strong>in</strong>en großen Abschluss. Die<br />

Idee, e<strong>in</strong> großes kont<strong>in</strong>uierliches Foyer zu entwerfen,<br />

vergleichbar mit e<strong>in</strong>er Hauptstraße oder e<strong>in</strong>em<br />

R<strong>in</strong>g, folgt e<strong>in</strong>er robusten Struktur der Bewegung, die<br />

e<strong>in</strong>deutig und unabhängig von der Kunst als etwas<br />

gedacht ist, das der übergeordneten Orientierung<br />

geschuldet ist.<br />

In diesen R<strong>in</strong>g beziehungsweise Leerraum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

wurde e<strong>in</strong> Feld von Ausstellungsräumen e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

die auch untere<strong>in</strong>ander verbunden oder auch nur<br />

teilweise zum R<strong>in</strong>g geöffnet s<strong>in</strong>d. Zumal es immer<br />

noch unbekannt war, wie viele Räume <strong>in</strong> welcher<br />

Größe oder welche Künstler gezeigt werden würden,<br />

def<strong>in</strong>ierten wir e<strong>in</strong>e Matrix, mit der unterschiedliche<br />

Größen beziehungsweise Körnungen erzeugt<br />

werden konnten (Abb. 5). Diese Matrix ähnelt <strong>in</strong> der<br />

ursprünglichen Bewegungsstruktur dem klassischen<br />

Knossos-Labyr<strong>in</strong>th, bei dem man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen<br />

Schleife läuft, bis man ganz im Innersten e<strong>in</strong>es<br />

Raumes ist, um dann <strong>in</strong> der Gegenschleife wieder<br />

h<strong>in</strong>aus zu wandern. Mit der Idee e<strong>in</strong>er Doppelspirale<br />

als Ausgangspunkt konnte e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Parcours<br />

geschaffen werden, der viele Räume mite<strong>in</strong>ander<br />

verb<strong>in</strong>den kann, ohne vorab wissen zu müssen,<br />

wie diese auszusehen haben. Da wir den Besucher<br />

nicht auf e<strong>in</strong>en vorbestimmten Parcours zw<strong>in</strong>gen<br />

wollten, entwarfen wir e<strong>in</strong>e zweite, <strong>in</strong>dividuelle Parcoursform.<br />

Diese funktioniert als Shortcut, mit der<br />

man nicht systematisch jeden Raum e<strong>in</strong>zeln ablaufen<br />

muss. Man kann damit über die Korridore, die jeweils<br />

die Räume flankieren, sowohl vom R<strong>in</strong>g als auch von<br />

der Achse aus durch die Öffnungen zum nächsten<br />

Raum „h<strong>in</strong>durchfließen“ oder auch nach l<strong>in</strong>ks oder<br />

rechts abbiegen und durch den Korridor im Shortcut<br />

e<strong>in</strong>e andere Richtung e<strong>in</strong>schlagen (Abb. 6).<br />

Die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Variation oder e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation<br />

zwischen beiden ermöglicht zu jeder<br />

Bewegung von Raum zu Raum ebenso die Gegenbewegung.<br />

Es hat sich gezeigt, dass die Besucher<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation beider Bewegungsarten jeweils<br />

ihren eigenen Parcours fanden – <strong>in</strong> Reaktion auf die<br />

Arbeiten, aber auch auf die anderen Besucher oder<br />

die körperlichen Erfahrungen wie Müdigkeit, Angespanntheit,<br />

Licht oder Neugier. Das Ergebnis war<br />

also e<strong>in</strong>e offene Struktur, die zugleich sehr präzise<br />

Vorgaben hatte und <strong>in</strong> deren Matrix h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wir vorab<br />

mit den Kuratoren und Künstlern die Installationen so<br />

exakt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> bauen konnten, wie es für die Künstler<br />

erforderlich war. Die Räume konnten <strong>in</strong> der Größe<br />

variiert und zugleich die Bewegungsform erhalten<br />

werden. Es ergab sich auch, dass Malerei oder Fo-<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Curatorial Design<br />

tografie nicht e<strong>in</strong>fach an die Wand gehängt werden,<br />

sondern vielmehr im Raum <strong>in</strong>stalliert s<strong>in</strong>d. Aber auch<br />

Komb<strong>in</strong>ationsräume für die Umsetzung konkreter eigener<br />

Vorstellungen von Künstlern waren umsetzbar.<br />

Friedrich Christian Flick Collection<br />

Berl<strong>in</strong> 2004<br />

An dem Umbau der Rieckhallen für die Friedrich<br />

Christian Flick Collection kommen die schon<br />

e<strong>in</strong>gangs erwähnten Aspekte <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

Fragestellung der Nutzung von Industriegebäuden<br />

als Kunsträume zum Tragen – und der White Cube<br />

als entkleideter Raum. Dieses Projekt konfrontierte<br />

uns damit, dass wir die Rieckhallen, als Addition zum<br />

Hamburger Bahnhof, mit – auch ökonomisch – sehr<br />

wenigen Mitteln ertüchtigen mussten, so dass es<br />

vollständig wärmegedämmt und klimatisierbar wird<br />

sowie akustisch funktioniert. In kurzer Zeit war sehr<br />

viel Technik e<strong>in</strong>zubauen, wobei wir aber den Innenraum<br />

und se<strong>in</strong>e Wahrnehmung als Charakter des<br />

Gebäudes unverändert lassen und ihm se<strong>in</strong>en readymade-Charakter<br />

e<strong>in</strong>es rohen Industriegebäudes<br />

gerade durch die vielen E<strong>in</strong>bauten der Technik nicht<br />

nehmen wollten. Deshalb haben wir uns für e<strong>in</strong>e sehr<br />

e<strong>in</strong>fache Lösung entschieden und die das gesamte<br />

Gebäude flankierende Rampe durch e<strong>in</strong>e neue Fassade<br />

geschlossen. Zusammen mit dem Dach bildet<br />

sie nun e<strong>in</strong>e neue Hülle für das gesamte Gebäude.<br />

In der Schnittzeichnung (Abb. 7) ist rot gezeichnet<br />

die Intervention erkennbar. Die Hülle – z. T. über e<strong>in</strong>en<br />

Meter stark – nimmt zugleich die gesamte Technik<br />

auf. E<strong>in</strong> großer Mantel bestehend aus Technik<br />

wurde um das Haus gelegt und im Gegenzug alles<br />

andere im Inneren möglichst nicht angerührt. Wir<br />

haben uns also gegen e<strong>in</strong>e Vermengung entschieden<br />

und dadurch viel vom Charakter erhalten: Die alten<br />

Stahlträger wurden wie die alten Stahlprofile, die<br />

Schiebetüren, die Ziegelwände sowie der lädierte<br />

Asphaltboden komplett belassen. Nicht aus Gründen<br />

der Romantisierung, sondern weil es die Idee war, e<strong>in</strong><br />

solches Produktionsgebäude für die Kunst zu nutzen<br />

und die Idee nicht se<strong>in</strong> sollte, es zu perfektionieren,<br />

zum Beispiel durch das Gießen neuer Estrichböden<br />

– also ke<strong>in</strong> Remake des Produktionsgebäudes<br />

als Lifestyle-Gebäude, was ja <strong>in</strong> Lofts heute häufig<br />

genug passiert. Die e<strong>in</strong>zige Entscheidung war alles<br />

zu weißen; es gibt hier dieses Wegnehmen der Materialeigenschaften:<br />

rot, schwarz, grau-braun, das<br />

Vorgefundene wurde se<strong>in</strong>er Eigenschaften enthoben.<br />

Wir haben auch e<strong>in</strong> Oberlicht geschaffen, das es<br />

vorher nicht gab und somit tatsächlich den zenitalen<br />

Studioraum umgesetzt – bewusst oder unbewusst.<br />

Tatsächlich hat Björn Roth, der 2004 die Arbeit<br />

„Gartenskulptur“ (1968–1996) se<strong>in</strong>es Vaters Dieter<br />

aufgebaut hat, mehr als drei Wochen <strong>in</strong> diesem<br />

Raum gelebt, als er hier gearbeitet hat – er hat ihn als<br />

Studio verwendet, der Roth’schen Praxis entsprechend.<br />

Die Idee, dass man se<strong>in</strong>en Produktionsraum<br />

<strong>in</strong> den Ausstellungsraum verlagert, dass man e<strong>in</strong>en<br />

Teil se<strong>in</strong>es Studios aufstellt und dies die sichtbare<br />

Kunst ist, hat hier funktioniert. Das heißt dieser Raum<br />

verfügt über die Studiobed<strong>in</strong>gungen, die es möglich<br />

gemacht haben, dort länger zu arbeiten, später<br />

auch für andere Künstler wie zum Beispiel Wolfgang<br />

Tillmans. Durch e<strong>in</strong> wie bei der Documenta geschaffenes<br />

doppeltes Erschließungssystem (Abb.8) ist es<br />

dann <strong>in</strong> den Rieckhallen möglich, dass man zwischen<br />

Korridor und Haupträumen verschiedene Bewegungen<br />

ermöglicht und dadurch eben ke<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>eare<br />

Bewegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung haben muss. Man kann<br />

jede Form von Komb<strong>in</strong>ation zwischen Haupträumen<br />

und zwischen Direkterschließung und Hauptraum<br />

herstellen.<br />

Der Sammlung entsprechend gibt es auch e<strong>in</strong>e<br />

Vielfalt unterschiedlicher Möglichkeiten der Installation.<br />

Vor drei Jahren projektierten wir für die Staatlichen<br />

Museen zu Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e feste Installation von<br />

Bruce Nauman, der e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle <strong>in</strong> der<br />

Flick-Sammlung e<strong>in</strong>nimmt (Abb. 9). Im letzten Raum<br />

setzt se<strong>in</strong>e <strong>in</strong> situ-Arbeit den Abschluss der Halle.<br />

Dabei wurde diese letzte Halle nicht renoviert, leer<br />

gelassen, nicht klimatisiert und auch nicht an das<br />

gesamte Sicherheitssystem angeschlossen. Als Raw<br />

Space bildet diese Halle das Gedächtnis des alten<br />

Zustandes.<br />

„High&Low“<br />

F<strong>in</strong>e Art Fair Frankfurt, 2006<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit Michael Neff hatten wir 2006 den<br />

