20.11.2013 Aufrufe

Broschüre - Tier-im-Fokus.ch

Broschüre - Tier-im-Fokus.ch

Broschüre - Tier-im-Fokus.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

INFO-DOSSIER<br />

// tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong> //<br />

Fis<strong>ch</strong>e


Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis<br />

3 Empfinden Fis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>merzen?<br />

4 Fragwürdige Praktiken<br />

4 Bis auf den letzten Fis<strong>ch</strong><br />

5 Subventionierte Überfis<strong>ch</strong>ung<br />

5 Aquakulturen – die Alternative?<br />

7 Lei<strong>ch</strong>t, bekömmli<strong>ch</strong> und – gesund?<br />

8 Zusammenfassung<br />

8 Fussnoten<br />

9 Quellen<br />

IMPRESSUM<br />

Info-Dossier Nr. 8/2009 FIS C HE<br />

Herausgebers<strong>ch</strong>aft: tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong> // Adresse: tier-<strong>im</strong>fokus.<strong>ch</strong>,<br />

Postfa<strong>ch</strong> 8545, CH-3001 Bern, www.tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong>,<br />

info@tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong> // Konto: PC-Konto 30-37815-2 // Text &<br />

Copyright: 2009 tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong>


Info-Dossier Nr. 8/2009<br />

// tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong> //<br />

Thema: FISCHE<br />

Fis<strong>ch</strong>e<br />

Fis<strong>ch</strong> und sogenannte „Meeresfrü<strong>ch</strong>te“ sind beliebte<br />

Nahrungsmittel – gerade au<strong>ch</strong> bei Leuten, die dem<br />

Fleis<strong>ch</strong>konsum eher skeptis<strong>ch</strong> gegenüber stehen.<br />

Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> konnte in den vergangenen Jahrzehnten<br />

kein anderer Lebensmittelzweig derart zulegen wie<br />

die Fis<strong>ch</strong>industrie. Heutzutage werden na<strong>ch</strong> offiziellen<br />

S<strong>ch</strong>ätzungen jährli<strong>ch</strong> rund 200 Millionen Tonnen<br />

„Fis<strong>ch</strong>ereierträge“ erzielt. Das ist viermal mehr als<br />

no<strong>ch</strong> vor 50 Jahren (Weltalmana<strong>ch</strong> 2009, S. 656;<br />

Jar<strong>ch</strong>au et al. 2009).<br />

So stieg au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz der Konsum von<br />

Fis<strong>ch</strong>produkten seit Ende der 1990er Jahre um 20%<br />

auf über 56.000 Tonnen an, darunter sind 5.000<br />

Tonnen Garnelen, Krebse, Hummer und Krabben.<br />

Damit beträgt der jährli<strong>ch</strong>e pro Kopf Konsum der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Bevölkerung derzeit 7.6 kg; in Deuts<strong>ch</strong>land<br />

liegt er bei 15.5 kg (vgl. WWF 2007, S. 8;<br />

Greenpeace 2008b, S. 9).<br />

Allerdings werfen die industrielle Gewinnung, die<br />

Verarbeitung wie au<strong>ch</strong> der Konsum dieser von der<br />

Werbung viel gepriesenen „lei<strong>ch</strong>ten Ernährung“ <strong>im</strong>mer<br />

längere S<strong>ch</strong>atten. Das Spektrum der Probleme<br />

rei<strong>ch</strong>t von unserem moralis<strong>ch</strong> fragwürdigen Umgang<br />

mit dem „s<strong>ch</strong>w<strong>im</strong>menden Rohstoff“ über ökologis<strong>ch</strong>e<br />

Bedenken bis hin zu gesundheitli<strong>ch</strong>en Risiken, die<br />

ans<strong>ch</strong>einend alternative Methoden der Fis<strong>ch</strong>industrie<br />

in si<strong>ch</strong> bergen.<br />

EMPFINDEN FISCHE SCHMERZEN?<br />

Kaum ein anderes Thema wird in der Verhaltensfors<strong>ch</strong>ung<br />

so kontrovers und emotional diskutiert wie<br />

die Frage: Können Fis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>merzen empfinden?<br />

(vgl. allgemein S<strong>ch</strong>reckenba<strong>ch</strong> & Pietrock 2005).<br />

Während die einen der Ansi<strong>ch</strong>t sind, Fis<strong>ch</strong>e würden<br />

auf best<strong>im</strong>mte Reize allenfalls mit so etwas wie<br />

Stress reagieren (vgl. Rose 1999/2000), vertreten<br />

andere die Auffassung, dass sie ni<strong>ch</strong>t bloss S<strong>ch</strong>merzen,<br />

sondern au<strong>ch</strong> andere bewusste Wahrnehmungen<br />

wie Angst empfinden (vgl. Portavella et al.<br />

2004). [1]<br />

Verglei<strong>ch</strong>sweise unbestritten ist, dass Nervenendigungen<br />

in der Haut von Fis<strong>ch</strong>en als S<strong>ch</strong>merzrezeptoren<br />

fungieren können (vgl. Sneddon et al.<br />

2003). Au<strong>ch</strong> lassen si<strong>ch</strong> bei Fis<strong>ch</strong>en Neurotransmitter<br />

und -modulatoren na<strong>ch</strong>weisen, die bei Säugetieren<br />

für die Reizübertragung verantwortli<strong>ch</strong> sind (vgl.<br />

Hoffmann & Oidtmann 2003).<br />

Die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass Fis<strong>ch</strong>e (na<strong>ch</strong> heutigem Wissensstand)<br />

ni<strong>ch</strong>t über genau jene Hirnregionen verfügen,<br />

die be<strong>im</strong> Mens<strong>ch</strong>en für die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>-emotionale<br />

S<strong>ch</strong>merzempfindung zuständig sind (vgl. Rose<br />

2002), ist <strong>im</strong> Urteil vieler Fa<strong>ch</strong>leute ni<strong>ch</strong>t hinrei<strong>ch</strong>end,<br />

um ihnen jegli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>merzempfinden abzuspre<strong>ch</strong>en.<br />

