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symposiumsDokumentation<br />
BEYOND THE<br />
WHITE CUBE?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />
und Inszenierung heute
Beyond the<br />
White Cube?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />
und Inszenierung heute<br />
Dokumentation zum Symposium<br />
<strong>in</strong> der berl<strong>in</strong>ischen galerie<br />
am 25.03.2011<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
2
INHALT<br />
Vorwort 4<br />
Thomas Köhler<br />
1. Beyond the White Cube? 5<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann, Christ<strong>in</strong>a Landbrecht, Philip Norten<br />
2. Tendenzen der Kunstpräsentation seit 9<br />
Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />
Anke Kugelmann<br />
3. Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel – Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen 12<br />
und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
Charlotte Klonk<br />
4. Argumentationen im Raum – Vom modernen White Cube 17<br />
zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />
Ellen Blumenste<strong>in</strong><br />
5. Szenografie und Ausstellungsraum 20<br />
Beatrix von Pilgrim<br />
6. Curatorial Design 32<br />
Wilfried Kuehn<br />
7. Perform<strong>in</strong>g the Museum 42<br />
Re<strong>in</strong> Wolfs<br />
Biografien der Referenten 47<br />
Impressum 49<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
3
Vorwort<br />
Thomas Köhler<br />
„E<strong>in</strong> Grund, warum Kunstmuseen bei Architekten<br />
so beliebt und so absonderlich s<strong>in</strong>d, ist, dass die<br />
Architekten offensichtlich glauben, sie hätten ke<strong>in</strong>e<br />
Funktion, und ihre Auftraggeber denken genauso,<br />
denn für sie hat Kunst ke<strong>in</strong>e Bedeutung.“<br />
An Donald Judds Aussage manifestiert sich die<br />
grundlegende Kritik, die von Seiten der Künstler seit<br />
den 1960er Jahren an der Institution Museum und<br />
<strong>in</strong>sbesondere an der Artifizialität des White Cube<br />
und se<strong>in</strong>en geradezu diktatorischen Vorgaben an die<br />
Präsentation von Kunstwerken geübt wurde. Seither<br />
wurde das Pr<strong>in</strong>zip des White Cube wiederholt<br />
aufgebrochen und von Künstlern und Kuratoren als<br />
Herausforderung begriffen, alternative Präsentationsund<br />
Rezeptionsvoraussetzungen zu schaffen.<br />
Die Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong> bef<strong>in</strong>det sich seit 2004 <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em ehemaligen Glaslager, welches <strong>in</strong> kürzester<br />
Zeit von e<strong>in</strong>em Industriebau <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ausstellungs<strong>in</strong>stitut<br />
umgewandelt wurde. Man hat im Zuge der<br />
Baumaßnahmen den ursprünglichen Charakter<br />
grundlegend verändert und die Geschichte des Baus<br />
ausgelöscht. Ziel war es, e<strong>in</strong>en möglichst flexiblen<br />
Ausstellungskubus, e<strong>in</strong>en White Cube, zu schaffen,<br />
der nicht nur für die Sammlung, sondern auch für<br />
Wechselausstellungen e<strong>in</strong>en zeitgemäßen Rahmen<br />
bilden sollte. Ke<strong>in</strong>e große architektonische Geste<br />
dom<strong>in</strong>iert das Gebäude, sondern der Inhalt: <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
entstandene Kunst seit 1870. Der Kubus hat sich<br />
bewährt. Er ist offen und anpassungsfähig genug,<br />
e<strong>in</strong>e Vielzahl von Ausstellungs- und Interventionsformen<br />
zuzulassen. E<strong>in</strong> unverzichtbarer Vorzug, der<br />
<strong>in</strong>sbesondere für die zeitgenössischen Künstler viele<br />
Vorteile birgt.<br />
Das Symposium fragte nach e<strong>in</strong>em heutigen<br />
Umgang mit dem Ausstellungskonzept, Kunst <strong>in</strong> weißen<br />
Räumen zu präsentieren. Auch trotz der immer<br />
wieder thematisierten Kritik am White Cube bildet<br />
er als Idee weiterh<strong>in</strong> die konzeptuelle Grundlage<br />
vieler Ausstellungsräume. Anlass für das Symposium<br />
war die 2011 realisierte Neugestaltung der Sammlungspräsentation<br />
der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> durch<br />
das Berl<strong>in</strong>er Architekturbüro David Saik und die<br />
damit verbundene Inszenierung der Sammlung. Der<br />
Prozess der Neukonzeption erfolgte unter Mitwirkung<br />
aller Sammlungsbereiche des Museums. Das Ziel war<br />
e<strong>in</strong>e für den Besucher nachvollziehbare Ordnung und<br />
Abfolge sowie e<strong>in</strong>e visuell stimulierende Gestaltung,<br />
die auch vor farbigen Wänden nicht zurückschreckt.<br />
Die Idee zu diesem Symposium wurde von den<br />
damaligen wissenschaftlichen Volontären der Berl<strong>in</strong>ischen<br />
<strong>Galerie</strong> entwickelt: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke<br />
Kugelmann, Christ<strong>in</strong>a Landbrecht und Philip Norten.<br />
Allen b<strong>in</strong> ich für ihren kunsthistorischen Input, ihre<br />
Diskussionen, Konzeption und Umsetzung der Veranstaltung<br />
überaus dankbar. Desweiteren freue ich<br />
mich über die Bereitschaft der Referenten, Beiträge<br />
zu den unterschiedlichen Themenkomplexen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen:<br />
Charlotte Klonk, Professor<strong>in</strong> für Kunst und<br />
Neue Medien an der Humbold-Universität Berl<strong>in</strong>,<br />
Ellen Blumenste<strong>in</strong>, freie Kurator<strong>in</strong> und Gründer<strong>in</strong> des<br />
Salon Populaire, Beatrix von Pilgrim, Professor<strong>in</strong> für<br />
Szenografie an der Hochschule für Gestaltung <strong>in</strong><br />
Karlsruhe, Wilfried Kühn, Professor für Ausstellungspraxis<br />
ebenfalls an der Hochschule für Gestaltung <strong>in</strong><br />
Karlsruhe, sowie Re<strong>in</strong> Wolfs, ehemals künstlerischer<br />
Leiter der Kunsthalle Fridericianum. Allen sei für ihre<br />
engagierten Beiträge herzlich gedankt. Schließlich<br />
gilt me<strong>in</strong> Dank Susanne Pfeffer, Kurator<strong>in</strong> (KW – Institute<br />
for Contemporary Art Berl<strong>in</strong>), Friedrich von Borries,<br />
Professor für Designtheorie an der Hochschule<br />
für Bildende Künste <strong>in</strong> Hamburg, Dieter Scholz,<br />
Kurator (Neue Nationalgalerie Berl<strong>in</strong>) und Thomas<br />
Willemeit, Architekt (GRAFT), für Ihre Diskussionsbeiträge<br />
<strong>in</strong> dem von Nikolaus Bernau (Architekturhistoriker<br />
und -kritiker) moderierten Abschlusspodium.<br />
Neben sehr stimulierender Aufbruchsrhetorik<br />
und e<strong>in</strong>em historischem Rückblick wurde deutlich,<br />
dass weniger der White Cube als isolierter Raum im<br />
Mittelpunkt der Diskussion stand, sondern vor allem<br />
die Institution Museum – und wie diese unterschiedlichen<br />
ästhetischen Praktiken e<strong>in</strong>en Raum geben kann.<br />
1 Donald Judd, Kunst und Architektur, 1987, <strong>in</strong>: Donald Judd, Architektur,<br />
Ostfildern bei Stuttgart 1987, S. 170.<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
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Beyond the<br />
White Cube?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />
und Inszenierung heute<br />
Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann,<br />
Christ<strong>in</strong>a Landbrecht und Philip Norten<br />
Bei se<strong>in</strong>em Ersche<strong>in</strong>en 1976 löste der Aufsatz<br />
„Inside the White Cube“ des Kritikers und Künstlers<br />
Brian O’Doherty e<strong>in</strong>e breite Debatte aus. Dar<strong>in</strong><br />
erörterte er die Funktion des „klassischen“ <strong>Galerie</strong>raums<br />
– des weißen, sterilen Ausstellungsraums,<br />
der die Umwelt soweit wie möglich ausschließt – im<br />
Kunstsystem. Der White Cube wurde von O’Doherty<br />
als „Kultraum der Ästhetik“ 1 def<strong>in</strong>iert, der jeglichen<br />
Bezug zum alltäglichen Leben verloren hatte. Se<strong>in</strong>e<br />
Überlegungen basierten jedoch nicht auf neuen<br />
Gestaltungsideen der Kuratoren, sondern oftmals auf<br />
e<strong>in</strong>er rigorosen Antihaltung der Künstler gegenüber<br />
dem weißgetünchten und fensterlosen Museumsraum.<br />
Yves Kle<strong>in</strong>, Joseph Kosuth, Daniel Buren und<br />
andere Künstler dieser Generation hatten sich seit<br />
den späten 1960er Jahren immer wieder und mit<br />
bemerkenswerter Radikalität mit dem <strong>Galerie</strong>- und<br />
Museumsraum ause<strong>in</strong>andergesetzt und dessen Rolle<br />
und Bedeutung <strong>in</strong> ihrer Kunstproduktion reflektiert.<br />
Sie machten auf die wichtige Funktion des White<br />
Cube im Kunstsystem aufmerksam, <strong>in</strong>dem sie die<br />
„weiße Zelle“ selbst zum Ausstellungsthema erklärten<br />
oder sie mit ihren Arbeiten gar verließen.<br />
Diese künstlerische Ause<strong>in</strong>andersetzung blieb<br />
nicht auf die 1960er Jahre beschränkt. Zeitgenössische<br />
Kunstschaffende wie Gerwald Rockenschaub,<br />
Louise Lawler oder Christoph Büchel haben sich <strong>in</strong><br />
vielfältiger Weise mit der Tradition des weißen Ausstellungsraumes<br />
befasst und ihn mit bildhauerischen,<br />
malerischen oder fotografischen Mitteln verändert,<br />
negiert und sogar außer Kraft gesetzt. Ob sie dabei<br />
die Künstlichkeit des Raumes betonten oder den<br />
Ausstellungsraum selbst zum Hauptaspekt ihrer<br />
künstlerischen Arbeit machten – es sche<strong>in</strong>t stets,<br />
als würde der idealtypische White Cube <strong>in</strong> gleichem<br />
Maße <strong>in</strong> der Kritik stehen wie er zu e<strong>in</strong>em formbaren<br />
Material wird.<br />
In Anlehnung an den e<strong>in</strong>flussreichen Aufsatz –<br />
aber auch an die zuvor genannten Beispiele – haben<br />
wir dem Symposium den Titel „Beyond the White<br />
Cube“ gegeben, diesen jedoch mit e<strong>in</strong>em Fragezeichen<br />
versehen. Bef<strong>in</strong>den wir uns heute im H<strong>in</strong>blick<br />
auf Raumlösungen für Ausstellungen tatsächlich<br />
„jenseits der weißen Zelle“? In Bezug auf den White<br />
Cube bietet sich aktuell e<strong>in</strong> ambivalentes Bild. Auf<br />
den ersten Blick dom<strong>in</strong>iert das Konzept der weißen<br />
Zelle weiterh<strong>in</strong> Museums- und <strong>Galerie</strong>räume für<br />
moderne und zeitgenössische Kunst. Der öffentliche<br />
Diskurs über Museumsarchitektur wird durch spektakuläre<br />
Neubauten bestimmt, die – ganz im S<strong>in</strong>ne<br />
des Stadtmarket<strong>in</strong>g – den künstlerischen Charakter<br />
der Architektur <strong>in</strong> den Vordergrund stellen. Gerade<br />
prom<strong>in</strong>ente Museumsneubauten wie Frank O. Gehrys<br />
Guggenheim-Dependance <strong>in</strong> Bilbao oder Zaha<br />
Hadids MAXXI <strong>in</strong> Rom überraschen jedoch lediglich<br />
mit spektakulären Fassaden, während das Innere<br />
dieser Museen jegliches Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er neuen<br />
Raumgestaltung zu negieren sche<strong>in</strong>t: Der Parkettboden<br />
und die weiß getünchten Decken und Wände<br />
s<strong>in</strong>d und bleiben <strong>in</strong>ternationaler Standard.<br />
Gerade <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> kann man verstärkt wahrnehmen,<br />
<strong>in</strong> welch vielfältiger Weise das Konzept des White<br />
Cube seit den 1990er Jahren aufgebrochen wird. Die<br />
KW – Institute for Contemporary Art leisteten bei<br />
dieser Entwicklung mit der 1998 <strong>in</strong>s Leben gerufenen<br />
Berl<strong>in</strong> Biennale Pionierarbeit. Diese Biennale hat die<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
5
Beyond the White Cube?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Präsentation von Kunst <strong>in</strong> umgenutzten historischen<br />
Räumen erfolgreich vorgeführt und auf das enorme<br />
Entfaltungspotenzial h<strong>in</strong>gewiesen, das zeitgenössische<br />
Kunst fernab aller Ausstellungsstandards zu<br />
entwickeln vermag. Seither haben sich be<strong>in</strong>ahe alle<br />
Berl<strong>in</strong> Biennalen an diesem Modell orientiert und<br />
dabei Gebäude wie die frühere Jüdische Mädchenschule<br />
<strong>in</strong> der Auguststraße, das Postfuhramt an der<br />
Oranienburger Straße oder e<strong>in</strong> ehemaliges Kaufhaus<br />
am Kreuzberger Oranienplatz erstmals als historische<br />
und kulturelle Orte im Bewusstse<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er<br />
Kultur<strong>in</strong>teressierten verankert.<br />
Diese nomadische Suche nach alternativen Ausstellungsorten<br />
ist <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> seit dem Fall der Mauer<br />
1989 <strong>in</strong> vollem Gange und stellt e<strong>in</strong>en nicht zu unterschätzenden<br />
Faktor der Popularität der Stadt bei<br />
Kunst- und Kulturproduzenten dar. Doch die dr<strong>in</strong>glichere<br />
Frage war für uns Organisatoren jene nach der<br />
Haltung der Institutionen. Was tun mit dem klassischen<br />
White Cube des Museums? Was kann dieses<br />
Modell heute noch leisten, und welche Bedeutung<br />
können Kuratoren ihm zugestehen? Warum spielt die<br />
Inszenierung von Ausstellungen e<strong>in</strong>e immer größere<br />
Rolle? Steht dies im Zusammenhang mit der Suche<br />
nach neuen Präsentationsformen für Installationen<br />
und Videoarbeiten?<br />
Um diese Fragen zu diskutieren und sich der wandelnden<br />
Bedeutung des White Cube zu nähern, bietet<br />
sich e<strong>in</strong> Blick auf die historische Entwicklung an. In<br />
den letzten Jahren setzte e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Beschäftigung<br />
mit den Ausstellungen der 1920er Jahre<br />
e<strong>in</strong> und <strong>in</strong>folgedessen e<strong>in</strong>e Untersuchung, wie diese<br />
Präsentationsformen die Wahrnehmung moderner<br />
Kunst bee<strong>in</strong>flussten. In diesem Zusammenhang<br />
thematisieren und h<strong>in</strong>terfragen Kunsthistoriker, Architekturhistoriker<br />
und Architekten den Entstehungsmythos<br />
des White Cube. Zahlreiche Publikationen der<br />
letzten Jahre – unter anderem von Charlotte Klonk 2<br />
– dokumentieren die historische Vielzahl an Ausstellungsformen<br />
moderner Kunst und widerlegen so die<br />
behauptete „natürliche“ Verb<strong>in</strong>dung von Werken der<br />
Avantgarde mit dem weißen, verme<strong>in</strong>tlich neutralen<br />
Ausstellungsraum.<br />
Die konkreten Ergebnisse dieser „Wiederentdeckung“<br />
historischer Präsentationsformen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>igen Sammlungspräsentationen von Museen zu<br />
beobachten. So wird <strong>in</strong> Museumsräumen, <strong>in</strong> denen<br />
Werke der Klassischen Moderne gezeigt werden<br />
– wie zum Beispiel im Städel Museum <strong>in</strong> Frankfurt<br />
am Ma<strong>in</strong> oder im Wallraf-Richartz-Museum <strong>in</strong> Köln<br />
– heute wieder verstärkt mit Wandfarbe gearbeitet.<br />
Die farbigen Räume s<strong>in</strong>d dabei als Teil e<strong>in</strong>es atmosphärischen<br />
Ausstellungsparcours gedacht, der den<br />
Besuchern auf ihrem Rundgang abwechslungsreiche<br />
Räume bieten und zugleich an die Farbvielfalt historischer<br />
Kunstpräsentationen er<strong>in</strong>nern soll.<br />
Im Rahmen der Sammlungsneupräsentation<br />
wurden <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> im Jahr 2011 die<br />
Ausstellungsräume im Obergeschoss des Hauses<br />
nach Entwürfen des Berl<strong>in</strong>er Büros David Saik neu<br />
angeordnet. Die Farben der Wände orientieren sich<br />
hier jedoch weniger an historischen Präsentationsformen,<br />
sondern sollen vielmehr den Kunstwerken<br />
zusätzliche Tiefe verleihen und dem Betrachter beim<br />
Durchschreiten der Raumfolge Abwechslung bieten<br />
(Abb. 1).<br />
Auch e<strong>in</strong>ige zeitgenössische Künstler stellen den<br />
Mehrwert des klassisch weißen Ausstellungsraumes<br />
<strong>in</strong> Frage. Im Jahr 20<strong>10</strong> haben sich zwei Künstler<strong>in</strong>nen<br />
<strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>zelpräsentationen <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen<br />
<strong>Galerie</strong> auf ganz unterschiedliche Weise mit den traditionell<br />
<strong>in</strong> Weiß gehaltenen Museumsräumen ause<strong>in</strong>andergesetzt.<br />
So spaltete Susanne Kriemann <strong>in</strong> ihrer<br />
vielschichtigen Arbeit „Ashes and broken brickwork<br />
of a logical theory“ <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>gangshalle des Museums<br />
(Abb. 2) das weiße Neonlicht der Deckenbeleuchtung<br />
<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Farben des Spektrums auf<br />
und verlieh dem Raum e<strong>in</strong>e ungewohnte Ersche<strong>in</strong>ung.<br />
Wie e<strong>in</strong> Regenbogen breitete sich das Licht im Raum<br />
aus, so dass die Wahrnehmung des Betrachters<br />
herausgefordert wurde: Schließlich musste sich das<br />
Auge erst an den jeweiligen Farbton des Raumabschnitts<br />
gewöhnen, bevor man das Werk „im rechten<br />
Licht“ betrachten konnte. Susanne Kriemann erteilte<br />
dem White Cube als verme<strong>in</strong>tlich neutralem Raum<br />
e<strong>in</strong>e nachdrückliche Absage, brach jedoch sehr subtil<br />
mit dessen Neutralitätsanspruch.<br />
Während Kriemanns Umgang mit dem White<br />
Cube – ganz im Stil ihrer Arbeit als Konzeptkünstler<strong>in</strong><br />
– e<strong>in</strong> kalkuliert-konzeptueller E<strong>in</strong>griff war, nutzte Nan<br />
Gold<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Ausstellung Nan Gold<strong>in</strong> – Berl<strong>in</strong> Work<br />
(20<strong>10</strong>-11) verschiedene Wandfarben, um ihren Ausstellungsraum<br />
atmosphärisch zu verändern. Dabei<br />
ist <strong>in</strong> ihrem Fall die Farbauswahl sowohl e<strong>in</strong> ästhetisches<br />
Mittel – verliehen doch die präzise gewählten<br />
Wandfarben Nan Gold<strong>in</strong>s Fotografien e<strong>in</strong>e ungeahnte<br />
Leuchtkraft – als auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>haltliches Mittel, das<br />
bewusst der Inszenierung der eigenen Arbeiten dient<br />
(Abb. 3).<br />
Der englische Künstler Michael Dean wählt e<strong>in</strong>en<br />
ganz anderen Weg, <strong>in</strong>dem er den Besucher zur Interaktion<br />
anregt. In se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelausstellung Govern-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
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Beyond the White Cube?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
ment im Henry Moore Institute <strong>in</strong> Leeds verkleidete<br />
er den Boden des Ausstellungsraumes mit Teppich<br />
und setzte die Aufsichten als Performer e<strong>in</strong>. Sie sollten<br />
sich während ihrer Arbeitszeit auf den Teppich<br />
setzen und <strong>in</strong> unregelmäßigen Abständen Deans<br />
Texte vorlesen. Se<strong>in</strong>e Arbeit kann sowohl als E<strong>in</strong>griff<br />
<strong>in</strong> die Ästhetik des Raumes verstanden werden wie<br />
auch als Reflexion über <strong>in</strong>stitutionelle Vorgaben.<br />
Dem Bildhauer Michael Dean genügt nicht mehr der<br />
Diskurs über Form und Materialbehandlung. Se<strong>in</strong>e<br />
Werke sollen den Besucher vielmehr über das Taktile<br />
erreichen. Der Raum wird zur Handlungsanweisung<br />
– für das Publikum ebenso wie für die Personen, die<br />
täglich dar<strong>in</strong> arbeiten.<br />
Deans Government ist somit auch e<strong>in</strong> Beispiel<br />
für e<strong>in</strong>e neue Form des Dialogs zwischen Kunstwerk<br />
und Besucher. E<strong>in</strong> Aspekt, den die Kurator<strong>in</strong> Ellen<br />
Blumenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem Beitrag vertiefend erörtert. Mit<br />
ihrem Projekt „Salon Populaire“ denkt sie über neue<br />
Ausstellungsformen nach, welche die passive Rolle<br />
des Ausstellungsbesuchers aufbrechen. So ist der<br />
„Salon Populaire“ konzipiert als e<strong>in</strong> Ort der Diskussion<br />
und des Austauschs an der Schnittstelle zwischen<br />
Ausstellungsort und Wissenschaft.<br />
Seit Kurzem fällt immer häufiger e<strong>in</strong> Begriff, der<br />
den choreografischen Aspekt kuratorischen Denkens<br />
aufzeigt: Man spricht von „Inszenierungen“ oder gar<br />
von „Szenografie“. In den letzten Jahren entwickelte<br />
Studiengänge für Szenografie – etwa an der Hochschule<br />
für Gestaltung Karlsruhe oder an der Fachhochschule<br />
Dortmund – bestätigen die zunehmende<br />
Bedeutung dieses neuen Berufsfeldes, das sich mit<br />
dem Verhältnis von Betrachter, Raum und Ausstellungsobjekt<br />
befasst.<br />
Doch wie setzt man Kunst <strong>in</strong> Szene? Wie gestaltet<br />
man e<strong>in</strong>en Raum szenisch? Und wer tut dies: der Kurator,<br />
der Szenograf oder der Künstler? In welchem<br />
Verhältnis stehen Inszenierung und Szenografie, und<br />
welche Rolle spielen sie für den Ausstellungsraum?<br />
E<strong>in</strong>e nähere Begriffsdef<strong>in</strong>ition und Abgrenzung ist<br />
notwendig, um e<strong>in</strong>e klare Diskussionsgrundlage zu<br />
schaffen. Beatrix von Pilgrim, Professor<strong>in</strong> an der HfG<br />
Karlsruhe, bildende Künstler<strong>in</strong> und Szenograf<strong>in</strong>, erörtert,<br />
was der Begriff Szenografie me<strong>in</strong>t und welche<br />
Relevanz das Szenografische für den Ausstellungsraum<br />
haben kann.<br />
Kühn Malvezzi bei zahlreichen Projekten bewiesen.<br />
Doch wo ist die Grenze zwischen dem Aufgabenfeld<br />
des Kurators und jenem des Architekten? Ab welchem<br />
Punkt ist der Architekt mit se<strong>in</strong>er Raumplanung<br />
bereits <strong>in</strong> den Prozess des Kuratierens e<strong>in</strong>bezogen?<br />
Und schließlich: Kann und sollte man sich als Architekt<br />
überhaupt von e<strong>in</strong>em bestimmten Formenkanon<br />
<strong>in</strong> der Architektur lösen, oder ist der White Cube e<strong>in</strong><br />
allzu dom<strong>in</strong>antes Konstrukt?<br />
Künstler, Architekten, Szenografen, Kuratoren –<br />
wie kann e<strong>in</strong>e fruchtbare Zusammenarbeit und Kompetenzabgrenzung<br />
zwischen den Diszipl<strong>in</strong>en funktionieren?<br />
Steht die Frage nach der Autorenschaft e<strong>in</strong>er<br />
Ausstellung noch im Vordergrund, oder wird sie zugunsten<br />
e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen „th<strong>in</strong>k tank“ nebensächlich?<br />
Welche Rolle spielt der Kurator neben Architekten,<br />
Szenografen und Künstlern eigentlich noch? Und<br />
schließlich: Wie neutral s<strong>in</strong>d White Cube und Black<br />
Box eigentlich? Und wie viel Neutralität wollen wir<br />
heute überhaupt? Diesen Fragen g<strong>in</strong>gen wir ebenso<br />
im Symposium nach wie wir sie mit der vorliegenden<br />
Publikation thematisieren. Aktuelle Tendenzen der<br />
Ausstellungsgestaltung sollen historisch verortet,<br />
<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är diskutiert und auf ihre Relevanz für die<br />
Praxis geprüft werden.<br />
Wir danken allen Referenten, der Direktion und<br />
allen Kollegen der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong>, die dieses<br />
Projekt unterstützt und ermöglicht haben, sowie allen<br />
Zuhörern für das große Interesse und die Diskussionsbereitschaft.<br />
1 Brian O‘Doherty (1976), Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W.<br />
(Hrsg.): In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996. S. 9<br />
2 Charlotte Klonk, Spaces of Experience. Art Gallery Interiors from 1800 to<br />
2000. New Haven & London 2009<br />
Auch der Anspruch e<strong>in</strong>es flexiblen Umgangs mit<br />
dem Raum ist mittlerweile e<strong>in</strong> fester Bestandteil der<br />
Ausstellungspraxis. Architekten entwickeln Ausstellungsarchitekturen,<br />
die auf die besonderen Herausforderungen<br />
der Kunst e<strong>in</strong>gehen. Dies hat das Büro<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
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Beyond the White Cube?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Abb. 1: Kunst <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 1880–1980, Sammlungsneupräsentation der<br />
Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> 2011 (Architekt: David Saik), Raum: Aufbruch<br />
der Avantgarde<br />
Abb. 2: Susanne Kriemann. Ashes and broken brickwork of a logical<br />
theory. GASAG-Kunstpreis 20<strong>10</strong>, Ausstellungsansicht, Berl<strong>in</strong>ische<br />
<strong>Galerie</strong><br />
Abb. 3: Nan Gold<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong> Work, Ausstellungsansicht, Berl<strong>in</strong>ische<br />
<strong>Galerie</strong> 20<strong>10</strong><br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
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Tendenzen der<br />
Kunstpräsentation<br />
seit Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />
Anke Kugelmann<br />
In den drei wegweisenden Essays, die der Künstler<br />
und Kunstkritiker Brian O’Doherty unter dem Titel<br />
„Inside the White Cube“ 1 1976 im Kunstmagaz<strong>in</strong> artforum<br />
veröffentlichte, steht das Verhältnis von Raum,<br />
Kunstwerk und Betrachter im Mittelpunkt. Der Autor<br />
beschrieb den White Cube als e<strong>in</strong>e hochartifizielle<br />
Umgebung für zeitgenössische Kunst, e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>bar<br />
neutralen, hermetischen Raum mit glatten weißen<br />
Wänden, gleichmäßig ausgeleuchtet, clean und<br />
künstlich. Dabei ist der Text deutlich von O’Dohertys<br />
eigenen Erfahrungen mit Ausstellungsräumen geprägt.<br />
Den Ausstellungsraum e<strong>in</strong>er <strong>Galerie</strong> bezeichnete<br />
er als „unique chamber of esthetics“ 2 , <strong>in</strong> dem<br />
das aus dem Künstleratelier überführte Werk für den<br />
Handel bereitgestellt wird. „The work is isolated from<br />
everyth<strong>in</strong>g that would detract from its own evaluation<br />
of itself.” 3 Nicht unmittelbar im Zusammenhang mit<br />
den Exponaten stehende Objekte wie Büromöbel<br />
werden daher möglichst aus dem Raum verbannt.<br />
Selbst die Anwesenheit der eigenen Person – oder<br />
gar schlimmer: weiterer Betrachter – wirkt häufig<br />
überflüssig. O’Doherty führte diese Empf<strong>in</strong>dung auf<br />
den Umstand zurück, dass <strong>in</strong> Ausstellungsansichten<br />
lange Zeit der Betrachter elim<strong>in</strong>iert wurde. Diese<br />
Aufnahmemethode habe die Wahrnehmung der<br />
Rezipienten nachhaltig bee<strong>in</strong>flusst. 4 Während Ausstellungshäuser<br />
mit ihren oftmals künstlich belebten<br />
Ausstellungsfotos Attraktivität und Besucher<strong>in</strong>teresse<br />
suggerieren wollen, lenken Galeristen weiterh<strong>in</strong><br />
den Fokus auf die Kunstwerke, die es zu vermarkten<br />
gilt. „Für den Handel war es erforderlich, die weiße<br />
<strong>Galerie</strong> als e<strong>in</strong>e große Boutique aufrechtzuerhalten<br />
[…]“, kommentierte O’Doherty. 5 Der Betrachter und<br />
potentielle Käufer soll <strong>in</strong> diesem e<strong>in</strong>gangs beschriebenen<br />
Umfeld ohne störende E<strong>in</strong>flüsse zur Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit sich und dem Kunstwerk angeregt<br />
werden. Wie aber wirkt das Kunstwerk <strong>in</strong> den Räumlichkeiten<br />
des Käufers, die nicht zwangsläufig den<br />
oben genannten Kriterien entsprechen?<br />
Das Konzept der Weißen Zelle ist nicht unumstritten,<br />
aber dennoch liegt es auch heute noch<br />
zahlreichen Ausstellungsräumen zugrunde. Die vom<br />
Künstler John Bock kuratierte Ausstellung Fisch-<br />
GrätenMelkStand 6 <strong>in</strong> der Temporären Kunsthalle <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> zeigte kürzlich e<strong>in</strong>drucksvoll, dass das Pr<strong>in</strong>zip<br />
der Weißen Zelle die ideale Grundlage für e<strong>in</strong>en<br />
vielseitig bespielbaren Ausstellungsort ist. Sie bietet<br />
maximale kuratorische Freiheit und – unabhängig von<br />
der Gattung – größtmögliche Flexibilität sowie e<strong>in</strong>en<br />
neutralen Ausgangspunkt für den Künstler. Die E<strong>in</strong>beziehung<br />
der Wände e<strong>in</strong>es Ausstellungsraumes <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Kunstwerk ist, wie etwa <strong>in</strong> Mona Hatoums Arbeit<br />
„Light Sentence“ von 1992, ebenfalls nur <strong>in</strong> schlichter,<br />
reduzierter Architektur denkbar.<br />
Dennoch gibt es seit jeher parallele Entwicklungen<br />
<strong>in</strong> Bezug auf die Präsentation zeitgenössischer<br />
Kunst. Auf der Suche nach Alternativen zum White<br />