Auftrag, e<strong>in</strong>e erfolglose Messe wie die Art Frankfurt<br />

fast so erfolgreich zu machen wie die Art Basel. Da<br />

dieses Unterfangen unmöglich erschien, konzentrierten<br />

wir uns auf die nichtkommerziellen Aspekte mit<br />

dem Vorsatz, e<strong>in</strong>e gute Ausstellung zu gestalten. Die<br />

Hoffnung des Messedirektors, der sich zum Kurator<br />

erklärte, war es, auf dem sekundären Weg dann auch<br />

e<strong>in</strong>e erfolgreiche Messe zu etablieren. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

konnte diese Hoffnung überhaupt nicht bestätigt<br />

werden. Die Messe war e<strong>in</strong> großer Erfolg – ästhetisch.<br />

Sie war e<strong>in</strong> völliger Re<strong>in</strong>fall – kommerziell, und dies<br />

h<strong>in</strong>g auch mit der Architektur zusammen.<br />

Der Grundriss, den wir für diese Aufgabe entwarfen,<br />

war e<strong>in</strong>e Umkehrung der Messekoje (Abb. <strong>10</strong>).<br />

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Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Curatorial Design<br />

Wir haben gewissermaßen den Hohlraum der Koje <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Volumen umgedreht und den Galeristen wahlweise<br />

e<strong>in</strong> Volumen <strong>in</strong> vier möglichen Ausformungen nach<br />

steigender Preisklasse angeboten: e<strong>in</strong> I, e<strong>in</strong> L, e<strong>in</strong> T<br />

oder e<strong>in</strong> Kreuz – für dementsprechend e<strong>in</strong> bis vier<br />

Künstler, die jeweils <strong>in</strong>stallativ auszustellen waren. Da<br />

der Messekurator je nach vorgeschlagenem Künstler<br />

deren Positionierung bestimmt, ist auch e<strong>in</strong> Zusammenhang<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Ausstellung gewahrt. Zusätzlich<br />

wurden die Volumen immer um die bestehenden<br />

Säulen herum sowie e<strong>in</strong>e Tür für die Unterbr<strong>in</strong>gung<br />

der Privatsachen und Verkaufsunterlagen e<strong>in</strong>gebaut,<br />

was e<strong>in</strong>e Ausstellung ohne Messetische und Stühle<br />

ermöglichte.<br />

Re<strong>in</strong> <strong>in</strong>stallativ g<strong>in</strong>g das Ausstellungskonzept<br />

sehr gut auf und war <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong> Erfolg – allerd<strong>in</strong>gs<br />

ke<strong>in</strong> kommerzieller. Vielleicht auch deswegen ke<strong>in</strong>er,<br />

da zu e<strong>in</strong>er guten kommerziellen Messe das Gefühl<br />

e<strong>in</strong>es Drucks gehört, den man auf den Käufer<br />

aufbauen muss – wozu sich die Enge e<strong>in</strong>er Koje<br />

besonders eignet. Das mit den Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Koje<br />

E<strong>in</strong>gesperrtse<strong>in</strong> ist verkaufsfördernder als das freie<br />

Flanieren durch e<strong>in</strong>en großen Raum, <strong>in</strong> dem sich<br />

alles unverb<strong>in</strong>dlich und auf Distanz zeigt. Das heißt,<br />

e<strong>in</strong>e Messe muss Druck ausüben wie e<strong>in</strong> Basar, e<strong>in</strong>e<br />

Ausstellung dagegen übt ke<strong>in</strong>en Druck aus. Vielleicht<br />

ist <strong>in</strong>sbesondere dies die Lehre darüber, was Museen<br />

oder Ausstellungsräume vermögen: ke<strong>in</strong>en Druck<br />

auszuüben.<br />

„Fokus 03: Konzept. Aktion. Sprache“<br />

MuMoK, Wien 2003<br />

Für das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig<br />

Wien realisierten wir e<strong>in</strong>e Ausstellung zu den Arbeiten<br />

der Fluxus-Kunst und vielen Kunstwerken<br />

aus den 1960er Jahren, die ephemer-aktionistisch<br />

angelegt waren und häufig auch nicht mehr ganz<br />

‚re<strong>in</strong>e Arbeiten’ s<strong>in</strong>d, wie zum Beispiel American<br />

Supermarket. Als Aktion e<strong>in</strong>er New Yorker <strong>Galerie</strong><br />

angelegt, verkaufte Andy Warhol hierfür tatsächlich<br />

Brillo-Boxes und Suppendosen, die heute natürlich<br />

über diverse Privatbesitze verstreut s<strong>in</strong>d. Demnach<br />

ist e<strong>in</strong>e Rekonstruktion des American Supermarket<br />

heute unmöglich und käme eher der Kreation e<strong>in</strong>es<br />

Bühnenbildes gleich, der bewussten illusionistischen<br />

Mise-en-scène mit nicht orig<strong>in</strong>alem Material. Die<br />

Frage fokussierte sich daher darauf, wie die <strong>in</strong> der<br />

Sammlung vorhandenen orig<strong>in</strong>alen Reste ausstellbar<br />

s<strong>in</strong>d. Wie kann man das Ereignis ausstellen ohne den<br />

Versuch, nicht vorhandene Authentizität zu mimen?<br />

Bewusst haben wir uns dafür entschieden, das am<br />

Projekt der Art Frankfurt Erfahrene nun als bewussten<br />

Fehler zu wiederholen: Wir entwarfen e<strong>in</strong>e<br />

anti-museale Ausstellung, <strong>in</strong> der es ke<strong>in</strong>e gefälligen<br />

offenen Blickbezüge gibt, sondern <strong>in</strong> der alles wie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lager <strong>in</strong> die Ausstellungskojen e<strong>in</strong>sortiert<br />

ist. Der Besucher, der geradeaus geht, läuft nun <strong>in</strong>s<br />

Leere – er muss <strong>in</strong> die Kojen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehen, um dann<br />

die kle<strong>in</strong>teilig aufgebauten Gegenstände anzuschauen.<br />

Im Umkehrschluss eigentlich e<strong>in</strong>e enttäuschende<br />

Ausstellung, die ke<strong>in</strong>en schönen musealen Parcours<br />

mit den Blickachsen hergibt. Die aber e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong><br />

dafür schaffen will, dass diese Arbeiten e<strong>in</strong>gelagerte<br />

Relikte s<strong>in</strong>d und nicht mehr die Kunstwerke<br />

selbst. Die Arbeiten selbst waren performativ und<br />

ereignishaft angelegt und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne nicht<br />

mehr vorhanden.<br />

Dabei stellt sich die Gesamtheit der Kojen<strong>in</strong>stallation<br />

zudem auch wie e<strong>in</strong>e große im Raum stehende<br />

Installation dar. Am Ende entsteht sogar der E<strong>in</strong>druck<br />

e<strong>in</strong>es Gesamtraumes, der wiederum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en weißen<br />

Raum e<strong>in</strong>gestellt ist. Das Ergebnis dieser vielschichtigen<br />

Curatorial Design-Idee entstand dabei <strong>in</strong> enger<br />

Zusammenarbeit mit den Ausstellungskuratoren<br />

Joachim Hochdörfer und Susanne Neuburger.<br />

Julia Stoschek Collection<br />

Düsseldorf 2007<br />

Die Julia Stoschek Collection <strong>in</strong> Düsseldorf ist<br />

e<strong>in</strong>e Arbeit, <strong>in</strong> der es sehr stark darum g<strong>in</strong>g, wie Medienkunst<br />

– das heißt Kunst, die zeitbasiert ist – ausgestellt<br />

werden kann und wie dabei mit dem Thema<br />

Licht umgegangen wird. Zumal Ausstellungsräume<br />

mit Projektionen häufig dunkler gehalten s<strong>in</strong>d und<br />

es für uns ke<strong>in</strong>e akzeptable Grundposition darstellt,<br />

dass der Ausstellungsraum dunkel se<strong>in</strong> muss. Er<br />

verliert dadurch auch e<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>er Räumlichkeit.<br />

Vielmehr gibt es Abstufungen von Helligkeit und Dunkelheit<br />

e<strong>in</strong>erseits nicht nur der technischen Medien<br />

wegen, die unterschiedliche Möglichkeiten zulassen<br />

und erfordern, sondern andererseits auch der<br />

Künstler wegen, die per se ihre Medienarbeit nicht<br />

ausschließlich im Dunklen zeigen wollen. Isaac Julien,<br />

Lehrender an der HfG Karlsruhe für Medienkunst, mit<br />

dem ich bei zwei Gelegenheiten zusammengearbeitet<br />

habe, lehnt es beispielsweise ab, dass se<strong>in</strong>e Arbeiten<br />

<strong>in</strong> ganz dunklen Räumen gezeigt werden. Vielmehr<br />

besteht er sogar darauf, dass der Besucher den<br />

Raum se<strong>in</strong>er Projektionen begehen und wahrnehmen<br />

kann, sich als Zuschauer wechselseitig auch wahrnimmt:<br />

Der <strong>in</strong>stallatorische Charakter von Film- oder<br />

Videoprojektion ist im Ausstellungskontext oft gerade<br />

nicht das Raummodell e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>os.<br />

Auch bei dem Wettbewerb für die Sammlung der<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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Curatorial Design<br />

Julia Stoschek Collection handelte es sich um e<strong>in</strong><br />

bestehendes Industriegebäude, das <strong>in</strong>teressante<br />

Auffälligkeiten aufwies, e<strong>in</strong>en Malersaal für Kulissenmalerei<br />

enthielt und ursprünglich mit e<strong>in</strong>er Werbeschrift<br />

auf dem Dach versehen war. Die Dom<strong>in</strong>anz<br />

des Gebäudes <strong>in</strong> der Umgebung verlor sich jedoch<br />

weitgehend, da es nunmehr von se<strong>in</strong>en Nachbargebäuden<br />

überragt wird. Mit e<strong>in</strong>er neuen Überhöhung<br />

haben wir versucht, das Gebäude wieder sichtbar zu<br />

machen (Abb. 11). Mittel war dafür e<strong>in</strong> Aufbau, der<br />

gleichsam der Belichtung dient. Zu Grunde liegt die<br />

Idee, unterschiedliche Lichtsituationen von unten,<br />

aufwärts, bis h<strong>in</strong>auf zu e<strong>in</strong>er Dachplattform zu schaffen,<br />

die mit e<strong>in</strong>em Dan Graham-Pavillon abschließt.<br />

Somit vervollständigen sich hier die Themen der zeitbasierten<br />

Kunst oder Installation mit der Skulptur <strong>in</strong><br />

Form des Pavillon. Erst von oben auf dem Dach, von<br />

wo aus man den Blick auf die Stadt hat, nimmt man<br />

diesen wiederum als Referenz an den Garten, an den<br />

Park, an e<strong>in</strong>e landschaftliche Idee wahr. Oben also<br />

maximales Licht und Sicht, während der Besucher<br />

unten im Gebäude im Dunklen beg<strong>in</strong>nt. Gleichzeitig<br />

haben wir das Gebäude als Display def<strong>in</strong>iert und<br />

festgelegt, dass es auch e<strong>in</strong>e Art Screen se<strong>in</strong> muss,<br />

auf den man projizieren kann. So wird der Außenraum<br />

hier wieder zum Bestandteil der <strong>in</strong>tegralen Idee.<br />

In dem unten e<strong>in</strong>gerichteten kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>o werden<br />

regelmäßig Veranstaltungen programmartiger Art<br />

abgehalten. Von diesem dunklen Raum aus geht man<br />

h<strong>in</strong>auf und f<strong>in</strong>det dort generische Räume vor, deren<br />