Erstens gibt es <strong>im</strong> <strong>Tier</strong>rei<strong>ch</strong> eine Reihe von Beispielen,<br />

bei denen diese Funktion von anderen<br />

Strukturen wahrgenommen wird (vgl. Segner 2003).<br />

Zweitens wird bezweifelt, dass die in diesem Zusammenhang<br />

oft zugrunde gelegte und am Mens<strong>ch</strong>en<br />

orientierte S<strong>ch</strong>merzdefinition (gemäss Wall 1999)<br />

ohne weiteres auf Fis<strong>ch</strong>e übertragen werden kann<br />

(vgl. Hoffmann & Oidtmann 2003). S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wurde<br />

na<strong>ch</strong>gewiesen, dass Fis<strong>ch</strong>e lernen können, Situationen<br />

zu meiden, die mit S<strong>ch</strong>merzen verbunden<br />

sind (vgl. Klausewitz 2003; Huntingford et al. 2006).<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts dieser Befunde gelangen selbst verglei<strong>ch</strong>sweise<br />

konservative ExpertInnen zum S<strong>ch</strong>luss,<br />

dass wir Fis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>merzempfinden zus<strong>ch</strong>reiben<br />

– 3 –


sollten, solange das Gegenteil ni<strong>ch</strong>t bewiesen sei<br />

(vgl. z.B. Knös<strong>ch</strong>e 2009, S. 26). [2]<br />

FRAGWÜRDIGE PRAKTIKEN<br />

Dass die Debatte über das S<strong>ch</strong>merzempfinden der<br />

Fis<strong>ch</strong>e derart hitzig geführt wird, hat einen Grund:<br />

Sollten sie tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>merzen empfinden, hätte<br />

dies in moralis<strong>ch</strong>er Hinsi<strong>ch</strong>t Auswirkungen auf unseren<br />

praktis<strong>ch</strong>en Umgang mit diesen <strong>Tier</strong>en. Denn es<br />

gibt kaum eine Methode des Fangens und Tötens<br />

von Fis<strong>ch</strong>en, die für sie ni<strong>ch</strong>t mit S<strong>ch</strong>merzen verbunden<br />

ist oder zu Stress führt.<br />

So werden Fis<strong>ch</strong>e bei vielen, na<strong>ch</strong> wie vor gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Netzfangmethoden in rasantem Tempo<br />

an die Wasseroberflä<strong>ch</strong>e gezogen, wodur<strong>ch</strong> es zu<br />

einer massiven Druckverminderung kommt und<br />

damit zu Verletzungen von Magen und S<strong>ch</strong>w<strong>im</strong>mblase.<br />

Einmal an Bord der S<strong>ch</strong>iffe, sterben viele von<br />

ihnen einen qualvollen Erstickungstod; die von einigen<br />

<strong>Tier</strong>s<strong>ch</strong>utzgesetzen vorges<strong>ch</strong>riebene Betäubung<br />

ist eine Massnahme, die auf grossen Fangflotten<br />

praktis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t umgesetzt werden kann (vgl. Hofmann<br />

& Oidtmann 1997, S. 486). Zudem verfangen<br />

si<strong>ch</strong> viele Fis<strong>ch</strong>e und andere Meerestiere häufig in<br />

Netzen, sie werden dadur<strong>ch</strong> verletzt und – sofern<br />

ni<strong>ch</strong>t verwertbar – wieder ins Wasser befördert (sog.<br />

„discards“) (vgl. Greenpeace 2005).<br />

Mit Ho<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>windigkeit an die Wasseroberflä<strong>ch</strong>e © Greenpeace<br />

Au<strong>ch</strong> die in der Angelfis<strong>ch</strong>erei übli<strong>ch</strong>en Praktiken erweisen<br />

si<strong>ch</strong> unter diesen Gesi<strong>ch</strong>tspunkt als fragwürdig.<br />

Man denke an das Angeln mit lebenden Köderfis<strong>ch</strong>en<br />

oder an die Hälterung, bei der die gefangenen<br />

<strong>Tier</strong>e ni<strong>ch</strong>t sofort getötet, sondern in sogenannte<br />

Setzkes<strong>ch</strong>er gelegt werden (das sind ins Wasser<br />

gehängte Netz- oder Drahtgehäuse), in denen sie<br />

einer fortgesetzten Stresssituation ausgesetzt sind<br />

(vgl. Goets<strong>ch</strong>el & Bolliger 2003, S. 58f.).<br />

Ähnli<strong>ch</strong>es gilt für weit verbreitete Te<strong>ch</strong>niken der<br />

Hobby- oder Wettkampffis<strong>ch</strong>erei wie dem „cat<strong>ch</strong> and<br />

release“ (Fis<strong>ch</strong>e werden gefangen und wieder freigelassen)<br />

oder dem „put and take“ (sie werden in Tei<strong>ch</strong>e<br />

ausgesetzt, um dann wiederum herausgeangelt<br />

zu werden).<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wäre au<strong>ch</strong> die Aufzu<strong>ch</strong>t und Haltung<br />

dieser <strong>Tier</strong>e zu überdenken (s.u.). Augenfällig ist<br />

dies <strong>im</strong> Falle von Aquakulturen oder Fis<strong>ch</strong>farmen, in<br />

denen <strong>Tier</strong>e, die normalerweise 10.000 und mehr<br />

Kilometer zurücklegen (wie z.B. La<strong>ch</strong>se), in 25 Meter<br />

langen Käfigen gehalten und bis zur Verkaufsreife<br />

gemästet werden, aber au<strong>ch</strong> Lebendtransporte (von<br />

Hummern oder Langusten) sowie die Haltung von<br />

Speisefis<strong>ch</strong>en in Restaurants.<br />

Sind wir bereit, Fis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>merzempfinden zuzus<strong>ch</strong>reiben,<br />

ist in der Tat s<strong>ch</strong>wer zu verstehen, was in<br />

ihrem Fall eine „artgere<strong>ch</strong>te Haltung“ oder „humane<br />

S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tung“ bedeuten könnte. [3]<br />