Cube setzt man häufig auf die Umnutzung historischer<br />
Räume 7 oder erprobt im Falle von Museumsneubauten<br />
bzw. -neue<strong>in</strong>richtungen unkonventionelle<br />
Herangehensweisen. 8<br />
O’Doherty verfasste se<strong>in</strong>e Essays <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Umfeld,<br />
<strong>in</strong> dem vornehmlich der Marktwert der Kunstwerke<br />
bestimmend war. Im musealen Bereich s<strong>in</strong>d<br />
dagegen aktuelle Diskurse und die Vermittlung von<br />
Kunst Faktoren, die die Präsentationsform entscheidend<br />
bee<strong>in</strong>flussen. Die Inszenierung von Ausstel-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
9
Tendenzen der Kunstpräsentation<br />
Seit Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />
lungen spielt dabei e<strong>in</strong>e immer größere Rolle, nicht<br />
zuletzt bed<strong>in</strong>gt durch die Suche nach neuen Präsentationsformen<br />
für Installationen und Medienkunst.<br />
War früher die Wand des musealen Ausstellungsraums<br />
Mittel zum Zweck, ohne herausgehobenen ästhetischen<br />
Eigenwert, wandelte sich diese Sichtweise<br />
im Laufe der Jahre. Es ist e<strong>in</strong>e zunehmende <strong>in</strong>tensive<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit ihrer Ästhetik zu beobachten.<br />
Daraus folgte die Entstehung neuer Berufsfelder,<br />
wie etwa dem des Ausstellungsarchitekten, Ausstellungsdesigners<br />
oder Szenografen. Sie s<strong>in</strong>d heute<br />
neben Kuratoren und Künstlern häufig <strong>in</strong> Gestaltungsprozesse<br />
e<strong>in</strong>gebunden, um die bestmögliche<br />
Wirkung e<strong>in</strong>es Exponats zu erreichen, vielleicht gar<br />
dem Betrachter e<strong>in</strong> „Kunsterlebnis“ zu ermöglichen.<br />
Dies wirft neue Fragen auf: Darf die Handschrift<br />
des Gestalters dabei sichtbar werden? Ab welchem<br />
Zeitpunkt wird der Raum selbst zum Kunstwerk, zum<br />
künstlerischen Medium, und ist nicht länger nur Basis<br />
für die Präsentation künstlerischer Arbeiten? 9<br />
Während über Jahrhunderte die dicht gedrängte<br />
Petersburger Hängung dom<strong>in</strong>ierte, wurde nun dem<br />
e<strong>in</strong>zelnen Werk zunehmend Freiraum zugestanden.<br />
Mit e<strong>in</strong>er Veränderung der Aufgaben der Kunst g<strong>in</strong>g<br />
auch e<strong>in</strong>e Veränderung der Räumlichkeiten e<strong>in</strong>her.<br />
Repräsentationskunst erforderte aufwendig gestaltete<br />
Ausstellungsräume, die Erhabenheit ausstrahlen,<br />
während mit der Überw<strong>in</strong>dung tradierter Formen<br />
und der bewussten Abwendung von der offiziellen,<br />
akademischen Kunst neue Gestaltungsmöglichkeiten<br />
erprobt wurden. <strong>10</strong> Sowohl die Präsentation e<strong>in</strong>es Werkes<br />
als Solitär – ohne Bee<strong>in</strong>flussung durch umgebende<br />
Arbeiten – als auch e<strong>in</strong>e Interaktion der Kunstwerke,<br />
die vergleichendes Sehen schult, ist heutzutage<br />
denkbar. Arbeiten, die <strong>in</strong> den Ausstellungsraum<br />
e<strong>in</strong>greifen, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Abgeschlossenheit stören,<br />
s<strong>in</strong>d ebenso zu f<strong>in</strong>den wie Kunstwerke, die <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es hermetischen Raumes, isoliert von äußeren<br />
E<strong>in</strong>flüssen, wirken.<br />
In Bezug auf den White Cube schrieb Brian<br />
O’Doherty der Hängung der Shaped Canvases von<br />
Frank Stella bei Leo Castelli <strong>in</strong> New York (<strong>in</strong> den<br />
Jahren 1960 und 1964) e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung<br />
zu: „[Sie] änderte für immer das Konzept des<br />
<strong>Galerie</strong>-Raums.“ 12 Raum und Kunstwerk traten <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e neue Beziehung, was letztendlich e<strong>in</strong>en bedeutenden<br />
E<strong>in</strong>fluss auf das Verhalten des Betrachters<br />
im Raum hatte. Stella verzichtete zwar auf Rahmen,<br />
verwendete aber weiterh<strong>in</strong> traditionelle, wenn auch<br />
unterschiedlich geformte Bildträger, die sich über<br />
den Rand h<strong>in</strong>aus auf die Wand auswirkten. Durch<br />
die nicht länger parallel zu den Grenzen des Raumes<br />
verlaufenden Bildträger wurde der Besucher mit e<strong>in</strong>er<br />
völlig neuen Seherfahrung konfrontiert. Aus heutiger<br />
Sicht s<strong>in</strong>d Arbeiten des Hard Edge und der M<strong>in</strong>imal<br />
Art <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em anderen Umfeld als e<strong>in</strong>em Raum, der<br />
auf das Wesentliche reduziert ist, denkbar. Der mit<br />
Frank Stella befreundete Architekt und Künstler<br />
Richard Meier, dessen <strong>in</strong> den 1960er Jahren entworfene<br />
Bauten wie etwa das Smith House (1965–67) <strong>in</strong><br />
Darien, Connecticut, bahnbrechend waren, dürfte<br />
mit se<strong>in</strong>en schlichten, re<strong>in</strong>weißen Räumen ebenso<br />
großen E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung des Ausstellungsraumes<br />
genommen haben.<br />
Wie O’Doherty mit e<strong>in</strong>em zeitlichen Abstand<br />
von 35 Jahren resümiert, transformiert die <strong>Galerie</strong><br />
heute nicht länger den Inhalt des Raumes zur Kunst;<br />
vielmehr transformieren nun die neuen künstlerischen<br />
Medien die <strong>Galerie</strong>. 13 „Mit dem Niedergang der<br />
Malerei als vorherrschender Form jedoch wurde die<br />
Re<strong>in</strong>heit des weißen Raums gefährdet. Daher können<br />
wir nun auch von e<strong>in</strong>er Anti-White-Cube-Mentalität<br />
sprechen […].“ 14 Seitdem Medienkunst, Installationen<br />
und performative Ausstellungen <strong>in</strong> <strong>Galerie</strong>- und<br />
Museumsräumen präsentiert werden, änderte sich<br />
das Verhältnis von Kunstwerk und Raum noch e<strong>in</strong>mal<br />
grundlegend. 15<br />
Um Video- und Filmarbeiten zeigen zu können,<br />
wird der Raum häufig zur Black Box, e<strong>in</strong>em künstlich<br />
abgedunkelten, oftmals sogar schallisolierten Raum,<br />
umfunktioniert, der e<strong>in</strong>er tradierten Präsentationsform<br />
folgt – nämlich der des K<strong>in</strong>os. Ebenfalls artifiziell,<br />
clean und frei von störenden E<strong>in</strong>flüssen – also<br />
die Umkehrung der Weißen Zelle? Entgegen des<br />
Konzepts des White Cube wird der Betrachter, so<br />
isoliert er auch <strong>in</strong>nerhalb der Black Box se<strong>in</strong> mag,<br />
im Ausstellungsraum direkt mit den durch das Werk<br />
transportierten E<strong>in</strong>flüssen der Außenwelt konfrontiert.<br />
Die Black Box ist somit ke<strong>in</strong> hermetischer Raum.<br />
Die Verweildauer des Betrachters <strong>in</strong> der Black<br />
Box richtet sich nach der vom Künstler vorgegebenen<br />
Länge der Arbeit. Sie erhöht sich üblicherweise<br />
gegenüber der Verweildauer vor zwei- oder dreidimensionalen<br />
Objekten. Dennoch gel<strong>in</strong>gt es dem Betrachter<br />
<strong>in</strong> den meisten Fällen nicht, mehr als e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>druck zu gew<strong>in</strong>nen. Anhand des Beispiels der<br />
Documenta 11 im Jahr 2002 erläutert Charlotte Klonk<br />
<strong>in</strong> ihrer Abhandlung über die Entwicklung des <strong>Galerie</strong>raums<br />
zwischen 1800 und 2000 zwei unterschiedliche<br />
Modi des Sehens: „[…] one that is selective and<br />
concentrated on a few chosen works, and one that is<br />
comprehensive and surveys all exhibits <strong>in</strong> the show<br />
but rema<strong>in</strong>s by nature superficial.“ 16 Der Besucher<br />
kann auch durch Interventionen der Kuratoren, Sze-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
<strong>10</strong>
Tendenzen der Kunstpräsentation<br />
Seit Brian O’Dohertys „Inside the White Cube“<br />
nografen oder Ausstellungsarchitekten gelenkt, ja<br />
sogar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entscheidungsfreiheit e<strong>in</strong>geschränkt<br />
werden. O’Doherty stellte fest, dass viele Rezipienten<br />
„nicht zuerst die Kunst betrachten, sondern den<br />
Raum.“ 17 Tatsächlich sche<strong>in</strong>t der Blick häufig zunächst<br />
die Räumlichkeiten zu erfassen, ehe er zu den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Exponaten wandert. Dies entspricht dem<br />
menschlichen Bedürfnis nach Orientierung im Raum.<br />
Das Auge des Betrachters „scannt“ den gesamten<br />
Raum, versucht zunächst ihn und anschließend die <strong>in</strong><br />
ihm präsentierte Kunst zu erfassen, zu kategorisieren.<br />
Räume, <strong>in</strong> denen sich der Besucher beispielsweise<br />
durch Interventionen wie Verdunklung oder labyrithartige<br />
Wegführung verunsichert oder irritiert fühlt,<br />
können e<strong>in</strong>en deutlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Wahrnehmung<br />
des Betrachters haben. 18 Aber nicht nur die<br />
Besucher, sondern auch die Ausstellungsmacher<br />
stehen häufig vor neuen Herausforderungen. Oftmals<br />
fehlt die Infrastruktur, um medienbasierte Arbeiten<br />
präsentieren zu können: Aufwendige Um- oder<br />
E<strong>in</strong>bauten s<strong>in</strong>d notwendig. Flexibilität ist heutzutage<br />
wichtiger denn je. Die Räume sollten – vor allem im<br />
Museumsbetrieb – je nach Anforderungen umgestaltet<br />
werden können. Mit Hilfe modernster Technik,<br />
etwa fokussierter Lautsprechersysteme, die e<strong>in</strong>e<br />
punktgenaue Beschallung erlauben, ergeben sich<br />
neue Möglichkeiten der Präsentation.<br />
Bei performativen Ausstellungen und Installationen,<br />
vor allem solchen mit politischem oder gesellschaftskritischem<br />
H<strong>in</strong>tergrund, dr<strong>in</strong>gen zwangsläufig<br />
E<strong>in</strong>flüsse von außen <strong>in</strong> den Ausstellungsraum. Die<br />
„Re<strong>in</strong>heit“ des Raumes und dessen Neutralität s<strong>in</strong>d<br />
somit aufgehoben. Die Intention des Künstlers kollidiert<br />
mit dem von O’Doherty beschriebenen Konstrukt:<br />
„Die äußere Welt darf nicht here<strong>in</strong>gelassen<br />
werden […].“ 19 Der White Cube wird durch die Intervention<br />
des Künstlers schlicht zum weißen Raum.<br />
Um die jüngere deutsche Geschichte sowie die<br />
gegenwärtige politische und gesellschaftliche Situation<br />
<strong>in</strong> Deutschland zu thematisieren, verwandelte<br />
der Künstler Christoph Büchel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ausstellung<br />
Deutsche Grammatik 2008 die Kunsthalle Fridericianum<br />
<strong>in</strong> Kassel <strong>in</strong> e<strong>in</strong> absurdes Paralleluniversum. Die<br />
Überreste der von Büchel als Performance <strong>in</strong>szenierten<br />
umstrittenen Parteienmesse politica blieben bis<br />
zum Ende der Ausstellung erhalten. Von O’Dohertys<br />
White Cube, dem cleanen, neutralen Ausstellungsraum,<br />
ist Büchel deutlich abgerückt: ke<strong>in</strong> hermetischer<br />
Raum mehr, stattdessen zahlreiche E<strong>in</strong>griffe<br />
und Umbauten. Es handelte sich um e<strong>in</strong>e Kunstpräsentation,<br />
die der Dom<strong>in</strong>anz der Weißen Zelle <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>drucksvoller Weise entgegenwirkte.<br />
1 Brian O’Doherty: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery<br />
Space. In: Artforum, März 1976, S. 24-30. Ders.: The Eye and the Spectator.<br />
In: Artforum, April 1976, S. 26-34. Ders.: Context as Content. In:<br />
Artforum, November 1976, S. 38-44<br />
2 Brian O’Doherty: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery<br />
Space. Berkeley 2000, S. 14<br />
3 Ebd., S. 14<br />
4 Vgl. Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W.<br />
(Hrsg.): In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. 11<br />
5 Brian O’Doherty: Atelier und <strong>Galerie</strong>. Studio and Cube. Berl<strong>in</strong> 2012, S. 86<br />
6 FischGrätenMelkStand, Ausstellung <strong>in</strong> der Temporären Kunsthalle Berl<strong>in</strong>,<br />
kuratiert von John Bock, 2.7.–31.8.20<strong>10</strong>. Bock schuf e<strong>in</strong>e Raum-<strong>in</strong>-Raum-<br />
Konstruktion, e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen Ausstellungsraum <strong>in</strong>nerhalb des White<br />
Cube.<br />
7 Hier wären beispielsweise C/O Berl<strong>in</strong> – International Forum For Visual Dialogues<br />
oder Castello di Rivoli – Museo d’Arte Contemporanea zu nennen.<br />
8 Vgl. Daniel Libesk<strong>in</strong>ds Entwurf für das Felix Nussbaum Haus <strong>in</strong> Osnabrück<br />
9 Vgl. Ausstellungsarchitekturen des Büros GRAFT, z.B. SITE Santa Fe oder<br />
GRAFTWORLD <strong>in</strong> der <strong>Galerie</strong> Aedes <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
<strong>10</strong> Vere<strong>in</strong>zelt werden auch heute noch historische Präsentationsformen zitiert,<br />
wie bspw. 20<strong>10</strong>/11 <strong>in</strong> der Sammlungsneupräsentation Moderne Zeiten <strong>in</strong><br />
der Neuen Nationalgalerie Berl<strong>in</strong> (Farbgebung der Wände) oder im Statens<br />
Museum for Kunst <strong>in</strong> Kopenhagen (Hängung der Werke).<br />
11 Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W. (Hrsg.):<br />
In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. 15<br />
12 Ebd., S. 29 (Abb. S. 30)<br />
13 Vgl. Brian O’Doherty: Atelier und <strong>Galerie</strong>. Studio and Cube. Berl<strong>in</strong> 2012,<br />
S. 88<br />
14 Ebd., S. 87<br />
15 E<strong>in</strong>en bedeutenden E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung des Ausstellungsraumes<br />
als performativen Raum hatte die „Erste Internationale Dada-Messe“ im<br />
Jahr 1920. In der Kunsthandlung von Dr. Otto Burchard <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> wurden<br />
174 Werke der Dadaisten, unter ihnen George Grosz, Hannah Höch und<br />
Raoul Hausmann, präsentiert. Die Dada-Messe war mit der gewagten<br />
Anordnung ihrer nicht m<strong>in</strong>der gewagten Exponate e<strong>in</strong>e Provokation des<br />
bürgerlichen Kunstverständnisses. Fortschrittlich Ges<strong>in</strong>nte sahen <strong>in</strong> dieser<br />
Kunst, die versuchte, die Zeit sowie die politischen und gesellschaftlichen<br />
Umstände zu reflektieren und Missstände aufzudecken, die lange<br />
ersehnte Revolution. Die Veranstaltung hatte maßgeblichen E<strong>in</strong>fluss auf<br />
die weitere Entwicklung der modernen Kunst, <strong>in</strong>sbesondere der Konzeptund<br />
Installationskunst. Mit den modernen Praktiken des Fragmentierens,<br />
der Assemblage und Collage sowie der Performance revolutionierten die<br />
Dadaisten die Kunstwelt. Die Wände der Ausstellungsräume waren mit<br />
Bannern, Postern und Gemälden gefüllt, ergänzt durch Installationen wie<br />
Johannes Baaders raumfüllendem Werk „Plasto-Dio-Dada-Drama“. Durch<br />
Aktion sowie Partizipation der anwesenden Personen wurde der Raum<br />
neu def<strong>in</strong>iert.<br />
16 Charlotte Klonk: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors from 1800 to<br />
2000. New Haven & London 2009, S. 216<br />
17 Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W. (Hrsg.):<br />
In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. 9<br />
18 Vgl. Alfredo Jaar. The way it is. E<strong>in</strong>e Ästhetik des Widerstands. Ausstellung<br />
<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong>, 15.6.–17.9.2012<br />
19 Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger. In: Kemp, W. (Hrsg.):<br />
In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berl<strong>in</strong> 1996, S. <strong>10</strong><br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
11
Mit Blick <strong>in</strong><br />
den Rückspiegel<br />
Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen<br />
und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
Charlotte Klonk<br />
(Das Interview wurde <strong>in</strong> Anlehnung an den Vortrag von Charlotte Klonk geführt.)<br />
Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann: Frau<br />
Klonk, Sie haben auf dem Symposium <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
e<strong>in</strong>führenden Vortrag über die Zeit „vor“ dem<br />
White Cube referiert bzw. darüber, wie und<br />
warum sich überhaupt e<strong>in</strong> Ausstellungsraum mit<br />
weißen Wänden entwickeln konnte und welche<br />
Alternativen es dazu gab. Können Sie uns e<strong>in</strong>leitend<br />
kurz die Def<strong>in</strong>ition des White Cube nach<br />
O’Doherty darlegen, auf die Sie sich bezogen<br />
haben?<br />
Charlotte Klonk: Vor fast vierzig Jahren hat<br />
Brian O’Doherty den Begriff des „white cube“ für den<br />
damals üblich geworden modernen Museumsraum<br />
e<strong>in</strong>geführt. O'Doherty jedoch hatte diese Bezeichnung<br />
eher metaphorisch verwendet, um das Selbstverständnis<br />
der Kunstmuseen zu kritisieren, die sich<br />
als von der Welt hermetisch abgeschlossene heilige<br />
Tempel der Kunstkontemplation verstanden. Real<br />
aber hat es die geschlossene weiße Zelle mit stabiler<br />
Funktion und Bedeutung im Museum so nie gegeben.<br />
Zwar setzte sich zunehmend im 20. Jahrhundert<br />
die weiße Wand als Bildh<strong>in</strong>tergrund durch, doch der<br />
„white cube“, so wie wir ihn heute als feststehenden<br />
Begriff verwenden, ist e<strong>in</strong> Mythos. Die Realität war<br />
wesentlich vielfältiger.<br />
DB, AK: Welche Bedeutung kam der Wandfarbe<br />
im frühen 20. Jahrhundert zu, beispielsweise<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bei der Präsentation expressionistischer<br />
Arbeiten? Welches Verständnis von Farbe<br />
herrschte bei Museumsdirektoren und Kuratoren<br />
wie Ludwig Justi, dem Direktor der Nationalgalerie<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, der im Kronpr<strong>in</strong>zenpalais e<strong>in</strong>e Abteilung<br />
für zeitgenössische Kunst e<strong>in</strong>richtete? Die<br />
Beckmann-Ausstellung (1933) im Kronpr<strong>in</strong>zenpalais<br />
führte e<strong>in</strong>e ganz neue Ästhetik e<strong>in</strong>. Haben wir<br />
es hier erstmals <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit der weißen Zelle zu<br />
tun?<br />
CK: Die weiße Wand im Museum hat mehrere Wurzeln,<br />
die <strong>in</strong> den 1930er Jahren schließlich im Museum<br />
of Modern Art <strong>in</strong> New York zusammenkommen. Da<br />
ist zunächst e<strong>in</strong>mal vor und nach dem Ersten Weltkrieg<br />
das Bestreben, Werke vor e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>tergrund zu<br />
zeigen, der <strong>in</strong> größtmöglichem Kontrast zu den dom<strong>in</strong>anten<br />
Farben der Bilder stand. Das hatte zur Folge,<br />
dass man zumeist stark farbige Wände bevorzugte.<br />
Jedoch bedeutete diese Vorliebe auch, dass man die<br />
schwarzgefassten Formen der Malereien deutscher<br />
Expressionisten unter anderem im Folkwang Museum<br />
<strong>in</strong> Essen auf Weiß hängte. Weiß war hier aber nur<br />
e<strong>in</strong>e der möglichen Farben, die zur Auswahl standen.<br />
E<strong>in</strong>en Rembrandt beispielsweise hätte man nie vor<br />
diesem H<strong>in</strong>tergrund gezeigt. Die Aufwertung des<br />
weißen Anstrichs wurde aber auch durch die Architekturdiskussion<br />
der Zeit unterstützt, <strong>in</strong> der Hygieneüberlegungen<br />
e<strong>in</strong>e Rolle spielten, die auf e<strong>in</strong>e uralte<br />
Tradition der Farbe <strong>in</strong> Arbeitsräumen zurückg<strong>in</strong>g. In<br />
den 1920er Jahren dann kamen schließlich Bestrebungen<br />
dazu, das Interieur zu öffnen, dynamisch<br />
zu konzipieren und funktional flexibel zu gestalten.<br />
Als der Direktor der modernen Sammlung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>,<br />
Ludwig Justi, den zeitgenössischen Künstler Max<br />
Beckmann (Abb. 1) <strong>in</strong> weißen Räumen zeigte, tat er<br />
dies jedoch noch ganz im S<strong>in</strong>n des farbigen Interieurverständnisses<br />
der Vorkriegszeit, nur dass er<br />
Beckmann nun eben für e<strong>in</strong>en idealen Künstler des<br />
modernen Bauhaus-<strong>in</strong>spirierten Interieurs hielt, und<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
12
Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />
Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
das war, se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach, weiß. Dazu kamen<br />
zunehmend auch Diskussionen, vor allem <strong>in</strong> den<br />
Kreisen konstruktivistischer Künstler und Architekten,<br />
<strong>in</strong> denen Weiß die Konnotation des unendlichen<br />
Raumes erhielt. Dies geschah zu e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der<br />
im Museum die wechselnden Ausstellungen immer<br />
wichtiger wurden. Man benötigte nicht nur flexibel<br />
verstellbare Wände im Innenraum, die es ermöglichten,<br />
ohne großen Kostenaufwand die Ausstellungsfläche<br />
an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen,<br />
sondern auch e<strong>in</strong>e entsprechend universell brauchbare<br />
Farbe, die nicht jedes Mal e<strong>in</strong>en Neuanstrich<br />
erforderlich machte. Weiß gewann hier zunehmend<br />
an Bedeutung, setzte sich aber <strong>in</strong> Deutschland erst<br />
<strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus flächendeckend<br />
durch. Hier wurde jedoch gleichzeitig noch die uralte<br />
Konnotation des Weiß als Farbe der Re<strong>in</strong>heit mobilisiert.<br />
Erst im Museum of Modern Art kommen <strong>in</strong><br />
den 1930er Jahren dann alle Strömungen so zusammen,<br />
dass von nun an die weiße Wand als neutraler<br />
H<strong>in</strong>tergrund im Museum wahrgenommen werden<br />
konnte: Die Ausstellungen wechselten kont<strong>in</strong>uierlich,<br />
der Grundriss war flexibel anpassbar, die Raumfolge<br />
dynamisch, aber die Wandfarbe blieb gleich. Von<br />
e<strong>in</strong>em White Cube kann man jedoch nicht sprechen,<br />
denn die große Erneuerung im New York der 1930er<br />
Jahre war ja gerade die Institutionalisierung e<strong>in</strong>es<br />
fließenden Rundgangs im Kunstmuseum entlang von<br />
Stellwänden, die alles andere als die Abgeschlossenheit<br />
e<strong>in</strong>es Kubus evozierten. Auch metaphorisch<br />
g<strong>in</strong>g es nie um e<strong>in</strong>e idealisierte Welt jenseits des<br />
Alltags, wie es O’Doherty mit dem Begriff nahegelegt<br />
hat. Von Anfang an verstand man sich im Museum of<br />
Modern Art <strong>in</strong> New York ganz bewusst als e<strong>in</strong> Ort, an<br />
dem gesellschaftlich relevante Zeitfragen verhandelt<br />
wurden.<br />
DB, AK: Inwiefern haben experimentelle Räume<br />
wie der diskursive Raum und der kollaborative<br />
Raum – wie etwa bei den Konstruktivisten um<br />
El Lissitzky – die Entwicklung des Ausstellungsraums<br />
geprägt und die Rolle des Kunstbetrachters<br />
verändert?<br />
CK: Das Entscheidende an diesen Experimenten<br />
war, dass sie erstmalig das Ideal des kontemplativen<br />
Betrachters <strong>in</strong> Frage stellten. Der Russe El Lissitzky<br />
zum Beispiel schuf <strong>in</strong> Hannover 1928 e<strong>in</strong>en Museumsraum,<br />
der darauf angelegt war, dass die Betrachter<br />
sich als Teil e<strong>in</strong>es Kollektivs wahrnahmen. Statt<br />
Wandflächen hatte das Abstrakte Kab<strong>in</strong>ett (Abb. 2)<br />
orthogonal fixierte schmale Metalllatten, die auf der<br />
e<strong>in</strong>en Seite weiß und auf der anderen Seite schwarz<br />
bemalt waren. An den Wänden waren <strong>in</strong> unterschiedlicher<br />
Anordnung verschiebbare Rahmen angebracht,<br />
die es den Besuchern erlaubten, die ausgestellten<br />
Bilder je nach Belieben zu verschieben oder sogar<br />
zu verdecken. Kle<strong>in</strong>figürliche Skulpturen wurden von<br />
mehreren Seiten gleichzeitig von e<strong>in</strong>em über Eck angebrachten<br />
Spiegel reflektiert, und unter dem Fenster<br />
ermöglichte e<strong>in</strong>e drehbare Vitr<strong>in</strong>e unterschiedliche<br />
Ansichten verschiedener Bildmaterialien. Das Resultat<br />
war e<strong>in</strong> Raum, der zu schimmern schien und se<strong>in</strong>e<br />
Tonalität von Weiß über Grau nach Schwarz mit jeder<br />
Bewegung des Betrachters veränderte. Ke<strong>in</strong>e zwei<br />
Besucher hatten zur gleichen Zeit den gleichen E<strong>in</strong>druck<br />
von dem Ausgestellten, und die Wahrnehmung<br />
e<strong>in</strong>es jeden wurde von den Handgriffen der anderen<br />
bee<strong>in</strong>flusst. In den Ausstellungen dagegen, die im<br />
Umkreis des Bauhauses konzipiert wurden, g<strong>in</strong>g es<br />
um die Nachvollziehbarkeit e<strong>in</strong>es klaren Arguments.<br />
Wandbeschriftung und dynamische Grundrisse<br />
gaben den Besuchern e<strong>in</strong>e klare L<strong>in</strong>ie vor, die nach<br />
Angaben des zeitgenössischen Kritikers Adolf Behne<br />
der Entwicklung e<strong>in</strong>es rationalen Gedankens entsprach,<br />
mit dem man sich auch kritisch und distanziert<br />
ause<strong>in</strong>andersetzen konnte. In beiden Fällen aber<br />
g<strong>in</strong>gen die Ausstellungsmacher von aktiven, und<br />
eben nicht re<strong>in</strong> kontemplativen Betrachtern aus.<br />
DB, AK: Wo und wann sehen Sie die Anfänge<br />
des White Cube <strong>in</strong> Deutschland? Welche Rolle<br />
spielt dabei die Frage nach der verme<strong>in</strong>tlichen<br />
Neutralität?<br />
CK: Die Frage nach Neutralität ist <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang vermutlich immer e<strong>in</strong>e Frage der Gewohnheit.<br />
Für die Besucher der Nationalgalerien des<br />
19. Jahrhunderts war wohl das damals übliche e<strong>in</strong>heitliche<br />
<strong>Galerie</strong>rot neutral. Man wäre zu der Zeit nie<br />
auf die Idee gekommen, e<strong>in</strong>e weiße Wand als neutral<br />
zu bezeichnen. Tatsächlich war das ja auch noch bis<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>in</strong> Europa und Nordamerika<br />
nicht der Fall. Noch die Nationalsozialisten<br />
wählten die Farbe Weiß im Haus der Kunst <strong>in</strong> München<br />
bewusst, um Assoziationen an protestantische<br />
Sakralbauten zu wecken. Den E<strong>in</strong>zug der weißen<br />
Wand als Standardbildh<strong>in</strong>tergrund im Museum kann<br />
man jedoch auch <strong>in</strong> dieser Zeit beobachten. 1930 errichtete<br />
der am Bauhaus ausgebildete Architekt Karl<br />
Schneider im Auftrag des Kunstvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Hamburg<br />
e<strong>in</strong> Gebäude <strong>in</strong> der Neuen Rabestraße, das, soweit<br />
ich sehe, der erste flexible weiße Kunstconta<strong>in</strong>er der<br />
Geschichte ist, jedoch <strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus<br />
<strong>in</strong> Deutschland bereits wieder abgerissen<br />
wurde. 1 Als re<strong>in</strong>es Ausstellungsgebäude erbaut, bot<br />
es im Erdgeschoss e<strong>in</strong>en Saal mit vollständig offenem<br />
Grundriss, <strong>in</strong> dem die Stellwände für jede Schau<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
13
Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />
Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
neu angeordnet werden konnten. Erstmals verstand<br />
man hier auch das Weiß der Wände als neutralen<br />
H<strong>in</strong>tergrund, der ohne große Kosten und Umstände<br />
e<strong>in</strong> Umhängen ermöglichen sollte. „Passend für e<strong>in</strong><br />
Ausstellungshaus“, schrieb e<strong>in</strong> Rezensent kurz nach<br />
der Eröffnung, „ist der Raum neutral <strong>in</strong> Form und Farbe“,<br />
so dass immer e<strong>in</strong> angemessener H<strong>in</strong>tergrund<br />
für die oft wechselnden Darbietungen bereit stünde.<br />
Zu diesem Zeitpunkt also existierten <strong>in</strong> Deutschland<br />
noch mehre Ausstellungsformen für moderne Kunst<br />
nebene<strong>in</strong>ander, die allesamt mit Weiß als Wandfarbe<br />
experimentierten.<br />
DB, AK: Spätestens seit O’Doherty wird der<br />
weiße, flexible Conta<strong>in</strong>er vor allem mit dem<br />
MoMA <strong>in</strong> New York assoziiert. Welche Rolle<br />
spielten die Neuerungen <strong>in</strong> Europa und vor allem<br />
die Ausstellungsexperimente am Bauhaus für die<br />
Entwicklung <strong>in</strong> den USA?<br />
CK: Alfred Barr, der erste Direktor des Museum<br />
of Modern Art <strong>in</strong> New York, kannte die Ausstellungsexperimente,<br />
hatte sie bewusst bei se<strong>in</strong>en mehrfachen<br />
Reisen durch Deutschland <strong>in</strong> den Jahren nach<br />
1929 aufgesucht und war tief von ihnen bee<strong>in</strong>druckt.<br />
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten <strong>in</strong><br />