Fenster an bestimmten Stellen mit Wänden geschlossen<br />

wurden. Durch das Abtragen e<strong>in</strong>er Decke wurde<br />

zusätzlich e<strong>in</strong>e Doppelgeschossigkeit der Räume<br />

erreicht. Die beiden Hauptausstellungsetagen s<strong>in</strong>d<br />

durch die Besucherführung gegliedert. In der unteren<br />

trifft man e<strong>in</strong>en „Zwangsparcours“ an, <strong>in</strong> der oberen<br />

kann sich der Besucher frei bewegen und die Pavillons<br />

wie Häuser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Landschaft aufsuchen.<br />

An den Projektionsdiagrammen ist ablesbar (Abb.<br />

12), wie viele Arbeiten der Erstausstellung filmischer<br />

oder zeitbasierter Natur s<strong>in</strong>d – fast alle. Das heißt<br />

auch, dass der Besucher nicht die Ausstellung komplett<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stück sehen kann, da Arbeiten zum<br />

Teil Längen haben. Es muss also auch die Möglichkeit<br />

gegeben se<strong>in</strong>, dass der Besucher auswählen<br />

oder nur Teile sehen kann. Man muss sich Gedanken<br />

darüber machen, dass der Besucher hier Freiheiten<br />

hat, aber gleichzeitig auch alle Möglichkeiten<br />

zu verweilen. Deshalb s<strong>in</strong>d auch Sitzmöbel wichtig<br />

und akustisch gut funktionierende Wände zwischen<br />

den Arbeiten. Ruhige Arbeiten müssen auch neben<br />

lauten Arbeiten wahrnehmbar se<strong>in</strong> – ohne Türen<br />

oder Vorhänge dazwischen, die e<strong>in</strong>e harte räumliche<br />

Trennung schaffen. Diese Themen s<strong>in</strong>d hier<br />

sehr sorgfältig behandelt worden und spielen me<strong>in</strong>er<br />

Ansicht nach im S<strong>in</strong>ne der heutigen zeitbasierten und<br />

auch soundbasierten Kunst e<strong>in</strong>e immer größere Rolle.<br />

Dabei ist auch e<strong>in</strong>e immer größere Raff<strong>in</strong>esse <strong>in</strong> der<br />

Technik der Projektion und <strong>in</strong> der Architektur der<br />

Ausstellung gefragt.<br />

Die Arbeit „When Love is not Enough“ von Olafur<br />

Eliasson ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> situ-Arbeit, die auf unsere Architektur<br />

reagiert. Er hat <strong>in</strong> der Etage, <strong>in</strong> der wir die<br />

Wand ganz geschlossen hatten, Dreiecke e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

als kle<strong>in</strong>e Fenster oder Wandschlitze, die man öffnen<br />

kann und durch die h<strong>in</strong>durch man den Hof kaleidoskopartig<br />

gebrochen sehen kann. Das Spiel mit der<br />

eigentlichen Sichtbarmachung der Unsichtbarmachung<br />

komplementiert das System der Behandlung<br />

des Lichts und den Umgangs mit Beleuchtung, das<br />

wir <strong>in</strong> diesem Haus geschaffen haben und das <strong>in</strong><br />

Dan Grahams Pavillon – durch se<strong>in</strong>e Arbeit mit e<strong>in</strong>em<br />

Spiegel auch wiederum e<strong>in</strong>e optische Arbeit – e<strong>in</strong>en<br />

Abschluss f<strong>in</strong>det.<br />

„Insert 5 – Olaf Nicolai“<br />

Kunstvere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Hamburg, 2007<br />

Diese Arbeit entstand zusammen mit Olaf Nicolai,<br />

der mich e<strong>in</strong>lud, mit ihm zusammen e<strong>in</strong>e Ausstellung<br />

im Kunstvere<strong>in</strong> Hamburg zu zeigen (Abb. 13). Gezeigt<br />

wurden Irisbilder von Olaf Nicolai, und es g<strong>in</strong>g darum,<br />

wie man diese ausstellen könnte. Se<strong>in</strong> Interesse für<br />

Max Bill, das sich mit me<strong>in</strong>em deckt, nahmen wir<br />

als Anlass, dafür e<strong>in</strong>e Arbeit von Max Bill zu transformieren:<br />

System mit fünf vierfarbigen Zentren,<br />

e<strong>in</strong>e relativ späte malerische Arbeit 6 . Diese Arbeit<br />

adaptierten wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Raum, <strong>in</strong>dem wir sie gewissermaßen<br />

<strong>in</strong> den Raum des Kunstvere<strong>in</strong> Hamburg<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> projizierten, zwar die Farben wegließen, aber<br />

das, was Max Bill mit den Farben angelegt hatte,<br />

nämlich potentielle Ausdehnungen, <strong>in</strong> Raum mit<br />

räumlich wahrnehmbarten Extrusionen umzuwandeln<br />

versuchten. Wir haben jeder Farbe e<strong>in</strong>e andere<br />

Höhe gegeben – 30, 60 und 90 cm – und dadurch<br />

aus dem Muster, aus dem Code e<strong>in</strong>e unterschiedlich<br />

hohe Landschaft <strong>in</strong> dem Raum erstellt. Nicolais<br />

Bilder wurden dabei als Büchle<strong>in</strong>, die man auslegen<br />

konnte, ausgestellt oder an die Wand gehängt. So ist<br />

der Nicolai-Ausstellungsraum, wie von ihm beabsichtigt,<br />

auch e<strong>in</strong>e Art Konferenz- und Aufenthaltsraum<br />

geworden, <strong>in</strong> dem die Besucher sich setzen können,<br />

stehen können, mite<strong>in</strong>ander reden können, der auch<br />

Aufenthaltsqualitäten hat. In dem Raum hielten wir<br />

auch Veranstaltungen mit e<strong>in</strong>geladen Gästen <strong>in</strong><br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

38


Curatorial Design<br />

e<strong>in</strong>em Programm ab. Die architektonische Intervention<br />

zusammen mit dem Künstler führt zu e<strong>in</strong>er neuen<br />

Form von Wahrnehmung des Kunstvere<strong>in</strong>sraumes als<br />

Veranstaltungsraum, das heißt der Ausstellungsraum<br />

ist nicht mehr re<strong>in</strong>er Präsentationsraum.<br />

„Die totale Aufklärung.<br />

Moskauer Konzeptkunst 1960–1990“<br />

Schirn Kunsthalle, Frankfurt 2008<br />

In Kooperation mit Boris Groys konnten wir <strong>in</strong> der<br />

Ausstellung Die totale Aufklärung von der Idee e<strong>in</strong>er<br />

Kabakovschen Installation mit e<strong>in</strong>em großen Archiv<br />

ausgehend, e<strong>in</strong>en Raum schaffen, <strong>in</strong> dem man die<br />

Aktionen der 1960er und 1970er Jahre aus Moskau<br />

präsentieren kann. Auch hier das Problem, dass es<br />

die Aktionen nicht mehr gibt. Maximal s<strong>in</strong>d Fotos,<br />

Handlungsanweisungen, Zettel und manche kle<strong>in</strong>en<br />

Objekte davon erhalten. Die Überlegung war es,<br />

e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht bürokratischen Raum zu<br />

schaffen, gleichsam e<strong>in</strong> Büro, <strong>in</strong> dem Zettel ausliegen<br />

oder aufgehängt s<strong>in</strong>d – e<strong>in</strong> Büro, das als E<strong>in</strong>bau<br />

<strong>in</strong> den Raum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt wurde.<br />

Im Inneren s<strong>in</strong>d Tische aufgebaut, auf denen Zettel<br />

verteilt s<strong>in</strong>d. Man kann Sachen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stellen oder<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>hängen. Dabei behält der Raum die Standardhöhe<br />

von Büro-Cubicles und der Besucher nimmt<br />

ke<strong>in</strong>e Museumswände mehr wahr. Er hat vor sich ke<strong>in</strong>e<br />

richtige Wand und auch ke<strong>in</strong>en richtigen Tisch, er<br />

bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er halbhohen Landschaft, die ihm<br />

die Übersicht nimmt und zugleich die Aura sehr stark<br />

e<strong>in</strong>schränkt. So wurden Räume geschaffen, <strong>in</strong> denen<br />

diese Arbeiten, wie Dokumente von Handlungsanweisungen<br />

und Handlungen selbst, ohne übermäßigen<br />

auratischen Status ausgestellt werden konnten.<br />

Zugleich werden die Besucher selbst wiederum zu<br />

Handelnden, die sich durch die Wände unterhalb der<br />

Augenhöhe gegenseitig als Akteure der Ausstellung<br />

wahrnehmen und beobachten.<br />

wäre (Abb. 14). Normalerweise funktioniert es umgekehrt,<br />

dass physische D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>e weitere Präsenz<br />

im Internet erhalten. In unserem Fall war nun aber<br />

e<strong>in</strong> Internetprojekt vorhanden, und es stellte sich die<br />

Frage nach der räumlich-physischen Erlebbarkeit.<br />

In Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>kes Internetbilderarchiv können via<br />

Tagg<strong>in</strong>gsystem und e<strong>in</strong>er komplexen Verschlagwortung<br />

Bilder ausgesucht werden. Die Bildangebote<br />

s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>em virtuellen Leuchtkasten – gleich e<strong>in</strong>er<br />

P<strong>in</strong>nwand – zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dividuellen Buch zusammenstellbar.<br />

Zum Schluss kann sich e<strong>in</strong> User die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Auswahl als Buch drucken und schicken lassen.<br />

Die Frage nach der Rückführung der Archivnutzung<br />

<strong>in</strong> den physischen Raum gleicht demnach der Frage,<br />

wie man den Besucher zum <strong>in</strong>teraktiven Teilnehmer<br />

dieses kuratorischen Prozesses, dieser Auswahl aus<br />

tausenden von Bildern macht.<br />

Und wir haben hier während unseres Hochschul-<br />

Rundgangs zusammen mit dem Sony Research Center<br />

e<strong>in</strong>en Prototypen gebaut. Jedes A4 große Foto<br />

wurde kaschiert und erhielt e<strong>in</strong>en RFID-Chip. Diese<br />

Fotos werden dem Besucher vorgelegt. Er kann die<br />

Fotos <strong>in</strong> die Hand nehmen, kann mit ihnen auf e<strong>in</strong>em<br />

langen Board Ausstellungen probieren, kann sich eigene<br />

Konstellationen bilden, eigene Szenarien schaffen<br />

und kann dann diese Fotos zusammenstellen und<br />

ausdrucken lassen. Er muss dann e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen<br />