BIS AUF DEN LETZTEN FISCH<br />

Unser Umgang mit Fis<strong>ch</strong>en ist aber ni<strong>ch</strong>t allein aus<br />

moralis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t grundsätzli<strong>ch</strong> zu hinterfragen. Die<br />

Fis<strong>ch</strong>bestände der Weltmeere s<strong>ch</strong>rumpfen bedrohli<strong>ch</strong>,<br />

die ökologis<strong>ch</strong>en Auswirkungen sind <strong>im</strong>mens<br />

(vgl. Clover 2004).<br />

Laut Angaben der Welternährungsorganisation<br />

(FAO) sind von den weltweit kommerziell verfügbaren<br />

Fis<strong>ch</strong>beständen bereits 52% bis an ihre Grenze<br />

genutzt, 17% sind überfis<strong>ch</strong>t und 7% ers<strong>ch</strong>öpft (vgl.<br />

FAO 2007). S<strong>ch</strong>on vor Jahren zeigte ein Guta<strong>ch</strong>ten<br />

der EU, dass von 120 europäis<strong>ch</strong>en Fis<strong>ch</strong>beständen<br />

zwei Drittel überfis<strong>ch</strong>t sind (vgl. Hassenstein 2002).<br />

Es erstaunt daher ni<strong>ch</strong>t, wenn Wissens<strong>ch</strong>aftlerInnen<br />

bis zum Jahre 2050 einen weltweiten Kollaps der<br />

kommerziell genutzten Fis<strong>ch</strong>bestände prognostizieren<br />

(vgl. Worm et al. 2006).<br />

Ein grosses Problem stellt der Beifang dar, also<br />

jener „Bestand“ an Fis<strong>ch</strong>en und anderen <strong>Tier</strong>en, der<br />

si<strong>ch</strong> in den Netzen verfängt, kommerziell aber ni<strong>ch</strong>t<br />

– 4 –


verwertet wird. So sterben laut Angaben von WWF<br />

jährli<strong>ch</strong> an die 300.000 Wale und Delphine, ebenso<br />

viele Seevögel und rund 100 Millionen Haie in den<br />

Fis<strong>ch</strong>netzen oder an den bis zu 100 km langen Angels<strong>ch</strong>nüren,<br />

die mit rund 20.000 Köderhaken<br />

versehen sind (WWF 2007, S. 3f.). Die FAO spri<strong>ch</strong>t<br />

insgesamt von 20 Millionen Tonnen Beifang pro<br />

Jahr, das ist ein Viertel des weltweiten Wildfangs<br />

(FAO 2007).<br />

Tabelle 1: Fanggeräte und Beifang-Quote in % (Auswahl);<br />

Quelle: WWF 2007, S. 4<br />

Fanggerät Fis<strong>ch</strong>erei Beifang<br />

Langleinen<br />

(Pelagis<strong>ch</strong>)<br />

Grunds<strong>ch</strong>leppnetze<br />

(tropis<strong>ch</strong>e Garnelen)<br />

Grunds<strong>ch</strong>leppnetze<br />

(Otter Trawls)<br />

Grunds<strong>ch</strong>leppnetze<br />

(Beam Trawls)<br />

Thunfis<strong>ch</strong>e, und andere<br />

Raubfis<strong>ch</strong>e<br />

35%<br />

Alle tropis<strong>ch</strong>en Garnelen 95%<br />

Plattfis<strong>ch</strong>e, Seela<strong>ch</strong>s,<br />

Kabeljau u.a.<br />

Plattfis<strong>ch</strong>e und andere am<br />

Meeresgrund lebende<br />

Fis<strong>ch</strong>arten<br />

35%<br />

90%<br />

Gerade die Fis<strong>ch</strong>erei mit Grunds<strong>ch</strong>leppnetzen gilt als<br />

eine der verheerendsten Fangmethoden. Diese<br />

Netze dringen mit ihrem s<strong>ch</strong>weren Ges<strong>ch</strong>irr mittlerweile<br />

bereits in 2.000 Meter Tiefe vor. Dadur<strong>ch</strong> werden<br />

empfindli<strong>ch</strong>e Ökosysteme wie Korallenriffe –<br />

einzigartige Lebensräume für Tausende von <strong>Tier</strong>arten<br />

– unwiderrufli<strong>ch</strong> zerstört, es werden Bodenlebewesen<br />

bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> unterpflügt und Tiefseeberge<br />

massiv bes<strong>ch</strong>ädigt (Greenpeace 2008a, S. 2). [4]<br />

Ein weiteres Problem stellt die illegale Fis<strong>ch</strong>erei<br />

dar. Behörden s<strong>ch</strong>ätzen den Gesamtumsatz der<br />

„Piratenfis<strong>ch</strong>er“, die mit ihren industriellen Fangs<strong>ch</strong>iffen<br />

sämtli<strong>ch</strong>e internationalen Abkommen umgehen,<br />

auf weltweit 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Au<strong>ch</strong><br />

aus diesem Grund verlangen etli<strong>ch</strong>e Organisationen<br />

eine Rückverfolgbarkeit von Fis<strong>ch</strong>produkten: die<br />

KonsumentInnen sollen mittels einer vollständigen<br />

Kennzei<strong>ch</strong>nung der Produkte die gesamte Kette von<br />

der Fangflotte bis zum Supermarktregal na<strong>ch</strong>vollziehen<br />

können (vgl. Totz 2008a).<br />

SUBVENTIONIERTE ÜBERFISCHUNG<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts der drohenden Überfis<strong>ch</strong>ung der Meere<br />

rufen Umweltverbände zu einem ras<strong>ch</strong>en und konsequenten<br />

Übergang zu na<strong>ch</strong>haltiger oder, wie es au<strong>ch</strong><br />

heisst, ökologis<strong>ch</strong>er Fis<strong>ch</strong>erei auf. Dazu gehören die<br />