Deutschland und Stal<strong>in</strong>s endgültiger Verbannung der<br />
Avantgarde <strong>in</strong> den Gulag verstand Barr sich geradezu<br />
als Statthalter ihrer Bemühungen. Das kollektive oder<br />
kritische Betrachtersubjekt jedoch, das von El Lissitzky<br />
und anderen erhofft worden war, hat die Reise<br />
über den Atlantik nicht überlebt. Wie der Hamburger<br />
Kunstvere<strong>in</strong> war auch der 1939 eröffnete Neubau des<br />
Museum of Modern Art <strong>in</strong> New York für e<strong>in</strong>e flexible<br />
Ausstellungsgestaltung konzipiert worden. Die vom<br />
Boden bis zur Decke reichenden Stellwände waren<br />
ke<strong>in</strong>e tragenden – und damit frei beweglich und<br />
für die jeweiligen Ausstellungsbedürfnisse anpassbar.<br />
Das künstliche Licht war ebenso jeweils neu<br />
zu adaptieren, denn die länglichen Vorrichtungen<br />
konnten beliebig abmontiert und an e<strong>in</strong>em neuen<br />
Ort angebracht werden. Hier wie <strong>in</strong> vielen deutschen<br />
Ausstellungen der 1920er Jahre g<strong>in</strong>g es darum, e<strong>in</strong>e<br />
dynamische Betrachterbewegung zu provozieren, die<br />
das Gefühl des geschlossenen Raumes um jeden<br />
Preis verh<strong>in</strong>dern sollte. Der Besucher wanderte<br />
durch asymmetrisch <strong>in</strong>stallierte Kojen und entlang<br />
geschwungener Wände. H<strong>in</strong> und wieder luden<br />
hölzerne Bänke zum Ausruhen e<strong>in</strong>, nicht wie auf den<br />
gepolsterten Versionen der Jahrhundertwende zum<br />
gemütlichen Verweilen, sondern zur kurzen konzentrierten<br />
Kunstbetrachtung. Dennoch g<strong>in</strong>g es Barr trotz<br />
Ähnlichkeiten mit den deutschen Ausstellungsexperimenten<br />
nie um die Schaffung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>schaftlich<br />
agierenden Betrachters. Im New York der 1930er und<br />
40er Jahre wurde e<strong>in</strong> anderes Modell entwickelt, das<br />
von viel größerer Reichweite se<strong>in</strong> sollte: der Besucher<br />
als <strong>in</strong>formierter Konsument. Das kann man schon daran<br />
sehen, dass auf der Straße der neue Museumsbau<br />
des Museum of Modern Art wie e<strong>in</strong> Kaufhaus<br />
wirkte, denn nirgendwo sonst öffnete sich 1939 das<br />
Erdgeschoss e<strong>in</strong>es Museums mit großflächigen Glasfenstern<br />
zur Straße. Sobald man e<strong>in</strong>trat, hatte man<br />
den E<strong>in</strong>druck, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e moderne, elegante Hotellobby<br />
geraten zu se<strong>in</strong>. Mehr noch: Auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausstellungen<br />
<strong>in</strong> den ersten Jahrzehnten se<strong>in</strong>er Existenz war<br />
das Museum bemüht, die Grenze zwischen Designerware<br />
und Kunst zu verwischen. Seit Mitte der<br />
1930er Jahre gab es regelmäßig Ausstellungen von<br />
ausgewählten Konsumgegenständen, die ohne Probleme<br />
im Handel zu erwerben waren. Das Museum<br />
verstand sich als e<strong>in</strong>e Institution, deren gesellschaftliche<br />
Funktion die allgeme<strong>in</strong>e Konsumentenerziehung<br />
war. Bezeichnenderweise hatten sowohl die exklusive<br />
Modezeitschrift Vogue wie auch Harper’s Bazaar kurz<br />
nach der Eröffnung im Mai 1939 die Rechte für e<strong>in</strong>e<br />
Modereportage <strong>in</strong> den Räumen erhalten. Die Models,<br />
die z.B. Kleider von Elsa Schiaparelli vor e<strong>in</strong>er<br />
Skulptur von Constant<strong>in</strong> Brancusi im neu eröffneten<br />
Museum of Modern Art zur Schau trugen oder elegant<br />
geschnittene Tweedkostüme zu Gaston Lachaises<br />
nackten, bronzenen Frauenkörpern im ebenfalls<br />
neu eröffneten Skulpturengarten desselben Museums,<br />
s<strong>in</strong>d geradezu idealtypische Verkörperungen<br />
der erwarteten Besucher. Mit solchen Bildern wird<br />
der Betrachter oder die Betrachter<strong>in</strong> aufgefordert,<br />
Kunst im Kontext der eigenen Umgebung zu sehen<br />
und damit als Konsumgegenstand <strong>in</strong> die Lebensgestaltung<br />
e<strong>in</strong>zubeziehen. Das Museum war e<strong>in</strong> Ort, an<br />
dem aktiv Geschmacksbildung von Konsumenten<br />
betrieben wurde.<br />
DB, AK: Sie schildern Alfred Barrs Ausstellung<br />
African Negro Art von 1935 als erste Ausstellung<br />
im MoMA mit Objekten vor weißer Wand: Welche<br />
Motivation lag dem zu Grunde? Und warum gerade<br />
bei e<strong>in</strong>er Ausstellung über afrikanische Kunst?<br />
CK: Alfred Barr hatte African Negro Art zusammen<br />
mit dem Kurator James J. Sweeney organisiert. Es<br />
war nicht nur die erste Ausstellung, die ausschließlich<br />
außereuropäische Artefakte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kunstmuseum<br />
zeigte, sondern auch die erste Ausstellung im<br />
Museum of Modern Art <strong>in</strong> New York, die alle Objekte<br />
vor weißer Wand zeigte und somit bewusst auf ihre<br />
formalen Qualitäten reduzierte. Es ist vielleicht ke<strong>in</strong><br />
Zufall, dass es sich um e<strong>in</strong>e Schau außereuropäischer<br />
Artefakte handelte, denn gerade hier g<strong>in</strong>g<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
14
Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />
Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
es ja darum, die Werke aus e<strong>in</strong>em ethnologischen<br />
Kontext <strong>in</strong> die ästhetische Rezeption des Kunstraums<br />
zu überführen. Der starke Schwarzweißkontrast, der<br />
hier vorherrschte, beförderte die Wahrnehmung der<br />
Expressivität der Skulpturen und knüpfte an die Ausstellung<br />
expressionistischer Skulpturen zum Beispiel<br />
im Folkwang Museum an, das Barr gut kannte. Doch<br />
deutlich wird <strong>in</strong> den Installationsbildern auch bereits,<br />
dass man sich große Mühe gab, die geschlossenen<br />
Kuben der Räume zu durchbrechen, die für das<br />
Museum <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>stweiligen Heim bereitstanden,<br />
dem großbürgerlichen Rockefeller House an der 53rd<br />
Street. Als Raumteiler fungierten Glasvitr<strong>in</strong>en, durch<br />
die h<strong>in</strong>durch man die h<strong>in</strong>tere Wand des nächsten<br />
Raumes und die dort aufgestellten Objekte sehen<br />
konnte. Bereits diese Ausstellung zeigt, dass der hier<br />
geschaffene Ausstellungsraum zwar erstmalig <strong>in</strong> der<br />
Geschichte dieses Museums weiß, aber auf ke<strong>in</strong>en<br />
Fall e<strong>in</strong> „white cube“ ist.<br />
DB, AK: Sie haben den White Cube <strong>in</strong> Ihrem<br />
Vortrag als Mythos bezeichnet. Existiert(e) der<br />
White Cube wie von O’Doherty beschrieben Ihrer<br />
Ansicht nach überhaupt jemals?<br />
CK: Dass der White Cube als solcher e<strong>in</strong> Mythos<br />
ist, den O´Doherty erst erschaffen hat, den es aber <strong>in</strong><br />
Wirklichkeit so nie gegeben hat, das, denke ich, machen<br />
alle<strong>in</strong> schon die vielen Wandlungen deutlich, die<br />
der weiße Ausstellungsraum im Museum im Verlauf<br />
des letzten Jahrhunderts durchlaufen hat, und die<br />
ich hier versucht habe, schematisch nachzuzeichnen.<br />
Zwar experimentierte man seit den 1920er Jahren<br />
stets aufs Neue mit verschiedenen Formen des weißen<br />
Raumes, die immer gleiche geschlossene weiße<br />
Zelle mit stabiler Funktion und Bedeutung gab es<br />
eben genau deshalb nie. Mit jeder Veränderung wird<br />
ja der Ansche<strong>in</strong> der Neutralität von Neuem <strong>in</strong> Frage<br />
gestellt, und tatsächlich ist nicht klar, ob man jemals<br />
<strong>in</strong> diesem Raumtypus der Wirklichkeit entrückt<br />
werden sollte. Vielmehr diente und dient die weiße<br />
Wand im Museum als Projektionsfläche für aktuelle<br />
Gesellschaftsentwürfe, deren Vorstellungen sich im<br />
Laufe der Zeit immer wieder verändert haben.<br />
DB, AK: Heute ist es längst nicht mehr der<br />
Kurator alle<strong>in</strong>, der für die Ausstellungsgestaltung<br />
verantwortlich zeichnet. In den letzten Jahren<br />
werden vermehrt Architekten oder Szenografen<br />
als Ausstellungsgestalter h<strong>in</strong>zugezogen. Welche<br />
Beispiele gibt es <strong>in</strong> der Geschichte für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre<br />
Zusammenarbeit, und wie war sie motiviert?<br />
CK: Immer wieder mal haben <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
Kuratoren das Heft aus der Hand gegeben, wenn es<br />
um die Gestaltung des Innenraums im Museum g<strong>in</strong>g.<br />
Alexander Dorner, der 1928 El Lissitzky beauftragte,<br />
das Abstrakte Kab<strong>in</strong>ett <strong>in</strong> Hannover zu entwerfen,<br />
ist hier e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en Museumsdirektor, der<br />
es e<strong>in</strong>em Künstler überließ, den Ausstellungsraum<br />
zu gestalten. Das ist ja etwas, das seit den 1960er<br />
Jahren immer mal wieder gerne gemacht wird. Aber<br />
auch Architekten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Vergangenheit gelegentlich<br />
schon für diese Aufgabe herangezogen worden.<br />
1906, zum Beispiel, hatte der damalige Direktor<br />
der Nationalgalerie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Hugo von Tschudi,<br />
den Architekten Peter Behrens beauftragt, für e<strong>in</strong>e<br />
großangelegte Jubiläumsausstellung zu e<strong>in</strong>hundert<br />
Jahren deutscher Kunst e<strong>in</strong> eigens dafür entworfenes<br />
Interieur zu schaffen. Mit wenigen Mitteln, wie hellgrauer<br />
Wandbespannung und abgehängten Decken,<br />
wurden die herrschaftlich historistischen Räume der<br />
Nationalgalerie verkleidet und e<strong>in</strong> durch und durch<br />
bürgerliches, modernes Interieur für die Ausstellung<br />
geschaffen (Abb. 3).<br />
DB, AK: Möchten Sie e<strong>in</strong>e Prognose abgeben,<br />
ob die weiße Wand künftig für das Ausstellen<br />
moderner und zeitgenössischer Kunst noch e<strong>in</strong>e<br />
Rolle spielen wird? Oder beschreiten wir aktuell<br />
e<strong>in</strong>en Weg „beyond the white cube“, wird die Suche<br />
nach Alternativen stärker <strong>in</strong> den Vordergrund<br />
rücken?<br />
CK: Die E<strong>in</strong>förmigkeit der Museums<strong>in</strong>terieurs, die<br />
<strong>in</strong> den letzten fünfzig Jahren doch mehr oder weniger<br />
unser Seherlebnis im Museum dom<strong>in</strong>iert hat, wird,<br />
me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach gerade großflächig verabschiedet.<br />
Ich glaube zwar, dass der weiße Ausstellungsraum<br />
immer noch Spielmöglichkeiten bietet<br />
und uns mit neuen Variationen überraschen kann,<br />
so wie es gerade das Städel Museum <strong>in</strong> Frankfurt<br />
mit der weißen Stadt im Ausstellungsconta<strong>in</strong>er der<br />
neueröffneten Gartenhallen vorgeführt hat (Abb. 4).<br />
Gleichzeitig jedoch sieht man zunehmend wieder,<br />
unter anderem ja auch <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong>,<br />
farbig gefasste und sehr unterschiedlich gestaltete<br />
Räume und selbstreflexive Inszenierungen. E<strong>in</strong> gutes<br />
Beispiel dafür bot schon 2007 die documenta 12 <strong>in</strong><br />
Kassel, <strong>in</strong> der sich die Ausstellungsmacher e<strong>in</strong>erseits<br />
auf die historische Tradition der Gebäude und<br />
anderseits auf e<strong>in</strong>e große Bandbreite von Ausstellungsmodi<br />
besonnen haben. Damit setzt man sich<br />
vielleicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> gewisses Spannungsverhältnis zu den<br />
Erwartungen der Künstler, die häufig immer noch von<br />
e<strong>in</strong>er weißen Wand als H<strong>in</strong>tergrund für ihre Werke<br />
ausgehen, doch das ist e<strong>in</strong> Risiko, das man me<strong>in</strong>er<br />
Me<strong>in</strong>ung nach e<strong>in</strong>gehen sollte. Ich kann mir nämlich<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
15
Mit Blick <strong>in</strong> den Rückspiegel<br />
Innovative Sammlungse<strong>in</strong>richtungen und Raumgestaltungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
ke<strong>in</strong> aufregenderes Museumserlebnis vorstellen, als<br />
e<strong>in</strong>es, das die Besucher durch sehr unterschiedliche<br />
und ausdifferenzierte Ausstellungsweisen aufs immer<br />
Neue herausfordert.<br />
1 Abbildung siehe Charlotte Klonk: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors<br />
from 1800 to 2000. New Haven & London 2009, S. 123.<br />
Abb. 1: Ludwig Justi, Ausstellungsansicht Max Beckmann im<br />
Kronpr<strong>in</strong>zenpalais <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, 1933<br />
Abb. 3: Peter Behrens, Blick <strong>in</strong> den Cornelius-Raum im Obergeschoss<br />
der Nationalgalerie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Jahrhundertausstellung<br />
deutscher Kunst, 1906<br />
Abb. 2: El Lissitzky, Kab<strong>in</strong>ett der Abstrakten von 1928/29,<br />
Rekonstruktion von 1968 im Niedersächsischen Landesmuseum<br />
Hannover<br />
Abb. 4: Die Erweiterung des Städel Museums <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
(Schneider+Schumacher Architekten), Blick <strong>in</strong> die neuen Gartenhallen<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
16
Argumentationen<br />
im Raum<br />
Vom modernen White Cube<br />
zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />
Ellen Blumenste<strong>in</strong><br />
Seit der wegweisende Essay des irischen Künstlers<br />
und Kritikers Brian O'Doherty „Inside the White<br />
Cube“ („In der weißen Zelle“) 1976 erstmals als e<strong>in</strong>e<br />
Folge von drei Beiträgen im amerikanischen Kunstmagaz<strong>in</strong><br />
artforum erschien, hat sich <strong>in</strong> der Wahrnehmung<br />
von und dem Umgang mit dem Ausstellungsraum<br />
viel getan. Dennoch bleibt der White Cube bis<br />
heute die zentrale Bezugsgröße für die Präsentation<br />
von Kunst. Me<strong>in</strong> Beitrag möchte das fragile Verhältnis<br />
von Raum, Werk und Betrachter <strong>in</strong> Ausstellungen<br />
fokussieren, und parallel dazu alternative Formen der<br />
Begegnung mit Kunst aufzeigen.<br />
Der Ort und die Form der Präsentation von Kunst<br />
haben sich im Verlauf der Jahrhunderte häufig<br />
gewandelt, immer <strong>in</strong> Abhängigkeit davon, welche<br />
Funktion der Kunst <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />
zugewiesen wurde. In der Moderne gibt es zwei<br />
sich widersprechende Ansprüche: zum e<strong>in</strong>en das<br />
Konzept ästhetischer Autonomie und zum anderen<br />
die avantgardistische Vorgabe der Vermischung von<br />
Kunst und Leben. Dem Autonomiekonzept entspricht<br />
räumlich der White Cube – also e<strong>in</strong> explizit als Ort<br />
ästhetischer Erfahrung gekennzeichneter Raum, der<br />
deutlich von anderen Orten, wie zum Beispiel öffentlichen<br />
oder politischen, abgegrenzt ist und eigenen<br />
Regeln unterliegt. Avantgardistische Kunst h<strong>in</strong>gegen<br />
stellt die strikte Trennung der Künste untere<strong>in</strong>ander<br />
wie auch von Kunst und Nicht-Kunst <strong>in</strong> Frage und<br />
versteht Kunst <strong>in</strong>sgesamt als e<strong>in</strong>e Praxis, die die<br />
Grenzen der geltenden gesellschaftlichen Normen<br />
h<strong>in</strong>terfragen und gegebenenfalls verschieben kann<br />
und sich an unterschiedlichsten Orten (realen wie<br />
virtuellen) manifestiert.<br />
Insbesondere mit der Konzeptkunst ist so e<strong>in</strong>e<br />
Diskussion über die gesellschaftliche Relevanz und<br />
das kritische Potenzial der Kunst entstanden, die das<br />
Verhältnis von Kunst zu anderen Feldern wie Politik,<br />
Wissenschaft und Ökonomie <strong>in</strong> den Blick nimmt und<br />
<strong>in</strong> der Folge auch den Ausstellungsraum als kontextstiftend<br />
für das Verstehen und die Bedeutung von<br />
Kunst h<strong>in</strong>terfragt 1 . O’Doherty war Mitte der 1970er<br />
Jahre der erste, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er heute kanonischen<br />
Schrift darauf h<strong>in</strong>wies, wie eng die Geschichte der<br />
Kunst mit dem Ausstellungsraum verknüpft ist: „…<br />
die Geschichte der modernen Kunst kann mit Veränderungen<br />
dieses Raumes und der Art und Weise, wie<br />
wir ihn wahrnehmen, <strong>in</strong> Wechselbeziehung treten.“ 2 In<br />
se<strong>in</strong>em Text analysiert er den soziologischen, ökonomischen<br />
und ästhetischen Kontext, <strong>in</strong>nerhalb dessen<br />
wir Kunst erfahren und zeigt, dass der Zusammenhang,<br />
<strong>in</strong> dem ausgestellt wird, erheblichen E<strong>in</strong>fluss<br />
hat auf die Wahrnehmung der Inhalte dessen, was<br />
ausgestellt wird. Damit führt er zugleich den Betrachter<br />
als zentrale Gestalt für die Bedeutungskonstitution<br />
von Kunst e<strong>in</strong>, die nun zwischen Künstler, Werk<br />
und Betrachter im Raum stattf<strong>in</strong>det.<br />
Als Folge der Institutional Critique wurde diese<br />
Debatte seit den 1990er Jahren über den Ausstellungsraum<br />
h<strong>in</strong>aus erweitert: Angefochten wurden<br />
nicht mehr nur der Raum und die Formen der<br />
Präsentation und Rezeption von Kunst, sondern das<br />
System Kunst und se<strong>in</strong>e Funktionsmechanismen im<br />
Verhältnis zur Gesamtgesellschaft. Damit geriet nur<br />
sche<strong>in</strong>bar paradoxerweise der Ausstellungsraum<br />
– der Hauptangriffspunkt der Institutional Critique<br />
gewesen war – aus dem Blick, weil durch die Pers-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
17
Argumentationen im Raum<br />
Vom modernen White Cube zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />
pektivverschiebung auf das Verhältnis unterschiedlicher<br />
Kontexte zue<strong>in</strong>ander das Museum als Ort für die<br />
Kunst re-naturalisiert wurde.<br />
Erst seitdem Kunsthistoriker nach dem Status<br />
und der Produktivität der Entgrenzung der Künste<br />
(Strategien aus Politik, Wissenschaft oder Ökonomie<br />
als <strong>in</strong>härenter Bestandteil künstlerischer Praktiken)<br />
fragen und Künstlerische Forschung (oder: artistic<br />
research) als Sonderfall Ästhetischer Erfahrung<br />
zwischen Kunst und Wissenschaft 3 untersuchen,<br />
rückt auch der Raum ihrer öffentlichen Verhandlung<br />
wieder <strong>in</strong> den Fokus. Forscher <strong>in</strong>teressieren sich für<br />
die Funktion, die das Museum im gesellschaftlichen<br />
Gefüge e<strong>in</strong>nimmt und für das Verhältnis zwischen<br />
Künstler, Werk und Betrachter. 4 Die Frage nach dem<br />
„Jenseits des White Cube“ verstehe ich unter diesen<br />
Voraussetzungen als Ausdruck der Unsicherheit über<br />
die Position des Museums und dessen gesellschaftlichem<br />
Ort.<br />
Die Beschaffenheit dieses Ortes, se<strong>in</strong>er Form<br />
und der Zeit, <strong>in</strong> der Kunst dort rezipiert wird, wandeln<br />
sich derzeit, ohne bislang e<strong>in</strong> deutliches Profil<br />
angenommen zu haben. Zugleich werden tradierte<br />
Vorstellungen und Sehgewohnheiten dem sich<br />
verschiebenden Umgang mit und der Wahrnehmung<br />
von Kunst nicht mehr h<strong>in</strong>reichend gerecht. Weder<br />
Macher noch Besucher haben e<strong>in</strong> genaues Bild,<br />
woh<strong>in</strong> das Museum sich entwickeln müsste, um den<br />
veränderten Anforderungen, Bedürfnissen, aber auch<br />
den Möglichkeiten e<strong>in</strong>es solchen Ortes gerecht zu<br />
werden.<br />
Wenn wir diese Verunsicherung, die durch das<br />
„jenseits“ im Titel des Symposiums durchsche<strong>in</strong>t,<br />
nicht als Anlass verstehen, den Museumsraum ganz<br />
zu verlassen, sondern ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Labor der Formate<br />
mit offenem Ausgang verwandeln, können wir uns<br />
den anstehenden Fragen aus neuer Perspektive widmen.<br />
Wir können Ausstellungen als Erfahrungsräume<br />
def<strong>in</strong>ieren, <strong>in</strong> denen nicht nur Bezug auf aktuelle politische,<br />
soziale oder kulturelle Diskurse genommen<br />
wird, sondern die selbst e<strong>in</strong>en Diskurs schaffen. Mit<br />
Deleuze/Guattari 5 wären Ausstellungen e<strong>in</strong>e spezifische<br />
Form des Denkens, bei dem Welt vermittels<br />
Kunst eben gerade nicht nur dargestellt, sondern<br />
überhaupt erst als Erfahrung hergestellt wird. Kunst<br />
ließe sich so als Wirklichkeit komponierendes Medium<br />
an der Schnittstelle zwischen Mensch und (Um-)<br />
Welt, Sichtbarem und Unsichtbarem, Gegenwärtigem<br />
und Abwesendem beschreiben, das nach Merleau-<br />
Ponty 6 notwendig körperliche Züge trägt. Dieser Ort<br />
wäre e<strong>in</strong>er, der mittels der ausgestellten Objekte<br />
(seien es Kunstwerke oder andere D<strong>in</strong>ge) e<strong>in</strong>e Argumentation<br />
im Raum entwirft, die e<strong>in</strong>e spezifische<br />
Form des Denkens ermöglicht, die sich über Wahrnehmung<br />
und Empf<strong>in</strong>dung vollzieht und anderswo<br />
(zuhause, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum) so<br />
nicht möglich wäre. E<strong>in</strong>en solcherart anderen Raum,<br />
der – <strong>in</strong> logistischer wie <strong>in</strong>haltlicher H<strong>in</strong>sicht – neuartige<br />
Erfahrungen ermöglicht, können wir als ‚Dritten<br />
Ort‘ 7 bezeichnen.<br />
Hier rücken das Vergnügen am Schauen und<br />
produktive Unsicherheit anstatt selbstreferenzieller<br />
und hermetischer Displays <strong>in</strong>s Zentrum, der Betrachter<br />
wird konstitutiv als Teil des Gefüges mitgedacht<br />
und die Ausstellung als e<strong>in</strong> System konzipiert, <strong>in</strong> dem<br />
Künstler, Werk, Raum, Kurator und Betrachter vone<strong>in</strong>ander<br />
abhängen und Denken sich zwischen diesen<br />
konstitutiven Faktoren entwickelt. Hier erfahren wir<br />
‚am eigenen Leib‘, dass ke<strong>in</strong>e Erfahrung nur von<br />
e<strong>in</strong>em selbst abhängt und dass auch Denken nur <strong>in</strong><br />
Bezug auf Objekte, Menschen, Welt – als e<strong>in</strong>e Übertragungssituation<br />
zwischen ihnen – sich vollziehen<br />
kann.<br />
Wenn wir das „Jenseits“ des Ausstellungsraumes<br />
nun wörtlich nehmen, welche zusätzlichen Formen<br />
könnte es für derartige Erfahrungen im Umgang mit<br />
Kunst geben? Im Folgenden sei das Experimentallabor,<br />
das wir genau für Fragen dieserart im Salon<br />
Populaire e<strong>in</strong>gerichtet haben, auszugsweise vorgestellt<br />
(Abb. 1).<br />
Salon Populaire ist e<strong>in</strong> Treffpunkt für Gespräche<br />
über Kunst und angrenzende Themengebiete und<br />
für das Aufe<strong>in</strong>andertreffen unterschiedlicher Ideen,<br />
Haltungen und Kontexte, dessen Raumkonzept <strong>in</strong><br />
Zusammenarbeit mit raumlaborberl<strong>in</strong> (Markus Bader)<br />
erarbeitet wurde. Als <strong>in</strong>formeller sozialer Raum, der<br />
sich an der Schnittstelle von Ausstellungsraum<br />
und Akademie positioniert und programmatisch<br />
entlang zweier jährlich wechselnder Leitthemen<br />
gestaltet, kann er je nach Bedarf aktiv von und mit<br />
den Gästen für den jeweiligen Gebrauch umdef<strong>in</strong>iert<br />
und -genutzt werden. Gedacht sowohl <strong>in</strong> Anlehnung<br />
an, wie auch als Weiterentwicklung der Geschichte<br />
der Salons, ist Salon Populaire e<strong>in</strong> Laboratorium für<br />
unterschiedlichste Formen künstlerischen Denkens.<br />
Als halböffentlicher Raum erlaubt er Nutzungen, die<br />
sich zwischen der Privatheit e<strong>in</strong>er Wohnung und der<br />
Öffentlichkeit e<strong>in</strong>er Institution bewegen.<br />
Im Rahmen verschiedener Veranstaltungsreihen<br />
und Sonderformate suchen wir nach Formen, die<br />
übliche Vorträge <strong>in</strong> Gesprächssituationen umformen,<br />
aus der Präsentation von Kunst e<strong>in</strong>en Austausch<br />
über Kunst machen, Zuhörer zu Gesprächspartnern<br />
werden, die die Veranstaltung aktiv mitgestalten.<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
18
Argumentationen im Raum<br />
Vom modernen White Cube zu alternativen Ausstellungsdisplays<br />
Specific Objects – Show and Tell ist beispielsweise<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Werkstattgesprächen, die e<strong>in</strong>en<br />
Gast e<strong>in</strong>lädt, e<strong>in</strong> Objekt se<strong>in</strong>er/ihrer Wahl mitzubr<strong>in</strong>gen<br />
und im Rahmen e<strong>in</strong>es Gespräches vorzustellen.<br />
Der mitgebrachte Gegenstand kann sowohl e<strong>in</strong><br />
physisches Objekt wie e<strong>in</strong> Buch oder e<strong>in</strong> Film, als<br />
auch e<strong>in</strong> nicht-physisches Objekt wie etwa e<strong>in</strong>e<br />
Denkfigur von Foucault oder auch die Innenstadt von<br />
Berl<strong>in</strong> se<strong>in</strong>. Der spezifische Gegenstand kann frei<br />
gewählt werden, soll aber ke<strong>in</strong> eigenes Kunstwerk<br />
se<strong>in</strong>, sondern vielmehr mit dem Denkhorizont des<br />
Gastes <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen. Das Objekt soll zu e<strong>in</strong>er<br />
Mittlerfigur werden, die über das <strong>in</strong>dividuelle Interesse<br />
h<strong>in</strong>aus führt und sich für aktuelle (künstlerische)<br />
Diskurse öffnet und so tradierte Hierarchien außer<br />
Kraft setzt.<br />
Die Ausstellung und das Ausstellen greift die<br />
aktuelle Diskussion um die Rolle des Kurators <strong>in</strong><br />
Form e<strong>in</strong>es offenen Forums auf, <strong>in</strong>nerhalb dessen e<strong>in</strong><br />
Gast e<strong>in</strong>mal pro Monat se<strong>in</strong>e/ihre je verschiedene<br />
Perspektive vorstellt und mit dem Plenum diskutiert.<br />
Die Reihe verlagert den Schwerpunkt der Debatte<br />
aus Kunstfeld und Medien, <strong>in</strong>dem sie den Kurator<br />
und se<strong>in</strong>e Arbeit gerade nicht aus dem Gefüge, <strong>in</strong><br />
dem er/sie arbeitet, herauslöst, sondern im Verhältnis<br />
zu anderen Akteuren beschreibt und das Format der<br />
Ausstellung und die Arbeit am Ausstellen grundsätzlich<br />
thematisieren. Dabei geht es nicht alle<strong>in</strong> um die<br />
Befragung unterschiedlicher Praktiken, sondern auch<br />
um den Versuch, das Sprechen über die Ausstellung<br />
und das Ausstellen als e<strong>in</strong>en Diskurs zu etablieren.<br />
Wir möchten die Bed<strong>in</strong>gungen des Ausstellens erörtern<br />
und beschreiben, was ‚Kuratieren‘ – <strong>in</strong>nerhalb<br />
wie außerhalb des musealen Rahmens – bedeuten<br />
kann.<br />
Can you pass the salt, please? nimmt die griechische<br />
Tradition des Gastmahls (Symposion) auf (Abb.<br />
2). Die Teilnehmer versammeln sich zu ‚Speis und<br />
Trank‘ an e<strong>in</strong>er großen Tafel, um geme<strong>in</strong>sam philosophische<br />
Fragen zu diskutieren. Jeder Gast br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e<br />
Geschichte, e<strong>in</strong>en Gedanken oder Text, e<strong>in</strong> Bild oder<br />
e<strong>in</strong> Kunstwerk mit, welche für sie oder ihn <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
mit dem jeweiligen Thema des Abends<br />
stehen. Ausgehend von e<strong>in</strong>er je kurzen Vorstellung<br />
dieser Beiträge entwickelt sich e<strong>in</strong> Austausch von<br />
Positionen, Interessen und Ideen …<br />
3 Siehe http://www.sfb626.de/veroeffentlichungen/onl<strong>in</strong>e/aesth_erfahrung/<br />
<strong>in</strong>dex.html<br />
4 Siehe z.B. Dorothea von Hantelmann, Carol<strong>in</strong> Meister (Hg.), Die Ausstellung.<br />
Politik e<strong>in</strong>es Rituals, Zürich/Berl<strong>in</strong> 20<strong>10</strong>.<br />
5 Gilles Deleuze/Félix Guattari, Was ist Philosophie?, Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 1991.<br />
6 Maurice Merleau-Ponty, Das Auge und der Geist. Philosophische Essays,<br />
Hamburg 1984 (1961).<br />
7 Der Begriff wurde von Daniel Tyradellis als term<strong>in</strong>us technicus zur<br />
Beschreibung von Ausstellungen als Orten politischer Ontologie vorgeschlagen.<br />
Er leitet sich aus der soziologischen Figur des „Dritten“ ab, die<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Interaktion über „Ich“ und „Du“ (Ego und Alter Ego) h<strong>in</strong>aus<br />
neue Funktionen für die Kommunikation übernimmt, die zwischen zwei<br />
Interaktionspartnern alle<strong>in</strong> nur schwer erreichbar s<strong>in</strong>d.<br />
Abb. 1: Salon Populaire, Raume<strong>in</strong>druck<br />
(Raumkonzept: raumlaborberl<strong>in</strong>, Markus Bader)<br />
Abb. 2: Salon Populaire, Can you pass the salt, please? E<strong>in</strong> Gastmahl.<br />
D<strong>in</strong>ner, dr<strong>in</strong>ks and discussions on friendship, 27.<strong>10</strong>.20<strong>10</strong><br />