Titel vergeben, damit se<strong>in</strong> Buch e<strong>in</strong>en eigenen Namen<br />

hat und wiederum archiviert ist. Dann gibt es e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>fach gedrucktes Buch – wir haben bewusst e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>fachen Nadeldrucker genommen, der im ZKM<br />

für Tickets benutzt wird, um nicht e<strong>in</strong> Luxusobjekt<br />

zu schaffen, sondern e<strong>in</strong> simples aber sehr schönes<br />

Produkt. Wir haben diese <strong>in</strong>teraktive Installation<br />

dann e<strong>in</strong> Jahr später im ZKM ausgestellt. Es geht hier<br />

darum, e<strong>in</strong>e Verlangsamung der Internettechnologie<br />

herzustellen: Man kann zunächst virtuelle Bilder wieder<br />

<strong>in</strong> die Hand nehmen und nicht nur anklicken.<br />

„Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke Phenotypes Limited Forms“<br />

ZKM, Karlsruhe 2007<br />

Zuletzt möchte ich noch e<strong>in</strong> Projekt vorstellen, das<br />

wir an der Hochschule für Gestaltung mit und <strong>in</strong> dem<br />

Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM)<br />

vor e<strong>in</strong>igen Jahren organisierten. Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke ist der<br />

Künstler, der zu dieser Zeit Gastprofessor an der HfG<br />

war und jetzt Hauptprofessor für Fotografie ist. Arm<strong>in</strong><br />

L<strong>in</strong>ke fragte, wie se<strong>in</strong> im Internet funktionierendes<br />

book on demand, das er mit se<strong>in</strong>em Fotoarchiv<br />

betreibt, <strong>in</strong> den physischen Raum zurück zu holen<br />

1 Sébastien Charles Giraud (1819-1892), Atelier d'un artiste, Musee National<br />

du Chateau, Compiègne, Frankreich.<br />

2 Le Corbusier, Maison d’Artiste, Skizze 1922; Abbildung <strong>in</strong>: Stonorov,<br />

Oscar/Boesiger, Willy (Hrsg.): Le Corbusier - Oeuvre complète. Band 1:<br />

19<strong>10</strong>-1929 – Le Corbusier et Pierre Jeanneret, Zürich: Girsberger, 15. Aufl.<br />

1995, S. 53.<br />

3 Le Corbusier, Atelier Ozenfant, Paris 1922; Abbildung <strong>in</strong>: Stonorov, Oscar/<br />

Boesiger, Willy (Hrsg.), S. 55.<br />

4 Donald Judd, <strong>10</strong>0 untitled works <strong>in</strong> mill alum<strong>in</strong>um, Ch<strong>in</strong>ati Foundation,<br />

Marfa, TX, USA, 1982-1986; Quelle: http://www.ch<strong>in</strong>ati.org/visit/collection/<br />

donaldjudd.php<br />

5 Richard Muther: Die Kunstschau, <strong>in</strong>: Die Zeit. Wien, 6. Juni 1908, S.1.<br />

6 Abbildung <strong>in</strong>: Max Bill, system mit fünf vierfarbigen zentren. anleitung zum<br />

betrachten e<strong>in</strong>es bildes, St. Gallen 1972<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

39


Curatorial Design<br />

Abb. 1: Klimt-Saal, Wiener Kunstschau, 1908<br />

Abb. 5: Documenta 11, Kassel 2002, Raummatrix<br />

Abb. 2: Independent Group, Ausstellungsansicht „Parallel of Life<br />

and Art“, I.C.A., London 1953<br />

Abb. 6: Documenta 11, Kassel 2002, Doppelsystem mit den<br />

Korridoren zwischen den Räumen<br />

Abb. 3: Documenta 11, Kassel 2002, Ausgangsbestand<br />

Abb. 7: Friedrich Christian Flick Collection, Berl<strong>in</strong> 2004, Schnitt<br />

Abb. 8: Friedrich Christian Flick Collection, Berl<strong>in</strong> 2004,<br />

Erschließungsmöglichkeiten<br />

Abb. 4: Documenta 11, Kassel 2002 (Fotoserie: Olumuyiwa Olamide<br />

Osifuye, „Selected Feature Photographs of Lagos“, 2002)<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

40


Curatorial Design<br />

2.OG<br />

Abb. 9: Friedrich Christian Flick Collection, Berl<strong>in</strong> 2004,<br />

Bruce Nauman, „Room with My Soul Left Out, Room That Does Not<br />

Care“, 1984<br />

1.OG<br />

(Hochparterre)<br />

Abb. 12: Julia Stoschek Collection, Düsseldorf 2007, Grundrisse,<br />

Ausstellungsebenen<br />

Abb. <strong>10</strong>: F<strong>in</strong>e Art Fair Frankfurt, 2006, Grundrisslogo<br />

Abb. 13: „Insert 5 – Olaf Nicolai“, Kunstvere<strong>in</strong> Hamburg, 2007,<br />

Installationsansicht<br />

Abb. 11: Videoprojektion für die Außenfassade der Julia Stoschek<br />

Collection: Tony Oursler, „Sixth (Duesseldorf variation)“, 2005–2007<br />

Abb. 14: „Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke Phenotypes/Limited Forms“, ZKM, Karlsruhe<br />

2007, Installationsansicht des Prototyps<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

41


Perform<strong>in</strong>g<br />

the Museum<br />

Re<strong>in</strong> Wolfs<br />

Das Museum Fridericianum wurde 1779 eröffnet<br />

und liegt fast <strong>in</strong> der geographischen Mitte Deutschlands,<br />

<strong>in</strong> Kassel, e<strong>in</strong>er ehemals kurfürstlichen Stadt,<br />

die e<strong>in</strong>e bedeutsame und bewegte Vergangenheit<br />

aufweisen kann. Kassel ist bekannt geworden als<br />

e<strong>in</strong>e Stadt, deren Zentrum während des Zweiten<br />

Weltkrieges zu fast 85 Prozent zerbombt wurde, die<br />

ihre geographisch zentrale Position nach dem Krieg<br />

verloren hatte und somit <strong>in</strong> das so genannte „Zonenrandgebiet“<br />

gerutscht war. Das Museum Fridericianum<br />

gilt als das älteste öffentliche Museumsgebäude<br />

auf dem europäischen Festland und ist zugleich das<br />

„Mutterhaus“ der documenta, die 1955 zum ersten<br />

Mal durchgeführt wurde. Seit 1989 fungiert es zudem<br />

als Kunsthalle Fridericianum, die <strong>in</strong> den Jahren ohne<br />

documenta das Haus bespielt. Seit 2008 leite ich die<br />

Kunsthalle.<br />

Perform<strong>in</strong>g the Museum nenne ich me<strong>in</strong>e Strategie,<br />

um e<strong>in</strong>e wirksame und e<strong>in</strong>zigartige Beziehung<br />

zum ikonischen White Cube zu entwickeln und museale<br />

Institutionen unmittelbar aus dem Ausstellungsprogramm<br />

heraus stärker <strong>in</strong> der gesellschaftspolitischen<br />

Realität zu verankern und mit dem Publikum<br />

nachhaltige Allianzen e<strong>in</strong>zugehen. Mitte der 1990er<br />

Jahre, angefangen mit der so genannten Esthétique<br />

relationelle 1 im Zürcher Migros Museum für Gegenwartskunst,<br />

habe ich – nach e<strong>in</strong>em Zwischenspiel im<br />

Museum Boijmans Van Beun<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Rotterdam – im<br />

Kasseler Fridericianum diese Strategie im neuen Umfeld<br />

der Kunst der 2000er Jahre wieder aufgenommen.<br />

Das Gebäude kann ja eher als zu groß für die<br />

Stadt und fast furchterregend beschrieben werden<br />

mit se<strong>in</strong>er klassizistischen Fassade, den massiven<br />

Treppen und großen Säulen, die den E<strong>in</strong>gang nicht<br />

nur e<strong>in</strong>ladend gestalten, sondern auch von e<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>tritt abschrecken. Der große, relativ leere Friedrichsplatz<br />

vor der Haustür schafft e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />

Distanz zur Stadt. Um gegen diese Distanz anzukämpfen,<br />

versuche ich die Kunsthalle des Öfteren<br />

ausgeprägt aktiv zu bespielen: mit Performances, mit<br />

performativen Installationen, oder manchmal sogar<br />

mit <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit performativen Ausstellungen.<br />

Hier und da versuche ich das Gebäude selbst als<br />

Träger zu nutzen, auf dem etwas anderes <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />

treten kann, auf dem Kunst entstehen kann, um<br />

damit strategisch zu versuchen, die Stadt und die<br />

Bevölkerung stärker mit e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Zum Beispiel mit e<strong>in</strong>er Arbeit Teresa Margolles’,<br />

bei der 20<strong>10</strong>/11 vierzig große Le<strong>in</strong>wände alle vierzig<br />

großen Fenster des ersten Obergeschosses des<br />

Fridericianums komplett schlossen (Abb. 1). Obwohl<br />

ich nicht als Kurator von Gemäldeausstellungen gelte,<br />

war das eigentlich e<strong>in</strong>e betont malerische Installation,<br />

die sich erst auf den zweiten Blick nicht mehr nur als<br />

Malerei erwies. Teresa Margolles ist e<strong>in</strong>e Künstler<strong>in</strong>,<br />

die sich äußerst <strong>in</strong>tensiv mit dem Drogenkrieg <strong>in</strong><br />

Nordmexiko ause<strong>in</strong>andersetzt und mit ihren künstlerischen<br />

Arbeiten der zahlreichen Toten gedenkt.<br />

Beim genaueren Lesen der Besucher<strong>in</strong>fo entdeckte<br />

man schnell, dass es sich bei den Bildern an der<br />

Fassade nicht um Materialien wie Öl oder Acryl auf<br />

Le<strong>in</strong>wand handelt, sondern um Erde und Körperflüssigkeiten<br />

von nordmexikanischen Attentatsorten auf<br />

Le<strong>in</strong>wand. Damit wurde das Fridericianum aufgeladen,<br />

erhielt das historisch „durchlebte“ Gebäude e<strong>in</strong>e<br />

mahnmalartige Bedeutung. Das Haus hätte während<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

42


Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />

der Ausstellung unter den klimatischen E<strong>in</strong>flüssen<br />

tatsächlich bluten können; es wurde irgendwie humanisiert,<br />

es wurde Mahnmal oder auch e<strong>in</strong> bisschen<br />

Opfer. Es erhielt e<strong>in</strong>e Bedeutungsebene, die über das<br />

re<strong>in</strong> Bauliche und Museale h<strong>in</strong>aus g<strong>in</strong>g.<br />