Erhaltung von Ökosystemen, die Abs<strong>ch</strong>affung des<br />

Beifangs oder die Erri<strong>ch</strong>tung von S<strong>ch</strong>utzzonen mit<br />

unbedingten Fangverboten (Greenpeace 2004a).<br />

Zuglei<strong>ch</strong> fordern diese Organisationen ein rigideres<br />

Fis<strong>ch</strong>ere<strong>im</strong>anagement und ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> dabei<br />

au<strong>ch</strong> an die Regierungen. Diese setzen in vielen Fällen<br />

die Fangquoten deutli<strong>ch</strong> über den Empfehlungen<br />

der Wissers<strong>ch</strong>aftlerInnen an, sie führen häufig nur<br />

wenig wirkungsvolle Kontrollen dur<strong>ch</strong> und erteilen<br />

geringe Strafen.<br />

In diesem Zusammenhang sind au<strong>ch</strong> an die erhebli<strong>ch</strong>en<br />

Subventionen der Fis<strong>ch</strong>erei zu denken.<br />

Um den ges<strong>ch</strong>ätzten Umsatz von rund 70 Milliarden<br />

US-Dollar aus der jährli<strong>ch</strong>en Fangmenge zu erzielen,<br />

werden weltweit über 15 Milliarden US-Dollar für<br />

Subventionen ausgegeben (vgl. Hassenstein 2002;<br />

Clover 2004, S. 176f.).<br />

Allein in der EU betrugen sie für die Periode 2000<br />

bis 2006 3.7 Milliarden Euro. Dabei wurden 270 Millionen<br />

Euro auf Grund von 26 Fis<strong>ch</strong>ereiabkommen<br />

eingesetzt; 17 davon si<strong>ch</strong>ern den Zugang zu Gewässern<br />

von Entwicklungsländern, so etwa in Westafrika<br />

und Argentinien. Dort dauerte es weniger als ein<br />

Jahrzehnt, bis der Fis<strong>ch</strong>ereiboom wieder einknickte:<br />

Europäis<strong>ch</strong>e Fangflotten plünderten die gesamte<br />

Küste, so dass der Bestand des no<strong>ch</strong> in den 1980er<br />

Jahren massenhaft vorkommenden Seehe<strong>ch</strong>tes mittlerweile<br />

vor dem Kollaps steht.<br />

Dass es mitunter teuer zu stehen kommt, ausländis<strong>ch</strong>e<br />

Fis<strong>ch</strong>er in die Gewässer von Entwicklungsländern<br />

zu lassen, räumt au<strong>ch</strong> UNEP-Chef Klaus<br />

Töpfer ein: „Die Überfis<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Flotten<br />

kann die Armut no<strong>ch</strong> vergrössern.“ (zit. in Hassenstein<br />

2002).<br />

AQUAKULTUREN – DIE ALTERNATIVE?<br />

Den Bedarf des Mens<strong>ch</strong>en an Fis<strong>ch</strong> und anderen<br />

Meerestieren können die Gewässer dieser Welt<br />

s<strong>ch</strong>on lange ni<strong>ch</strong>t mehr decken.<br />

– 5 –


Als Alternativen werden Aquakulturen angelegt,<br />

die bisweilen als „Massentierhaltungen <strong>im</strong> Wasser“<br />

bezei<strong>ch</strong>net werden (vgl. Greenpeace 2004b). Neutral<br />

gesagt, handelt es si<strong>ch</strong> dabei um die gezielte Produktion<br />

von Wasserorganismen unter kontrollierten<br />

Bedingungen. Typis<strong>ch</strong>e Anlagen sind stehende Gewässer<br />

wie Tei<strong>ch</strong>e oder künstli<strong>ch</strong>e Behältnisse sowie<br />

Systeme mit dur<strong>ch</strong>fliessendem Wasser wie Fliesskanäle<br />

(raceways). Aquakulturen <strong>im</strong> Meer, die häufig<br />

auf Netzgehegen basieren, werden au<strong>ch</strong> „Marikulturen“<br />

genannt.<br />

<strong>Tier</strong>fabriken unter Wasser © Greenpeace<br />

Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> boomt die Aquakultur mit einem Zuwa<strong>ch</strong>s<br />

von mehr als 10% <strong>im</strong> Jahr wie kein anderer<br />

Zweig der <strong>Tier</strong>industrie. Bereits jetzt stammen fast<br />

30% des gesamten „Seafood“ aus sol<strong>ch</strong>en Anlagen;<br />

die FAO geht davon aus, dass in zwanzig Jahren die<br />

Hälfte des Bedarfs an Speisefis<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> Aquakulturen<br />

gedeckt wird (vgl. FAO 2007). [5]<br />

Der Preis für diese neue Nahrungsquelle ist allerdings<br />

in vers<strong>ch</strong>iedener Hinsi<strong>ch</strong>t sehr ho<strong>ch</strong>.<br />

Di<strong>ch</strong>te Fis<strong>ch</strong>bestände: Aquakulturen sind ausnahmslos<br />

intensive Haltungen mit einer grossen<br />

Anzahl an Fis<strong>ch</strong>en auf engstem Raum (hohe Besatzdi<strong>ch</strong>te).<br />

Aufgrund der einges<strong>ch</strong>ränkten Bewegungsfreiheit,<br />

fehlender Rückzugsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

und mangelnder Anreize können Aquakulturen<br />

au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> den Standards des <strong>Tier</strong>s<strong>ch</strong>utzes<br />

ni<strong>ch</strong>t als art- oder tiergere<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>net werden.<br />

Diese Form der Hälterung führt na<strong>ch</strong>weisli<strong>ch</strong> zur<br />

gegenseitigen Verletzung der <strong>Tier</strong>e und erhöht<br />

Aggressivität, Revierkämpfe sowie Kannibalismus<br />

(vgl. S<strong>ch</strong>midt 2002, S. 214).<br />

Einsatz von Chemikalien und Antibiotika: Die<br />

in unnatürli<strong>ch</strong> grossen und di<strong>ch</strong>ten Verbänden<br />

gehaltenen <strong>Tier</strong>e sind grundsätzli<strong>ch</strong> krankheitsanfälliger<br />

als Wildfis<strong>ch</strong>e und benötigen deshalb<br />

Mittel gegen Parasiten sowie Antibiotika, die zudem<br />

Ökosysteme sowie die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit<br />

gefährden können (s.u.).<br />

Überdüngung der Gewässer: Aufgrund ni<strong>ch</strong>t<br />

vollständig verzehrter Nahrung, Auss<strong>ch</strong>eidungen<br />

der Fis<strong>ch</strong>e und toten <strong>Tier</strong>en kommt es zur Überdüngung<br />

natürli<strong>ch</strong>er Gewässer dur<strong>ch</strong> Abwasser.<br />

So erzeugen La<strong>ch</strong>sfarmen in Norwegen mittlerweile<br />

etwa glei<strong>ch</strong>viel Abwasser wie die 4.6 Millionen<br />

Einwohner des Landes (vgl. S<strong>ch</strong>midt 2002,<br />

S. 215).<br />

Beeinträ<strong>ch</strong>tigung empfindli<strong>ch</strong>er Ökosysteme:<br />