1 Was Marcel Duchamp schon 1938 mit se<strong>in</strong>er Intervention 1200 Kohlesäcke<br />
<strong>in</strong> der Internationalen Ausstellung der Surrealisten <strong>in</strong> Paris thematisierte,<br />
benötigte fast drei Jahrzehnte, um als Infragestellung des <strong>Galerie</strong>raumes<br />
im öffentlichen Diskurs anzukommen. Vgl. Brian O’Doherty: In der weißen<br />
Zelle, Berl<strong>in</strong> 1996. S. 73 f.<br />
2 Ebd., S. 8.<br />
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Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
19
Szenografie und<br />
Ausstellungsraum<br />
Beatrix von Pilgrim<br />
Ausstellungsraum und Szenografie – was hat das<br />
eigentlich mite<strong>in</strong>ander zu tun?<br />
Ist Szenografie so e<strong>in</strong>e Art Tun<strong>in</strong>gprogramm für<br />
Ausstellungsgestaltung?<br />
Oder ist Szenografisches etwas selbstständig<br />
Lebensfähiges und bef<strong>in</strong>det sich als Objekt oder<br />
Skulptur im Ausstellungsraum?<br />
Ist Szenografie selbst e<strong>in</strong>e Kunstform oder eher<br />
e<strong>in</strong>e Strategie, e<strong>in</strong> handwerkliches Hilfsmittel für<br />
gelungene Ausstellungen?<br />
Was ist Szenografie überhaupt?<br />
Ich stehe hier als Szenograf<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ausstellungsraum<br />
und versuche e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition dieses im<br />
Augenblick oft verwendeten, geradezu modisch <strong>in</strong>flationär<br />
zitierten, aber ebenso vagen wie schillernden<br />
Begriffs „Szenografie“.<br />
Szenografie ist, denken die meisten, Bühnenbild,<br />
Theater halt. Wird man im Taxi vom Fahrer nach dem<br />
Beruf gefragt, versteht er Stenografie und denkt, aha,<br />
e<strong>in</strong>e Sekretär<strong>in</strong>.<br />
Das Wort Szenografie ist griechisch und <strong>in</strong> den<br />
antiken Arenen entstanden.<br />
Arena mit „skenä“<br />
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Szenografie und Ausstellungsraum<br />
Per Schatten<br />
Panoptischer Blick<br />
Die „skenä“, die Wand, auf die man blickt, war<br />
e<strong>in</strong>mal jener bedeckte, schattige Ort, e<strong>in</strong>e Laube, e<strong>in</strong><br />
Zelt und hat etwas mit „skia“ – Schatten zu tun, e<strong>in</strong><br />
wichtiger Begriff für Szenografie.<br />
Aus der „skenä“ im Allgeme<strong>in</strong>en wurde die „szenä“<br />
im Halbrund der griechischen Theaterarenen,<br />
e<strong>in</strong>e Auftritts- und Abdeckwand, auf die der Blick<br />
der rundum sitzenden Zuschauer sich fixierte – <strong>in</strong><br />
Erwartung e<strong>in</strong>es Auftritts, als H<strong>in</strong>tergrund für die<br />
Vortragenden. Es entsteht beides: der panoptische<br />
Blick – die Wahrnehmung des Ganzen rundum – und<br />
es entsteht der ausschließende, frontal gerichtete,<br />
fokussierte Blick. Auf ebendieses Stück here<strong>in</strong>gestellte<br />
Architektur. Diese „Szenen-Wand“ wurde<br />
wohl angemalt – daher das „grafe<strong>in</strong>“ – übersetzt also<br />
e<strong>in</strong>e „angemalte Kulisse“. Kulisse wiederum kommt<br />
von „couler“ (französisch: rollen, sich bewegen),<br />
aber bewegt hat sich bei den Griechen die Szene<br />
noch gar nicht. Die Entwicklung der Szenografie<br />
von Epidauros bis, sagen wir, <strong>in</strong>s Deutsche Schauspielhaus<br />
Hamburg hat e<strong>in</strong> bisschen gedauert und<br />
e<strong>in</strong>ige fundamentale architektonische Erf<strong>in</strong>dungen<br />
gemacht, die unsere kompletten Sehgewohnheiten<br />
bis heute bestimmen, auch, wenn wir vor Computern<br />
sitzen und Layer, Frames, W<strong>in</strong>dows, sogar Pop-ups<br />
betrachten – denn auch diese Ordnung der Sehweisen<br />
im digitalen Gerät hängt mit e<strong>in</strong>em speziellen<br />
„szenografischen“ Blick zusammen, beruht auf e<strong>in</strong>er<br />
lange tradierten Sehgewohnheit im Raum.<br />
Ich übersetze daher Szenografie nicht als „Bühnen-Bild“<br />
sondern als „e<strong>in</strong>e Szene schreiben“.<br />
Der Prozess, die Abfolge, die Bewegung ist das,<br />
was mich <strong>in</strong>teressiert und auch das flüchtige, eph-<br />
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21
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
emere Bild, welches, ist das Ereignis vorbei, nur im<br />
<strong>in</strong>neren Bild der Er<strong>in</strong>nerung weiterexistieren kann.<br />
Szenografie ist das, was man nicht sieht oder<br />
nicht mehr sieht oder vielleicht erst sehen wird – e<strong>in</strong>e<br />
Kunstform also, die deutlich zeitbasiert ist.<br />
Mich <strong>in</strong>teressieren hier genau diese Phänomene,<br />
die Szenografie wesentlich def<strong>in</strong>ieren und die gleichermaßen<br />
für Ausstellungsräume fundamental s<strong>in</strong>d:<br />
- die Bewegung des Körpers/Blicks im Raum<br />
- die Fragmentierung/Beschränkung des Blicks<br />
- das Licht/die Beleuchtung<br />
Der Begriff „Bühnen-Bild“ stimmt eigentlich nicht<br />
mehr, seitdem es die bestimmende Seherfahrung mit<br />
Filmen gibt, denn seitdem denken Szenografen noch<br />
mehr <strong>in</strong> Abläufen, <strong>in</strong> Bewegungsräumen.<br />
Um das zu verstehen, werfe ich e<strong>in</strong>en Rückblick <strong>in</strong><br />
die Entwicklung von Theaterarchitekturen.<br />
Die Zuschauerräume <strong>in</strong> der Renaissance, die<br />
vorher nur e<strong>in</strong>en schmalen Blickkorridor, <strong>in</strong> dem man<br />
die Spieler sehen konnte, ermöglichten, öffnen sich<br />
zu „demokratischen“ Foren.<br />
… und im Wahrnehmen des Gegenübers.<br />
Sofort spr<strong>in</strong>gen die Gedanken zum Ausstellungsraum<br />
– Stellwände mit Bildern drauf –, also extrem<br />
konventionelle Ausstellungsarchitekturen, falls man<br />
Stellwände noch halbwegs zum architektonischen<br />
Maßnahmenkatalog zählen will – s<strong>in</strong>d auch oft bloße<br />
H<strong>in</strong>tergründe für das Wesentliche – s<strong>in</strong>d die Kulissen<br />
das nicht auch oft gewesen? Bloß H<strong>in</strong>tergrund für<br />
prächtige Darsteller und schöne Stimmen? Flache<br />
Raumkonstruktionen, die additiv <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Abfolge gesetzt<br />
waren? Re<strong>in</strong>e Dekoration? Kann man „Stellwände“<br />
oder Kulissen mit gemalten Blättern drauf analog<br />
zu rupfenbespannten mobilen Stellwandsystemen<br />
sehen und vergleichen?<br />
Man sieht sowohl beim Ausstellungsraum als<br />
auch bei der Szenografie e<strong>in</strong>e Entwicklung von der<br />
zweiten zur dritten Dimension, vom Bild zum Raum<br />
bis h<strong>in</strong> zu der spannenden Frage, wie sich die virtuellen<br />
Räume beurteilen lassen.<br />
Der Fokus liegt zentralperspektivisch …<br />
Die Zuschauer, repräsentativ hergerichtet, richten<br />
ihren Blick aus fast gegenüberliegenden Logen<br />
zuerst aufe<strong>in</strong>ander, dann f<strong>in</strong>den sich ihre Blicke im<br />
Fokus auf der Bühne und sehen die nach h<strong>in</strong>ten zentralperspektivisch<br />
gestaffelten Kulissen.<br />
Zurück zur Szenografie der Bewegung, der Erf<strong>in</strong>dung<br />
der bewegten und (sich) bewegenden Räume –<br />
e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong>s Barocktheater, welches sich im mitteleuropäischen<br />
Raum entwickelt hat, um klar zu machen,<br />
was ich me<strong>in</strong>e.<br />
Das Barocktheater erf<strong>in</strong>det drei fundamentale<br />
Neuerungen:<br />
1. Die Bewegung des Raumes<br />
Der Bildraum fängt an sich zu bewegen durch die<br />
Erf<strong>in</strong>dung der Theatermasch<strong>in</strong>erie. Von allen Seiten<br />
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Szenografie und Ausstellungsraum<br />
kann e<strong>in</strong> Kulissenteil <strong>in</strong> den Bildausschnitt gerollt,<br />
gezogen oder geschwenkt werden, die Mechanik ist<br />
dem Zuschauer verborgen und es entstehen Zauberkästen<br />
oder Illusionsmasch<strong>in</strong>en.<br />
Der italienische Architekt und Ingenieur Nicola<br />
Sabbat<strong>in</strong>i hat das zu Beg<strong>in</strong>n des 17. Jahrhunderts<br />
wunderbar gezeichnet und beschrieben.<br />
2. Die Cadrierung oder Rahmung des Blicks<br />
Die Erf<strong>in</strong>dung des Portals ist exemplarisch zu sehen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von heute noch existierenden Theaterbauten<br />
im oberitalienischen Raum – auf e<strong>in</strong>er Reise<br />
vom Teatro Olimpico <strong>in</strong> Vicenza nach Sabbioneta,<br />
nach Mantua, Padua und schließlich <strong>in</strong>s La Fenice<br />
<strong>in</strong> Venedig lässt e<strong>in</strong>en begreifen, wie und warum das<br />
Portal aus dem Theater-Innenraum förmlich aus dem<br />
Ste<strong>in</strong> gewachsen ist und die spezielle architektonische<br />
Trennung zwischen Bühnenraum und Zuschauerraum<br />
etabliert hat.<br />
Die Vorbühne ist der Spielort.<br />
Der Rahmen gibt e<strong>in</strong>e Trennung vor.<br />
Der Bühnenkasten entsteht<br />
Der bewegliche Bühnenraum<br />
Der Blick <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en übersichtlichen Schaukasten<br />
öffnet sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unübersehbare, große<br />
geschlossene Box – e<strong>in</strong>e Schaubühne. Die Vermutung,<br />
die Erwartung, kurz: das Unsichtbare tritt auf<br />
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23
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
den Plan.<br />
Licht „bewegt“ – durch Dimmung, bewegliche Reflektoren,<br />
Schwenks, Blackout Shutter – das Licht<br />
schafft zunehmend differenziert Atmosphäre und<br />
erzeugt Emotionen. Das Theater wird zur Masch<strong>in</strong>e,<br />
der Architekt zum Ingenieur. „Mechanisch“ kommt<br />
uns eher negativ vor, die alten Griechen jedoch me<strong>in</strong>ten<br />
damit – ers<strong>in</strong>nen, lebendig machen (griechisch:<br />
mechanao) – eben das „Nichtdarstellbare vorstellbar“<br />
zu machen.<br />
Der Guckkasten entsteht<br />
Das Portal wird zum bestimmenden architektonischen<br />
Bauteil.<br />
Der Guckkasten entsteht<br />
Das Portal entsteht<br />
H<strong>in</strong>ter dem Portal liegen im Pr<strong>in</strong>zip noch viele weitere<br />
Portale, die den Blick perspektivisch e<strong>in</strong>engen –<br />
seitlich gesehen Schichten, <strong>in</strong> der Computersprache<br />
würde man sagen „Layer“.<br />
3. Das Licht oder die Beleuchtung<br />
Die Steuerung der Wahrnehmung der Zuschauer<br />
durch die Lichttechnik hängt mit der Erf<strong>in</strong>dung des<br />
Portals eng zusammen – Zuschauerraum und Bühnenraum<br />
entwickeln eigene Beleuchtungstechniken.<br />
Erst mechanisch, später automatisch wird das<br />
Barocke Bühnenbilder<br />
Im Barocktheater entstehen also komplizierte<br />
lllusionstechniken, e<strong>in</strong> ausgefeiltes manipulatives<br />
Handwerk, e<strong>in</strong>e wirkliche Schule des Sehens und<br />
der Wahrnehmungsforschung. Das Vorstellungsvermögen<br />
der Zusehenden verändert sich an diesen<br />
„Schaubühnen“ sehr – und zwar im Kontext von<br />
Sprache. Sie hätten aber nicht diese Fasz<strong>in</strong>ationskraft,<br />
wenn nicht Sprachkunstwerke ausgestellt<br />
würden und Bild und Sprache sich verb<strong>in</strong>den würden.<br />
Fabelhafte, fantastische, nicht alltägliche Räume<br />
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Szenografie und Ausstellungsraum<br />
entstehen, die den Betrachter emotionalisieren und<br />
ihm Reflexionen und Er<strong>in</strong>nerungen verschaffen wollen,<br />
visuelle E<strong>in</strong>drücke geben, die mit den auditiven<br />
zusammen e<strong>in</strong>e unauflösliche Verb<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>gehen.<br />
E<strong>in</strong>e Konvention des Sehens <strong>in</strong> diese Schaukästen<br />
entwickelt sich, die bis heutige tradiert wird, <strong>in</strong> diese<br />
noch nicht ganz schwarzen Boxen, <strong>in</strong> die man mit<br />
Erwartung und Erfüllungslust h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sieht. Die Zeit-<br />
Raum-Kunst Theater entwickelt sich.<br />
Mit diesen Wirkungsmechanismen – Bewegung,<br />
Cadrierung des Blicks und Lichtführung – hat Ausstellungsarchitektur<br />
gleichermaßen zu tun.<br />
Auch wenn diese Mittel e<strong>in</strong>en anderen Zweck verfolgen,<br />
sche<strong>in</strong>t ihr Ursprung mit dem Theaterbesuch<br />
verknüpft.<br />
Diese szenografischen Erf<strong>in</strong>dungen des Barock<br />
waren ziemlich haltbar, im 18. und 19. Jahrhundert<br />
haben sie sich konsolidiert und immer weiter konventionalisiert,<br />
bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert, bis h<strong>in</strong><br />
zu der Tatsache, dass sogar noch 1997 e<strong>in</strong> Theaterneubau<br />
<strong>in</strong> Hof entstehen konnte, der das Barockmodell<br />
weitgehend modifiziert, ja wiederholt – und<br />
vollkommen un<strong>in</strong>novativ zitiert. Die architektonische<br />
Konvention der Theaterbauten reicht also bis heute,<br />
heißt Stadt- oder Staatstheater und ist das, was die<br />
meisten jungen Szenografen hassen und zutiefst<br />
verachten, oft ohne zu realisieren, wie fundamental<br />
diese Wirkungsweisen von Raum und Bewegung,<br />
Portal/Bildausschnitt und manipulativer Lichttechnik<br />
Film, Video und auch Architektur bee<strong>in</strong>flusst haben.<br />
Blicks abschaffen!<br />
So fängt der szenische Raum an, sich durch die<br />
sich mobilisierenden Zuschauer komplett zu bewegen<br />
oder zu verselbständigen, und der Raum gew<strong>in</strong>nt<br />
e<strong>in</strong>en skulpturalen Aspekt. Die Keimzelle dafür liegt<br />
<strong>in</strong> Hellerau bei Dresden.<br />
Die bahnbrechende Idee dort war, e<strong>in</strong> architektonisches<br />
Gehäuse zu erf<strong>in</strong>den für die rhythmischen<br />
Körperübungen des Tanztheoretikers Emile Jaques-<br />
Dalcroze – das Festspielhaus Hellerau wird vom Architekten<br />
He<strong>in</strong>rich Tessenow 1911 um dessen Ideen<br />
herum gebaut.<br />
Bahnbrechend waren der ungerichtete Raum, die<br />
Abschaffung des Portals und e<strong>in</strong> komplett dimmbarer<br />
Lichtraum – e<strong>in</strong> szenischer Ausstellungsraum, der<br />
gleichermaßen Black Box und White Cube ist.<br />
Der Innenraum ist gänzlich weiß, und der Raum<br />
hat sogar Fenster.<br />
Der große Saal des Festspielhauses gibt baulich ke<strong>in</strong>e festgelegte<br />
Bespielungsrichtung vor und ist aufgrund se<strong>in</strong>er offenen Struktur<br />
geeignet für vielerlei Nutzung – Performance oder Ausstellung.<br />
Neue Lichttechnik<br />
Aber schon zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts<br />
haben Bildraumerf<strong>in</strong>der diese Konventionen angefangen<br />
zu hassen, s<strong>in</strong>d radikal denkende Szenografen<br />
von ihren roten Plüschsesseln aufgesprungen, haben<br />
dieses zu eng sche<strong>in</strong>ende Sichtprogramm gesprengt<br />
und weiterentwickelt. Sie s<strong>in</strong>d von ihren Sitzen aufgestanden<br />
und forderten: Die Zuschauer sollen sich<br />
gefälligst selbst bewegen! E<strong>in</strong>en eigenen Standpunkt<br />
suchen! Das Multiperspektivische denken! Das<br />
Simultane erf<strong>in</strong>den! Die Diktatur des fokussierten<br />
Ke<strong>in</strong> Portal – viele Portale<br />
Bezeichnenderweise erzeugten diese Wiege der<br />
Avantgarde Künstler aller Abteilungen: Maler wie Kokoschka,<br />
Architekten wie Le Corbusier, Choreograf<strong>in</strong>nen<br />
wie Mary Wigman, Komponisten und Musiker<br />
führten spannendste Streitgespräche <strong>in</strong> wenigen<br />
verdichteten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg.<br />
Danach gab es den Versuch e<strong>in</strong>er Wiederbelebung<br />
und die schnelle Okkupation durch die Nazis,<br />
welche den Ort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kaserne umwandelten. Das<br />
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25
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
blieb sie dann bis zum Mauerfall und zur mühsamen<br />
Rückeroberung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en avantgardistischen Kulturort.<br />
Auch Piscator denkt über e<strong>in</strong> neues Raumverständnis<br />
nach und erf<strong>in</strong>det <strong>in</strong> Mannheim e<strong>in</strong>en mobilen<br />
szenischen Raum, der e<strong>in</strong>e Rundum-Bespielung<br />
ermöglichen soll oder auch e<strong>in</strong>e vis-a-vis Anordnung<br />
zweier Tribünen.<br />
Räumliche Varianten im Piscator-Bau<br />
Der repräsentative Aspekt im Theater wandelt<br />
sich wieder – vom Logenblick im Barocktheater zur<br />
radikalen Frontstellung im Piscator-Bau.<br />
Das Licht bleibt an, der Raum ist nicht mehr<br />
schwarz, <strong>in</strong> Hellerau nicht, <strong>in</strong> Mannheim nicht, der<br />
Zuschauer spiegelt sich entweder <strong>in</strong> sich selbst<br />
beziehungsweise im frontalen Blick des Gegenübers,<br />
er wird e<strong>in</strong>bezogen und macht somit fast selbst mit<br />
als Teil der Spielanordnung. Themen und Geschehen<br />
werden zunehmend „ausgestellt“ – mit Brechts<br />
Verfremdungseffekten steht die Sprache im Zentrum<br />
und auch e<strong>in</strong>e politische Haltung, brisant, gefährlich<br />
(wie <strong>in</strong> der DDR) und von Zensur bedroht. Das Publikum<br />
ist also auf dem Wege, selbst zum Handelnden<br />
zu werden, die Gegenüberstellung des Publikums<br />
bekommt e<strong>in</strong>en appellativen Charakter, Brecht sagt<br />
sozusagen: Ändere die Welt! Das Licht ist aus den<br />
Illusionsmasch<strong>in</strong>en wieder herausgekommen und<br />
setzt Publikum und Spieler unter e<strong>in</strong>e räumliche Bed<strong>in</strong>gung,<br />
stellt das e<strong>in</strong>e wie das andere aus, erhellt im<br />
Grunde beides. E<strong>in</strong>e Arena war schon <strong>in</strong> der Antike<br />
auch e<strong>in</strong> politischer Ort – Gladiatorenkämpfe dienten<br />
nicht nur der Schaulust, sondern waren auch Exekutiv-<br />
und Exekutionsorte, und es gibt kaum (herz)<br />
blutgetränktere Orte als die runde Bodenfläche des<br />
Kolosseums <strong>in</strong> Rom.<br />
So werden die szenischen Räume im Verlauf ihrer<br />
historischen Entwicklung vom re<strong>in</strong>en Spielfeld zum<br />
Verhandlungsraum, zum Reflexionsfeld – Verhältnisse<br />
werden ausgestellt und bei Licht betrachtet. Im Zentrum<br />
aber steht meistens noch der verdichtete Text,<br />
der – immer noch mit Hilfe e<strong>in</strong>es Bildraumes und<br />
e<strong>in</strong>er räumlichen Verhältnissetzung – Zusehenden<br />
„das Nichtvorstellbare sichtbar macht“. Gleichzeitig<br />
gab es schon die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Projektionen<br />
im szenischen Raum. Sobald es Filme gab,<br />
wanderte diese Technik auf die Bühne, bereits vor<br />
fast <strong>10</strong>0 Jahren nunmehr, weil dieses neue Medium<br />
Theaterleute sofort brennend <strong>in</strong>teressiert hat – das<br />
bewegte projizierte Bild und die authentische Realität<br />
des simultan anwesenden Spielers <strong>in</strong>s Verhältnis<br />
zu setzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und e<strong>in</strong>er<br />
trostlosen restaurativen Phase sucht sich das Theater<br />
<strong>in</strong> den späten 60er, 70er und 80er Jahren gleich<br />
ganz andere Räume – Fabrikhallen vor allem, Orte<br />
mit Aura und Geschichte, deutlich nicht repräsentativ,<br />
Experimentierfelder für die Frage: Wie ist das<br />
Publikum positioniert – bei Peter Brook <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arena<br />
(„Carmen“), bei Robert Wilson <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rundumbühne<br />
und e<strong>in</strong>em Publikum, welches auf Drehstühlen sitzt<br />
(„Death Destruction and Detroit“), bei Klaus Grüber<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>szenierten Raumfolge <strong>in</strong> der Salpêtrière<br />
(„Faust“) <strong>in</strong> Paris. Die Kampnagelfabrik <strong>in</strong> Hamburg<br />
bildet diese Suche nach neuen szenisch nutzbaren<br />
Räumen exemplarisch ab. Die Kampnagelfabrik ist<br />
seit ihrer Umnutzung zu Kulturräumen (1981) e<strong>in</strong>e<br />
Institution geworden und quasi museales Zeugnis<br />
dieser Entwicklung.<br />
Die Schaubühne Berl<strong>in</strong> wird ebenfalls Anfang der<br />
1980er Jahre eröffnet als vorläufige Summierung der<br />
neuen Erkenntnisse – als räumlich mobile Avantgardebühne<br />
schlechth<strong>in</strong>, <strong>in</strong>teressanterweise <strong>in</strong> den<br />
Räumen e<strong>in</strong>es umgebauten Lichtspielhauses.<br />
Der Architekt Jürgen Sawade konzipiert mobil<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
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Szenografie und Ausstellungsraum<br />
nutzbare Räume ohne Portalzonen, mit ausgefeilter<br />
Lichttechnik von überallher und e<strong>in</strong>er masch<strong>in</strong>ell<br />
veränderbaren Boden- und Tribünentechnik – so<br />
e<strong>in</strong>e Art baulicher Zwitter von Barockbühne und<br />
Kampnagelfabrik mit allen Zutaten, die für szenische<br />
Umsetzungen jeglicher Art <strong>in</strong> dieser Zeit <strong>in</strong>teressant<br />
schienen.<br />
Die Räume könnten gleichermaßen Ausstellungsräume<br />
se<strong>in</strong> – farblich waschbetongrau, etwas<br />
zwischen Black Box und White Cube.<br />
Ausstellungsraum und szenischer Raum gleichen<br />
sich sche<strong>in</strong>bar an – als e<strong>in</strong>e Art kultureller Nutz- und<br />
Mehrzweckbau? E<strong>in</strong> neues bürgerliches Repräsentationstheater<br />
entsteht <strong>in</strong> den weitgehend schmucklosen<br />
Foyers der neuen Schaubühne, bevor es das<br />
Theaterpublikum auch <strong>in</strong>s komplett Alternative zieht,<br />
<strong>in</strong> staubige Fabrikhallen und Gasgebläsehallen, <strong>in</strong><br />
Stadtraum<strong>in</strong>szenierungen oder Katakomben.<br />
Vor und nach der letzten Jahrhundertwende<br />
entstehen dann vollkommen neue Raumformen für<br />
die szenischen Künste – Publikumsprozessionen zum<br />
Beispiel – das Publikum wandert mit den Spielern mit<br />
von Spielort zu Spielort, <strong>in</strong> ganzen <strong>in</strong>szenierten Häusern,<br />
zum Beispiel <strong>in</strong> der Produktion „End-Spiele-8“<br />
(Samuel Beckett) von Jossi Wieler <strong>in</strong> Basel 1993.<br />
Oder es entstehen Raumskulpturen, die simultan<br />
bespielbare szenische Bühnen bilden, bestehend aus<br />
Live-Acts und Projektionen, rundum begehbar und<br />
betrachtbar vom Publikum, das kommen und gehen<br />
kann, wie es will – ganz wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung.<br />
„Das Büro“. Performatives Installationsprojekt von Beatrix von<br />
Pilgrim und Tilman Raabke, geplant für Kampnagel, Hamburg 2008<br />
Und es entstehen mit diesem neuen Raumverständnis<br />
neue Erzählstrukturen.<br />
Walter Benjam<strong>in</strong> sieht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Passagen-Werk<br />
e<strong>in</strong>e Analogie zwischen der Erzeugung e<strong>in</strong>es narrativen<br />
Werkes und der Bewegung des Betrachters.<br />
Die Vorwärtsbewegung des Flaneurs durch die<br />
Straßen e<strong>in</strong>er Stadt vergleicht er mit der Erzeugung<br />
e<strong>in</strong>es Filmes. Roland Barthes bezieht sich als Semiotiker<br />
auf Victor Hugo und sieht den Fußgänger <strong>in</strong> der<br />
Stadt als e<strong>in</strong>en Leser, der die Stadt im Fortlauf der<br />
Fortbewegung entziffert – die Stadt ist demnach wie<br />
e<strong>in</strong>e Schrift und jemand, der sich <strong>in</strong> ihr bewegt, ihr<br />
Leser.<br />
Szenografie entspräche somit dem Lesen e<strong>in</strong>er<br />
Stadt als Schrift, der fiktionale narrative Charakter<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Text der Erzählung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em räumlichen<br />
Kont<strong>in</strong>uum.<br />
Michel de Certeau bef<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der Kunst des Handelns,<br />
dass der Akt des Gehens für das urbane System<br />
das ist, was die Äußerung, was der Sprechakt für<br />
die Sprache oder für die formulierte Aussage ist.<br />
Fährt man im Auto <strong>in</strong> Las Vegas über den berühmten<br />
„Strip“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz bestimmen Geschw<strong>in</strong>digkeit,<br />
ziehen die bl<strong>in</strong>kenden Häuserfassaden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise<br />
an e<strong>in</strong>em vorbei, die offensichtlich macht, dass ihre<br />
räumlich Anordnung und ihr Aufe<strong>in</strong>anderbezogense<strong>in</strong><br />
sich ausschließlich dem fahrenden, also selbst sich<br />
bewegenden Zuschauer erschließt. Als Zuschauer<br />
auf dem Boden sieht man diese genau geplante Anordnung<br />
schlicht nicht – e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drückliches und wunderbares<br />
Beispiel von Architektur als Film, welcher<br />
sich dem Betrachter „frame“ für „frame“ erschließt.<br />
So sieht man wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „stop-motion-film“, was<br />
für e<strong>in</strong>en gerahmt wurde. Diese Wahrnehmung des<br />
sich selbst bewegenden Zuschauers zu kalkulieren<br />
hat die szenischen Künste bee<strong>in</strong>flusst und wohl auch<br />
die Ausstellungsmacher: Früher sah man gerahmte<br />
Bilder, heute läuft der Besucher quasi im gerahmten<br />
Ausstellungsraum herum. Heute ist der Rahmen das<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
27
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
räumliche Display selbst, und das Kunstwerk ist zum<br />
Handelnden geworden – es spricht selbst und korrespondiert<br />
mit se<strong>in</strong>em Nachbarn, und man kann sich<br />
dazu verhalten oder nicht, und nicht zuletzt wird der<br />
Besucher selbst ausgestellt.<br />
Die Absicht ist deutlich, den Zuschauer zum Handelnden<br />
zu machen, und die Räume handeln bisweilen<br />
selbst bis h<strong>in</strong> zur mechanisch-digitalen Variante<br />
des Track<strong>in</strong>gs, bei der die Zuschauerbewegungen<br />
die Bildräume animieren. Man sieht, es s<strong>in</strong>d sehr<br />
ähnliche Fragen, die sich e<strong>in</strong> Ausstellungsmacher<br />
stellt. In jedem Fall bleiben es <strong>in</strong>szenierte Räume.<br />
Wie ist der Zuschauer positioniert, oder – wie soll<br />
er laufen? Was soll er sehen und wie soll er das Objekt,<br />
die Figur sehen – das Portal, der Bildausschnitt,<br />
die Sichtachse, die Lichtführung – Szenografen<br />
kalkulieren sowohl im Ausstellungsraum wie im szenischen<br />
oder performativen Raum und beantworten<br />
die gleichen Fragen.<br />
Das Verhältnis Szenografie und Ausstellungsraum<br />
kann aber auch aus e<strong>in</strong>em anderen Blickw<strong>in</strong>kel<br />
untersucht werden. Benötigt man e<strong>in</strong>e durchdachte<br />
Szenografie für e<strong>in</strong>e gute Ausstellung oder erzeugt<br />
jede dramaturgisch und räumlich gut konzipierte<br />
Ausstellungsarchitektur quasi automatisch e<strong>in</strong>e<br />
gelungene Szenografie? Dazu muss entschieden<br />
werden, wie man Szenografie grundsätzlich auffassen<br />
will, ob man Szenografie als Technik oder als<br />
Kunst begreift.<br />
Für die Diskussion dieses Themas hier ist die<br />
Unterscheidung wichtig.<br />
Szenografie als Technik ist <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong> Verfahren,<br />
„das Nichtvorstellbare sichtbar zu machen“ im S<strong>in</strong>ne<br />
von Verdichtung – also – die Ausstellungsarchitektur<br />
ist selbst schon e<strong>in</strong> Teil szenografischer raumbildender<br />
Strategie. Technik kommt aus dem Griechischen<br />
und heißt Gerät, das Verb dazu machen, verfertigen.<br />
Der antike „technä“-Begriff bedeutet aber auch die<br />
wissenschaftliche Bearbeitung der Redekunst, die<br />
Rhetorik, die Grammatik und die Theorie der Dichtkunst<br />
betreffend – und dies ist e<strong>in</strong>e Erweiterung des<br />
nur handwerklichen Begriffes, denn schon ist die<br />
Sprache wieder auf dem Plan.<br />
Die zweite Möglichkeit ist, Szenografie als Kunstform<br />
zu verstehen – wenn man die Arbeiten sehr<br />
szenografisch arbeitender Künstler sieht wie Janet<br />
Cardiff, Aernout Mik oder Ilya Kabakov. Man könnte<br />
also sagen, das s<strong>in</strong>d orig<strong>in</strong>är szenografische Arbeiten,<br />
die ausgestellt werden mittels wiederum szenografisch<br />
def<strong>in</strong>ierter Techniken.<br />
In diesem Vortrag konzentriere ich mich auf<br />
Szenografie als Technik:<br />
- die Führung des Blicks kalkulieren durch Architektur<br />
- den Weg/Rhythmus der Betrachter bee<strong>in</strong>flussen/<br />