Auch bei der Ausstellung von Thomas Zipp (20<strong>10</strong>)<br />

wurde das Gebäude stark mit e<strong>in</strong>bezogen, <strong>in</strong>dem die<br />

goldene Schrift „Museum Fridericianum“ durch den<br />

Titel der Ausstellung ersetzt wurde: „Mens sana <strong>in</strong><br />

corpore sano“. Zipp hatte für diese Ausstellung das<br />

Haus, das schon <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Übergröße und Bedeutungsarchitektur<br />

wie e<strong>in</strong> Institut besonderer Prägung<br />

aussieht, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e psychiatrische Anstalt mitsamt<br />

Funktionsräumen und unzähligen Bildern verwandelt.<br />

Vor dem Haus, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Achse mit den zwei symbolischen<br />

Beuys-Eichen und mit dem Friedrich-Denkmal,<br />

war zudem e<strong>in</strong>e große und schwere Skulptur von<br />

Zipp platziert, um damit auch den Platz <strong>in</strong> die Ausstellung<br />

e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den zu können und die Distanz zur<br />

Stadt zu verr<strong>in</strong>gern. Im Inneren des Hauses waren<br />

die musealen Räume fast h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>em theatralischen<br />

Sett<strong>in</strong>g verschwunden. Kulissenmäßig hatte Zipp<br />

se<strong>in</strong>e Fiktion aufgebaut, se<strong>in</strong>e Bilder und Zeichnungen<br />

markierten die abwesenden Grenzen. Der White<br />

Cube war weitgehend verschwunden, tauchte am<br />

Ende der Ausstellung aber als skulpturale, weißer als<br />

weiß blendende Gummizelle bedrohlich wieder auf.<br />

Die Fassadenbespielungen von Margolles und<br />

Zipp brachten jeweils e<strong>in</strong>e emotionale Ebene <strong>in</strong>s<br />

Spiel, die das eher strenge, klassizistische Gebäude<br />

mit e<strong>in</strong>er Art humanen Verletzlichkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e weniger<br />

strenge Struktur umpolen konnte. Über die Verwandlung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e psychiatrische Anstalt wurde das Haus<br />

menschlicher, obwohl natürlich die Assoziationen der<br />

Besucher dabei eher negativ gelagert waren. Auch<br />

bei Margolles dom<strong>in</strong>ierten die negativen Gefühle,<br />

durch welche das Fridericianum aber e<strong>in</strong>e stark<br />

emotionale Wirkung nach außen verüben konnte. Die<br />

Verb<strong>in</strong>dung mit der Außenwelt kam an, g<strong>in</strong>g zum Teil<br />

unter die Haut, war aber unmissverständlich vorhanden.<br />

Mission vorläufig und teilweise accomplished …<br />

Rirkrit Tiravanija<br />

1996 konnte ich für den größten E<strong>in</strong>zelhändler der<br />

Schweiz das Migros Museum für Gegenwartskunst<br />

gründen, e<strong>in</strong>e sammelnde Institution, die wir eher wie<br />

e<strong>in</strong>e Kunsthalle führten, um aus e<strong>in</strong>er regen produktionsbetonten<br />

Ausstellungspraxis auch viele Eigenproduktionen<br />

für die Sammlung anzukaufen. Das Migros<br />

Museum, das anfangs nur Museum für Gegenwartskunst<br />

Zürich getauft wurde, bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der<br />

ehemaligen Löwenbräu-Brauerei und war somit ke<strong>in</strong><br />

klassischer White Cube, so wie auch das Fridericianum<br />

nach den Renovationen der 1970er Jahre mit<br />

Räumen <strong>in</strong>dustrieller Prägung aufwartet. Mit e<strong>in</strong>er<br />

Ausstellung im Migros Museum konnte ich me<strong>in</strong><br />

Konzept des Perform<strong>in</strong>g the Museum zum ersten<br />

Mal praktizieren: die Ausstellung Das soziale Kapital<br />

(1998) von Rirkrit Tiravanija, dem eigentlichen „König“<br />

der Esthétique relationelle, wenn man so sagen kann,<br />

der Meister der Beziehungskunst, aus den 1990er<br />

Jahren. Tiravanija setzte e<strong>in</strong>en Migros-Supermarkt <strong>in</strong><br />

das vom gleichnamigen Großverteiler f<strong>in</strong>anzierte Museum,<br />

e<strong>in</strong>en Supermarkt der richtig funktionierte, <strong>in</strong><br />

dem tatsächlich e<strong>in</strong>gekauft werden konnte. Den Titel<br />

gab e<strong>in</strong>e große Tafel mit dem Text Das soziale Kapital,<br />

e<strong>in</strong>e Tafel, die früher am Hauptsitz der Migros-Firma<br />

h<strong>in</strong>g. Der Text galt als Leitspruch der Migros seit<br />

den 1950er und 1960er Jahren. Für Tiravanija und für<br />

mich verkörperte er aber auch e<strong>in</strong>en Beuys‘schen<br />

Spruch, <strong>in</strong> dem die Begriffe der Sozialen Plastik und<br />

des Kapitals sich vere<strong>in</strong>ten. Tiravanijas Ausstellung<br />

fungierte als Kapital im S<strong>in</strong>ne von Kommunikation,<br />

sozialem Verhalten und Beziehungsarbeit. In der<br />

Ausstellung konnte e<strong>in</strong>gekauft und abgerechnet<br />

werden, konnten gratis Bier, Cola und Curry konsumiert<br />

werden und kontextualisierten sich jeden Tag<br />

die Aktivitäten der Besucher zu e<strong>in</strong>em komplexen<br />

Gebilde sozialer Beziehungen. Das soziale Kapital<br />

war während zweie<strong>in</strong>halb Monaten e<strong>in</strong>e Dauerperformance;<br />

die Ausstellung war immer komplett <strong>in</strong> action,<br />

könnte man sagen. Es gab auch e<strong>in</strong>e Autowerkstatt,<br />

<strong>in</strong> der der Opel Commodore des Künstlers von zwei<br />

bayerischen Automechanikern generalüberholt<br />

wurde. Das Auto war e<strong>in</strong> Werk von Tiravanija und<br />

galt für mich als die Metapher für se<strong>in</strong>e künstlerische<br />

Existenz und Haltung: nicht länger Atelierkünstler,<br />

sondern nomadischer Künstler, der im Zwischendr<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e Ausstellungen und Werke konzipiert.<br />

Mit dieser Ausstellung waren gesellschaftsrelevante<br />

und reale Geschichten <strong>in</strong> den musealen Raum<br />

e<strong>in</strong>gedrungen. Tiravanijas Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />

thematisierte auch die Firma, die das Museum und<br />

dessen produktionsbetonte Ausstellungen f<strong>in</strong>anziell<br />

ermöglichte. Dazu schaffte Das soziale Kapital den<br />

Brückenschlag des erst zwei Jahre jungen Museums<br />

mit der Zürcher Bevölkerung und mit der Firma,<br />

obwohl der museale Supermarkt ke<strong>in</strong>eswegs als<br />

Werbeträger sondern eher als ambivalentes Spiel mit<br />

der kommerziellen Migros funktionierte. Das Museum<br />

für Gegenwartskunst war als Migros Museum neu<br />

geboren, und e<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ierendes Spiel zwischen zwei<br />

sche<strong>in</strong>bar ungleichen Größen – e<strong>in</strong> Museum und e<strong>in</strong><br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

43


Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />

E<strong>in</strong>zelhändler – konnte <strong>in</strong> der 1990er Thematik der<br />

Durchdr<strong>in</strong>gung von high und low art – und der Nähe<br />

von Kunst und Realität quasi durchexerziert werden.<br />

Als Stand- und Spielbe<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er klassischen Skulptur<br />

waren Supermarktwirklichkeit und Kunstlaboratorium<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fast metaphorischen Figur, relativ weit<br />

vom standardisierten White Cube entfernt, vere<strong>in</strong>t.<br />

700 Kilometer nördlich kuratierte ich sechs Jahre<br />

später erneut e<strong>in</strong>e große Ausstellung mit Rirkrit<br />

Tiravanija. Mittlerweile als Ausstellungsdirektor des<br />

Rotterdamer Museum Boijmans Van Beun<strong>in</strong>gen tätig,<br />

veranstalteten wir geme<strong>in</strong>sam mit dem Musée d‘Art<br />

Moderne <strong>in</strong> Paris und mit der Serpent<strong>in</strong>e Gallery <strong>in</strong><br />

London die erste Retrospektive des thailändischen<br />

Künstlers. Boijmans ist sozusagen e<strong>in</strong> Gesamtmuseum,<br />

e<strong>in</strong> enzyklopädisches Museum mit Kunst vom<br />

Mittelalter bis heute, mit Kunstgewerbe, Design und<br />

Mode. Das Gebäude ist über vier Stationen von Erweiterungsbauten<br />

historisch gewachsen; es kommen<br />

White Cubes, aber auch historische stilzimmerartige<br />

Räume zusammen.<br />

Für diese Retrospektive hat Tiravanija das Performative<br />

und Beziehungsästhetische auf e<strong>in</strong>e konzeptuelle<br />

Art auf den Punkt gebracht. Weil die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Werke zum Zeitpunkt ihres Entstehens so kontextuell<br />

und <strong>in</strong> Bewegung waren, zeigte er ke<strong>in</strong>e „echten“<br />

Werke, sondern ließ nur m<strong>in</strong>imalistische Andeutungen<br />

von musealen Räumen und <strong>Galerie</strong>n nachbauen,<br />

die für se<strong>in</strong>e Werke von Bedeutung gewesen waren.<br />

Zudem wurden Skripte unter anderem des Künstlers<br />

und zweier weiterer Autoren <strong>in</strong> den Räumen performativ<br />

nacherzählt, so dass die wichtigen Werke und<br />

die dazugehörigen wichtigen Momente, die <strong>in</strong> diesen<br />

Räumen stattgefunden hatten, evoziert und nacherlebt<br />

werden konnten. Vermittler, die Tiravanijas<br />

Skript <strong>in</strong>terpretiert hatten, g<strong>in</strong>gen mit den Besuchern<br />

durch die Räume. Die aktive und dynamische Fülle<br />

der Züricher Ausstellung wurde auf e<strong>in</strong>e verbale und<br />

konzeptuelle Ebene gebracht, bei der der vermittelnde<br />

Aspekt als e<strong>in</strong>e der ersten Realisierungen<br />

des so genannten Educational Turn sich <strong>in</strong> den Kern<br />

der Ausstellung selbst e<strong>in</strong>nistete. Auch diese erste<br />

Retrospektive war e<strong>in</strong> Beispiel von Perform<strong>in</strong>g the<br />