Der Bau von Zu<strong>ch</strong>tanlagen führt namentli<strong>ch</strong> in<br />

Asien und Südamerika zu erhebli<strong>ch</strong>en Verlusten<br />

von Mangrovenwäldern, die als natürli<strong>ch</strong>e Wellenbre<strong>ch</strong>er<br />

dienen und Brutstätten für zahlose<br />

Fis<strong>ch</strong>arten bieten (vgl. Greenpeace 2008b, S. 6).<br />

So gingen <strong>im</strong> Mekong-Delta seit 1975 etwa 70%<br />

der Mangrovenbestände verloren, wobei ein grosser<br />

Teil dieser Verluste der Garnelenzu<strong>ch</strong>t zuzure<strong>ch</strong>nen<br />

ist.<br />

Verlust der Artenvielfalt (Biodiversität): Immer<br />

wieder bre<strong>ch</strong>en <strong>Tier</strong>e aus Aquakulturen aus und<br />

vermis<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> mit natürli<strong>ch</strong>en Beständen oder<br />

verdrängen sie. So sind in den 90er Jahren des<br />

vorigen Jahrhunderts etwa 1 Million atlantis<strong>ch</strong>er<br />

La<strong>ch</strong>se aus Fis<strong>ch</strong>farmen der amerikanis<strong>ch</strong>en<br />

Westküste entkommen und haben si<strong>ch</strong> ausserhalb<br />

ihres vorgesehenen Verbreitungsgebietes<br />

etabliert.<br />

Marit<strong>im</strong>e „Veredelungsverluste“ [6]: Fleis<strong>ch</strong>fressende<br />

Zu<strong>ch</strong>tfis<strong>ch</strong>e benötigen für die Mast<br />

tieris<strong>ch</strong>es Eiweiss, das in der Regel aus Wildbeständen<br />

gewonnen wird. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> werden von<br />

85 Millionen Tonnen Fis<strong>ch</strong> aus dem Meer dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />

30 Millionen Tonnen zu Fis<strong>ch</strong>mehl und<br />

Fis<strong>ch</strong>öl verarbeitet und mehrheitli<strong>ch</strong> an Zu<strong>ch</strong>tfis<strong>ch</strong>e<br />

verfüttert. Um 1 kg Fis<strong>ch</strong> aus Zu<strong>ch</strong>ten zu<br />

produzieren, werden rund 4 kg Fis<strong>ch</strong> aus Wildfang<br />

benötigt; in der Thunfis<strong>ch</strong>mast sind es bis zu<br />

20 kg (vgl. Greenpeace 2008b, S. 7). Werden<br />

– 6 –


Beifang und Fütterung hinzugezählt, sind für die<br />

56.000 Tonnen Fis<strong>ch</strong>- und Meeresprodukte, die<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz jährli<strong>ch</strong> konsumiert werden (95%<br />

davon sind <strong>im</strong>portiert), insgesamt 250.000 Tonnen<br />

Meerestiere nötig (vgl. WWF 2007, S. 8f.)<br />

Mit anderen Worten benötigt die Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>t <strong>im</strong><br />

Falle fleis<strong>ch</strong>fressender <strong>Tier</strong>e mehr Fis<strong>ch</strong> als sie<br />

erzeugt und trägt damit paradoxerweise zur Überfis<strong>ch</strong>ung<br />

der Meere bei. [7]<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts dieser Befunde darf ernsthaft in Zweifel<br />

gezogen werden, ob traditionelle Aquakulturen die<br />

bestehenden Probleme der Fis<strong>ch</strong>erei lösen können;<br />

<strong>im</strong> Gegenteil, sie s<strong>ch</strong>einen sie sogar zu verstärken<br />

(vgl. Naylor et al. 2000).<br />

LEICHT, BEKÖMMLICH UND – GESUND?<br />

dass si<strong>ch</strong> die besagten Säuren dur<strong>ch</strong>aus negativ<br />

auswirken können. Zwar sollte si<strong>ch</strong> laut Prognosen<br />

der Zustand der PatientInnen aufgrund wö<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong>er<br />

Fis<strong>ch</strong>mahlzeiten bzw. dur<strong>ch</strong> Einnahme von<br />

Fis<strong>ch</strong>ölkapseln verbessern; do<strong>ch</strong> starben die Personen<br />

auf lange Si<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong> häufiger an plötzli<strong>ch</strong>em<br />

Herz-Kreislauf-Versagen, was für gewisse Experten<br />

ein klarer Hinweis darauf ist, dass Omega-3-Fettsäuren<br />

unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen Herzrhythmusstörungen<br />

fördern können (vgl. Hooper et al. 2006).<br />

Diese negativen Befunde sind für viele Fa<strong>ch</strong>leute<br />

zwar no<strong>ch</strong> kein Grund, generell vor Fis<strong>ch</strong>öl zu warnen.<br />

Allerdings sind die St<strong>im</strong>men derer, wel<strong>ch</strong>e die<br />

positiven Effekte des Fis<strong>ch</strong>konsums über alles stellen,<br />

deutli<strong>ch</strong> weniger zu vernehmen als no<strong>ch</strong> vor<br />

einigen Jahren. [8]<br />

Fis<strong>ch</strong> gilt als gesund. Grund dafür sind ho<strong>ch</strong>wertige<br />