lenken<br />
- e<strong>in</strong>e genaue Dramaturgie/Abfolge (e<strong>in</strong>geschlossen<br />
kont<strong>in</strong>gente Phasen oder simultane Ereignisse) mit<br />
Anfang und Ende konzipieren<br />
- e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltlich durchkonzipierte Bezüglichkeit der<br />
e<strong>in</strong>zelnen Stationen/Exponate/Räume<br />
- e<strong>in</strong>e präzise Lichtführung entwickeln<br />
- e<strong>in</strong>e genaue Klangkalkulation suchen (nicht Beschallung<br />
sondern Trittgeräusche etc.)<br />
- die Entscheidung, e<strong>in</strong>e mehr oder weniger erklärende<br />
Metaebene e<strong>in</strong>zuführen mit Text, Sprache,<br />
Übertiteln etc. und wie man diese wahrnimmt<br />
- das Zusammenspiel all dieser mehr oder weniger<br />
manipulativen Wahrnehmungsstrategien<br />
So wie ich szenografischen Raum verstehe – sowohl<br />
<strong>in</strong> der Theaterkunst, vor allem aber bei Performances<br />
und auch bei vielen Raum<strong>in</strong>stallationen –,<br />
würde ich sagen, dass es e<strong>in</strong> zentrales Abhängigkeitsverhältnis<br />
gibt von Raum und Körper. Der Raum<br />
bee<strong>in</strong>flusst den Körper – der Körper bee<strong>in</strong>flusst den<br />
Raum.<br />
In der Inszenierung „Der Weg zum Glück“ von<br />
Ingrid Lausund am Deutschen Schauspielhaus <strong>in</strong><br />
Hamburg (2003) sah man die choreografierte Sprachperformance<br />
von Bernd Moss, der sich <strong>in</strong> Schleifen<br />
und Schlaufen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen leeren Raum bewegt,<br />
der gleichwohl begrenzt, den Klang und das Licht<br />
bestimmt, der dem sich bewegenden Körper se<strong>in</strong>e<br />
Fassung gibt. Aber weder Performances (und hier<br />
nehme ich die Theaterkunst mit dazu) noch Ausstellungen<br />
kreisen um e<strong>in</strong> leeres Thema – sie haben e<strong>in</strong><br />
Zentrum, e<strong>in</strong>en Fokus, e<strong>in</strong>en Gegenstand – sie wollen<br />
<strong>in</strong> dem ihnen zugewiesenen oder zu schaffenden<br />
Raum darstellen oder konzentrieren oder klar machen<br />
oder handeln. Der Kurator sorgt sich um e<strong>in</strong>e<br />
Verdichtung auf se<strong>in</strong>e Weise und sucht nach den<br />
Räumen, die e<strong>in</strong>e angemessene Konzentration liefern.<br />
Das Äquivalent dazu wäre der Inszenator im theatralischen<br />
und performativen Bereich, wobei der Inszenator<br />
auch aus e<strong>in</strong>em Dreigespann aus Regisseur/<br />
Dramaturg/Bühnenbildner bestehen kann oder eben<br />
aus e<strong>in</strong>em Szenografen. Kuratoren wie Inszenatoren<br />
schaffen sprachliche und räumliche Kontexte, wie<br />
es sie noch nie vorher gab. Sie erzeugen kalkulierte<br />
Reflexionen <strong>in</strong> Raumbildfolgen. Die Bewegung im<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
28
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
Raum aber ist essentiell für die Wahrnehmung und<br />
Er<strong>in</strong>nerung des Gesehenen, dabei verb<strong>in</strong>den sich der<br />
Klang der Schritte, das Licht, die Entfernungen, die<br />
ganze Raumwahrnehmung.<br />
Sergej Eisenste<strong>in</strong> sagt, <strong>in</strong> fiktiven Filmarchitekturen<br />
sei das nicht anders. Le Corbusier spricht von<br />
„Promenaden-Architektur“ – beide Künstler beschreiben<br />
die kalkulierte Bildabfolge oder Raumabfolge<br />
als e<strong>in</strong>en Pfad, auf dem man gehen kann. Auguste<br />
Choisy beschreibt im 19. Jahrhundert e<strong>in</strong>en Gang<br />
über die Akropolis als e<strong>in</strong>e genau kalkulierte Abfolge<br />
von Sichtpunkten, e<strong>in</strong> kontrolliertes Arrangement<br />
städtebaulicher Bilder mit präzise berechneten Blickpunkten.<br />
Damit das funktioniert, gibt es, wie man<br />
weiß, variierende Säulenabstände, die ganz gleich<br />
aussehen oder gebogene Treppenstufen, die gerade<br />
wirken, aber eigentlich krumm s<strong>in</strong>d – architektonische<br />
Tricks, die heute noch vorkommen und als kalkulierte<br />
Fehler Computerprogramme zum Verzweifeln<br />
br<strong>in</strong>gen können.<br />
Der Ursprung der Rhetoriklehre liegt bei Qu<strong>in</strong>tilian,<br />
der empfiehlt, sich die e<strong>in</strong>zelnen Kapitel e<strong>in</strong>er Rede<br />
zu merken, <strong>in</strong> dem man sie im Kopf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Räumen<br />
e<strong>in</strong>es Gebäudes verortet und diese dann beim<br />
Reden durchschreitet, um sich so an den Aufbau zu<br />
er<strong>in</strong>nern. All das funktioniert, weil die Bewegungen<br />
der Betrachter genau kalkuliert und erwartbar waren<br />
– und so wurden diese genau untersucht. Auch<br />
Eisenste<strong>in</strong> filtert drei vergleichbare Erkenntnisse im<br />
Vergleich zwischen Film und narratologisch motivierter<br />
Architektur heraus: die wechselnden Blickpunkte<br />
oder der po<strong>in</strong>t of view der Kamerae<strong>in</strong>stellung, die<br />
Abfolge beziehungsweise der Filmschnitt und <strong>in</strong>teressanterweise<br />
die spezifische Geschw<strong>in</strong>digkeit der<br />
Bildfolgen.<br />
Im Buch Fabelhafte Räume von Rödel/Knoop<br />
werden die architektonischen Erzählstrukturen untersucht,<br />
die zwei so verschieden sche<strong>in</strong>ende städtebauliche<br />
Ensembles liefern: das alte Rom und Las<br />
Vegas. So wie das Trajansforum <strong>in</strong> Rom als Abfolge<br />
e<strong>in</strong>er begehbaren Biografie zu verstehen ist, s<strong>in</strong>d<br />
die Raumfolgen der großen Kas<strong>in</strong>os <strong>in</strong> Las Vegas<br />
gedacht und zwar von außen und von <strong>in</strong>nen. Nur<br />
präzise motivierte E<strong>in</strong>zele<strong>in</strong>drücke entwickeln sich zu<br />
e<strong>in</strong>er Story („sett<strong>in</strong>g the story <strong>in</strong> motion“, würde die<br />
Erzähltheorie sagen), zu e<strong>in</strong>em reflektierten S<strong>in</strong>nzusammenhang<br />
oder zu e<strong>in</strong>er verdichteten Ausstellung.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d die Kas<strong>in</strong>os <strong>in</strong> Las Vegas<br />
e<strong>in</strong>e Art Mischung aus Ausstellungsraum und Schaubühne,<br />
gruppiert um Spielfelder, auf denen sich die<br />
Besucher betätigen. Das Interessanteste sche<strong>in</strong>t die<br />
Schnittfolge zu se<strong>in</strong>, um beim Film zu bleiben, denn<br />
im kle<strong>in</strong>sten Bauste<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen provokanten<br />
Verknüpfung, kann die gesamte These aufsche<strong>in</strong>en,<br />
so wie e<strong>in</strong> Filmbild besonders unheimlich wirken<br />
kann, wenn es mit kalkulierter Harmlosigkeit beg<strong>in</strong>nt<br />
und e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen kle<strong>in</strong>en Unregelmäßigkeit, die<br />
das Harmlose stört und das Grauen erzeugt. So<br />
sche<strong>in</strong>t doch das Verhältnis richtig – Szenografie<br />
und Ausstellungsraum, nicht Szenografie im Ausstellungsraum<br />
und auch nicht Szenografie für Ausstellungsraum.<br />
Beide Begriffe s<strong>in</strong>d jeweils Werkzeug des anderen<br />
– beide Betriebsfelder vermischen sich.<br />
Vorläufig zusammenfassend könnte man sagen:<br />
Das Theater stellt zunehmend aus, und bei e<strong>in</strong>igen<br />
Ausstellungen steigt die Neigung zu theatralischen<br />
Inszenierungen.<br />
E<strong>in</strong> gutes Beispiel s<strong>in</strong>d die choreografischen Arbeiten<br />
von Xavier le Roy, welche sich den Strategien<br />
der Performance nähern und der bildenden Kunst.<br />
Szenografen begreifen diese Entwicklung als<br />
Fortschritt. E<strong>in</strong> Beispiel für sehr theatralisierte und<br />
publikumswirksame Ausstellungen s<strong>in</strong>d die Berl<strong>in</strong>er<br />
Ausstellung Sieben Hügel – Bilder und Zeichen des<br />
21. Jahrhunderts im Berl<strong>in</strong>er Mart<strong>in</strong>-Gropius-Bau<br />
(2000) oder die Andy Warhol-Ausstellung, kuratiert<br />
von Eva Meyer-Hermann (Amsterdam, Stockholm e.a.<br />
2008).<br />
Weitere Vermischungen und ähnliche Entwicklungen<br />
beider Betriebssysteme „Szenografie“ und<br />
„Ausstellungsdesign“ s<strong>in</strong>d konstatierbar: Beide entwickeln<br />
gewissermaßen selbstreferentielle Tendenzen.<br />
Szenografie – und hier me<strong>in</strong>e ich die Bühnenraumkunst<br />
– neigt immer mehr dazu, ihre Mittel offenzulegen<br />
– man sieht die „Kulissen“ gleichzeitig von außen<br />
und von <strong>in</strong>nen, genau wie bei den Künstlern Ilya<br />
Kabakov oder Janet Cardiff. Man f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e gewisse<br />
entlarvende Methode bis h<strong>in</strong> zu ironischer Behandlung,<br />
weit ab vom alten Illusionscharakter, die Kulisse<br />
soll als Kulisse wahrgenommen werden.<br />
Ausstellungsarchitektur stellt gelegentlich ganze<br />
Archive aus, Ausstellungen beschäftigen sich mit<br />
dem Ausstellungsmachen als solchem. Die Arbeit<br />
des Museums wird thematisiert und h<strong>in</strong>terfragt.<br />
Die Teilung <strong>in</strong> Depots und Schausammlungen wird<br />
offengelegt. Die forschende Seite der Museen und<br />
Sammlungen wird visualisiert. E<strong>in</strong> gewisses Interesse,<br />
sich um sich selbst zu drehen, ist <strong>in</strong> beiden Abteilungen,<br />
Szenografie und Ausstellungsdesign, zu sehen.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Geme<strong>in</strong>samkeit sche<strong>in</strong>t das Verwenden<br />
erprobter dramaturgisch konzipierter theatralischer<br />
Mittel zu se<strong>in</strong>. Gezielte Werbung erhöht die Vermu-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
29
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
tung und den repräsentativen Wert der Veranstaltung.<br />
Dann wird e<strong>in</strong>e hohe Erwartung etabliert und e<strong>in</strong>e<br />
Verknappung der Möglichkeiten, die Veranstaltung zu<br />
besuchen – es ist ja nicht immer geöffnet. Das Entrée<br />
oder Foyer ist wichtig als Vorstufe zum Eigentlichen<br />
und wichtig für die Repräsentanz. E<strong>in</strong>e Schleuse wird<br />
durchschritten wie e<strong>in</strong> Vorhang, der sich endlich hebt<br />
und der oder die e<strong>in</strong>e zeitliche und räumliche Abtrennung<br />
markiert. Dramaturgisch gesprochen wird<br />
e<strong>in</strong>e Abfolge etabliert – mit Exposition, Erklärung der<br />
Ausgangslage oder E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>s Thema und dann<br />
1. dem Höhepunkt (provokante These/Verwicklung)<br />
zur Spannungserzeugung<br />
2. e<strong>in</strong>er Katastrophe (emotionale Involvierung, Spannungsetablierung)<br />
3. e<strong>in</strong>em Lösungsversuch (Kontextualisierung)<br />
4. dem zweiten Höhepunkt (Erfüllung oder Kippen der<br />
These usw.)<br />
5. e<strong>in</strong>em Schluss – Überraschung – Spiel mit Erwartung/Hoffnung/Erkenntnis<br />
Diese Abfolge basiert auf Bildungslust und<br />
Erkenntnisgew<strong>in</strong>n – und der Absicht und Lust, sich<br />
<strong>in</strong> genau def<strong>in</strong>ierten repräsentativen Räumen zu<br />
bewegen – im Opernfoyer wie <strong>in</strong> den alternativen<br />
<strong>Galerie</strong>räumen mit ihren anderen Dresscodes.<br />
E<strong>in</strong>ander ähnlich s<strong>in</strong>d Szenografie und Ausstellungsraum<br />
auch <strong>in</strong> Bezug auf den Live-Aspekt und<br />
bei der Entstehung kont<strong>in</strong>genter Prozesse – man<br />
weiß nie genau, wie sich die Besucher oder Betrachter<br />
wirklich verhalten werden.<br />
In e<strong>in</strong>em modernen Verständnis von Szenografie<br />
und Ausstellungsdesign s<strong>in</strong>d die Betrachter im<br />
Grunde Mitproduzenten der <strong>in</strong>szenierten Räume<br />
oder der „geschlossenen Gärten“, die der Außenwelt<br />
erst e<strong>in</strong>mal verborgen s<strong>in</strong>d. Die Abgeschlossenheit<br />
ist nötig, um ihre Konzeption der Ausgrenzung des<br />
Alltäglichen zu entfalten.<br />
Frank Rödel beschreibt <strong>in</strong> Fabelhafte Räume –<br />
im Vergleich des alten Rom mit Las Vegas – das<br />
Publikum als Mitproduzenten der szenisch genutzten<br />
Räume, sowohl im alten Rom wie im heutigen Las<br />
Vegas. Die Abschottung, der geschlossene Garten,<br />
das Überschreiten e<strong>in</strong>er bestimmten Schwelle f<strong>in</strong>det<br />
sich auch <strong>in</strong> den Foucaultschen Heterotopien, die<br />
transitorische Räume wie Passagen se<strong>in</strong> können,<br />
aber auch Gefängnisse oder gar Schiffe, Orte, die<br />
den Utopien entgegengesetzt s<strong>in</strong>d. Im Gegensatz zu<br />
Utopien s<strong>in</strong>d Heterotopien tatsächlich existent, s<strong>in</strong>d<br />
wirkliche, wirksame Orte, die <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung der<br />
Gesellschaft h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gezeichnet s<strong>in</strong>d. Zu durchwandernde<br />
Räume, die es nur e<strong>in</strong>e kurze Zeit gibt, bilden<br />
als temporäre Orte e<strong>in</strong>e weitere Geme<strong>in</strong>samkeit.<br />
In der Szenografie sche<strong>in</strong>t das temporäre Element<br />
allerd<strong>in</strong>gs oft noch ephemerer, flüchtiger zu se<strong>in</strong> als<br />
<strong>in</strong> Ausstellungsarchitekturen, doch die potenzielle<br />
Wandelbarkeit der Räume, die man betritt, ist jeweils<br />
spürbar. Wenn sich dann e<strong>in</strong>e Grenze <strong>in</strong> die Außenwelt<br />
öffnet, so wie im Theater manchmal die Tore zur<br />
H<strong>in</strong>terbühne aufgehen und der Blick auf die Straße<br />
geht, auf der Autos vorbeifahren und der Alltag<br />
rauscht, und wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Galerie</strong> e<strong>in</strong> Schaufenster<br />
den Blick nach außen zulässt, so s<strong>in</strong>d das doch<br />
Ausnahmen, die die Regel der Abgeschlossenheit<br />
bestätigen.<br />
„Die Heterotopie vermag an e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Ort<br />
mehrere Räume, mehrere Platzierungen zusammenzulegen,<br />
die an sich unvere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d. So lässt das<br />
Theater auf dem Viereck der Bühne e<strong>in</strong>e ganze Reihe<br />
von e<strong>in</strong>ander fremden Orten aufe<strong>in</strong>ander folgen; so<br />
ist das K<strong>in</strong>o e<strong>in</strong> merkwürdiger viereckiger Saal, <strong>in</strong><br />
dessen H<strong>in</strong>tergrund man e<strong>in</strong>en zweidimensionalen<br />
Schirm e<strong>in</strong>en dreidimensionalen Raum sich projizieren<br />
sieht.“ (Michel Foucault, Heterotopien)<br />
Der Live-Aspekt, das Temporäre, die Abgrenzung<br />
vom Alltäglichen zum Künstlichen und dramaturgische<br />
Wirkungsweisen, die aus dem Theater stammen<br />
und dem Filmgeschäft s<strong>in</strong>d auch zu Handlungsstrategien<br />
im Ausstellungsdesign geworden. Performative<br />
Räume haben sich oft <strong>in</strong> White Cubes verwandelt<br />
– Performances f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>Galerie</strong>n statt.<br />
Die „Handwerkszeuge“, die Überlegungen für e<strong>in</strong>e<br />
Konzeption bei Szenografen und bei Ausstellungsmachern<br />
ähneln sich.<br />
Sie stammen aus den Kognitionswissenschaften,<br />
der Soziologie, aus dem Bereich der Philosophie, aus<br />
dem Bereich der Film- und Architekturwissenschaft<br />
und vor allem der Theaterwissenschaft.<br />
Ich plädiere für e<strong>in</strong>en subtilen, unspektakulären<br />
szenografischen Umgang mit Ausstellungsarchitekturen.<br />
Und ich plädiere für e<strong>in</strong>e dem jeweiligen<br />
Ort gerecht werdende Architektur des Sehens – für<br />
dieses Theater, für diese <strong>Galerie</strong>, für diese Stadt, für<br />
diese Gesellschaft und e<strong>in</strong>e dem Gegenstand sich<br />
verpflichtende Form, e<strong>in</strong>e Haltung, so wie e<strong>in</strong> Regisseur<br />
e<strong>in</strong>e Haltung f<strong>in</strong>den muss zu dem Inhalt dessen,<br />
was er <strong>in</strong>szeniert.<br />
Szenografie ist e<strong>in</strong> eigenständiges Fach. Szenografie<br />
ist Ausstellungsraum. Oder e<strong>in</strong>e kuratorische<br />
Strategie, <strong>in</strong> Ausstellungen das Nichtvorstellbare<br />
sichtbar zu machen.<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
30
Szenografie und Ausstellungsraum<br />
Zeichnungen:<br />
Beatrix von Pilgrim<br />
Bücher:<br />
Roland Barthes: Das semiologische Abenteuer, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1988<br />
Walter Benjam<strong>in</strong>: Gesammelte Schriften. Band V1. Das Passagenwerk. Hg.:<br />
Rolf Tiedemann. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1982<br />
Auguste Choisy: Histoire de L’Architecture. Band 1. Paris 1899<br />
Michel de Certeau: Die Kunst des Handelns. Berl<strong>in</strong> 1988<br />
Michel Foucault: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
2005<br />
Alexander Knoop, Frank Rödl: Fabelhafte Räume. Die Narrativität der Architektur<br />
im antiken Rom und <strong>in</strong> Las Vegas. Saarbrücken 2007 (Diss.)<br />
Niccola Sabbat<strong>in</strong>i: Di fabricar scene e mach<strong>in</strong>e ne`teatri. Weimar 1926<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
31
CURATORIAL<br />
DESIGN<br />
Wilfried Kuehn<br />
Curatorial Design ist ke<strong>in</strong> gängiger Begriff – es<br />
gibt ihn eigentlich nicht. Es gibt Kuratoren und Designer,<br />
die jedoch völlig unterschiedliche Persönlichkeiten<br />
s<strong>in</strong>d: Kuratoren s<strong>in</strong>d meistens Kunsthistoriker,<br />
die viel von ihren wissenschaftlichen Gegenständen<br />
verstehen; Ausstellungsdesigner s<strong>in</strong>d Praktiker, die<br />
Räume konzipieren – wenig Geme<strong>in</strong>samkeiten zunächst.<br />
Dass sich Curatorial Design nicht <strong>in</strong>nerhalb<br />
der beiden Diszipl<strong>in</strong>en, sondern <strong>in</strong> ihrem Zwischenraum<br />
ereignet, birgt e<strong>in</strong>en wesentlichen Ansatz, der<br />
für Lehre und Praxis unserer Arbeit als Ausstellungsmacher<br />
wichtig ersche<strong>in</strong>t. Geme<strong>in</strong>sam arbeiten<br />
Kuratoren und Architekten im Team, wobei sich im<br />
H<strong>in</strong>blick auf das Ergebnis der Arbeit ke<strong>in</strong>er ohne den<br />
anderen betätigen kann. Kommen auch Künstler h<strong>in</strong>zu,<br />
kann e<strong>in</strong> Panorama aufgespannt werden, <strong>in</strong> dem<br />
die Diszipl<strong>in</strong>en sich tatsächlich ergänzen und etwas<br />
Drittes, Anderes erzeugen, das dann Curatorial<br />
Design se<strong>in</strong> kann. Ausstellungen folgen immer mehr<br />
diesem Ansatz: Sie s<strong>in</strong>d nicht mehr alle<strong>in</strong> kunsthistorisch<br />
kuratiert, sie s<strong>in</strong>d auch nicht ausschließlich<br />
von Künstlern im künstlerischen Raum geschaffen,<br />
und sie s<strong>in</strong>d natürlich ebenso wenig re<strong>in</strong> räumlicharchitektonische<br />
Werke.<br />
Vielmehr entstehen Ausstellungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hybridform,<br />
und zwar von e<strong>in</strong>em relativ frühen Zeitpunkt<br />
an. Die Zusammenarbeit, die wir als Architekten mit<br />
Kuratoren erleben, verlagert sich zunehmend <strong>in</strong> die<br />
frühen Projektphasen, was den Zeitraum der geme<strong>in</strong>samen<br />
Entwicklung vergrößert und uns Architekten<br />
durch Entwicklung des Raummodells der Ausstellung<br />
auch häufig Teilhabe an Entscheidungen kuratorischer<br />
Art gibt. E<strong>in</strong>e fertige Werkliste ist nicht immer<br />
die Voraussetzung e<strong>in</strong>es Ausstellungsentwurfs,<br />
obgleich es der pragmatische und häufig genutzte<br />
Ansatz ist. Die Tendenz, dass die Zusammenarbeit<br />
tatsächlich zu neuen gegenseitigen Bee<strong>in</strong>flussungen<br />
führt, ist deutlich erkennbar und birgt die Möglichkeit<br />
des Curatorial Design als Ergebnis e<strong>in</strong>er kuratorisch-architektonischen<br />
Zusammenarbeit.<br />
Die Zeitschrift Displayer ist e<strong>in</strong>e Publikation, die<br />
ich geme<strong>in</strong>sam mit der Kurator<strong>in</strong> Doreen Mende<br />
an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe vor<br />
sechs Jahren gegründet habe und seitdem herausgebe.<br />
In dieser Zeitschrift wurde mit Studenten<br />
aus verschiedenen Theorie- und Praxisfächern e<strong>in</strong>e<br />
Versuchsanordnung geschaffen, <strong>in</strong> der Fragen zum<br />
Curatorial Design gestellt werden. Künstler, Architekten,<br />
Kuratoren, Kunstwissenschaftler und Theoretiker<br />
laden wir zu Workshops e<strong>in</strong>, führen Interviews<br />
mit ihnen, besuchen sie und diskutieren mit ihnen<br />
über das Ausstellen. Als Ergebnis geben wir e<strong>in</strong>mal<br />
im Jahr die editierten Orig<strong>in</strong>albeiträge heraus. Das<br />
zugrunde liegende Konzept ist es, nicht journalistisch,<br />
sondern gleich e<strong>in</strong>er Ausstellung kuratorisch sowie<br />
gestalterisch tätig zu werden, <strong>in</strong>dem die Zeitschrift<br />
auch ihr Format wie e<strong>in</strong> Ausstellungsdesign ständig<br />
weiterentwickelt. Die Idee ist, dass Studenten die<br />
Beiträge im Displayer editieren und ausstellen. Es<br />
geht nicht darum, über etwas zu berichten, sondern<br />
e<strong>in</strong>e Plattform zu schaffen. Dabei ist es mir sehr<br />
wichtig, diese Publikation als Teil e<strong>in</strong>er Lehraktivität<br />
aufzufassen. Dies ist ke<strong>in</strong>e Aktivität, <strong>in</strong> der ich Inhalte<br />
vermitteln kann, die ich schon kenne, sondern e<strong>in</strong>e<br />
Aktivität des geme<strong>in</strong>samen Erarbeitens von Inhalten,<br />
Veranstaltungen, Ausstellungen.<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
32
Curatorial Design<br />
White Cube<br />
Es kann sich lohnen, Genealogien oder Bewegungen<br />
zu suchen, die als Ideen zum White Cube führen.<br />
Vielleicht haben diese vorerst gar nicht so viel mit<br />
dem Museum an sich zu tun.<br />
E<strong>in</strong> typisches Künstleratelier im Paris des 19.<br />
Jahrhunderts ist jenes von Eugène Gerault 1 : zenitales<br />
Oberlicht, viele Bilder sowie auch andere D<strong>in</strong>ge<br />
an der Wand und Felle auf dem Boden. Gleichsam<br />
Leben und Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em. Man sieht auf Geraults<br />
Bild se<strong>in</strong>es Ateliers sogar e<strong>in</strong>e Gesellschaft von<br />
Menschen, die sich dort aufhält und mite<strong>in</strong>ander<br />
redet. Es ist ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Arbeitssituation, wie man<br />
sie sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Handwerkeratelier vorstellt. Das<br />
Künstleratelier ist e<strong>in</strong> Ort, an dem man sich trifft, wo<br />
man auch wohnt – und wo man ausstellt. Sicherlich<br />
ist dieser Raum ke<strong>in</strong> White Cube, aber er be<strong>in</strong>haltet<br />
die Voraussetzungen für jenen Ort, den e<strong>in</strong>e Skizze<br />
von Le Corbusier aus den 1920er Jahren zeigt 2 . In<br />
se<strong>in</strong>er Zeichnung gibt Le Corbusier im Grunde genau<br />
das Atelier von Gerault wieder, jedoch bere<strong>in</strong>igt von<br />
den Gegenständen. Es fehlen die Felle, die Bilder an<br />
der Wand und die farbigen Tapeten, aber mit dem<br />
zenitalen Oberlicht, mit der Wohnsituation und e<strong>in</strong>em<br />
Künstler bei der Arbeit an der Staffelei. Es wird genauso<br />
gelebt, nur s<strong>in</strong>d Farbe und Ausstattung elim<strong>in</strong>iert<br />
– <strong>in</strong> nuce e<strong>in</strong> White Cube, der wie e<strong>in</strong> gestrippter<br />
Atelierraum des 19. Jahrhunderts aussieht. Es ist<br />
nichts dazugekommen, es hat sich nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />
etwas verändert, es ist nur etwas weggenommen<br />
worden.<br />
In dem Projekt von Le Corbusier 3 , das er für se<strong>in</strong>en<br />
Freund und Künstler Amedée Ozenfant <strong>in</strong> Paris<br />
ab 1922 entworfen und verwirklicht hat, ist das Atelier<br />
nun real e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er White Cube geworden – wirklich<br />
kubisch, wirklich weiß, mit zenitalem Oberlicht und<br />
wieder auch das Leben und Arbeiten vere<strong>in</strong>end. In<br />
der Lichtführung, <strong>in</strong> der Idee des Weißen und des<br />
Leergeräumten und <strong>in</strong> der Idee des Generischen<br />
liegt hier der moderne Museumsraum als Modell vor.<br />
Das Bild h<strong>in</strong>ten hängt e<strong>in</strong>fach an der Wand, es hat<br />
ke<strong>in</strong>en Rahmen und bedarf auch ke<strong>in</strong>es Rahmens<br />
mehr, denn der ganze Raum hat nun diese Funktion:<br />
Er stellt aus.<br />
Im Äußeren ist <strong>in</strong>teressanterweise zu beobachten,<br />
dass das Atelierhaus wie e<strong>in</strong> Modell oder gar<br />
e<strong>in</strong> Modul aussieht. Theoretisch könnte aus diesem<br />
Stück Atelier auch e<strong>in</strong> ganzes Museum realisiert<br />
werden, gleich e<strong>in</strong>er mit Sheddächern ausgestatteten<br />
Industriehalle. Aber ebenso e<strong>in</strong> Stück Ausstellungsraum,<br />
denn der moderne Ausstellungsraum orientiert<br />
sich nicht nur an den Wunderkammern, nicht nur<br />
an den Schatzhäusern und musealen Sammlungen,<br />
sondern viel eher am Produktionsraum der Kunst,<br />
also an e<strong>in</strong>em künstlerischen Studio wie dem eben<br />
vorgestellten. Vergleichen wir dieses mit den Räumen,<br />
die wir als Kunstvere<strong>in</strong>e oder privat sowie öffentlich<br />
betriebene Lofts wahrnehmen, so s<strong>in</strong>d selbst zu den<br />
Museen ke<strong>in</strong>e markanten Unterschiede auszumachen.<br />
Wir sehen denselben generischen, Sheddach<br />
gedeckten und zenital belichteten offenen Raum. So<br />
wurde auch Donald Judds Loft <strong>in</strong> der Spr<strong>in</strong>g Street<br />
<strong>in</strong> New York paradigmatisch zum nahtlosen Lebensund<br />
Ausstellungsraum.<br />
Durch Spr<strong>in</strong>g Street, New York und Marfa, Texas 4<br />
sehen wir <strong>in</strong> Donald Judd die Figur, die die Idee des<br />
Loftgebäudes wie der Industriehalle als Ort der Produktion<br />
und Präsentation von Kunst etabliert. Auch<br />
hier s<strong>in</strong>d wieder das künstlerische Arbeiten und die<br />
Idee des Studios als Ausgangspunkte zu erkennen.<br />
Spätestens mit der Industriehalle stellt sich die Frage,<br />
ob der White Cube so etwas wie die Idee e<strong>in</strong>es Raumes<br />
ist, der reduziert und so e<strong>in</strong>fach geworden ist,<br />
dass er nunmehr ke<strong>in</strong>e Verkleidung und Auskleidung<br />
hat. Er ist so e<strong>in</strong>fach geworden, dass wir schon wieder<br />
<strong>in</strong> ihm produzieren können, da er uns ke<strong>in</strong>e Vorgaben<br />
macht. Der moderne Ausstellungsraum basiert<br />
<strong>in</strong> diesem Fall auf der Idee des Weglassens sowie auf<br />
dem Verlangen, sich von der Ausstattung zu befreien.<br />
Im Zusammenhang mit dem Sichtbeton <strong>in</strong> Marfa<br />
oder <strong>in</strong> Peter Zumthors Kunsthaus Bregenz sehen<br />
wir auch, dass der White Cube nicht weiß se<strong>in</strong> muss,<br />
denn der Sichtbeton kann erneut als Stripvorgang<br />
bewertet werden: Während Le Corbusier die grünen<br />
Tapeten weggelassen hat, wird jetzt <strong>in</strong> Bregenz auch<br />
noch das Weiß, also die normale weiße Spachtelung<br />
und Wandfarbe auf Beton, weggelassen. Nur noch<br />
den Sichtbeton zu belassen ist zugleich die Idee, zu<br />
e<strong>in</strong>er Art Rohbau zurückzukehren. Der White Cube<br />
ist <strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht grau geworden.<br />
Retrospektiv zeichnet sich e<strong>in</strong>e frühe Form von<br />
Curatorial Design im Klimt-Saal auf der Wiener<br />
Kunstschau von 1908 ab (Abb. 1). In der <strong>in</strong>tensiven<br />
Zeit der Wiener Secession trat Gustav Klimt <strong>in</strong><br />
sehr enger Zusammenarbeit mit dem Architekten<br />
Josef Hoffmann zugleich als Künstler wie Kurator der<br />
Kunstschau auf. Insbesondere ist hier das <strong>in</strong>novative<br />
Zusammenspiel von künstlerischem, kuratorischem<br />
und architektonischem Arbeiten von großem Interesse.<br />
Es ist von dem damaligen Kritiker Richard<br />
Muther die Bemerkung überliefert, dass die Wiener<br />
Kunstschau e<strong>in</strong>e Ausstellung sei, „die gar nicht<br />
wie e<strong>in</strong>e Ausstellung, wie e<strong>in</strong>e öde Ane<strong>in</strong>anderreihung<br />
von Kunstwerken, sondern wie e<strong>in</strong> Fest, wie<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
33
Curatorial Design<br />