Museum, da die performative Rolle <strong>in</strong> die Vermittlung<br />

übergegangen war, und die Besucher als aktive Zuhörer<br />

durchaus performativ unterwegs waren. Gegen<br />

den H<strong>in</strong>tergrund der White Cube-Architektur aus den<br />

1970er Jahren wurde die performative Ausstellung<br />

ohne sichtbare Werke wirklich konzeptuell.<br />

Christoph Büchel<br />

2008 kuratierte ich <strong>in</strong> der Kunsthalle Fridericianum<br />

die Ausstellung Deutsche Grammatik von Christoph<br />

Büchel. Die Ausstellung befasste sich auf vier Ebenen<br />

mit deutschen Strukturen, Realitäten, Fiktionen,<br />

Tugenden und Untugenden. Zudem wurden der<br />

Friedrichsplatz und auch die Fassade des Fridericianums<br />

großflächig bespielt. In e<strong>in</strong>e landwirtschaftliche<br />

Zone umgepflügt, war der ehemalige Paradeplatz<br />

Kassels 2 von Büchel quasi e<strong>in</strong>em Bauern zurück<br />

gegeben worden. Die Fenster des Erdgeschosses<br />

der Kunsthalle waren mit Holzbrettern verbarrikadiert;<br />

e<strong>in</strong>e Bautafel verriet, dass das Fridericianum<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zwischenphase vor e<strong>in</strong>em Umbau <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Außenstelle der Bundesagentur für Arbeit und <strong>in</strong><br />

das Sozialamt der Stadt Kassel befand. Neben dem<br />

E<strong>in</strong>gang stand während der gesamten Ausstellung<br />

e<strong>in</strong> grünes Polizeiauto.<br />

Das älteste öffentliche Museumsgebäude auf dem<br />

europäischen Festland war nicht länger Museum,<br />

sondern beherbergte <strong>in</strong> der baulichen Zwischenphase<br />

fußgängerzonentaugliche Mieter wie e<strong>in</strong>en<br />

Eurodiscounter im E<strong>in</strong>gangsbereich, e<strong>in</strong> Spielcas<strong>in</strong>o,<br />

e<strong>in</strong>e Touristikmesse, e<strong>in</strong>en zwölf Meter hohen<br />

Weihnachtsbaum, Bandenwerbung der mächtigsten<br />

deutschen Unternehmen, e<strong>in</strong> Fitnesscenter, e<strong>in</strong><br />

Sonnenstudio und das Islamisches Zentrum Kassel<br />

<strong>in</strong> der Rotunde des Hauses - dies alles bildete die<br />

(mehrheitlich funktionstüchtige) erste Ebene (Abb.<br />

2). Das Museale – die zweite Ebene – war zerstört<br />

und geplündert; e<strong>in</strong>e Hausmeisterwohnung und e<strong>in</strong><br />

Pausenraum waren noch <strong>in</strong>takt, das Bilderlager und<br />

die Vitr<strong>in</strong>en aber kaputt und leergeräumt, die Kunst<br />

verschwunden. E<strong>in</strong>e tote Taube markierte perfekt die<br />

„verflogene“ Hoffnung. Die <strong>in</strong> der Dunkelheit unlesbaren<br />

Titelkärtchen ohne dazugehörige Werke markierten<br />

ihrerseits das abgeschaffte Gedächtnis.<br />

In der dritten „Abteilung“ wurde die jüngere Geschichte<br />

Deutschlands gezeigt: e<strong>in</strong>e Kegelbahn, die<br />

historisch gesehen die Kegelbahn der Freizeitanlage<br />

der Leipziger Stasi-Bezirksverwaltung repräsentierte,<br />

auf der unmittelbar nach der Wende begonnen wurde,<br />

die von der Staatssicherheit zerrissenen Unterlagen<br />

wieder zusammenzusetzen. Hierfür hat Büchel<br />

das Haus, den White Cube, komplett unsichtbar<br />

gemacht und mit e<strong>in</strong>em äußerst biederen Restaurantambiente<br />

mitsamt Küche, Toiletten und Tanzsaal <strong>in</strong><br />

Gänze überlagert. Damit schaffte er es, dieses Haus,<br />

das jeweils durch die documenta markiert und <strong>in</strong>s<br />

kollektive Gedächtnis e<strong>in</strong>geführt wird, anders und<br />

neu zu positionieren. Die Besucher performten <strong>in</strong> der<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

44


Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />

Kneipe sowie sie auch bereits im Discounter und im<br />

Fitnesscenter performativ herausgefordert waren.<br />

Die Deutsche Grammatik performte das Fridericianum.<br />

Zusätzlich gab es noch die politische Ebene, als<br />

Performance während zweier Tage, als Installation<br />

während der Laufzeit der Ausstellung. Büchel <strong>in</strong>itiierte<br />

im Fridericianum die so genannte politica, die<br />

erste Messe für politische Parteien Deutschlands. Für<br />

diese Messe hatten sich sechsunddreißig der beim<br />

Bundeswahlleiter gemeldeten Parteien angemeldet,<br />

von denen übrigens nicht alle ernsthafte politische<br />

Ziele verfolgen. Nachdem aber klar wurde, dass auch<br />

die NPD angemeldet war, zogen sich die Bundestagsparteien<br />

e<strong>in</strong>e Woche vor der Veranstaltung geschlossen<br />

und medienwirksam zurück. Dies brachte<br />

uns als Veranstalter natürlich <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e schwierige Situation, weil auch wir nicht<br />

unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>er rechtsextremen und undemokratisch<br />

agierenden Partei im ältesten öffentlichen Museumsgebäude<br />

auf dem europäischen Festland Gastrecht<br />

bieten wollten. Nach vielen Diskussionen hat der<br />

Künstler aber überzeugend klarmachen können,<br />

dass die NPD, auch wenn sie ke<strong>in</strong>e demokratischen<br />

Ziele verfolgt, leider Teil des politischen Systems des<br />

Landes ist, wie andere Parteien teilweise mit Steuergeldern<br />

gespeist wird, und somit notwendigerweise<br />

auch Teil der Deutschen Grammatik se<strong>in</strong> müsste.<br />

Parallel zu der Messe gab Büchel den teilnehmenden<br />

Politikern die Möglichkeit, auf dem Friedrichsplatz<br />

neben den Beuys-Eichen e<strong>in</strong> Tannenbäumchen<br />

zu pflanzen, so wie dies kurz vorher die G8-Leiter <strong>in</strong><br />

Kyoto gemacht hatten. Büchels Politiker griffen zum<br />

Spaten, pflanzten ihr Bäumchen und ließen sich stolz<br />

von den Fotografen ablichten. Besser und absurder<br />

hätte kaum deutlich werden können, dass sie<br />

schlussendlich auf <strong>in</strong>telligente und fast geme<strong>in</strong>e Art<br />

vom Künstler für se<strong>in</strong>e große Performance <strong>in</strong>strumentalisiert<br />

worden waren. In e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der die<br />

Kunst immer mehr von der Politik <strong>in</strong>strumentalisiert<br />

zu werden droht, e<strong>in</strong>e wunderbare Umkehrung der<br />

D<strong>in</strong>ge.<br />

Büchels Ausstellung thematisierte sowohl das<br />

Haus Fridericianum und dessen Geschichte als auch<br />

die Vergangenheit des Friedrichsplatzes als ehemaliger<br />

Paradeplatz. Der künstlerische Akt, den Platz<br />

e<strong>in</strong>em Bauern zurückzugeben, war gleichzeitig e<strong>in</strong><br />

Akt, den Ort aus se<strong>in</strong>en historischen Angeln herauszuheben.<br />

Deutsche Grammatik war <strong>in</strong> mehrfacher<br />

H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e Ausstellung, <strong>in</strong> der das Performative<br />

auf verschiedenen Ebenen e<strong>in</strong>e Hauptrolle spielte: Es<br />

gab performative Installationen wie den Eurodiscounter<br />

am E<strong>in</strong>gang; es gab e<strong>in</strong>e Performance, die politica<br />

während der zwei Messetage; und das Haus selbst<br />

wurde performt: durch das Polizeiauto, die Bretterverschläge,<br />

die Bautafel, die Platzumgestaltung und<br />

die <strong>in</strong>haltliche Bearbeitung der Geschichte des Ortes.<br />

Die Ausstellung war e<strong>in</strong>e große Büchelsche Fiktion<br />

und Dystopie über die Zukunft, <strong>in</strong> der museale Strukturen<br />

nicht länger als solche funktionieren können<br />

und anderen, viel realeren Funktionen h<strong>in</strong>zu geführt<br />

werden. Das Ende des musealen White Cube schien<br />

<strong>in</strong> der Deutschen Grammatik nicht mehr weit weg.<br />

Maurizio Cattelan<br />

E<strong>in</strong> Ausstellungsprojekt von Maurizio Cattelan<br />

im Migros Museum für Gegenwartskunst im Jahre<br />

2000 hieß La revolutione siamo noi. Was hat der<br />

Künstler gemacht? Eigentlich hat er das Museum<br />

zerstört, kann man sagen – zerstört, aber gleichwohl<br />

wiedererfunden. Cattelan hat sich entschieden, <strong>in</strong> der<br />

ersten von zwei großen Hallen des Museums - e<strong>in</strong>e<br />

Halle, die etwa 50 Meter lang ist – alle e<strong>in</strong>gebauten<br />

und musealisierenden Backste<strong>in</strong>wände zu entfernen.<br />

Während e<strong>in</strong>er Woche wurden die E<strong>in</strong>bauten zerstört,<br />

um e<strong>in</strong>en neuen Raum zu kreieren. Besucher kamen<br />

here<strong>in</strong> und wunderten sich über die Leere. Erst <strong>in</strong> der<br />

zweiten großen Halle stieß man dann auf e<strong>in</strong>e skulpturale<br />

Figur: e<strong>in</strong>e Figur mit dem Gesicht des Künstlers,<br />

die e<strong>in</strong>en Filzanzug trug, der jenem von Joseph<br />

Beuys ähnelte. Nun wurde auch der Ausstellungstitel,<br />

e<strong>in</strong> Zitat von Joseph Beuys, klarer. Die Zerstörung<br />

und Umgestaltung des vorderen Raumes erwies<br />

sich als revolutionärer Akt, bei der der revolutionäre<br />

Urvater mehr oder weniger entsorgt werden musste.<br />

Beuys ließ grüßen, und Cattelan hatte das Museum<br />

performt.<br />

Zwei Jahre später performte Cattelan dann auch<br />

das Museum Boijmans van Beun<strong>in</strong>gen. Er realisierte<br />

auf me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung h<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Arbeit, die den<br />