Proteine, Jod und besonders die Docosahexaensäure<br />

(DHA) und Eicosapentaensäure (EPA). Sie<br />

gehören beide zur Gruppe der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren<br />

und kommen – anders als die α-<br />

Linolensäure, die ebenfalls zu dieser Gruppe zählt<br />

und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> über Pflanzenöle aufgenommen<br />

wird – überwiegend in fettrei<strong>ch</strong>en Meerestieren vor<br />

(z.B. Hering, Thunfis<strong>ch</strong>, La<strong>ch</strong>s).<br />

Zahlrei<strong>ch</strong>e Studien haben bestätigt, dass si<strong>ch</strong><br />

Omega-3-Fettsäuren auf Risikofaktoren für diverse<br />

Zivilisationskrankheiten günstig auswirken können<br />

(vgl. Dittri<strong>ch</strong> 2000). Bis vor wenigen Jahren war man<br />

si<strong>ch</strong> denn au<strong>ch</strong> weitgehend darin einig, dass diese<br />

Effekte v.a. auf die Säuren EPA und DHA zurückzuführen<br />

sind, was zu einem regelre<strong>ch</strong>ten Fis<strong>ch</strong>öl-Kapsel-Hype<br />

geführt hat (vgl. Zittlau 2006).<br />

Inzwis<strong>ch</strong>en liegen allerdings Untersu<strong>ch</strong>ungen vor,<br />

die sol<strong>ch</strong>e Zusammenhänge ni<strong>ch</strong>t bestätigen können<br />

und in gewissen Fällen sogar gegenteilige Resultate<br />

hervorbringen (vgl. z.B. Hooper et al. 2006; MacLean<br />

et al. 2006; Wel<strong>ch</strong> et al. 2006). So fand man keine<br />

s<strong>ch</strong>lagkräftigen Beweise für die Behauptung, dass<br />

si<strong>ch</strong> Fettsäuren des Fis<strong>ch</strong>öls positiv auf Herz-Kreislauferkrankungen,<br />

S<strong>ch</strong>laganfälle, ja sogar auf die Lebenserwartung<br />

auswirken; ebenso wenig konnte ein<br />

Effekt auf die Entstehung von Krebs na<strong>ch</strong>gewiesen<br />

werden. Stattdessen stellte man in einer Studie an<br />

etwa 3.000 PatientInnen mit Angina pectoris fest,<br />

Das hat u.a. au<strong>ch</strong> damit zu tun, dass der Fis<strong>ch</strong>konsum<br />

in der heutigen Zeit (der Aquakulturen) ohnehin<br />

mit notoris<strong>ch</strong>en Problemen behaftet ist (vgl. Baumann<br />

2006). Dazu gehören die Quecksilberbelastung,<br />

die besonders bei fettrei<strong>ch</strong>en Raubfis<strong>ch</strong>en auftritt<br />

(also bei Fis<strong>ch</strong>en mit dem hö<strong>ch</strong>sten Anteil an<br />

EPA und DHA), die Cadmiumbelastung v.a. bei<br />

Wei<strong>ch</strong>tieren sowie Rückstände von Antibiotika und<br />

Pestiziden, die in Fis<strong>ch</strong>produkten vermehrt na<strong>ch</strong>gewiesen<br />

werden (vgl. Kallee 2005; Totz 2008b). [9]<br />

Ni<strong>ch</strong>t zuletzt ist in sol<strong>ch</strong>en Zusammenhängen <strong>im</strong>mer<br />

au<strong>ch</strong> darauf hinzuweisen, dass unser Gesundheitszustand<br />

dur<strong>ch</strong> vielerlei Faktoren best<strong>im</strong>mt wird.<br />

Sofern das unsere Ernährung betrifft, gilt als erwiesen,<br />

dass si<strong>ch</strong> den meisten Zivilisationskrankheiten<br />

vorbeugen lässt, indem man weniger Fette sowie ge-<br />

– 7 –


sättigte Fettsäuren und stattdessen einen hohen Anteil<br />

an komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen<br />

zu si<strong>ch</strong> n<strong>im</strong>mt – eine Form von Prophylaxe, die<br />

na<strong>ch</strong>weisli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine vorwiegend oder auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

pflanzli<strong>ch</strong>e (vegane) Ernährungsform garantiert<br />

ist (vgl. Walsh 2003).<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Längst ist von Fis<strong>ch</strong>en und anderen Meerestieren<br />

nur no<strong>ch</strong> in Tonnen die Rede: diese Lebewesen sind<br />

bloss eine ökonomis<strong>ch</strong>e Grösse oder, wie <strong>im</strong> Falle<br />

der bes<strong>ch</strong>önigenden Bezei<strong>ch</strong>nung „Meeresfrü<strong>ch</strong>te“,<br />

eine kulinaris<strong>ch</strong>e Rubrik.<br />

Wagt man indes einen Blick über den Tellerrand<br />

hinaus und stellt das ans<strong>ch</strong>einend bekömmli<strong>ch</strong>e und<br />

gesunde Produkt in einen grösseren Zusammenhang,<br />

kann si<strong>ch</strong> die Si<strong>ch</strong>tweise verändern: Die meisten<br />

Meerestiere sind empfindungsfähige Wesen,<br />

deren Aufzu<strong>ch</strong>t, Fang und Tötung alles andere als<br />

unbedenkli<strong>ch</strong> ist. Unsere Haltung, in ihnen wie<br />

selbstverständli<strong>ch</strong> eine s<strong>ch</strong>ier uners<strong>ch</strong>öpfli<strong>ch</strong>e Ressource<br />

der Weltmeere zu sehen, hat zudem verheerende<br />

ökologis<strong>ch</strong>e Auswirkungen und führt zu einem<br />

Raubbau sonderglei<strong>ch</strong>en.<br />

Die vermeintli<strong>ch</strong>e Alternative, den Bedarf an diesen<br />

Produkten unter widernatürli<strong>ch</strong>en Bedingungen<br />

in Zu<strong>ch</strong>tfarmen zu decken, vermag diese Probleme<br />

bislang ni<strong>ch</strong>t zu lösen; <strong>im</strong> Gegenteil, sie werden dadur<strong>ch</strong><br />