e<strong>in</strong> Stück schönheitsverklärten Lebens anmutet.“ 5<br />
E<strong>in</strong>e Ausstellung, die gar nicht wie e<strong>in</strong>e Ausstellung<br />
aussah, wurde für gut befunden, da e<strong>in</strong>e Ausstellung,<br />
die wie e<strong>in</strong>e Ausstellung aussah, offenbar öde war.<br />
Es zeigt, dass Ausstellungen 1908 nicht <strong>in</strong>teressant<br />
waren, und dass die Ausstellung, die wir heute mit<br />
diesem Begriff me<strong>in</strong>en, offenbar erst danach entstand.<br />
Glichen die Ausstellungen zuvor mehr e<strong>in</strong>em<br />
Salon, e<strong>in</strong>em dicht gehängten Verkaufsraum, wird <strong>in</strong><br />
der Kunstschau jetzt der Versuch unternommen, aus<br />
der Ausstellung selbst e<strong>in</strong> Kunstwerk zu machen. Im<br />
Zusammenwirken von Architekt und Künstler, wobei<br />
dieser zugleich auch Kurator für se<strong>in</strong>e weiteren<br />
befreundeten Künstler ist, entsteht e<strong>in</strong> neuer Ausstellungsraum.<br />
Die Wände s<strong>in</strong>d – typisch für Josef Hoffmann<br />
und typisch für die Wiener Secession – übersät<br />
mit Ornamenten. Es ist der Versuch, die weißen<br />
oder hellgrauen Wände nicht neutral ersche<strong>in</strong>en zu<br />
lassen, sondern sie vielmehr zu e<strong>in</strong>em Bildträger und<br />
Bildrahmen mit eigener Ornamentik zu machen. Als<br />
Ergebnis dessen verschwimmen H<strong>in</strong>ter- und Vordergrundverhältnisse;<br />
Bild und Wand wirken vere<strong>in</strong>t und<br />
die Wände s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutig nicht mehr nur H<strong>in</strong>tergrund.<br />
Die Idee der Figur-Grund-Relation tritt hier zugunsten<br />
e<strong>in</strong>er Synergieidee von Werken und Raum zurück, wir<br />
sehen e<strong>in</strong>e Oszillation zwischen Display und Exponat,<br />
die zu neuen Formen der Autorschaft führen könnte.<br />
Alexander Dorner lässt 1925 im Prov<strong>in</strong>zialmuseum<br />
Hannover das Kab<strong>in</strong>ett der Abstrakten von El<br />
Lissitzky e<strong>in</strong>richten (siehe dazu Abb. 2 im Beitrag<br />
von Charlotte Klonk). Letzterer ist e<strong>in</strong>er der ersten<br />
bewussten Ausstellungsdesigner. Das Thema der<br />
Ausstellung nimmt er dabei so ernst, dass er speziell<br />
an diesem Thema arbeitet und es nicht nur als<br />
Nebeneffekt se<strong>in</strong>er sonstigen Praxis als Designer<br />
und Künstler sieht. El Lissitzky schafft das Kab<strong>in</strong>ett<br />
der Abstrakten für die Präsentation der Bilder<br />
se<strong>in</strong>er konstruktiven und abstrakten Künstlerkollegen.<br />
Dabei versucht er e<strong>in</strong>en Raum zu schaffen, der nicht<br />
neutral ist, sondern der mit der Kunst e<strong>in</strong>e Relation<br />
e<strong>in</strong>geht und vor allem aber den Betrachter aktiviert:<br />
In diesem Fall geht es entscheidend darum, dass der<br />
Betrachter sich bewegt.<br />
Denn mit der räumlichen Bewegung verändert<br />
sich die Wahrnehmung der Wände, die aus Lamellen<br />
bestehen, die wiederum e<strong>in</strong>e tiefere und e<strong>in</strong>e vordere<br />
Farbe haben. So kann die Wand entweder als weiß,<br />
grau oder schwarz wahrgenommen werden. Die<br />
Bewegung des Betrachters wird jetzt zum entscheidenden<br />
Kriterium – er wird Teil der Komposition und<br />
somit auch Teil der Architektur. Diese ist nicht mehr<br />
statisch, von nur e<strong>in</strong>em Punkt aus zu betrachten, sie<br />
ist tatsächlich als Bewegung und somit als Parcours<br />
gedacht, aber nicht als e<strong>in</strong> berechneter, sondern<br />
als e<strong>in</strong> sich für jeden Besucher anders darstellender.<br />
Diese Idee des aktiven Besuchers und der Kunst, die<br />
hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wechsel- und auch Spannungsverhältnis<br />
zum Raum steht, ist e<strong>in</strong>e entscheidende Vorgabe<br />
für die Ausstellung, die wir im weiteren Verlauf der<br />
Moderne und Nachkriegsmoderne immer mehr als<br />
autonome Form erleben.<br />
In der heutigen Rekonstruktion des Kab<strong>in</strong>ett der<br />
Abstrakten im Sprengel Museum Hannover s<strong>in</strong>d<br />
die Bilder nicht mehr jene von 1925. Andere Arbeiten<br />
derselben Künstler s<strong>in</strong>d jetzt hier und es zeigt sich,<br />
dass das Display unabhängig vom ausgestellten Bild<br />
Teil der Ausstellung geworden ist und selbst Werkcharakter<br />
angenommen hat.<br />
In den 1950er Jahren beschäftigt sich <strong>in</strong> London<br />
die Independent Group noch e<strong>in</strong>mal von e<strong>in</strong>er<br />
anderen Seite mit dem Zusammentreffen von Kunst<br />
und Architektur <strong>in</strong> der Ausstellung und stellt dabei<br />
e<strong>in</strong>e Raumcollage vor. Mit der Ausstellung Parallel<br />
of Life and Art von 1953 (Abb. 2), aber auch mit der<br />
späteren Ausstellung This is Tomorrow wird die<br />
Möglichkeit untersucht, unter Beteiligung von Architekten,<br />
Bildhauern, Malern und Fotografen sowie<br />
Theoretikern als Ko-Autoren Ausstellungen zu machen,<br />
bei denen nicht mehr genau trennbar ist, wer<br />
ab wann für die Autorschaft verantwortlich zeichnet.<br />
In dieser Zeit haben zum Beispiel Richard Hamilton,<br />
Eduardo Paolozzi, Nigel Henderson, James Stirl<strong>in</strong>g,<br />
Alison & Peter Smithson, Lawrence Alloway und<br />
andere mitgearbeitet. In der genauen Betrachtung<br />
der Ausstellungen wird sehr gut erkennbar, welches<br />
Potential sich aus dem Begriff der Installation für<br />
das Curatorial Design heute schöpfen lässt. Diese<br />
Ausstellungen zeigen zudem, dass nunmehr das<br />
Ausgestellte nicht mehr unbed<strong>in</strong>gt orig<strong>in</strong>ales Material<br />
se<strong>in</strong> muss. Wir sehen Kopien und an die Wand oder<br />
sogar an die Decke gep<strong>in</strong>nte Bilder, die nicht Kunstwerke<br />
s<strong>in</strong>d (Abb. 2). Es geht um das Entstehen e<strong>in</strong>er<br />
Raumwirkung, e<strong>in</strong>er Installation, die erst vollständig<br />
wahrgenommen werden kann, wenn der Besucher<br />
vorab mitgedacht wurde und wenn er zudem die<br />
Installation tatsächlich auch aufsucht und wahrnimmt.<br />
Er wird wieder zum Teilnehmer, beziehungsweise zu<br />
e<strong>in</strong>er Art Nutzer.<br />
Doch was bedeutet es, wenn der Besucher selbst<br />
nicht mehr nur als Besucher, sondern nun als Nutzer<br />
gedacht wird? Was heißt das im S<strong>in</strong>ne unserer heutigen<br />
Vorstellung von Design, wenn die Ausstellung um<br />
die Idee der Nutzbarkeit erweitert wird, aber nicht im<br />
S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er programmatischen Vere<strong>in</strong>fachung, son-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
34
Curatorial Design<br />
dern im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er komplexen Involviertheit?<br />
Anhand von Projekten aus me<strong>in</strong>er Praxis sowohl<br />
als Architekt mit me<strong>in</strong>em Büro als auch als Lehrender<br />
mit den Studenten und Partnern an der Hochschule<br />
für Gestaltung möchte ich Ihnen weitere Gedanken<br />
zum Ausstellen und Curatorial Design erläutern.<br />
Die vorzustellenden Projekte resultieren dabei aus<br />
unterschiedlichen Auftraggeberverhältnissen und<br />
haben dementsprechend anders gewichtete Themenschwerpunkte,<br />
auf die ich e<strong>in</strong>gehen werde.<br />
Documenta 11<br />
Kassel 2002<br />
Vor nunmehr elf Jahren wurden wir <strong>in</strong> Kassel<br />
e<strong>in</strong>geladen, am Wettbewerb für die Documenta 11<br />
teilzunehmen. Zum ersten Brief<strong>in</strong>g von Okwui Enwezor<br />
waren allerd<strong>in</strong>gs weder die Namen der Künstler<br />
bekannt noch gab es Anweisungen, wie groß oder<br />
welcher Art die Räume überhaupt se<strong>in</strong> sollten. Die<br />
ausschließliche Überlegung sah vor, dass alle Räume<br />
e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>stallativen Charakter haben und diese geme<strong>in</strong>sam<br />
mit den Künstlern entwickelt werden sollten.<br />
Der Wettbewerb hatte dabei nur die Vorgabe, diesen<br />
Prozess <strong>in</strong> Gang zu br<strong>in</strong>gen. Zur Umsetzung stand<br />
uns die B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g Brauerei, e<strong>in</strong>e Industriehalle von<br />
etwa 6000 m 2 , am Rande der Stadt zur Verfügung.<br />
Die Abbildung zeigt den Ausgangszustand der<br />
Planungsgrundlage (Abb. 3), über die wir allerd<strong>in</strong>gs<br />
zu Beg<strong>in</strong>n noch sehr wenig wussten. Die Planungen<br />
sollten aber letztendlich def<strong>in</strong>iert genug se<strong>in</strong>, um<br />
eben jenen gewollten <strong>in</strong>tegrativen Prozess <strong>in</strong> Gang zu<br />
setzen. Wir entschieden uns, die Bewegung des Besuchers<br />
als Ausgangspunkt zu nehmen, um dadurch<br />
wiederum die Künstlerräume zu generieren. Durch<br />
das langsame Involvieren von Künstlern und Kuratoren<br />
während der Vorbereitungsphase gestalteten sich<br />
dann die tatsächlichen Räume. Zu Beg<strong>in</strong>n war unser<br />
architektonischer Beitrag e<strong>in</strong> gänzlich unarchitektonischer.<br />
Wir hatten eher im S<strong>in</strong>ne von Urbanisten<br />
die Bewegung von Menschen <strong>in</strong> Städten def<strong>in</strong>iert,<br />
wobei es im Unklaren blieb, welche Nutzung, welche<br />
Position oder welche präzisen Architekturen<br />
an welchem präzisen Ort se<strong>in</strong> werden – und somit<br />
für uns die Räume auch noch nicht vorhersehbar<br />
waren. Aufgrund der strukturellen Beschaffenheit des<br />
Bestandsgebäudes sahen wir e<strong>in</strong>e Achse und e<strong>in</strong>en<br />
R<strong>in</strong>g als e<strong>in</strong>e starke Struktur, und def<strong>in</strong>ierten diese<br />
als e<strong>in</strong>e Art Rückgrat. Diese Struktur wird durch e<strong>in</strong><br />
graues Bankelement wie e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierliches Foyer<br />
durch die gesamte Ausstellung gezogen (Abb. 4). Es<br />
beg<strong>in</strong>nt im E<strong>in</strong>gangsbereich und zieht sich durch<br />
die Ausstellung h<strong>in</strong>durch, generiert zum Teil sogar<br />
Freiräume und bildet e<strong>in</strong>en großen Abschluss. Die<br />
Idee, e<strong>in</strong> großes kont<strong>in</strong>uierliches Foyer zu entwerfen,<br />
vergleichbar mit e<strong>in</strong>er Hauptstraße oder e<strong>in</strong>em<br />
R<strong>in</strong>g, folgt e<strong>in</strong>er robusten Struktur der Bewegung, die<br />
e<strong>in</strong>deutig und unabhängig von der Kunst als etwas<br />
gedacht ist, das der übergeordneten Orientierung<br />
geschuldet ist.<br />
In diesen R<strong>in</strong>g beziehungsweise Leerraum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
wurde e<strong>in</strong> Feld von Ausstellungsräumen e<strong>in</strong>gesetzt,<br />
die auch untere<strong>in</strong>ander verbunden oder auch nur<br />
teilweise zum R<strong>in</strong>g geöffnet s<strong>in</strong>d. Zumal es immer<br />
noch unbekannt war, wie viele Räume <strong>in</strong> welcher<br />
Größe oder welche Künstler gezeigt werden würden,<br />
def<strong>in</strong>ierten wir e<strong>in</strong>e Matrix, mit der unterschiedliche<br />
Größen beziehungsweise Körnungen erzeugt<br />
werden konnten (Abb. 5). Diese Matrix ähnelt <strong>in</strong> der<br />
ursprünglichen Bewegungsstruktur dem klassischen<br />
Knossos-Labyr<strong>in</strong>th, bei dem man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen<br />
Schleife läuft, bis man ganz im Innersten e<strong>in</strong>es<br />
Raumes ist, um dann <strong>in</strong> der Gegenschleife wieder<br />
h<strong>in</strong>aus zu wandern. Mit der Idee e<strong>in</strong>er Doppelspirale<br />
als Ausgangspunkt konnte e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Parcours<br />
geschaffen werden, der viele Räume mite<strong>in</strong>ander<br />
verb<strong>in</strong>den kann, ohne vorab wissen zu müssen,<br />
wie diese auszusehen haben. Da wir den Besucher<br />
nicht auf e<strong>in</strong>en vorbestimmten Parcours zw<strong>in</strong>gen<br />
wollten, entwarfen wir e<strong>in</strong>e zweite, <strong>in</strong>dividuelle Parcoursform.<br />
Diese funktioniert als Shortcut, mit der<br />
man nicht systematisch jeden Raum e<strong>in</strong>zeln ablaufen<br />
muss. Man kann damit über die Korridore, die jeweils<br />
die Räume flankieren, sowohl vom R<strong>in</strong>g als auch von<br />
der Achse aus durch die Öffnungen zum nächsten<br />
Raum „h<strong>in</strong>durchfließen“ oder auch nach l<strong>in</strong>ks oder<br />
rechts abbiegen und durch den Korridor im Shortcut<br />
e<strong>in</strong>e andere Richtung e<strong>in</strong>schlagen (Abb. 6).<br />
Die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Variation oder e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation<br />
zwischen beiden ermöglicht zu jeder<br />
Bewegung von Raum zu Raum ebenso die Gegenbewegung.<br />
Es hat sich gezeigt, dass die Besucher<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation beider Bewegungsarten jeweils<br />
ihren eigenen Parcours fanden – <strong>in</strong> Reaktion auf die<br />
Arbeiten, aber auch auf die anderen Besucher oder<br />
die körperlichen Erfahrungen wie Müdigkeit, Angespanntheit,<br />
Licht oder Neugier. Das Ergebnis war<br />
also e<strong>in</strong>e offene Struktur, die zugleich sehr präzise<br />
Vorgaben hatte und <strong>in</strong> deren Matrix h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wir vorab<br />
mit den Kuratoren und Künstlern die Installationen so<br />
exakt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> bauen konnten, wie es für die Künstler<br />
erforderlich war. Die Räume konnten <strong>in</strong> der Größe<br />
variiert und zugleich die Bewegungsform erhalten<br />
werden. Es ergab sich auch, dass Malerei oder Fo-<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
35
Curatorial Design<br />
tografie nicht e<strong>in</strong>fach an die Wand gehängt werden,<br />
sondern vielmehr im Raum <strong>in</strong>stalliert s<strong>in</strong>d. Aber auch<br />
Komb<strong>in</strong>ationsräume für die Umsetzung konkreter eigener<br />
Vorstellungen von Künstlern waren umsetzbar.<br />
Friedrich Christian Flick Collection<br />
Berl<strong>in</strong> 2004<br />
An dem Umbau der Rieckhallen für die Friedrich<br />
Christian Flick Collection kommen die schon<br />
e<strong>in</strong>gangs erwähnten Aspekte <strong>in</strong> Bezug auf die<br />
Fragestellung der Nutzung von Industriegebäuden<br />
als Kunsträume zum Tragen – und der White Cube<br />
als entkleideter Raum. Dieses Projekt konfrontierte<br />
uns damit, dass wir die Rieckhallen, als Addition zum<br />
Hamburger Bahnhof, mit – auch ökonomisch – sehr<br />
wenigen Mitteln ertüchtigen mussten, so dass es<br />
vollständig wärmegedämmt und klimatisierbar wird<br />
sowie akustisch funktioniert. In kurzer Zeit war sehr<br />
viel Technik e<strong>in</strong>zubauen, wobei wir aber den Innenraum<br />
und se<strong>in</strong>e Wahrnehmung als Charakter des<br />
Gebäudes unverändert lassen und ihm se<strong>in</strong>en readymade-Charakter<br />
e<strong>in</strong>es rohen Industriegebäudes<br />
gerade durch die vielen E<strong>in</strong>bauten der Technik nicht<br />
nehmen wollten. Deshalb haben wir uns für e<strong>in</strong>e sehr<br />
e<strong>in</strong>fache Lösung entschieden und die das gesamte<br />
Gebäude flankierende Rampe durch e<strong>in</strong>e neue Fassade<br />
geschlossen. Zusammen mit dem Dach bildet<br />
sie nun e<strong>in</strong>e neue Hülle für das gesamte Gebäude.<br />
In der Schnittzeichnung (Abb. 7) ist rot gezeichnet<br />
die Intervention erkennbar. Die Hülle – z. T. über e<strong>in</strong>en<br />
Meter stark – nimmt zugleich die gesamte Technik<br />
auf. E<strong>in</strong> großer Mantel bestehend aus Technik<br />
wurde um das Haus gelegt und im Gegenzug alles<br />
andere im Inneren möglichst nicht angerührt. Wir<br />
haben uns also gegen e<strong>in</strong>e Vermengung entschieden<br />
und dadurch viel vom Charakter erhalten: Die alten<br />
Stahlträger wurden wie die alten Stahlprofile, die<br />
Schiebetüren, die Ziegelwände sowie der lädierte<br />
Asphaltboden komplett belassen. Nicht aus Gründen<br />
der Romantisierung, sondern weil es die Idee war, e<strong>in</strong><br />
solches Produktionsgebäude für die Kunst zu nutzen<br />
und die Idee nicht se<strong>in</strong> sollte, es zu perfektionieren,<br />
zum Beispiel durch das Gießen neuer Estrichböden<br />
– also ke<strong>in</strong> Remake des Produktionsgebäudes<br />
als Lifestyle-Gebäude, was ja <strong>in</strong> Lofts heute häufig<br />
genug passiert. Die e<strong>in</strong>zige Entscheidung war alles<br />
zu weißen; es gibt hier dieses Wegnehmen der Materialeigenschaften:<br />
rot, schwarz, grau-braun, das<br />
Vorgefundene wurde se<strong>in</strong>er Eigenschaften enthoben.<br />
Wir haben auch e<strong>in</strong> Oberlicht geschaffen, das es<br />
vorher nicht gab und somit tatsächlich den zenitalen<br />
Studioraum umgesetzt – bewusst oder unbewusst.<br />
Tatsächlich hat Björn Roth, der 2004 die Arbeit<br />
„Gartenskulptur“ (1968–1996) se<strong>in</strong>es Vaters Dieter<br />
aufgebaut hat, mehr als drei Wochen <strong>in</strong> diesem<br />
Raum gelebt, als er hier gearbeitet hat – er hat ihn als<br />
Studio verwendet, der Roth’schen Praxis entsprechend.<br />
Die Idee, dass man se<strong>in</strong>en Produktionsraum<br />
<strong>in</strong> den Ausstellungsraum verlagert, dass man e<strong>in</strong>en<br />
Teil se<strong>in</strong>es Studios aufstellt und dies die sichtbare<br />
Kunst ist, hat hier funktioniert. Das heißt dieser Raum<br />
verfügt über die Studiobed<strong>in</strong>gungen, die es möglich<br />
gemacht haben, dort länger zu arbeiten, später<br />
auch für andere Künstler wie zum Beispiel Wolfgang<br />
Tillmans. Durch e<strong>in</strong> wie bei der Documenta geschaffenes<br />
doppeltes Erschließungssystem (Abb.8) ist es<br />
dann <strong>in</strong> den Rieckhallen möglich, dass man zwischen<br />
Korridor und Haupträumen verschiedene Bewegungen<br />
ermöglicht und dadurch eben ke<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>eare<br />
Bewegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung haben muss. Man kann<br />
jede Form von Komb<strong>in</strong>ation zwischen Haupträumen<br />
und zwischen Direkterschließung und Hauptraum<br />
herstellen.<br />
Der Sammlung entsprechend gibt es auch e<strong>in</strong>e<br />
Vielfalt unterschiedlicher Möglichkeiten der Installation.<br />
Vor drei Jahren projektierten wir für die Staatlichen<br />
Museen zu Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e feste Installation von<br />
Bruce Nauman, der e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle <strong>in</strong> der<br />
Flick-Sammlung e<strong>in</strong>nimmt (Abb. 9). Im letzten Raum<br />
setzt se<strong>in</strong>e <strong>in</strong> situ-Arbeit den Abschluss der Halle.<br />
Dabei wurde diese letzte Halle nicht renoviert, leer<br />
gelassen, nicht klimatisiert und auch nicht an das<br />
gesamte Sicherheitssystem angeschlossen. Als Raw<br />
Space bildet diese Halle das Gedächtnis des alten<br />
Zustandes.<br />
„High&Low“<br />
F<strong>in</strong>e Art Fair Frankfurt, 2006<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit Michael Neff hatten wir 2006 den<br />
Auftrag, e<strong>in</strong>e erfolglose Messe wie die Art Frankfurt<br />
fast so erfolgreich zu machen wie die Art Basel. Da<br />
dieses Unterfangen unmöglich erschien, konzentrierten<br />
wir uns auf die nichtkommerziellen Aspekte mit<br />
dem Vorsatz, e<strong>in</strong>e gute Ausstellung zu gestalten. Die<br />
Hoffnung des Messedirektors, der sich zum Kurator<br />
erklärte, war es, auf dem sekundären Weg dann auch<br />
e<strong>in</strong>e erfolgreiche Messe zu etablieren. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
konnte diese Hoffnung überhaupt nicht bestätigt<br />
werden. Die Messe war e<strong>in</strong> großer Erfolg – ästhetisch.<br />
Sie war e<strong>in</strong> völliger Re<strong>in</strong>fall – kommerziell, und dies<br />
h<strong>in</strong>g auch mit der Architektur zusammen.<br />
Der Grundriss, den wir für diese Aufgabe entwarfen,<br />
war e<strong>in</strong>e Umkehrung der Messekoje (Abb. <strong>10</strong>).<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
36
Curatorial Design<br />
Wir haben gewissermaßen den Hohlraum der Koje <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Volumen umgedreht und den Galeristen wahlweise<br />
e<strong>in</strong> Volumen <strong>in</strong> vier möglichen Ausformungen nach<br />
steigender Preisklasse angeboten: e<strong>in</strong> I, e<strong>in</strong> L, e<strong>in</strong> T<br />
oder e<strong>in</strong> Kreuz – für dementsprechend e<strong>in</strong> bis vier<br />
Künstler, die jeweils <strong>in</strong>stallativ auszustellen waren. Da<br />
der Messekurator je nach vorgeschlagenem Künstler<br />
deren Positionierung bestimmt, ist auch e<strong>in</strong> Zusammenhang<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Ausstellung gewahrt. Zusätzlich<br />
wurden die Volumen immer um die bestehenden<br />
Säulen herum sowie e<strong>in</strong>e Tür für die Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
der Privatsachen und Verkaufsunterlagen e<strong>in</strong>gebaut,<br />
was e<strong>in</strong>e Ausstellung ohne Messetische und Stühle<br />
ermöglichte.<br />
Re<strong>in</strong> <strong>in</strong>stallativ g<strong>in</strong>g das Ausstellungskonzept<br />
sehr gut auf und war <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong> Erfolg – allerd<strong>in</strong>gs<br />
ke<strong>in</strong> kommerzieller. Vielleicht auch deswegen ke<strong>in</strong>er,<br />
da zu e<strong>in</strong>er guten kommerziellen Messe das Gefühl<br />
e<strong>in</strong>es Drucks gehört, den man auf den Käufer<br />
aufbauen muss – wozu sich die Enge e<strong>in</strong>er Koje<br />
besonders eignet. Das mit den Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Koje<br />
E<strong>in</strong>gesperrtse<strong>in</strong> ist verkaufsfördernder als das freie<br />
Flanieren durch e<strong>in</strong>en großen Raum, <strong>in</strong> dem sich<br />
alles unverb<strong>in</strong>dlich und auf Distanz zeigt. Das heißt,<br />
e<strong>in</strong>e Messe muss Druck ausüben wie e<strong>in</strong> Basar, e<strong>in</strong>e<br />
Ausstellung dagegen übt ke<strong>in</strong>en Druck aus. Vielleicht<br />
ist <strong>in</strong>sbesondere dies die Lehre darüber, was Museen<br />
oder Ausstellungsräume vermögen: ke<strong>in</strong>en Druck<br />
auszuüben.<br />
„Fokus 03: Konzept. Aktion. Sprache“<br />
MuMoK, Wien 2003<br />
Für das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig<br />
Wien realisierten wir e<strong>in</strong>e Ausstellung zu den Arbeiten<br />
der Fluxus-Kunst und vielen Kunstwerken<br />
aus den 1960er Jahren, die ephemer-aktionistisch<br />
angelegt waren und häufig auch nicht mehr ganz<br />
‚re<strong>in</strong>e Arbeiten’ s<strong>in</strong>d, wie zum Beispiel American<br />
Supermarket. Als Aktion e<strong>in</strong>er New Yorker <strong>Galerie</strong><br />
angelegt, verkaufte Andy Warhol hierfür tatsächlich<br />
Brillo-Boxes und Suppendosen, die heute natürlich<br />
über diverse Privatbesitze verstreut s<strong>in</strong>d. Demnach<br />
ist e<strong>in</strong>e Rekonstruktion des American Supermarket<br />
heute unmöglich und käme eher der Kreation e<strong>in</strong>es<br />
Bühnenbildes gleich, der bewussten illusionistischen<br />
Mise-en-scène mit nicht orig<strong>in</strong>alem Material. Die<br />
Frage fokussierte sich daher darauf, wie die <strong>in</strong> der<br />
Sammlung vorhandenen orig<strong>in</strong>alen Reste ausstellbar<br />
s<strong>in</strong>d. Wie kann man das Ereignis ausstellen ohne den<br />
Versuch, nicht vorhandene Authentizität zu mimen?<br />
Bewusst haben wir uns dafür entschieden, das am<br />
Projekt der Art Frankfurt Erfahrene nun als bewussten<br />
Fehler zu wiederholen: Wir entwarfen e<strong>in</strong>e<br />
anti-museale Ausstellung, <strong>in</strong> der es ke<strong>in</strong>e gefälligen<br />
offenen Blickbezüge gibt, sondern <strong>in</strong> der alles wie<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lager <strong>in</strong> die Ausstellungskojen e<strong>in</strong>sortiert<br />
ist. Der Besucher, der geradeaus geht, läuft nun <strong>in</strong>s<br />
Leere – er muss <strong>in</strong> die Kojen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehen, um dann<br />
die kle<strong>in</strong>teilig aufgebauten Gegenstände anzuschauen.<br />
Im Umkehrschluss eigentlich e<strong>in</strong>e enttäuschende<br />
Ausstellung, die ke<strong>in</strong>en schönen musealen Parcours<br />
mit den Blickachsen hergibt. Die aber e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong><br />
dafür schaffen will, dass diese Arbeiten e<strong>in</strong>gelagerte<br />
Relikte s<strong>in</strong>d und nicht mehr die Kunstwerke<br />
selbst. Die Arbeiten selbst waren performativ und<br />
ereignishaft angelegt und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne nicht<br />
mehr vorhanden.<br />
Dabei stellt sich die Gesamtheit der Kojen<strong>in</strong>stallation<br />
zudem auch wie e<strong>in</strong>e große im Raum stehende<br />
Installation dar. Am Ende entsteht sogar der E<strong>in</strong>druck<br />
e<strong>in</strong>es Gesamtraumes, der wiederum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en weißen<br />
Raum e<strong>in</strong>gestellt ist. Das Ergebnis dieser vielschichtigen<br />
Curatorial Design-Idee entstand dabei <strong>in</strong> enger<br />
Zusammenarbeit mit den Ausstellungskuratoren<br />
Joachim Hochdörfer und Susanne Neuburger.<br />
Julia Stoschek Collection<br />
Düsseldorf 2007<br />
Die Julia Stoschek Collection <strong>in</strong> Düsseldorf ist<br />
e<strong>in</strong>e Arbeit, <strong>in</strong> der es sehr stark darum g<strong>in</strong>g, wie Medienkunst<br />
– das heißt Kunst, die zeitbasiert ist – ausgestellt<br />
werden kann und wie dabei mit dem Thema<br />
Licht umgegangen wird. Zumal Ausstellungsräume<br />
mit Projektionen häufig dunkler gehalten s<strong>in</strong>d und<br />
es für uns ke<strong>in</strong>e akzeptable Grundposition darstellt,<br />
dass der Ausstellungsraum dunkel se<strong>in</strong> muss. Er<br />
verliert dadurch auch e<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>er Räumlichkeit.<br />
Vielmehr gibt es Abstufungen von Helligkeit und Dunkelheit<br />
e<strong>in</strong>erseits nicht nur der technischen Medien<br />
wegen, die unterschiedliche Möglichkeiten zulassen<br />
und erfordern, sondern andererseits auch der<br />
Künstler wegen, die per se ihre Medienarbeit nicht<br />
ausschließlich im Dunklen zeigen wollen. Isaac Julien,<br />
Lehrender an der HfG Karlsruhe für Medienkunst, mit<br />
dem ich bei zwei Gelegenheiten zusammengearbeitet<br />
habe, lehnt es beispielsweise ab, dass se<strong>in</strong>e Arbeiten<br />
<strong>in</strong> ganz dunklen Räumen gezeigt werden. Vielmehr<br />
besteht er sogar darauf, dass der Besucher den<br />
Raum se<strong>in</strong>er Projektionen begehen und wahrnehmen<br />
kann, sich als Zuschauer wechselseitig auch wahrnimmt:<br />
Der <strong>in</strong>stallatorische Charakter von Film- oder<br />
Videoprojektion ist im Ausstellungskontext oft gerade<br />
nicht das Raummodell e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>os.<br />
Auch bei dem Wettbewerb für die Sammlung der<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
37
Curatorial Design<br />
Julia Stoschek Collection handelte es sich um e<strong>in</strong><br />
bestehendes Industriegebäude, das <strong>in</strong>teressante<br />
Auffälligkeiten aufwies, e<strong>in</strong>en Malersaal für Kulissenmalerei<br />
enthielt und ursprünglich mit e<strong>in</strong>er Werbeschrift<br />
auf dem Dach versehen war. Die Dom<strong>in</strong>anz<br />
des Gebäudes <strong>in</strong> der Umgebung verlor sich jedoch<br />
weitgehend, da es nunmehr von se<strong>in</strong>en Nachbargebäuden<br />
überragt wird. Mit e<strong>in</strong>er neuen Überhöhung<br />
haben wir versucht, das Gebäude wieder sichtbar zu<br />
machen (Abb. 11). Mittel war dafür e<strong>in</strong> Aufbau, der<br />
gleichsam der Belichtung dient. Zu Grunde liegt die<br />
Idee, unterschiedliche Lichtsituationen von unten,<br />
aufwärts, bis h<strong>in</strong>auf zu e<strong>in</strong>er Dachplattform zu schaffen,<br />
die mit e<strong>in</strong>em Dan Graham-Pavillon abschließt.<br />
Somit vervollständigen sich hier die Themen der zeitbasierten<br />
Kunst oder Installation mit der Skulptur <strong>in</strong><br />
Form des Pavillon. Erst von oben auf dem Dach, von<br />
