Max Weber - Die protestantische Ethik.pdf
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utilitarische Wendung dem Gedanken unvermerkt mit dem<br />
Absterben seiner religiösen Wurzel unter, ganz nach dem<br />
Entwicklungsschema, welches wir immer wieder beobachtet haben.<br />
<strong>Die</strong> mittelalterliche <strong>Ethik</strong> hatte den Bettel nicht nur geduldet,<br />
sondern in den Bettelorden geradezu glorifiziert. Auch die<br />
weltlichen Bettler wurden, da sie ja dem Besitzenden Gelegenheit<br />
zu guten Werken durch Almosen gaben, gelegentlich geradezu als<br />
“Stand” bezeichnet und gewertet. Noch die anglikanische<br />
Sozialethik der Stuarts stand dieser Haltung innerlich sehr nahe. Es<br />
war der puritanischen Askese vorbehalten, an jener hartes<br />
englischen Armengesetzgebung mitzuarbeiten, welche hierin<br />
grundsätzlich Wandel schuf. Und sie konnte das, weil die<br />
<strong>protestantische</strong>n Sekten und die streng puritanischen<br />
Gemeinschaften überhaupt in ihrer eigenen Mitte den Bettel<br />
tatsächlich n i c h t k a n n t e n.<br />
Denn andererseits: Von der anderen Seite, derjenigen der<br />
Arbeiter, gesehen, glorifizierte z. B. die Zinzendorfsche Spielart des<br />
Pietismus den berufstreuen Arbeiter, der nicht nach Erwerb trachtet,<br />
als nach dem Vorbild der Apostel lebend und also mit dem<br />
Charisma der Jüngerschaft begabt. Noch radikaler waren ähnliche<br />
Anschauungen anfangs bei den Täufern verbreitet gewesen. Nun ist<br />
natürlich die gesamte asketische Literatur fast a l l e r Konfessionen<br />
von dem Gesichtspunkt durchtränkt, daß treue Arbeit auch bei<br />
niederen Löhnen seitens dessen, dem das Leben sonst keine<br />
Chancen zugeteilt hat, etwas Gott höchst Wohlgefälliges sei. D a r i<br />
n brachte die <strong>protestantische</strong> Askese an sich keine Neuerung. Aber:<br />
sie vertiefte nicht nur diesen Gesichtspunkt aufs mächtigste,<br />
sondern sie erschuf jener Norm das, worauf es ja schließlich doch<br />
für deren Wirkung a l l e i n a n k a m : den psychologischen A n t r<br />
i e b durch die Auffassung dieser Arbeit als B e r u f, als<br />
vorzüglichsten, ja letztlich oft als e i n z i g e n Mittels, des<br />
Gnadenstandes sicher zu werden. Und sie legalisierte auf der<br />
anderen Seite die Ausbeutung dieser spezifischen Arbeitswilligkeit,<br />
indem sie auch den Gelderwerb des Unternehmers als “Beruf” deutete.<br />
Es liegt auf der Hand, wie mächtig das a u s s c h l i e ß l i c h e<br />
Streben nach dem<br />
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