nur vers<strong>ch</strong>ärft. Im Übrigen au<strong>ch</strong> mit Blick auf<br />

unsere Gesundheit. Falls der Verzehr von Fis<strong>ch</strong> für<br />

uns gesundheitli<strong>ch</strong>e Vorteile haben sollte, lassen sie<br />

si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mit einer pflanzli<strong>ch</strong>en Ernährung erzielen –<br />

und die Risiken liessen si<strong>ch</strong> vermeiden, indem man<br />

auf den Fis<strong>ch</strong>konsum verzi<strong>ch</strong>tet.<br />

FUSSNOTEN<br />

[1] Die Auffassung, Fis<strong>ch</strong>e würden keine S<strong>ch</strong>merzen empfinden,<br />

sondern „hö<strong>ch</strong>stens in Panik geraten, wenn sie gefangen<br />

werden“, ist au<strong>ch</strong> unter Fis<strong>ch</strong>zü<strong>ch</strong>terInnen verbreitet; vgl. stellvertretend<br />

den Beitrag „Was heisst human töten?“ in der Berner<br />

Zeitung vom 9. April 2009.<br />

[2] Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Untersu<strong>ch</strong>ungen,<br />

die bei einzelnen Meerestieren (wie etwa Hummern, Tintenfis<strong>ch</strong>en<br />

und Krebsen) ein komplexes Verhaltensrepertoire na<strong>ch</strong>weisen,<br />

das auf S<strong>ch</strong>merzempfinden sowie einem ausgeprägten Erinnerungsvermögen<br />

basiert; vgl. z.B. Ho<strong>ch</strong>ner 2006; Elwood & Appel<br />

2009.<br />

[3] „Artgere<strong>ch</strong>te Haltung“ und „humane S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tung“ bezei<strong>ch</strong>nen<br />

<strong>im</strong> ethis<strong>ch</strong>en und z.T. au<strong>ch</strong> gesetzli<strong>ch</strong>en <strong>Tier</strong>s<strong>ch</strong>utz Kriterien,<br />

unter denen die Nutzung von <strong>Tier</strong>en dur<strong>ch</strong> den Mens<strong>ch</strong>en moralis<strong>ch</strong><br />

gere<strong>ch</strong>tfertigt ist.<br />

[4] Organisationen wie der WWF steuern einen reformistis<strong>ch</strong>en<br />

Kurs und engagieren si<strong>ch</strong> für die Entwicklung alternativer<br />

Fangmethoden wie z.B. Netze mit weiteren Mas<strong>ch</strong>engrössen, Sortiergitter,<br />

Flu<strong>ch</strong>tklappen für Meeressäuger usf. (WFF 2007, S. 5).<br />

Demgegenüber setzen si<strong>ch</strong> Vereinigungen wie die Sea Shepherd<br />

Conservation Society (SSCS) unter der Leitung von Paul Watson<br />

für die totale Abs<strong>ch</strong>affung sol<strong>ch</strong>er Praktiken ein; vgl. Heller 2007.<br />

[5] Rund 85% aller Meerestiere aus Zu<strong>ch</strong>tfarmen stammen<br />

aus Entwicklungs- und S<strong>ch</strong>wellenländern. China deckt mittlerweile<br />

70% der weltweiten Aquakultur-Produktion ab (vgl. Weltalmana<strong>ch</strong><br />

2009, S. 656). In Shr<strong>im</strong>ps-Farmen wurden allein <strong>im</strong> Jahr 2003<br />

mehr als 1.6 Millionen Tonnen Krebstiere mit einem Marktwert von<br />

rund 9 Milliarden US-Dollar herangezogen. Diese Zahlen verraten<br />

einiges über die ökonomis<strong>ch</strong>en Vorteile, die man Aquakulturen zus<strong>ch</strong>reibt:<br />

Fis<strong>ch</strong>produkte lassen si<strong>ch</strong> zu niedrigeren Preisen erzeugen,<br />

die Bestände sind kontinuierli<strong>ch</strong> und planbar. Zudem sollen<br />

diese Anlagen den Mens<strong>ch</strong>en v.a. in asiatis<strong>ch</strong>en Regionen eine<br />

neue Existenzgrundlage ermögli<strong>ch</strong>en (sog. „Blaue Revolution“).<br />

[6] Unter „Veredelungsverlust“ wird in der Agrarpolitik die (je<br />

na<strong>ch</strong> Perspektive: vers<strong>ch</strong>wenderis<strong>ch</strong>e) Umwandlung pflanzli<strong>ch</strong>er<br />

Nahrungsmittel in tierli<strong>ch</strong>e Produkte bezei<strong>ch</strong>net. So werden für die<br />

Produktion von 1 kg Fleis<strong>ch</strong> (je na<strong>ch</strong> <strong>Tier</strong>art) 7 bis 16 kg Getreide<br />

bzw. Soja benötigt; vgl. dazu das Info-Dossier Nr. 3/2009 Nutztiere<br />

und Kl<strong>im</strong>awandel von tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong>.<br />

[7] Um dieses Problem zu bewältigen, hat die EU s<strong>ch</strong>on vor<br />

Jahren Wissens<strong>ch</strong>aftlerInnen der Universität Aberdeen damit beauftragt,<br />

probehalber aus La<strong>ch</strong>sen Pflanzenfresser zu ma<strong>ch</strong>en,<br />

damit sie si<strong>ch</strong> mit Getreide füttern lassen (vgl. S<strong>ch</strong>midt 2002).<br />

La<strong>ch</strong>s ist heute zu einem Massenprodukt geworden, er wird von<br />

Gourmets oft als „Masts<strong>ch</strong>wein des Meeres“ verspottet, aber offenbar<br />

glei<strong>ch</strong>wohl überaus gern verzehrt; allein in Deuts<strong>ch</strong>land<br />

sind es jährli<strong>ch</strong> 70 Millionen Tonnen.<br />

[8] Natürli<strong>ch</strong> gibt es Ausnahmen. In Zittlau 2006 wird z.B. der<br />