wo aus man den Blick auf die Stadt hat, nimmt man<br />
diesen wiederum als Referenz an den Garten, an den<br />
Park, an e<strong>in</strong>e landschaftliche Idee wahr. Oben also<br />
maximales Licht und Sicht, während der Besucher<br />
unten im Gebäude im Dunklen beg<strong>in</strong>nt. Gleichzeitig<br />
haben wir das Gebäude als Display def<strong>in</strong>iert und<br />
festgelegt, dass es auch e<strong>in</strong>e Art Screen se<strong>in</strong> muss,<br />
auf den man projizieren kann. So wird der Außenraum<br />
hier wieder zum Bestandteil der <strong>in</strong>tegralen Idee.<br />
In dem unten e<strong>in</strong>gerichteten kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>o werden<br />
regelmäßig Veranstaltungen programmartiger Art<br />
abgehalten. Von diesem dunklen Raum aus geht man<br />
h<strong>in</strong>auf und f<strong>in</strong>det dort generische Räume vor, deren<br />
Fenster an bestimmten Stellen mit Wänden geschlossen<br />
wurden. Durch das Abtragen e<strong>in</strong>er Decke wurde<br />
zusätzlich e<strong>in</strong>e Doppelgeschossigkeit der Räume<br />
erreicht. Die beiden Hauptausstellungsetagen s<strong>in</strong>d<br />
durch die Besucherführung gegliedert. In der unteren<br />
trifft man e<strong>in</strong>en „Zwangsparcours“ an, <strong>in</strong> der oberen<br />
kann sich der Besucher frei bewegen und die Pavillons<br />
wie Häuser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Landschaft aufsuchen.<br />
An den Projektionsdiagrammen ist ablesbar (Abb.<br />
12), wie viele Arbeiten der Erstausstellung filmischer<br />
oder zeitbasierter Natur s<strong>in</strong>d – fast alle. Das heißt<br />
auch, dass der Besucher nicht die Ausstellung komplett<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stück sehen kann, da Arbeiten zum<br />
Teil Längen haben. Es muss also auch die Möglichkeit<br />
gegeben se<strong>in</strong>, dass der Besucher auswählen<br />
oder nur Teile sehen kann. Man muss sich Gedanken<br />
darüber machen, dass der Besucher hier Freiheiten<br />
hat, aber gleichzeitig auch alle Möglichkeiten<br />
zu verweilen. Deshalb s<strong>in</strong>d auch Sitzmöbel wichtig<br />
und akustisch gut funktionierende Wände zwischen<br />
den Arbeiten. Ruhige Arbeiten müssen auch neben<br />
lauten Arbeiten wahrnehmbar se<strong>in</strong> – ohne Türen<br />
oder Vorhänge dazwischen, die e<strong>in</strong>e harte räumliche<br />
Trennung schaffen. Diese Themen s<strong>in</strong>d hier<br />
sehr sorgfältig behandelt worden und spielen me<strong>in</strong>er<br />
Ansicht nach im S<strong>in</strong>ne der heutigen zeitbasierten und<br />
auch soundbasierten Kunst e<strong>in</strong>e immer größere Rolle.<br />
Dabei ist auch e<strong>in</strong>e immer größere Raff<strong>in</strong>esse <strong>in</strong> der<br />
Technik der Projektion und <strong>in</strong> der Architektur der<br />
Ausstellung gefragt.<br />
Die Arbeit „When Love is not Enough“ von Olafur<br />
Eliasson ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> situ-Arbeit, die auf unsere Architektur<br />
reagiert. Er hat <strong>in</strong> der Etage, <strong>in</strong> der wir die<br />
Wand ganz geschlossen hatten, Dreiecke e<strong>in</strong>gesetzt,<br />
als kle<strong>in</strong>e Fenster oder Wandschlitze, die man öffnen<br />
kann und durch die h<strong>in</strong>durch man den Hof kaleidoskopartig<br />
gebrochen sehen kann. Das Spiel mit der<br />
eigentlichen Sichtbarmachung der Unsichtbarmachung<br />
komplementiert das System der Behandlung<br />
des Lichts und den Umgangs mit Beleuchtung, das<br />
wir <strong>in</strong> diesem Haus geschaffen haben und das <strong>in</strong><br />
Dan Grahams Pavillon – durch se<strong>in</strong>e Arbeit mit e<strong>in</strong>em<br />
Spiegel auch wiederum e<strong>in</strong>e optische Arbeit – e<strong>in</strong>en<br />
Abschluss f<strong>in</strong>det.<br />
„Insert 5 – Olaf Nicolai“<br />
Kunstvere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Hamburg, 2007<br />
Diese Arbeit entstand zusammen mit Olaf Nicolai,<br />
der mich e<strong>in</strong>lud, mit ihm zusammen e<strong>in</strong>e Ausstellung<br />
im Kunstvere<strong>in</strong> Hamburg zu zeigen (Abb. 13). Gezeigt<br />
wurden Irisbilder von Olaf Nicolai, und es g<strong>in</strong>g darum,<br />
wie man diese ausstellen könnte. Se<strong>in</strong> Interesse für<br />
Max Bill, das sich mit me<strong>in</strong>em deckt, nahmen wir<br />
als Anlass, dafür e<strong>in</strong>e Arbeit von Max Bill zu transformieren:<br />
System mit fünf vierfarbigen Zentren,<br />
e<strong>in</strong>e relativ späte malerische Arbeit 6 . Diese Arbeit<br />
adaptierten wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Raum, <strong>in</strong>dem wir sie gewissermaßen<br />
<strong>in</strong> den Raum des Kunstvere<strong>in</strong> Hamburg<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> projizierten, zwar die Farben wegließen, aber<br />
das, was Max Bill mit den Farben angelegt hatte,<br />
nämlich potentielle Ausdehnungen, <strong>in</strong> Raum mit<br />
räumlich wahrnehmbarten Extrusionen umzuwandeln<br />
versuchten. Wir haben jeder Farbe e<strong>in</strong>e andere<br />
Höhe gegeben – 30, 60 und 90 cm – und dadurch<br />
aus dem Muster, aus dem Code e<strong>in</strong>e unterschiedlich<br />
hohe Landschaft <strong>in</strong> dem Raum erstellt. Nicolais<br />
Bilder wurden dabei als Büchle<strong>in</strong>, die man auslegen<br />
konnte, ausgestellt oder an die Wand gehängt. So ist<br />
der Nicolai-Ausstellungsraum, wie von ihm beabsichtigt,<br />
auch e<strong>in</strong>e Art Konferenz- und Aufenthaltsraum<br />
geworden, <strong>in</strong> dem die Besucher sich setzen können,<br />
stehen können, mite<strong>in</strong>ander reden können, der auch<br />
Aufenthaltsqualitäten hat. In dem Raum hielten wir<br />
auch Veranstaltungen mit e<strong>in</strong>geladen Gästen <strong>in</strong><br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
38
Curatorial Design<br />
e<strong>in</strong>em Programm ab. Die architektonische Intervention<br />
zusammen mit dem Künstler führt zu e<strong>in</strong>er neuen<br />
Form von Wahrnehmung des Kunstvere<strong>in</strong>sraumes als<br />
Veranstaltungsraum, das heißt der Ausstellungsraum<br />
ist nicht mehr re<strong>in</strong>er Präsentationsraum.<br />
„Die totale Aufklärung.<br />
Moskauer Konzeptkunst 1960–1990“<br />
Schirn Kunsthalle, Frankfurt 2008<br />
In Kooperation mit Boris Groys konnten wir <strong>in</strong> der<br />
Ausstellung Die totale Aufklärung von der Idee e<strong>in</strong>er<br />
Kabakovschen Installation mit e<strong>in</strong>em großen Archiv<br />
ausgehend, e<strong>in</strong>en Raum schaffen, <strong>in</strong> dem man die<br />
Aktionen der 1960er und 1970er Jahre aus Moskau<br />
präsentieren kann. Auch hier das Problem, dass es<br />
die Aktionen nicht mehr gibt. Maximal s<strong>in</strong>d Fotos,<br />
Handlungsanweisungen, Zettel und manche kle<strong>in</strong>en<br />
Objekte davon erhalten. Die Überlegung war es,<br />
e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht bürokratischen Raum zu<br />
schaffen, gleichsam e<strong>in</strong> Büro, <strong>in</strong> dem Zettel ausliegen<br />
oder aufgehängt s<strong>in</strong>d – e<strong>in</strong> Büro, das als E<strong>in</strong>bau<br />
<strong>in</strong> den Raum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt wurde.<br />
Im Inneren s<strong>in</strong>d Tische aufgebaut, auf denen Zettel<br />
verteilt s<strong>in</strong>d. Man kann Sachen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stellen oder<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>hängen. Dabei behält der Raum die Standardhöhe<br />
von Büro-Cubicles und der Besucher nimmt<br />
ke<strong>in</strong>e Museumswände mehr wahr. Er hat vor sich ke<strong>in</strong>e<br />
richtige Wand und auch ke<strong>in</strong>en richtigen Tisch, er<br />
bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er halbhohen Landschaft, die ihm<br />
die Übersicht nimmt und zugleich die Aura sehr stark<br />
e<strong>in</strong>schränkt. So wurden Räume geschaffen, <strong>in</strong> denen<br />
diese Arbeiten, wie Dokumente von Handlungsanweisungen<br />
und Handlungen selbst, ohne übermäßigen<br />
auratischen Status ausgestellt werden konnten.<br />
Zugleich werden die Besucher selbst wiederum zu<br />
Handelnden, die sich durch die Wände unterhalb der<br />
Augenhöhe gegenseitig als Akteure der Ausstellung<br />
wahrnehmen und beobachten.<br />
wäre (Abb. 14). Normalerweise funktioniert es umgekehrt,<br />
dass physische D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>e weitere Präsenz<br />
im Internet erhalten. In unserem Fall war nun aber<br />
e<strong>in</strong> Internetprojekt vorhanden, und es stellte sich die<br />
Frage nach der räumlich-physischen Erlebbarkeit.<br />
In Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>kes Internetbilderarchiv können via<br />
Tagg<strong>in</strong>gsystem und e<strong>in</strong>er komplexen Verschlagwortung<br />
Bilder ausgesucht werden. Die Bildangebote<br />
s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>em virtuellen Leuchtkasten – gleich e<strong>in</strong>er<br />
P<strong>in</strong>nwand – zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dividuellen Buch zusammenstellbar.<br />
Zum Schluss kann sich e<strong>in</strong> User die <strong>in</strong>dividuelle<br />
Auswahl als Buch drucken und schicken lassen.<br />
Die Frage nach der Rückführung der Archivnutzung<br />
<strong>in</strong> den physischen Raum gleicht demnach der Frage,<br />
wie man den Besucher zum <strong>in</strong>teraktiven Teilnehmer<br />
dieses kuratorischen Prozesses, dieser Auswahl aus<br />
tausenden von Bildern macht.<br />
Und wir haben hier während unseres Hochschul-<br />
Rundgangs zusammen mit dem Sony Research Center<br />
e<strong>in</strong>en Prototypen gebaut. Jedes A4 große Foto<br />
wurde kaschiert und erhielt e<strong>in</strong>en RFID-Chip. Diese<br />
Fotos werden dem Besucher vorgelegt. Er kann die<br />
Fotos <strong>in</strong> die Hand nehmen, kann mit ihnen auf e<strong>in</strong>em<br />
langen Board Ausstellungen probieren, kann sich eigene<br />
Konstellationen bilden, eigene Szenarien schaffen<br />
und kann dann diese Fotos zusammenstellen und<br />
ausdrucken lassen. Er muss dann e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen<br />
Titel vergeben, damit se<strong>in</strong> Buch e<strong>in</strong>en eigenen Namen<br />
hat und wiederum archiviert ist. Dann gibt es e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>fach gedrucktes Buch – wir haben bewusst e<strong>in</strong>en<br />
e<strong>in</strong>fachen Nadeldrucker genommen, der im ZKM<br />
für Tickets benutzt wird, um nicht e<strong>in</strong> Luxusobjekt<br />
zu schaffen, sondern e<strong>in</strong> simples aber sehr schönes<br />
Produkt. Wir haben diese <strong>in</strong>teraktive Installation<br />
dann e<strong>in</strong> Jahr später im ZKM ausgestellt. Es geht hier<br />
darum, e<strong>in</strong>e Verlangsamung der Internettechnologie<br />
herzustellen: Man kann zunächst virtuelle Bilder wieder<br />
<strong>in</strong> die Hand nehmen und nicht nur anklicken.<br />
„Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke Phenotypes Limited Forms“<br />
ZKM, Karlsruhe 2007<br />
Zuletzt möchte ich noch e<strong>in</strong> Projekt vorstellen, das<br />
wir an der Hochschule für Gestaltung mit und <strong>in</strong> dem<br />
Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM)<br />
vor e<strong>in</strong>igen Jahren organisierten. Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke ist der<br />
Künstler, der zu dieser Zeit Gastprofessor an der HfG<br />
war und jetzt Hauptprofessor für Fotografie ist. Arm<strong>in</strong><br />
L<strong>in</strong>ke fragte, wie se<strong>in</strong> im Internet funktionierendes<br />
book on demand, das er mit se<strong>in</strong>em Fotoarchiv<br />
betreibt, <strong>in</strong> den physischen Raum zurück zu holen<br />
1 Sébastien Charles Giraud (1819-1892), Atelier d'un artiste, Musee National<br />
du Chateau, Compiègne, Frankreich.<br />
2 Le Corbusier, Maison d’Artiste, Skizze 1922; Abbildung <strong>in</strong>: Stonorov,<br />
Oscar/Boesiger, Willy (Hrsg.): Le Corbusier - Oeuvre complète. Band 1:<br />
19<strong>10</strong>-1929 – Le Corbusier et Pierre Jeanneret, Zürich: Girsberger, 15. Aufl.<br />
1995, S. 53.<br />
3 Le Corbusier, Atelier Ozenfant, Paris 1922; Abbildung <strong>in</strong>: Stonorov, Oscar/<br />
Boesiger, Willy (Hrsg.), S. 55.<br />
4 Donald Judd, <strong>10</strong>0 untitled works <strong>in</strong> mill alum<strong>in</strong>um, Ch<strong>in</strong>ati Foundation,<br />
Marfa, TX, USA, 1982-1986; Quelle: http://www.ch<strong>in</strong>ati.org/visit/collection/<br />
donaldjudd.php<br />
5 Richard Muther: Die Kunstschau, <strong>in</strong>: Die Zeit. Wien, 6. Juni 1908, S.1.<br />
6 Abbildung <strong>in</strong>: Max Bill, system mit fünf vierfarbigen zentren. anleitung zum<br />
betrachten e<strong>in</strong>es bildes, St. Gallen 1972<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
39
Curatorial Design<br />
Abb. 1: Klimt-Saal, Wiener Kunstschau, 1908<br />
Abb. 5: Documenta 11, Kassel 2002, Raummatrix<br />
Abb. 2: Independent Group, Ausstellungsansicht „Parallel of Life<br />
and Art“, I.C.A., London 1953<br />
Abb. 6: Documenta 11, Kassel 2002, Doppelsystem mit den<br />
Korridoren zwischen den Räumen<br />
Abb. 3: Documenta 11, Kassel 2002, Ausgangsbestand<br />
Abb. 7: Friedrich Christian Flick Collection, Berl<strong>in</strong> 2004, Schnitt<br />
Abb. 8: Friedrich Christian Flick Collection, Berl<strong>in</strong> 2004,<br />
Erschließungsmöglichkeiten<br />
Abb. 4: Documenta 11, Kassel 2002 (Fotoserie: Olumuyiwa Olamide<br />
Osifuye, „Selected Feature Photographs of Lagos“, 2002)<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
40
Curatorial Design<br />
2.OG<br />
Abb. 9: Friedrich Christian Flick Collection, Berl<strong>in</strong> 2004,<br />
Bruce Nauman, „Room with My Soul Left Out, Room That Does Not<br />
Care“, 1984<br />
1.OG<br />
(Hochparterre)<br />
Abb. 12: Julia Stoschek Collection, Düsseldorf 2007, Grundrisse,<br />
Ausstellungsebenen<br />
Abb. <strong>10</strong>: F<strong>in</strong>e Art Fair Frankfurt, 2006, Grundrisslogo<br />
Abb. 13: „Insert 5 – Olaf Nicolai“, Kunstvere<strong>in</strong> Hamburg, 2007,<br />
Installationsansicht<br />
Abb. 11: Videoprojektion für die Außenfassade der Julia Stoschek<br />
Collection: Tony Oursler, „Sixth (Duesseldorf variation)“, 2005–2007<br />
Abb. 14: „Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke Phenotypes/Limited Forms“, ZKM, Karlsruhe<br />
2007, Installationsansicht des Prototyps<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
41
Perform<strong>in</strong>g<br />
the Museum<br />
Re<strong>in</strong> Wolfs<br />
Das Museum Fridericianum wurde 1779 eröffnet<br />
und liegt fast <strong>in</strong> der geographischen Mitte Deutschlands,<br />
<strong>in</strong> Kassel, e<strong>in</strong>er ehemals kurfürstlichen Stadt,<br />
die e<strong>in</strong>e bedeutsame und bewegte Vergangenheit<br />
aufweisen kann. Kassel ist bekannt geworden als<br />
e<strong>in</strong>e Stadt, deren Zentrum während des Zweiten<br />
Weltkrieges zu fast 85 Prozent zerbombt wurde, die<br />
ihre geographisch zentrale Position nach dem Krieg<br />
verloren hatte und somit <strong>in</strong> das so genannte „Zonenrandgebiet“<br />
gerutscht war. Das Museum Fridericianum<br />
gilt als das älteste öffentliche Museumsgebäude<br />
auf dem europäischen Festland und ist zugleich das<br />
„Mutterhaus“ der documenta, die 1955 zum ersten<br />
Mal durchgeführt wurde. Seit 1989 fungiert es zudem<br />
als Kunsthalle Fridericianum, die <strong>in</strong> den Jahren ohne<br />
documenta das Haus bespielt. Seit 2008 leite ich die<br />
Kunsthalle.<br />
Perform<strong>in</strong>g the Museum nenne ich me<strong>in</strong>e Strategie,<br />
um e<strong>in</strong>e wirksame und e<strong>in</strong>zigartige Beziehung<br />
zum ikonischen White Cube zu entwickeln und museale<br />
Institutionen unmittelbar aus dem Ausstellungsprogramm<br />
heraus stärker <strong>in</strong> der gesellschaftspolitischen<br />
Realität zu verankern und mit dem Publikum<br />
nachhaltige Allianzen e<strong>in</strong>zugehen. Mitte der 1990er<br />
Jahre, angefangen mit der so genannten Esthétique<br />
relationelle 1 im Zürcher Migros Museum für Gegenwartskunst,<br />
habe ich – nach e<strong>in</strong>em Zwischenspiel im<br />
Museum Boijmans Van Beun<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Rotterdam – im<br />
Kasseler Fridericianum diese Strategie im neuen Umfeld<br />
der Kunst der 2000er Jahre wieder aufgenommen.<br />
Das Gebäude kann ja eher als zu groß für die<br />
Stadt und fast furchterregend beschrieben werden<br />
mit se<strong>in</strong>er klassizistischen Fassade, den massiven<br />
Treppen und großen Säulen, die den E<strong>in</strong>gang nicht<br />
nur e<strong>in</strong>ladend gestalten, sondern auch von e<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>tritt abschrecken. Der große, relativ leere Friedrichsplatz<br />
vor der Haustür schafft e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />
Distanz zur Stadt. Um gegen diese Distanz anzukämpfen,<br />
versuche ich die Kunsthalle des Öfteren<br />
ausgeprägt aktiv zu bespielen: mit Performances, mit<br />
performativen Installationen, oder manchmal sogar<br />
mit <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit performativen Ausstellungen.<br />
Hier und da versuche ich das Gebäude selbst als<br />
Träger zu nutzen, auf dem etwas anderes <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />
treten kann, auf dem Kunst entstehen kann, um<br />
damit strategisch zu versuchen, die Stadt und die<br />
Bevölkerung stärker mit e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
Zum Beispiel mit e<strong>in</strong>er Arbeit Teresa Margolles’,<br />
bei der 20<strong>10</strong>/11 vierzig große Le<strong>in</strong>wände alle vierzig<br />
großen Fenster des ersten Obergeschosses des<br />
Fridericianums komplett schlossen (Abb. 1). Obwohl<br />
ich nicht als Kurator von Gemäldeausstellungen gelte,<br />
war das eigentlich e<strong>in</strong>e betont malerische Installation,<br />
die sich erst auf den zweiten Blick nicht mehr nur als<br />
Malerei erwies. Teresa Margolles ist e<strong>in</strong>e Künstler<strong>in</strong>,<br />
die sich äußerst <strong>in</strong>tensiv mit dem Drogenkrieg <strong>in</strong><br />
Nordmexiko ause<strong>in</strong>andersetzt und mit ihren künstlerischen<br />
Arbeiten der zahlreichen Toten gedenkt.<br />
Beim genaueren Lesen der Besucher<strong>in</strong>fo entdeckte<br />
man schnell, dass es sich bei den Bildern an der<br />
Fassade nicht um Materialien wie Öl oder Acryl auf<br />
Le<strong>in</strong>wand handelt, sondern um Erde und Körperflüssigkeiten<br />
von nordmexikanischen Attentatsorten auf<br />
Le<strong>in</strong>wand. Damit wurde das Fridericianum aufgeladen,<br />
erhielt das historisch „durchlebte“ Gebäude e<strong>in</strong>e<br />
mahnmalartige Bedeutung. Das Haus hätte während<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
42
Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />
der Ausstellung unter den klimatischen E<strong>in</strong>flüssen<br />
tatsächlich bluten können; es wurde irgendwie humanisiert,<br />
es wurde Mahnmal oder auch e<strong>in</strong> bisschen<br />
Opfer. Es erhielt e<strong>in</strong>e Bedeutungsebene, die über das<br />
re<strong>in</strong> Bauliche und Museale h<strong>in</strong>aus g<strong>in</strong>g.<br />
Auch bei der Ausstellung von Thomas Zipp (20<strong>10</strong>)<br />
wurde das Gebäude stark mit e<strong>in</strong>bezogen, <strong>in</strong>dem die<br />
goldene Schrift „Museum Fridericianum“ durch den<br />
Titel der Ausstellung ersetzt wurde: „Mens sana <strong>in</strong><br />
corpore sano“. Zipp hatte für diese Ausstellung das<br />
Haus, das schon <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Übergröße und Bedeutungsarchitektur<br />
wie e<strong>in</strong> Institut besonderer Prägung<br />
aussieht, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e psychiatrische Anstalt mitsamt<br />
Funktionsräumen und unzähligen Bildern verwandelt.<br />
Vor dem Haus, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Achse mit den zwei symbolischen<br />
Beuys-Eichen und mit dem Friedrich-Denkmal,<br />
war zudem e<strong>in</strong>e große und schwere Skulptur von<br />
Zipp platziert, um damit auch den Platz <strong>in</strong> die Ausstellung<br />
e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den zu können und die Distanz zur<br />
Stadt zu verr<strong>in</strong>gern. Im Inneren des Hauses waren<br />
die musealen Räume fast h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>em theatralischen<br />
Sett<strong>in</strong>g verschwunden. Kulissenmäßig hatte Zipp<br />
se<strong>in</strong>e Fiktion aufgebaut, se<strong>in</strong>e Bilder und Zeichnungen<br />
markierten die abwesenden Grenzen. Der White<br />
Cube war weitgehend verschwunden, tauchte am<br />
Ende der Ausstellung aber als skulpturale, weißer als<br />
weiß blendende Gummizelle bedrohlich wieder auf.<br />
Die Fassadenbespielungen von Margolles und<br />
Zipp brachten jeweils e<strong>in</strong>e emotionale Ebene <strong>in</strong>s<br />
Spiel, die das eher strenge, klassizistische Gebäude<br />
mit e<strong>in</strong>er Art humanen Verletzlichkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e weniger<br />
strenge Struktur umpolen konnte. Über die Verwandlung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e psychiatrische Anstalt wurde das Haus<br />
menschlicher, obwohl natürlich die Assoziationen der<br />
Besucher dabei eher negativ gelagert waren. Auch<br />
bei Margolles dom<strong>in</strong>ierten die negativen Gefühle,<br />
durch welche das Fridericianum aber e<strong>in</strong>e stark<br />
emotionale Wirkung nach außen verüben konnte. Die<br />
Verb<strong>in</strong>dung mit der Außenwelt kam an, g<strong>in</strong>g zum Teil<br />
unter die Haut, war aber unmissverständlich vorhanden.<br />
Mission vorläufig und teilweise accomplished …<br />
Rirkrit Tiravanija<br />
1996 konnte ich für den größten E<strong>in</strong>zelhändler der<br />
Schweiz das Migros Museum für Gegenwartskunst<br />
gründen, e<strong>in</strong>e sammelnde Institution, die wir eher wie<br />
e<strong>in</strong>e Kunsthalle führten, um aus e<strong>in</strong>er regen produktionsbetonten<br />
Ausstellungspraxis auch viele Eigenproduktionen<br />
für die Sammlung anzukaufen. Das Migros<br />
Museum, das anfangs nur Museum für Gegenwartskunst<br />
Zürich getauft wurde, bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der<br />
ehemaligen Löwenbräu-Brauerei und war somit ke<strong>in</strong><br />
klassischer White Cube, so wie auch das Fridericianum<br />
nach den Renovationen der 1970er Jahre mit<br />
Räumen <strong>in</strong>dustrieller Prägung aufwartet. Mit e<strong>in</strong>er<br />
Ausstellung im Migros Museum konnte ich me<strong>in</strong><br />
Konzept des Perform<strong>in</strong>g the Museum zum ersten<br />
Mal praktizieren: die Ausstellung Das soziale Kapital<br />
(1998) von Rirkrit Tiravanija, dem eigentlichen „König“<br />
der Esthétique relationelle, wenn man so sagen kann,<br />
der Meister der Beziehungskunst, aus den 1990er<br />
Jahren. Tiravanija setzte e<strong>in</strong>en Migros-Supermarkt <strong>in</strong><br />
das vom gleichnamigen Großverteiler f<strong>in</strong>anzierte Museum,<br />
e<strong>in</strong>en Supermarkt der richtig funktionierte, <strong>in</strong><br />
dem tatsächlich e<strong>in</strong>gekauft werden konnte. Den Titel<br />
gab e<strong>in</strong>e große Tafel mit dem Text Das soziale Kapital,<br />
e<strong>in</strong>e Tafel, die früher am Hauptsitz der Migros-Firma<br />
h<strong>in</strong>g. Der Text galt als Leitspruch der Migros seit<br />
den 1950er und 1960er Jahren. Für Tiravanija und für<br />
mich verkörperte er aber auch e<strong>in</strong>en Beuys‘schen<br />
Spruch, <strong>in</strong> dem die Begriffe der Sozialen Plastik und<br />
des Kapitals sich vere<strong>in</strong>ten. Tiravanijas Ausstellung<br />
fungierte als Kapital im S<strong>in</strong>ne von Kommunikation,<br />
sozialem Verhalten und Beziehungsarbeit. In der<br />
Ausstellung konnte e<strong>in</strong>gekauft und abgerechnet<br />
werden, konnten gratis Bier, Cola und Curry konsumiert<br />
werden und kontextualisierten sich jeden Tag<br />
die Aktivitäten der Besucher zu e<strong>in</strong>em komplexen<br />
Gebilde sozialer Beziehungen. Das soziale Kapital<br />
war während zweie<strong>in</strong>halb Monaten e<strong>in</strong>e Dauerperformance;<br />
die Ausstellung war immer komplett <strong>in</strong> action,<br />
könnte man sagen. Es gab auch e<strong>in</strong>e Autowerkstatt,<br />
<strong>in</strong> der der Opel Commodore des Künstlers von zwei<br />
bayerischen Automechanikern generalüberholt<br />
wurde. Das Auto war e<strong>in</strong> Werk von Tiravanija und<br />
galt für mich als die Metapher für se<strong>in</strong>e künstlerische<br />
Existenz und Haltung: nicht länger Atelierkünstler,<br />
sondern nomadischer Künstler, der im Zwischendr<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>e Ausstellungen und Werke konzipiert.<br />
Mit dieser Ausstellung waren gesellschaftsrelevante<br />
und reale Geschichten <strong>in</strong> den musealen Raum<br />
e<strong>in</strong>gedrungen. Tiravanijas Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />
thematisierte auch die Firma, die das Museum und<br />
dessen produktionsbetonte Ausstellungen f<strong>in</strong>anziell<br />
ermöglichte. Dazu schaffte Das soziale Kapital den<br />
Brückenschlag des erst zwei Jahre jungen Museums<br />
mit der Zürcher Bevölkerung und mit der Firma,<br />
obwohl der museale Supermarkt ke<strong>in</strong>eswegs als<br />
Werbeträger sondern eher als ambivalentes Spiel mit<br />
der kommerziellen Migros funktionierte. Das Museum<br />
für Gegenwartskunst war als Migros Museum neu<br />
geboren, und e<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ierendes Spiel zwischen zwei<br />
sche<strong>in</strong>bar ungleichen Größen – e<strong>in</strong> Museum und e<strong>in</strong><br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
43
Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />
E<strong>in</strong>zelhändler – konnte <strong>in</strong> der 1990er Thematik der<br />
Durchdr<strong>in</strong>gung von high und low art – und der Nähe<br />
von Kunst und Realität quasi durchexerziert werden.<br />
Als Stand- und Spielbe<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er klassischen Skulptur<br />
waren Supermarktwirklichkeit und Kunstlaboratorium<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fast metaphorischen Figur, relativ weit<br />
vom standardisierten White Cube entfernt, vere<strong>in</strong>t.<br />
700 Kilometer nördlich kuratierte ich sechs Jahre<br />
später erneut e<strong>in</strong>e große Ausstellung mit Rirkrit<br />
Tiravanija. Mittlerweile als Ausstellungsdirektor des<br />
Rotterdamer Museum Boijmans Van Beun<strong>in</strong>gen tätig,<br />
veranstalteten wir geme<strong>in</strong>sam mit dem Musée d‘Art<br />
Moderne <strong>in</strong> Paris und mit der Serpent<strong>in</strong>e Gallery <strong>in</strong><br />
London die erste Retrospektive des thailändischen<br />
Künstlers. Boijmans ist sozusagen e<strong>in</strong> Gesamtmuseum,<br />
e<strong>in</strong> enzyklopädisches Museum mit Kunst vom<br />
Mittelalter bis heute, mit Kunstgewerbe, Design und<br />
Mode. Das Gebäude ist über vier Stationen von Erweiterungsbauten<br />
historisch gewachsen; es kommen<br />
White Cubes, aber auch historische stilzimmerartige<br />
Räume zusammen.<br />
Für diese Retrospektive hat Tiravanija das Performative<br />
und Beziehungsästhetische auf e<strong>in</strong>e konzeptuelle<br />
Art auf den Punkt gebracht. Weil die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Werke zum Zeitpunkt ihres Entstehens so kontextuell<br />
und <strong>in</strong> Bewegung waren, zeigte er ke<strong>in</strong>e „echten“<br />
Werke, sondern ließ nur m<strong>in</strong>imalistische Andeutungen<br />
von musealen Räumen und <strong>Galerie</strong>n nachbauen,<br />
die für se<strong>in</strong>e Werke von Bedeutung gewesen waren.<br />
Zudem wurden Skripte unter anderem des Künstlers<br />
und zweier weiterer Autoren <strong>in</strong> den Räumen performativ<br />
nacherzählt, so dass die wichtigen Werke und<br />
die dazugehörigen wichtigen Momente, die <strong>in</strong> diesen<br />
Räumen stattgefunden hatten, evoziert und nacherlebt<br />
werden konnten. Vermittler, die Tiravanijas<br />
Skript <strong>in</strong>terpretiert hatten, g<strong>in</strong>gen mit den Besuchern<br />
durch die Räume. Die aktive und dynamische Fülle<br />