Kern<strong>in</strong>halt des Museums als fast enzyklopädisches<br />

Sammlungs- und Ausstellungshaus thematisierte. Er<br />

hat e<strong>in</strong>e Kopie se<strong>in</strong>er Selbst kreiert, bei der er sich<br />

mit jüngeren Gesichtszügen e<strong>in</strong>e lausbübische Ausstrahlung<br />

verpasste. Aus e<strong>in</strong>em Loch im historischen<br />

Boden des altehrwürdigen Hauses, <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>es<br />

Raumes mit Meistern des niederländischen achtzehnten<br />

Jahrhunderts, guckte er sich um. E<strong>in</strong> Dieb<br />

<strong>in</strong> der Nacht, e<strong>in</strong> junger Künstler, der schaut, wie die<br />

Älteren es gemacht haben.<br />

Was Cattelans Arbeit im Museum Boijmans Van<br />

Beun<strong>in</strong>gen bewirkte, war e<strong>in</strong>e Revolutionierung der<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

45


Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />

Rezeption. Gewöhnlich geht man an dieser Stelle<br />

mit den Händen auf dem Rücken durch den musealen<br />

Parcours, schaut sich die Meister an, flüstert<br />

zu se<strong>in</strong>em Nachbarn, wie schön oder wie handwerklich<br />

perfekt das ist, was e<strong>in</strong>em da begegnet.<br />

Und plötzlich, fast am Ende dieses Parcours, liegt<br />

da dann dieser Stolperste<strong>in</strong>. Plötzlich wird man als<br />

Besucher zum Performer im Museum. Man wird mit<br />

dem eigenen Schauen konfrontiert, mit dem eigenen<br />

Betrachten, mit dem eigenen Gehen, mit dem<br />

eigenen Flüstern, mit dem eigenen Reden, mit der<br />

eigenen Beobachtung und mit der – mehr oder weniger<br />

traditionellen – Identifizierung mit dem musealen<br />

Raum. Und genau da werden die Grenzen und auch<br />

die Chancen der musealen Rezeption aufgezeigt,<br />

wird der Museumsbesuch thematisiert und aktiviert<br />

und kann sich das Museum, <strong>in</strong>dem es <strong>in</strong> Frage<br />

gestellt wird, neu erf<strong>in</strong>den. Da hat der museale Raum<br />

wahrlich e<strong>in</strong>e reale Zukunft. Im (physischen) Widerstand<br />

gegen den bestehenden und kanonisierten<br />

musealen Raum kann für die Besucher e<strong>in</strong>e neue Art<br />

der Beziehung zur Institution Museum entstehen.<br />

Abb. 1: Teresa Margolles, Frontera, 20<strong>10</strong>, Kunsthalle Fridericianum<br />

Kassel<br />

1 Nicolas Bourriaud <strong>in</strong>troduzierte 1995 diesen Begriff. 1998 publizierte er<br />

L'esthétique relationnelle, édition Les presses du réel, Dijon, 1998.<br />

2 So marschierten zum Beispiel 1939 anlässlich des 1. Großdeutschen<br />

Reichskriegertages 300.000 Soldaten über den Friedrichsplatz.<br />

Abb. 2: Christoph Büchel, Deutsche Grammatik, 2008,<br />

Ausstellungsansicht (Detail) Kunsthalle Fridericianum Kassel<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

46


iografien<br />

der Referenten<br />

Prof. Dr. Charlotte Klonk<br />

Professor<strong>in</strong> für Kunst und neue Medien am Institut<br />

für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-<br />

Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Charlotte Klonk lehrt seit 2006 Kunstgeschichte an<br />

der Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong>. Sie hat <strong>in</strong> Hamburg<br />

und Cambridge studiert und im Museum für<br />

zeitgenössische Kunst <strong>in</strong> Gent gearbeitet. Von 1993<br />

bis 1995 war sie Junior Research Fellow am Christ<br />

Church College <strong>in</strong> Oxford und anschließend bis 2005<br />

Lecturer an der University of Warwick. Ihre Doktorarbeit<br />

wurde 1996 unter dem Titel Science and the<br />

Perception of Nature: British Landscape Art <strong>in</strong> the<br />

Late Eighteenth and Early N<strong>in</strong>eteenth Centuries (Yale<br />

University Press) veröffentlicht. 2001/02 kam sie als<br />

Alexander-von-Humboldt-Fellow an das Max-Planck-<br />

Institut für Wissenschaftsgeschichte und 2005/06<br />

als Fellow an das Wissenschaftskolleg <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Ihre<br />

Habilitationsschrift Spaces of Experience: Art Gallery<br />

Interiors from 1800–2000 (Yale University Press)<br />

erschien Ende 2009. Sie erhielt 20<strong>10</strong> Rufe an die<br />

Universitäten <strong>in</strong> Lüneburg und Greifswald und 2011<br />

an die Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong>.<br />

Ellen Blumenste<strong>in</strong><br />

Chefkurator<strong>in</strong> der KW Institute for Contemporary<br />

Art, Gründer<strong>in</strong> des Salon Populaire, Berl<strong>in</strong><br />

Ellen Blumenste<strong>in</strong> (*1976) ist Kurator<strong>in</strong>, Gründer<strong>in</strong> des<br />

Salon Populaire und Mitglied des Kuratorenkollektivs<br />

THE OFFICE. Von 1998 bis 2005 war sie Kurator<strong>in</strong> bei<br />

den KW Institute for Contemporary Art <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Dort<br />

realisierte sie 2005 zusammen mit Klaus Biesenbach<br />

und Felix Enssl<strong>in</strong> die Ausstellung Regard<strong>in</strong>g<br />

Terror: The RAF-Exhibition. Im Anschluss zeichnete<br />

sie für die Ausstellungen Between Two Deaths im<br />

ZKM, Karlsruhe (mit Felix Enssl<strong>in</strong>, 2007) und Agulhas<br />

Negras – On the Necessity to Discuss Social Functions<br />

of Contemporary Art <strong>in</strong> São Paulo/Campos do<br />

Jordão, Brasilien (2008) verantwortlich. 20<strong>10</strong> organisierte<br />

Ellen Blumenste<strong>in</strong> „Perform a Lecture!“ für<br />

THE OFFICE, e<strong>in</strong>e sechsteilige Veranstaltungsreihe<br />

<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit diversen Berl<strong>in</strong>er Kultur<strong>in</strong>stitutionen.<br />

Für die Venedig Biennale 2011 wurde sie<br />

als Kurator<strong>in</strong> des isländischen Pavillons (Libia Castro<br />

und Ólafur Ólafsson) berufen. Im selben Jahr kuratierte<br />

sie die Graduate Show am Piet Zwart Institute<br />

<strong>in</strong> Rotterdam. Seit 2013 ist sie Chefkurator<strong>in</strong> der KW<br />

Institute for Contemporary Art.<br />

Prof. Beatrix von Pilgrim<br />

Professor<strong>in</strong> für Szenografie an der Staatlichen<br />

Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Szenograf<strong>in</strong>,<br />

Bildende Künstler<strong>in</strong><br />

Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an<br />

der TU Braunschweig, Französischstudium an der<br />

Sorbonne. Anstellung als Bühnenbildassistent<strong>in</strong> am<br />

Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Aufnahme an<br />

der HdK (heute UdK) Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Klasse des Malers,<br />

Regisseurs und Bühnenbildners Achim Freyer. Regieassistenz<br />

bei Robert Wilson.<br />

Arbeit als freie Bühnen- und Kostümbildner<strong>in</strong> an<br />

diversen Schauspiel- und Opernhäusern, u.a. <strong>in</strong><br />

Schwetz<strong>in</strong>gen, Köln, Bochum (Schauspielhaus),<br />

Zürich (Schauspiel), Mannheim (Nationaltheater),<br />

Frankfurt (TAT). Beg<strong>in</strong>n der kont<strong>in</strong>uierlichen Zusammenarbeit<br />

mit dem Regisseur, Schauspieler und<br />

Maler Valent<strong>in</strong> Jeker. 1993-1998 im Leitungsteam des<br />

Freiburger Theaters als Chefbühnenbildner<strong>in</strong>. Konzentration<br />

auf Oper und vor allem zeitgenössische<br />

Musik. Kuratoriumsmitglied des Betreibervere<strong>in</strong>s<br />

„Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur Hellerau“<br />

<strong>in</strong> Dresden.<br />

Seit 2001 Zusammenarbeit mit der Autor<strong>in</strong>, Schauspieler<strong>in</strong><br />

und Regisseur<strong>in</strong> Ingrid Lausund und seitdem<br />

13 Uraufführungen. 2003 Beg<strong>in</strong>n der Zusammenarbeit<br />

mit dem Opernregisseur Tilman Knabe.<br />

Seit 2004 Professur für Szenografie an der HfG Karlsruhe.<br />

2009 Gründung der Produktionsfirma LAU-<br />

SUNDPRODUCTIONS <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit Ingrid Lausund<br />

und erste freif<strong>in</strong>anzierte Produktionen („Benefiz“,<br />

20<strong>10</strong>). Seitdem Atelier und Firma <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Aktuelle<br />

Arbeiten zur Zeit <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z, Bonn und Hamburg.<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

47


iografien der Referenten<br />

Prof. Wilfried Kuehn<br />

Kuehn Malvezzi, Berl<strong>in</strong>, Professor für Ausstellungsdesign<br />

und kuratorische Praxis an der<br />

Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe<br />

Wilfried Kuehn (*1967 <strong>in</strong> Hamburg) ist Partner des<br />

Architekturstudios KUEHN MALVEZZI <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und<br />

Professor für Ausstellungsdesign und kuratorische<br />

Praxis an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung<br />

<strong>in</strong> Karlsruhe. 2006 rief er die Publikationsreihe<br />

DISPLAYER zu Strategien des Ausstellens und<br />

Fragen der Raumproduktion an der Schnittstelle<br />

von Kunst und Architektur <strong>in</strong>s Leben.<br />

Van Beun<strong>in</strong>gen. In der Kunsthalle Fridericianum kuratierte<br />

er große E<strong>in</strong>zelausstellungen, unter anderem<br />

von Christoph Büchel, Pawel Althamer, Teresa Margolles,<br />

Thomas Zipp, Monica Bonvic<strong>in</strong>i und Matias<br />

Faldbakken.<br />

KUEHN MALVEZZI, 2001 mit Simona Malvezzi und<br />

Johannes Kuehn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gegründet, s<strong>in</strong>d vor allem<br />

im Bereich Museums- und Ausstellungsarchitektur<br />

tätig. Projekte unter anderem Umbau der B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g<br />

