Café33 - KPÖ Oberösterreich
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Seite 10<br />
Ausnahme-<br />
Zustand<br />
Was ist von den Studentenprotesten im letzten Jahr geblieben? Eine Analyse von Barbara Steiner.<br />
Vor genau einem Jahr hat sich<br />
an den Unis Proteststimmung<br />
breit gemacht. Wollte ich die<br />
so viel benutzte Metapher von<br />
der „brennenden Uni“<br />
benutzen würde es jetzt<br />
heißen „vom Funken zum<br />
Flächenbrand“ entwickelten<br />
sich Kritik, Protest,<br />
Widerstand.<br />
Aktionismus und widerständige<br />
Praxis war an den Unis lange<br />
üblich, der neoliberale Umbau<br />
der Hochschulen und die<br />
Prekarisierung unserer Leben<br />
verhindert das zunehmend.<br />
Trotzdem gibt es Aneignung<br />
von Wissen über Macht- und<br />
Herrschaftsstrukturen, Kritik<br />
und linke Analyse an/um der<br />
Uni. Die Prekarisierung einerseits<br />
und studentische<br />
widerständige Zusammenhänge<br />
andererseits haben den Weg<br />
bereitet für eine Protestwelle,<br />
die alle überraschte und deren<br />
Entstehung und Entwicklung<br />
immer nur mit Flächenbrand-<br />
Metaphern beschrieben wird.<br />
Geprägt war diese<br />
Protestbewegung durch<br />
Spontaneität, massenhafte Partizipation,<br />
durch unorthodox<br />
datenschutzbedenkenlose,<br />
transparente Kommunikation<br />
über twitter, Homepage und<br />
Livestream gepaart mit Eigeninitiativen<br />
und Selbstermächtigungen.<br />
Was ist geblieben? Am Augenscheinlichsten<br />
ein Jahr danach<br />
ist ein Schub von<br />
Militarisierung an der Uni: Angestellte<br />
privater<br />
Securityfirmen patrouillieren<br />
und kontrollieren. Daneben<br />
wird planmäßig der freie<br />
Hochschulzugang abgeschafft und die weitere<br />
Vermarktwirtschaftlichung betrieben.<br />
Von Polizei und Politik war die „Audimaxbewegung“<br />
weitgehend ignoriert und<br />
gemieden worden. Für die Verbleibenden<br />
politisch Aktiven gab es in Wien – einem<br />
Racheakt gleich – im Jahr nach Audimax<br />
eine Repressionsoffensive mit<br />
Kriminalisierungen von Demonstrationen,<br />
Hausdurchsuchungen, Verhaftungen.<br />
Doch wo sind die tausenden AudimaxistInnen<br />
geblieben? Es wurden viele StudentInnen<br />
politisiert und viele merkten, dass sie<br />
ihre Geschicke auch selbst in die Hand<br />
nehmen können. Dass das aber nicht bloß<br />
heißt, Transparentstange und Kochlöffel in<br />
die Hand zu nehmen, wurde wohl auch einigen<br />
schmerzlich bewusst. Ein Monat lang<br />
sind tagtäglich organisatorische und<br />
kommunikatorische Rekorde vollbracht<br />
worden, ein bunter Mikrokosmos am<br />
Leben gehalten. Doch trotz kultureller,<br />
sozialer, kulinarischer, räumlicher, lernender<br />
und lehrender Selbstversorgung und<br />
Solidarität von „außen“ war das schöne Leben<br />
im Audimax als Ausnahmezustand auf<br />
Dauer nicht installierbar. "Die Bewegung"<br />
nahm schon während der aktivsten Zeit<br />
eine Art pathetische Selbsthistorisierung<br />
vor. Ein fast religiöser Glaube an und<br />
unbedingte Identifikation mit „der<br />
Bewegung“ herrschte mitunter mehr vor,<br />
als klare Reflexion über Ziele und<br />
Methoden oder gar fundierte (Selbst-)kritik<br />
der Protestbewegung. Dennoch wurde bei<br />
vielen Leuten das Bewusstsein geschärft<br />
oder geweckt, dass Uni- und Bildungspolitik<br />
nicht von Gesellschaftspolitik zu<br />
trennen ist.<br />
„Bildung für alle“ etwa hängt mit<br />
Bewegungsfreiheit und Bleiberecht zusammen.<br />
Sprache schließt aus und ein und<br />
Kommunikation zu Tausendst erfordert<br />
Selbstdisziplin. Kulturelle Vielfalt. Ablehnung<br />
von Hierarchie… Eine Protestbewegung<br />
aus vielen Versuchen, vielen Siegen<br />
und Niederlagen. Sie ist unsichtbar jetzt,<br />
doch so überraschend wie sie kam, kann<br />
sie auch wieder kommen, doch das liegt<br />
auch an uns. Ein letztes Mal die Brandmetapher:<br />
es gilt, nicht die Asche anzubeten<br />
sondern die Fackel weiterzugeben.