der Züricher Ausstellung wurde auf e<strong>in</strong>e verbale und<br />
konzeptuelle Ebene gebracht, bei der der vermittelnde<br />
Aspekt als e<strong>in</strong>e der ersten Realisierungen<br />
des so genannten Educational Turn sich <strong>in</strong> den Kern<br />
der Ausstellung selbst e<strong>in</strong>nistete. Auch diese erste<br />
Retrospektive war e<strong>in</strong> Beispiel von Perform<strong>in</strong>g the<br />
Museum, da die performative Rolle <strong>in</strong> die Vermittlung<br />
übergegangen war, und die Besucher als aktive Zuhörer<br />
durchaus performativ unterwegs waren. Gegen<br />
den H<strong>in</strong>tergrund der White Cube-Architektur aus den<br />
1970er Jahren wurde die performative Ausstellung<br />
ohne sichtbare Werke wirklich konzeptuell.<br />
Christoph Büchel<br />
2008 kuratierte ich <strong>in</strong> der Kunsthalle Fridericianum<br />
die Ausstellung Deutsche Grammatik von Christoph<br />
Büchel. Die Ausstellung befasste sich auf vier Ebenen<br />
mit deutschen Strukturen, Realitäten, Fiktionen,<br />
Tugenden und Untugenden. Zudem wurden der<br />
Friedrichsplatz und auch die Fassade des Fridericianums<br />
großflächig bespielt. In e<strong>in</strong>e landwirtschaftliche<br />
Zone umgepflügt, war der ehemalige Paradeplatz<br />
Kassels 2 von Büchel quasi e<strong>in</strong>em Bauern zurück<br />
gegeben worden. Die Fenster des Erdgeschosses<br />
der Kunsthalle waren mit Holzbrettern verbarrikadiert;<br />
e<strong>in</strong>e Bautafel verriet, dass das Fridericianum<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zwischenphase vor e<strong>in</strong>em Umbau <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Außenstelle der Bundesagentur für Arbeit und <strong>in</strong><br />
das Sozialamt der Stadt Kassel befand. Neben dem<br />
E<strong>in</strong>gang stand während der gesamten Ausstellung<br />
e<strong>in</strong> grünes Polizeiauto.<br />
Das älteste öffentliche Museumsgebäude auf dem<br />
europäischen Festland war nicht länger Museum,<br />
sondern beherbergte <strong>in</strong> der baulichen Zwischenphase<br />
fußgängerzonentaugliche Mieter wie e<strong>in</strong>en<br />
Eurodiscounter im E<strong>in</strong>gangsbereich, e<strong>in</strong> Spielcas<strong>in</strong>o,<br />
e<strong>in</strong>e Touristikmesse, e<strong>in</strong>en zwölf Meter hohen<br />
Weihnachtsbaum, Bandenwerbung der mächtigsten<br />
deutschen Unternehmen, e<strong>in</strong> Fitnesscenter, e<strong>in</strong><br />
Sonnenstudio und das Islamisches Zentrum Kassel<br />
<strong>in</strong> der Rotunde des Hauses - dies alles bildete die<br />
(mehrheitlich funktionstüchtige) erste Ebene (Abb.<br />
2). Das Museale – die zweite Ebene – war zerstört<br />
und geplündert; e<strong>in</strong>e Hausmeisterwohnung und e<strong>in</strong><br />
Pausenraum waren noch <strong>in</strong>takt, das Bilderlager und<br />
die Vitr<strong>in</strong>en aber kaputt und leergeräumt, die Kunst<br />
verschwunden. E<strong>in</strong>e tote Taube markierte perfekt die<br />
„verflogene“ Hoffnung. Die <strong>in</strong> der Dunkelheit unlesbaren<br />
Titelkärtchen ohne dazugehörige Werke markierten<br />
ihrerseits das abgeschaffte Gedächtnis.<br />
In der dritten „Abteilung“ wurde die jüngere Geschichte<br />
Deutschlands gezeigt: e<strong>in</strong>e Kegelbahn, die<br />
historisch gesehen die Kegelbahn der Freizeitanlage<br />
der Leipziger Stasi-Bezirksverwaltung repräsentierte,<br />
auf der unmittelbar nach der Wende begonnen wurde,<br />
die von der Staatssicherheit zerrissenen Unterlagen<br />
wieder zusammenzusetzen. Hierfür hat Büchel<br />
das Haus, den White Cube, komplett unsichtbar<br />
gemacht und mit e<strong>in</strong>em äußerst biederen Restaurantambiente<br />
mitsamt Küche, Toiletten und Tanzsaal <strong>in</strong><br />
Gänze überlagert. Damit schaffte er es, dieses Haus,<br />
das jeweils durch die documenta markiert und <strong>in</strong>s<br />
kollektive Gedächtnis e<strong>in</strong>geführt wird, anders und<br />
neu zu positionieren. Die Besucher performten <strong>in</strong> der<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
44
Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />
Kneipe sowie sie auch bereits im Discounter und im<br />
Fitnesscenter performativ herausgefordert waren.<br />
Die Deutsche Grammatik performte das Fridericianum.<br />
Zusätzlich gab es noch die politische Ebene, als<br />
Performance während zweier Tage, als Installation<br />
während der Laufzeit der Ausstellung. Büchel <strong>in</strong>itiierte<br />
im Fridericianum die so genannte politica, die<br />
erste Messe für politische Parteien Deutschlands. Für<br />
diese Messe hatten sich sechsunddreißig der beim<br />
Bundeswahlleiter gemeldeten Parteien angemeldet,<br />
von denen übrigens nicht alle ernsthafte politische<br />
Ziele verfolgen. Nachdem aber klar wurde, dass auch<br />
die NPD angemeldet war, zogen sich die Bundestagsparteien<br />
e<strong>in</strong>e Woche vor der Veranstaltung geschlossen<br />
und medienwirksam zurück. Dies brachte<br />
uns als Veranstalter natürlich <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e schwierige Situation, weil auch wir nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>er rechtsextremen und undemokratisch<br />
agierenden Partei im ältesten öffentlichen Museumsgebäude<br />
auf dem europäischen Festland Gastrecht<br />
bieten wollten. Nach vielen Diskussionen hat der<br />
Künstler aber überzeugend klarmachen können,<br />
dass die NPD, auch wenn sie ke<strong>in</strong>e demokratischen<br />
Ziele verfolgt, leider Teil des politischen Systems des<br />
Landes ist, wie andere Parteien teilweise mit Steuergeldern<br />
gespeist wird, und somit notwendigerweise<br />
auch Teil der Deutschen Grammatik se<strong>in</strong> müsste.<br />
Parallel zu der Messe gab Büchel den teilnehmenden<br />
Politikern die Möglichkeit, auf dem Friedrichsplatz<br />
neben den Beuys-Eichen e<strong>in</strong> Tannenbäumchen<br />
zu pflanzen, so wie dies kurz vorher die G8-Leiter <strong>in</strong><br />
Kyoto gemacht hatten. Büchels Politiker griffen zum<br />
Spaten, pflanzten ihr Bäumchen und ließen sich stolz<br />
von den Fotografen ablichten. Besser und absurder<br />
hätte kaum deutlich werden können, dass sie<br />
schlussendlich auf <strong>in</strong>telligente und fast geme<strong>in</strong>e Art<br />
vom Künstler für se<strong>in</strong>e große Performance <strong>in</strong>strumentalisiert<br />
worden waren. In e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der die<br />
Kunst immer mehr von der Politik <strong>in</strong>strumentalisiert<br />
zu werden droht, e<strong>in</strong>e wunderbare Umkehrung der<br />
D<strong>in</strong>ge.<br />
Büchels Ausstellung thematisierte sowohl das<br />
Haus Fridericianum und dessen Geschichte als auch<br />
die Vergangenheit des Friedrichsplatzes als ehemaliger<br />
Paradeplatz. Der künstlerische Akt, den Platz<br />
e<strong>in</strong>em Bauern zurückzugeben, war gleichzeitig e<strong>in</strong><br />
Akt, den Ort aus se<strong>in</strong>en historischen Angeln herauszuheben.<br />
Deutsche Grammatik war <strong>in</strong> mehrfacher<br />
H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e Ausstellung, <strong>in</strong> der das Performative<br />
auf verschiedenen Ebenen e<strong>in</strong>e Hauptrolle spielte: Es<br />
gab performative Installationen wie den Eurodiscounter<br />
am E<strong>in</strong>gang; es gab e<strong>in</strong>e Performance, die politica<br />
während der zwei Messetage; und das Haus selbst<br />
wurde performt: durch das Polizeiauto, die Bretterverschläge,<br />
die Bautafel, die Platzumgestaltung und<br />
die <strong>in</strong>haltliche Bearbeitung der Geschichte des Ortes.<br />
Die Ausstellung war e<strong>in</strong>e große Büchelsche Fiktion<br />
und Dystopie über die Zukunft, <strong>in</strong> der museale Strukturen<br />
nicht länger als solche funktionieren können<br />
und anderen, viel realeren Funktionen h<strong>in</strong>zu geführt<br />
werden. Das Ende des musealen White Cube schien<br />
<strong>in</strong> der Deutschen Grammatik nicht mehr weit weg.<br />
Maurizio Cattelan<br />
E<strong>in</strong> Ausstellungsprojekt von Maurizio Cattelan<br />
im Migros Museum für Gegenwartskunst im Jahre<br />
2000 hieß La revolutione siamo noi. Was hat der<br />
Künstler gemacht? Eigentlich hat er das Museum<br />
zerstört, kann man sagen – zerstört, aber gleichwohl<br />
wiedererfunden. Cattelan hat sich entschieden, <strong>in</strong> der<br />
ersten von zwei großen Hallen des Museums - e<strong>in</strong>e<br />
Halle, die etwa 50 Meter lang ist – alle e<strong>in</strong>gebauten<br />
und musealisierenden Backste<strong>in</strong>wände zu entfernen.<br />
Während e<strong>in</strong>er Woche wurden die E<strong>in</strong>bauten zerstört,<br />
um e<strong>in</strong>en neuen Raum zu kreieren. Besucher kamen<br />
here<strong>in</strong> und wunderten sich über die Leere. Erst <strong>in</strong> der<br />
zweiten großen Halle stieß man dann auf e<strong>in</strong>e skulpturale<br />
Figur: e<strong>in</strong>e Figur mit dem Gesicht des Künstlers,<br />
die e<strong>in</strong>en Filzanzug trug, der jenem von Joseph<br />
Beuys ähnelte. Nun wurde auch der Ausstellungstitel,<br />
e<strong>in</strong> Zitat von Joseph Beuys, klarer. Die Zerstörung<br />
und Umgestaltung des vorderen Raumes erwies<br />
sich als revolutionärer Akt, bei der der revolutionäre<br />
Urvater mehr oder weniger entsorgt werden musste.<br />
Beuys ließ grüßen, und Cattelan hatte das Museum<br />
performt.<br />
Zwei Jahre später performte Cattelan dann auch<br />
das Museum Boijmans van Beun<strong>in</strong>gen. Er realisierte<br />
auf me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung h<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Arbeit, die den<br />
Kern<strong>in</strong>halt des Museums als fast enzyklopädisches<br />
Sammlungs- und Ausstellungshaus thematisierte. Er<br />
hat e<strong>in</strong>e Kopie se<strong>in</strong>er Selbst kreiert, bei der er sich<br />
mit jüngeren Gesichtszügen e<strong>in</strong>e lausbübische Ausstrahlung<br />
verpasste. Aus e<strong>in</strong>em Loch im historischen<br />
Boden des altehrwürdigen Hauses, <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>es<br />
Raumes mit Meistern des niederländischen achtzehnten<br />
Jahrhunderts, guckte er sich um. E<strong>in</strong> Dieb<br />
<strong>in</strong> der Nacht, e<strong>in</strong> junger Künstler, der schaut, wie die<br />
Älteren es gemacht haben.<br />
Was Cattelans Arbeit im Museum Boijmans Van<br />
Beun<strong>in</strong>gen bewirkte, war e<strong>in</strong>e Revolutionierung der<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
45
Perform<strong>in</strong>g the Museum<br />
Rezeption. Gewöhnlich geht man an dieser Stelle<br />
mit den Händen auf dem Rücken durch den musealen<br />
Parcours, schaut sich die Meister an, flüstert<br />
zu se<strong>in</strong>em Nachbarn, wie schön oder wie handwerklich<br />
perfekt das ist, was e<strong>in</strong>em da begegnet.<br />
Und plötzlich, fast am Ende dieses Parcours, liegt<br />
da dann dieser Stolperste<strong>in</strong>. Plötzlich wird man als<br />
Besucher zum Performer im Museum. Man wird mit<br />
dem eigenen Schauen konfrontiert, mit dem eigenen<br />
Betrachten, mit dem eigenen Gehen, mit dem<br />
eigenen Flüstern, mit dem eigenen Reden, mit der<br />
eigenen Beobachtung und mit der – mehr oder weniger<br />
traditionellen – Identifizierung mit dem musealen<br />
Raum. Und genau da werden die Grenzen und auch<br />
die Chancen der musealen Rezeption aufgezeigt,<br />
wird der Museumsbesuch thematisiert und aktiviert<br />
und kann sich das Museum, <strong>in</strong>dem es <strong>in</strong> Frage<br />
gestellt wird, neu erf<strong>in</strong>den. Da hat der museale Raum<br />
wahrlich e<strong>in</strong>e reale Zukunft. Im (physischen) Widerstand<br />
gegen den bestehenden und kanonisierten<br />
musealen Raum kann für die Besucher e<strong>in</strong>e neue Art<br />
der Beziehung zur Institution Museum entstehen.<br />
Abb. 1: Teresa Margolles, Frontera, 20<strong>10</strong>, Kunsthalle Fridericianum<br />
Kassel<br />
1 Nicolas Bourriaud <strong>in</strong>troduzierte 1995 diesen Begriff. 1998 publizierte er<br />
L'esthétique relationnelle, édition Les presses du réel, Dijon, 1998.<br />
2 So marschierten zum Beispiel 1939 anlässlich des 1. Großdeutschen<br />
Reichskriegertages 300.000 Soldaten über den Friedrichsplatz.<br />
Abb. 2: Christoph Büchel, Deutsche Grammatik, 2008,<br />
Ausstellungsansicht (Detail) Kunsthalle Fridericianum Kassel<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
46
iografien<br />
der Referenten<br />
Prof. Dr. Charlotte Klonk<br />
Professor<strong>in</strong> für Kunst und neue Medien am Institut<br />
für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-<br />
Universität zu Berl<strong>in</strong><br />
Charlotte Klonk lehrt seit 2006 Kunstgeschichte an<br />
der Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong>. Sie hat <strong>in</strong> Hamburg<br />
und Cambridge studiert und im Museum für<br />
zeitgenössische Kunst <strong>in</strong> Gent gearbeitet. Von 1993<br />
bis 1995 war sie Junior Research Fellow am Christ<br />
Church College <strong>in</strong> Oxford und anschließend bis 2005<br />
Lecturer an der University of Warwick. Ihre Doktorarbeit<br />
wurde 1996 unter dem Titel Science and the<br />
Perception of Nature: British Landscape Art <strong>in</strong> the<br />
Late Eighteenth and Early N<strong>in</strong>eteenth Centuries (Yale<br />
University Press) veröffentlicht. 2001/02 kam sie als<br />
Alexander-von-Humboldt-Fellow an das Max-Planck-<br />
Institut für Wissenschaftsgeschichte und 2005/06<br />
als Fellow an das Wissenschaftskolleg <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Ihre<br />
Habilitationsschrift Spaces of Experience: Art Gallery<br />
Interiors from 1800–2000 (Yale University Press)<br />
erschien Ende 2009. Sie erhielt 20<strong>10</strong> Rufe an die<br />
Universitäten <strong>in</strong> Lüneburg und Greifswald und 2011<br />
an die Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong>.<br />
Ellen Blumenste<strong>in</strong><br />
Chefkurator<strong>in</strong> der KW Institute for Contemporary<br />
Art, Gründer<strong>in</strong> des Salon Populaire, Berl<strong>in</strong><br />
Ellen Blumenste<strong>in</strong> (*1976) ist Kurator<strong>in</strong>, Gründer<strong>in</strong> des<br />
Salon Populaire und Mitglied des Kuratorenkollektivs<br />
THE OFFICE. Von 1998 bis 2005 war sie Kurator<strong>in</strong> bei<br />
den KW Institute for Contemporary Art <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Dort<br />
realisierte sie 2005 zusammen mit Klaus Biesenbach<br />
und Felix Enssl<strong>in</strong> die Ausstellung Regard<strong>in</strong>g<br />
Terror: The RAF-Exhibition. Im Anschluss zeichnete<br />
sie für die Ausstellungen Between Two Deaths im<br />
ZKM, Karlsruhe (mit Felix Enssl<strong>in</strong>, 2007) und Agulhas<br />
Negras – On the Necessity to Discuss Social Functions<br />
of Contemporary Art <strong>in</strong> São Paulo/Campos do<br />
Jordão, Brasilien (2008) verantwortlich. 20<strong>10</strong> organisierte<br />
Ellen Blumenste<strong>in</strong> „Perform a Lecture!“ für<br />
THE OFFICE, e<strong>in</strong>e sechsteilige Veranstaltungsreihe<br />
<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit diversen Berl<strong>in</strong>er Kultur<strong>in</strong>stitutionen.<br />
Für die Venedig Biennale 2011 wurde sie<br />
als Kurator<strong>in</strong> des isländischen Pavillons (Libia Castro<br />
und Ólafur Ólafsson) berufen. Im selben Jahr kuratierte<br />
sie die Graduate Show am Piet Zwart Institute<br />
<strong>in</strong> Rotterdam. Seit 2013 ist sie Chefkurator<strong>in</strong> der KW<br />
Institute for Contemporary Art.<br />
Prof. Beatrix von Pilgrim<br />
Professor<strong>in</strong> für Szenografie an der Staatlichen<br />
Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Szenograf<strong>in</strong>,<br />
Bildende Künstler<strong>in</strong><br />
Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an<br />
der TU Braunschweig, Französischstudium an der<br />
Sorbonne. Anstellung als Bühnenbildassistent<strong>in</strong> am<br />
Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Aufnahme an<br />
der HdK (heute UdK) Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Klasse des Malers,<br />
Regisseurs und Bühnenbildners Achim Freyer. Regieassistenz<br />
bei Robert Wilson.<br />
Arbeit als freie Bühnen- und Kostümbildner<strong>in</strong> an<br />
diversen Schauspiel- und Opernhäusern, u.a. <strong>in</strong><br />
Schwetz<strong>in</strong>gen, Köln, Bochum (Schauspielhaus),<br />
Zürich (Schauspiel), Mannheim (Nationaltheater),<br />
Frankfurt (TAT). Beg<strong>in</strong>n der kont<strong>in</strong>uierlichen Zusammenarbeit<br />
mit dem Regisseur, Schauspieler und<br />
Maler Valent<strong>in</strong> Jeker. 1993-1998 im Leitungsteam des<br />
Freiburger Theaters als Chefbühnenbildner<strong>in</strong>. Konzentration<br />
auf Oper und vor allem zeitgenössische<br />
Musik. Kuratoriumsmitglied des Betreibervere<strong>in</strong>s<br />
„Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur Hellerau“<br />
<strong>in</strong> Dresden.<br />
Seit 2001 Zusammenarbeit mit der Autor<strong>in</strong>, Schauspieler<strong>in</strong><br />
und Regisseur<strong>in</strong> Ingrid Lausund und seitdem<br />
13 Uraufführungen. 2003 Beg<strong>in</strong>n der Zusammenarbeit<br />
mit dem Opernregisseur Tilman Knabe.<br />
Seit 2004 Professur für Szenografie an der HfG Karlsruhe.<br />
2009 Gründung der Produktionsfirma LAU-<br />
SUNDPRODUCTIONS <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit Ingrid Lausund<br />
und erste freif<strong>in</strong>anzierte Produktionen („Benefiz“,<br />
20<strong>10</strong>). Seitdem Atelier und Firma <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Aktuelle<br />
Arbeiten zur Zeit <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z, Bonn und Hamburg.<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
47
iografien der Referenten<br />
Prof. Wilfried Kuehn<br />
Kuehn Malvezzi, Berl<strong>in</strong>, Professor für Ausstellungsdesign<br />
und kuratorische Praxis an der<br />
Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe<br />
Wilfried Kuehn (*1967 <strong>in</strong> Hamburg) ist Partner des<br />
Architekturstudios KUEHN MALVEZZI <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und<br />
Professor für Ausstellungsdesign und kuratorische<br />
Praxis an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung<br />
<strong>in</strong> Karlsruhe. 2006 rief er die Publikationsreihe<br />
DISPLAYER zu Strategien des Ausstellens und<br />
Fragen der Raumproduktion an der Schnittstelle<br />
von Kunst und Architektur <strong>in</strong>s Leben.<br />
Van Beun<strong>in</strong>gen. In der Kunsthalle Fridericianum kuratierte<br />
er große E<strong>in</strong>zelausstellungen, unter anderem<br />
von Christoph Büchel, Pawel Althamer, Teresa Margolles,<br />
Thomas Zipp, Monica Bonvic<strong>in</strong>i und Matias<br />
Faldbakken.<br />
KUEHN MALVEZZI, 2001 mit Simona Malvezzi und<br />
Johannes Kuehn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gegründet, s<strong>in</strong>d vor allem<br />
im Bereich Museums- und Ausstellungsarchitektur<br />
tätig. Projekte unter anderem Umbau der B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g<br />
Brauerei für Okwui Enwezors Documenta 11, Kassel<br />
(2002); Gestaltung von Bibliothek, Kassenbereich<br />
sowie Buchstabenfeld und Vorplatz für die Berl<strong>in</strong>ische<br />
<strong>Galerie</strong> (2003/04); Erweiterung Museum für<br />
Gegenwart im Hamburger Bahnhof für die F. C. Flick<br />
Collection, Berl<strong>in</strong> (2004); Sammlung Julia Stoschek,<br />
Düsseldorf (2007); Liebieghaus Frankfurt (2008/09);<br />
Österreichische <strong>Galerie</strong> Belvedere <strong>in</strong> Wien (2009).<br />
2008 gewann ihr Entwurf für das Humboldt-Forum<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sonderpreis. Teilnahme an der <strong>10</strong>.<br />
Architektur-Biennale Venedig (2006). 2009 erhielten<br />
KUEHN MALVEZZI den Deutschen Kritikerpreis für<br />
Architektur.<br />
Re<strong>in</strong> Wolfs<br />
Ehemals Künstlerischer Leiter der Kunsthalle<br />
Fridericianum Kassel; seit März 2013 Intendant<br />
der Bundeskunsthalle <strong>in</strong> Bonn<br />
Re<strong>in</strong> Wolfs ist seit März 2013 Intendant der Bundeskunsthalle<br />
Bonn. Zuvor war er seit 2008 künstlerischer<br />
Leiter der Kunsthalle Fridericianum <strong>in</strong> Kassel<br />
sowie von 2002 bis 2007 Ausstellungsdirektor im<br />
Museum Boijmans Van Beun<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Rotterdam.<br />
2003 kuratierte er den niederländischen Pavillon bei<br />
der Biennale di Venezia. 1996 bis 2001 war er Gründungsdirektor<br />
des Migros Museum für Gegenwartskunst<br />
<strong>in</strong> Zürich.<br />
Zu se<strong>in</strong>en wichtigsten kuratorischen Projekten zählen<br />
Ausstellungen mit Douglas Gordon, Maurizio Cattelan,<br />
Angela Bulloch und Cady Noland im Migros<br />
Museum und Retrospektiven von Bas Jan Ader und<br />
Rirkrit Tiravanija sowie Großausstellungen mit Urs<br />
Fischer und Erik van Lieshout im Museum Boijmans<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
48
IMPRESSUM<br />
Diese Publikation ersche<strong>in</strong>t anlässlich<br />
des Symposiums<br />
Beyond the White Cube?<br />
Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung<br />
und Inszenierung heute<br />
am 25.03.2011<br />
Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong><br />
Landesmuseum für Moderne<br />
Kunst, Fotografie und Architektur<br />
Stiftung Öffentlichen Rechts<br />
Alte Jakobstraße 124–128<br />
<strong>10</strong>969 Berl<strong>in</strong><br />
Tel +49 (0)30-78 902-600<br />
Fax +49 (0)30-78 902-700<br />
bg@berl<strong>in</strong>ischegalerie.de<br />
www.berl<strong>in</strong>ischegalerie.de<br />
Symposium<br />
Konzept und Organisation: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke<br />
Kugelmann, Christ<strong>in</strong>a Landbrecht, Philip Norten<br />
Publikation<br />
Herausgeber: Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong>, Landesmuseum<br />
für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur<br />
Konzeption: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann,<br />
Christ<strong>in</strong>a Landbrecht, Philip Norten<br />
Lektorat: Diana Br<strong>in</strong>kmeyer, Anke Kugelmann<br />
Gestaltung: Thoma + Schekorr<br />
© 2013 Berl<strong>in</strong>ische <strong>Galerie</strong>, Landesmuseum<br />
für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur<br />
© für die Werke von Max Beckmann, Willy Jaeckel,<br />
Bruce Nauman, Olaf Nicolai, William Wauer: VG Bild-<br />
Kunst, Bonn 2013<br />
© für die Werke von Christoph Büchel: Christoph<br />
Büchel, Courtesy <strong>Galerie</strong> Hauser & Wirth, Zürich /<br />
London<br />
© für die Werke von Nan Gold<strong>in</strong>: Nan Gold<strong>in</strong> /<br />
Courtesy Matthew Marks Gallery, New York<br />
© für die Werke von Susanne Kriemann: Susanne<br />
Kriemann<br />
© für die Architekturzeichnungen und Schnitte von<br />
Kuehn Malvezzi: Kuehn Malvezzi<br />
© für die Werke von Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke: Arm<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ke<br />
© für die Werke von Teresa Margolles: Teresa Margolles,<br />
Courtesy <strong>Galerie</strong> Peter Kilchmann, Zürich<br />
© für die Werke von Ludwig Meidner: Ludwig-Meidner-Archiv,<br />
Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt<br />
a. M.<br />
© für die Werke von Olumuyiwa Olamide Osifuye:<br />
Olumuyiwa Olamide Osifuye<br />
© für die Werke von Tony Oursler: Tony Oursler<br />
© für alle Zeichnungen von Beatrix von Pilgrim:<br />
Beatrix von Pilgrim<br />
© für die Fotografien: S.8, Abb.1: Michael Schäfer;<br />
S.8, Abb.2: Susanne Kriemann; S.8, Abb.3: Hans-<br />
Georg Gaul; S.16, Abb.1: bpk / Zentralarchiv, S<strong>MB</strong>;<br />
S.16, Abb.2: bpk / Zentralarchiv, S<strong>MB</strong> / Sprengel<br />
Museum Hannover / Foto: Wilhelm Redemann; S.16,<br />
Abb.3: bpk / Zentralarchiv, S<strong>MB</strong>; S.16, Abb.4: Städel<br />
Museum / Norbert Miguletz; S.19, Abb.1: Thomas<br />
Lillevang; S.19, Abb.2: Fiona Geuß; S.40, Abb.1: ÖNB/<br />
Wien, 94925-E; S.40, Abb.2: Independent Group/Arts<br />
& Humanities Research Council, K<strong>in</strong>gston University<br />
London; S.40, Abb. 3 und S.41, Abb.9: Kuehn<br />
Malvezzi; S.40, Abb.4 und 6 sowie S.41, Abb.11:<br />
Ulrich Schwarz; S.41, Abb.13: Fred Dott; S.41, Abb.14:<br />
Wilfried Kuehn; S.46, Abb.1: Nils Kl<strong>in</strong>ger; S.46, Abb.2:<br />
Stefan Altenburger<br />
Trotz sorgfältiger Recherche war es nicht <strong>in</strong> allen<br />
Fällen möglich, die Rechte<strong>in</strong>haber zu ermitteln. Berechtigte<br />
Ansprüche werden selbstverständlich im<br />
Rahmen der üblichen Vere<strong>in</strong>barungen abgegolten.<br />
© für die Texte: bei den jeweiligen Autoren.<br />
Die meisten Beiträge dieser Publikation verwenden,<br />
wenn von Männern und Frauen die Rede ist, die maskul<strong>in</strong>e<br />
Form oder Formulierungen neutraler Art. Wir<br />
weisen ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> jedem Fall<br />
beide Geschlechter geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, Ausnahmen s<strong>in</strong>d<br />
deutlich formuliert.<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
49
IMPRESSUM<br />
Mitarbeiter der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong><br />
Landesmuseum für Moderne Kunst,<br />
Fotografie und Architektur<br />
Direktor: Dr. Thomas Köhler<br />
Verwaltungsdirektor: Dr. Robert Knappe<br />
Sekretariat der Direktion: Wiebke Heß<br />
Referent<strong>in</strong> des Direktors: Anne Bitterwolf<br />
Assistenz der Verwaltungsdirektion: Daniela Siegel<br />
Projektmanagement Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g Forever: Silke Baumann<br />
Sammlungen<br />
Sammlung Bildende Kunst<br />
Guido Faßbender (kommissarische Leitung),<br />
Annemarie Seyda, Christian Tagger<br />
Fotografische Sammlung<br />
Ulrich Domröse (Leitung), Kerst<strong>in</strong> Diether,<br />
Tanja Keppler<br />
Grafische Sammlung<br />
Dr. Annelie Lütgens (Leitung), Kathar<strong>in</strong>a Hoffmann<br />
Architektur Sammlung<br />
Ursula Müller (Leitung), Frank Schütz<br />
Künstler-Archive<br />
Dr. Ralf Burmeister (Leitung), Wolfgang Erler,<br />
Wolfgang Schöddert, Alexander Zeisberg<br />
Bibliothek<br />
Sab<strong>in</strong>e Schardt (Leitung), Marion Molnos,<br />
Christ<strong>in</strong>a Strauch, Anna König (FSJ Kultur)<br />
Restaurierung<br />
Andreas Piel (Leitung), Maria Bortfeldt,<br />
Sab<strong>in</strong>a Fernandez, Cor<strong>in</strong>na Nisse<br />
Wissenschaftliche Volontäre<br />
Nad<strong>in</strong>e Bahrmann, Clemens Klöckner,<br />
Christ<strong>in</strong>a Korzen, Isabelle L<strong>in</strong>dermann, Julia Mauga<br />
Zentrale Dienste<br />
Organisation und IuK<br />
Christiane Friedrich (Leitung), Wolfram Kiepe,<br />
Mart<strong>in</strong> von Piechowski<br />
F<strong>in</strong>anzen & Controll<strong>in</strong>g<br />
Susanne Teuber (Leitung), Laila Ayyache,<br />
Kerst<strong>in</strong> Böhme, Kar<strong>in</strong> Rasper<br />
Personalservice<br />
Christian Monschke (Leitung), Cornelia Remky<br />
Besucherbetreuung<br />
Carola Semm (Leitung)<br />
Museumsshop<br />
Carsten Fedderke, Dr. Eva-Maria Kaufmann,<br />
Re<strong>in</strong>hard Kuh, Merwe Reckenfelderbäumer,<br />
Dirk Schäfer<br />
Besucherbetreuung<br />
Helmut Andersen, Christiane Boese,<br />
Friederike von Born-Fallois, Brigitte Heilmann,<br />
Nihal Isigan, Gerhard Jende, Frank Lambertz,<br />
Daniela Lamprecht, Matthias L<strong>in</strong>de, Katar<strong>in</strong>a Roters,<br />
Olaf Schümann, Nasr<strong>in</strong> Sheikh Zadeh, Reza Soltani<br />
Technik<br />
Roland Pohl (Leitung), Wolfgang Fleischer,<br />
Robert Frank, Ralf Geelhaar, Wolfgang Heigl,<br />
Andreas Kamprath, Frank Rohrbeck,<br />
Florian Hübner (FSJ Kultur)<br />
Market<strong>in</strong>g & Kommunikation<br />
Susanne Kumar-S<strong>in</strong>ner (Leitung), Diana Br<strong>in</strong>kmeyer,<br />
Fiona F<strong>in</strong>ke, Carol<strong>in</strong> Wagner (Tra<strong>in</strong>ee),<br />
Theresa Thaller (FSJ Kultur)<br />
Fördervere<strong>in</strong><br />
Stephanie Krumbholz, Sophie Bertone,<br />
Elena Schoubye<br />
Beyond the White Cube? Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung und Inszenierung heute<br />
Symposium <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>ischen <strong>Galerie</strong> am 25.03.2011<br />
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