Brauerei für Okwui Enwezors Documenta 11, Kassel<br />

(2002); Gestaltung von Bibliothek, Kassenbereich<br />

sowie Buchstabenfeld und Vorplatz für die Berl<strong>in</strong>ische<br />

<strong>Galerie</strong> (2003/04); Erweiterung Museum für<br />

Gegenwart im Hamburger Bahnhof für die F. C. Flick<br />

Collection, Berl<strong>in</strong> (2004); Sammlung Julia Stoschek,<br />

Düsseldorf (2007); Liebieghaus Frankfurt (2008/09);<br />

Österreichische <strong>Galerie</strong> Belvedere <strong>in</strong> Wien (2009).<br />

2008 gewann ihr Entwurf für das Humboldt-Forum<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sonderpreis. Teilnahme an der <strong>10</strong>.<br />

Architektur-Biennale Venedig (2006). 2009 erhielten<br />

KUEHN MALVEZZI den Deutschen Kritikerpreis für<br />

Architektur.<br />

Re<strong>in</strong> Wolfs<br />

Ehemals Künstlerischer Leiter der Kunsthalle<br />

Fridericianum Kassel; seit März 2013 Intendant<br />

der Bundeskunsthalle <strong>in</strong> Bonn<br />

Re<strong>in</strong> Wolfs ist seit März 2013 Intendant der Bundeskunsthalle<br />

Bonn. Zuvor war er seit 2008 künstlerischer<br />

Leiter der Kunsthalle Fridericianum <strong>in</strong> Kassel<br />

sowie von 2002 bis 2007 Ausstellungsdirektor im<br />

Museum Boijmans Van Beun<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Rotterdam.<br />

2003 kuratierte er den niederländischen Pavillon bei<br />

der Biennale di Venezia. 1996 bis 2001 war er Gründungsdirektor<br />

des Migros Museum für Gegenwartskunst<br />

<strong>in</strong> Zürich.<br />

Zu se<strong>in</strong>en wichtigsten kuratorischen Projekten zählen<br />

Ausstellungen mit Douglas Gordon, Maurizio Cattelan,<br />

Angela Bulloch und Cady Noland im Migros<br />

Museum und Retrospektiven von Bas Jan Ader und<br />

Rirkrit Tiravanija sowie Großausstellungen mit Urs<br />

Fischer und Erik van Lieshout im Museum Boijmans<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

48


IMPRESSUM<br />

Diese Publikation ersche<strong>in</strong>t anlässlich<br />

des Symposiums<br />

Beyond the White Cube?<br />

Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />

und Inszenierung heute<br />

am 25.03.2011<br />

Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong><br />

Landesmuseum für Moderne<br />

Kunst, Fotografie und Architektur<br />

Stiftung Öffentlichen Rechts<br />

Alte Jakobstraße 124–128<br />

<strong>10</strong>969 Berl<strong>in</strong><br />

Tel +49 (0)30-78 902-600<br />

Fax +49 (0)30-78 902-700<br />

bg@berl<strong>in</strong>ischegalerie.de<br />

www.berl<strong>in</strong>ischegalerie.de<br />

Symposium<br />

Konzept und Organisation: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke<br />

Kugelmann, Christ<strong>in</strong>a Landbrecht, Philip Norten<br />

Publikation<br />

Herausgeber: Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong>, Landesmuseum<br />

für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur<br />

Konzeption: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann,<br />

Christ<strong>in</strong>a Landbrecht, Philip Norten<br />

Lektorat: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann<br />

Gestaltung: Thoma + Schekorr<br />

© 2013 Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong>, Landesmuseum<br />

für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur<br />

© für die Werke von Max Beckmann, Willy Jaeckel,<br />

Bruce Nauman, Olaf Nicolai, William Wauer: VG Bild-<br />

Kunst, Bonn 2013<br />

© für die Werke von Christoph Büchel: Christoph<br />

Büchel, Courtesy <strong>Galerie</strong> Hauser & Wirth, Zürich /<br />

London<br />

© für die Werke von Nan Gold<strong>in</strong>: Nan Gold<strong>in</strong> /<br />

Courtesy Matthew Marks Gallery, New York<br />

© für die Werke von Susanne Kriemann: Susanne<br />

Kriemann<br />

© für die Architekturzeichnungen und Schnitte von<br />

Kuehn Malvezzi: Kuehn Malvezzi<br />

© für die Werke von Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke: Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke<br />

© für die Werke von Teresa Margolles: Teresa Margolles,<br />

Courtesy <strong>Galerie</strong> Peter Kilchmann, Zürich<br />

© für die Werke von Ludwig Meidner: Ludwig-Meidner-Archiv,<br />

Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt<br />

a. M.<br />

© für die Werke von Olumuyiwa Olamide Osifuye:<br />

Olumuyiwa Olamide Osifuye<br />

© für die Werke von Tony Oursler: Tony Oursler<br />

© für alle Zeichnungen von Beatrix von Pilgrim:<br />

Beatrix von Pilgrim<br />

© für die Fotografien: S.8, Abb.1: Michael Schäfer;<br />

S.8, Abb.2: Susanne Kriemann; S.8, Abb.3: Hans-<br />

Georg Gaul; S.16, Abb.1: bpk / Zentralarchiv, S<strong>MB</strong>;<br />

S.16, Abb.2: bpk / Zentralarchiv, S<strong>MB</strong> / Sprengel<br />

Museum Hannover / Foto: Wilhelm Redemann; S.16,<br />

Abb.3: bpk / Zentralarchiv, S<strong>MB</strong>; S.16, Abb.4: Städel<br />

Museum / Norbert Miguletz; S.19, Abb.1: Thomas<br />

Lillevang; S.19, Abb.2: Fiona Geuß; S.40, Abb.1: ÖNB/<br />

Wien, 94925-E; S.40, Abb.2: Independent Group/Arts<br />

& Humanities Research Council, K<strong>in</strong>gston University<br />

London; S.40, Abb. 3 und S.41, Abb.9: Kuehn<br />

Malvezzi; S.40, Abb.4 und 6 sowie S.41, Abb.11:<br />

Ulrich Schwarz; S.41, Abb.13: Fred Dott; S.41, Abb.14:<br />

Wilfried Kuehn; S.46, Abb.1: Nils Kl<strong>in</strong>ger; S.46, Abb.2:<br />

Stefan Altenburger<br />

Trotz sorgfältiger Recherche war es nicht <strong>in</strong> allen<br />

Fällen möglich, die Rechte<strong>in</strong>haber zu ermitteln. Berechtigte<br />

Ansprüche werden selbstverständlich im<br />

Rahmen der üblichen Vere<strong>in</strong>barungen abgegolten.<br />

© für die Texte: bei den jeweiligen Autoren.<br />

Die meisten Beiträge dieser Publikation verwenden,<br />

wenn von Männern und Frauen die Rede ist, die maskul<strong>in</strong>e<br />

Form oder Formulierungen neutraler Art. Wir<br />

weisen ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> jedem Fall<br />

beide Geschlechter geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, Ausnahmen s<strong>in</strong>d<br />

deutlich formuliert.<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

49


IMPRESSUM<br />

Mitarbeiter der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong><br />

Landesmuseum für Moderne Kunst,<br />

Fotografie und Architektur<br />

Direktor: Dr. Thomas Köhler<br />

Verwaltungsdirektor: Dr. Robert Knappe<br />

Sekretariat der Direktion: Wiebke Heß<br />

Referent<strong>in</strong> des Direktors: Anne Bitterwolf<br />

Assistenz der Verwaltungsdirektion: Daniela Siegel<br />

Projektmanagement Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g Forever: Silke Baumann<br />

Sammlungen<br />

Sammlung Bildende Kunst<br />

Guido Faßbender (kommissarische Leitung),<br />

Annemarie Seyda, Christian Tagger<br />

Fotografische Sammlung<br />

Ulrich Domröse (Leitung), Kerst<strong>in</strong> Diether,<br />

Tanja Keppler<br />

Grafische Sammlung<br />

Dr. Annelie Lütgens (Leitung), Kathar<strong>in</strong>a Hoffmann<br />

Architektur Sammlung<br />

Ursula Müller (Leitung), Frank Schütz<br />

Künstler-Archive<br />

Dr. Ralf Burmeister (Leitung), Wolfgang Erler,<br />

Wolfgang Schöddert, Alexander Zeisberg<br />

Bibliothek<br />

Sab<strong>in</strong>e Schardt (Leitung), Marion Molnos,<br />

Christ<strong>in</strong>a Strauch, Anna König (FSJ Kultur)<br />

Restaurierung<br />

Andreas Piel (Leitung), Maria Bortfeldt,<br />

Sab<strong>in</strong>a Fernandez, Cor<strong>in</strong>na Nisse<br />

Wissenschaftliche Volontäre<br />

Nad<strong>in</strong>e Bahrmann, Clemens Klöckner,<br />

Christ<strong>in</strong>a Korzen, Isabelle L<strong>in</strong>dermann, Julia Mauga<br />

Zentrale Dienste<br />

Organisation und IuK<br />

Christiane Friedrich (Leitung), Wolfram Kiepe,<br />

Mart<strong>in</strong> von Piechowski<br />

F<strong>in</strong>anzen & Controll<strong>in</strong>g<br />

Susanne Teuber (Leitung), Laila Ayyache,<br />

Kerst<strong>in</strong> Böhme, Kar<strong>in</strong> Rasper<br />

Personalservice<br />

Christian Monschke (Leitung), Cornelia Remky<br />

Besucherbetreuung<br />

Carola Semm (Leitung)<br />

Museumsshop<br />

Carsten Fedderke, Dr. Eva-Maria Kaufmann,<br />

Re<strong>in</strong>hard Kuh, Merwe Reckenfelderbäumer,<br />

Dirk Schäfer<br />

Besucherbetreuung<br />

Helmut Andersen, Christiane Boese,<br />

Friederike von Born-Fallois, Brigitte Heilmann,<br />

Nihal Isigan, Gerhard Jende, Frank Lambertz,<br />

Daniela Lamprecht, Matthias L<strong>in</strong>de, Katar<strong>in</strong>a Roters,<br />

Olaf Schümann, Nasr<strong>in</strong> Sheikh Zadeh, Reza Soltani<br />

Technik<br />

Roland Pohl (Leitung), Wolfgang Fleischer,<br />

Robert Frank, Ralf Geelhaar, Wolfgang Heigl,<br />

Andreas Kamprath, Frank Rohrbeck,<br />

Florian Hübner (FSJ Kultur)<br />

Market<strong>in</strong>g & Kommunikation<br />

Susanne Kumar-S<strong>in</strong>ner (Leitung), Diana Br<strong>in</strong>kmeyer,<br />

Fiona F<strong>in</strong>ke, Carol<strong>in</strong> Wagner (Tra<strong>in</strong>ee),<br />

Theresa Thaller (FSJ Kultur)<br />

Fördervere<strong>in</strong><br />

Stephanie Krumbholz, Sophie Bertone,<br />

Elena Schoubye<br />

Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />

Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />

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