Arbeitskreis Ernährung- und Vitamin-Information (Evi) zitiert, demzufolge<br />

die tägli<strong>ch</strong>e Zufuhr von Fis<strong>ch</strong>ölpräparaten unerlässli<strong>ch</strong> sei.<br />

Allerdings gilt es anzumerken, dass Evi von Hoffmann-La Ro<strong>ch</strong>e<br />

finanziert wird, einem Pharmakonzern, der bekanntli<strong>ch</strong> viel Geld<br />

mit Fis<strong>ch</strong>ölkapseln aller Art verdient.<br />

[9] Quecksilber gehört zu den häufigsten Umweltgiften, die<br />

Fis<strong>ch</strong>e aus ihrem Lebensraum anrei<strong>ch</strong>ern; das gilt v.a. bei Aalen,<br />

Makrelen und Thunfis<strong>ch</strong>en (vgl. Totz 2008b). So können S<strong>ch</strong>wertfis<strong>ch</strong>e<br />

mit einem Gewi<strong>ch</strong>t von über 80 kg ni<strong>ch</strong>t mehr in die EU<br />

<strong>im</strong>portiert werden, da sie die Grenzwerte deutli<strong>ch</strong> übers<strong>ch</strong>reiten.<br />

2005 führte Greenpeace eine Studie zu S<strong>ch</strong>adstoffen bei Aalen<br />

dur<strong>ch</strong>, wobei in fast allen <strong>Tier</strong>en erhebli<strong>ch</strong>e Mengen an Industrie<strong>ch</strong>emikalien<br />

na<strong>ch</strong>gewiesen wurden; vgl. Kallee 2005.<br />

– 8 –


QUELLEN<br />

Baumann, B. (2006), Aquakulturen: Die Lösung für überfis<strong>ch</strong>te<br />

Meere? Foodnews S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Clover, C. (2004), Fis<strong>ch</strong> kaputt: Vom Leerfis<strong>ch</strong>en der Meere und<br />

den Konsequenzen für die ganze Welt, Mün<strong>ch</strong>en 2005 (engl.<br />

Original 2004.<br />

Dittri<strong>ch</strong>, K. (2000), Fis<strong>ch</strong>öl besser als Pflanzenöl?, in: UGB-Forum<br />

3/2000.<br />

Elwood, R. & Appel, M. (2009), Pain Experience in Hermit Crabs?,<br />

in: An<strong>im</strong>al Behaviour Mar<strong>ch</strong>/2009.<br />

FAO (2007), The State of World Fisheries and Aquaculture 2006,<br />

Rom (ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/009/a0699e/a0699e.pdf)<br />

Goets<strong>ch</strong>el, A. F. & Bolliger, G. (2003), Das <strong>Tier</strong> <strong>im</strong> Re<strong>ch</strong>t, Züri<strong>ch</strong>.<br />

Greenpeace (2004a), Ökologis<strong>ch</strong>e Fis<strong>ch</strong>erei statt Raubbau,<br />

Greenpeace Deuts<strong>ch</strong>land.<br />

Greenpeace (2004b), Fis<strong>ch</strong>e in Seenot, Greenpeace Deuts<strong>ch</strong>land.<br />

Greenpeace (2005), Delphine: mitgefis<strong>ch</strong>t und wegges<strong>ch</strong>missen,<br />

Hamburg.<br />

Greenpeace (2008a), Die Jagd auf den letzten Fis<strong>ch</strong>, Hamburg.<br />

Greenpeace (2008b), Fis<strong>ch</strong>: beliebt, aber bedroht, Hamburg.<br />

Hassenstein, W. (2002), Viel zu viele Fis<strong>ch</strong>er fis<strong>ch</strong>en viel zu viele<br />

Fis<strong>ch</strong>e, in: Greenpeace Magazin 2/2002.<br />

Heller, P. (2007), Wir s<strong>ch</strong>reiten ein: Der Kampf des Paul Watson<br />

gegen die Walfangflotten der Welt, Hamburg 2008 (engl.<br />

Original 2007).<br />

Ho<strong>ch</strong>ner, B. (2006), The Octopus: A model for a comperative<br />

analysis of the evolution of learning and memory me<strong>ch</strong>anism,<br />

in: The Biological Bulletin 210/2006.<br />

Hoffmann, R. & Oidtmann, B. (1997), Fis<strong>ch</strong>e in der Aquakultur, in:<br />

Das Bu<strong>ch</strong> vom <strong>Tier</strong>s<strong>ch</strong>utz, hrsg. H. H. Sambraus & A. Steiger,<br />

Stuttgart.<br />

Hoffmann, R. & Oidtmann, B. (2003), Süsswasserfis<strong>ch</strong>produktion:<br />

Angeltei<strong>ch</strong>e und „Kaisers<strong>ch</strong>nitt“, in: Deuts<strong>ch</strong>e <strong>Tier</strong>ärztli<strong>ch</strong>e<br />

Wo<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>rift 110/2003.<br />

Hooper, L. et al. (2006), Risk and Benefits of Omega 3 Fats for<br />

Mortality, Cardiovascular Disease, and Cancer: Systematic<br />

Review, in: British Medical Journal 332/2006.<br />

Huntingford, F. et al. (2006), Current Issues of Fish Welfare, in:<br />

Journal of Fish Biology 68/2006.<br />

Jar<strong>ch</strong>au, P. et al. (2009), Nahrungsquelle Meer, in: Aus Politik und<br />

Zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 6-7/2009.<br />

Kallee, U. (2005), „Sw<strong>im</strong>ming in <strong>ch</strong>emicals“, Greenpeace Deuts<strong>ch</strong>land,<br />

Hamburg.<br />

Klausewitz, W. (2003), Können Fis<strong>ch</strong>e subjektiv erlebnisfähig<br />

sein?, in: Natur und Museum 133/2003.<br />

Knös<strong>ch</strong>e, R. (2009), Gefühle und ihre Bedeutung bei Fis<strong>ch</strong>en, in:<br />

Fis<strong>ch</strong>er & Tei<strong>ch</strong>wirt 1/2009.<br />

Leitzmann, C. (2007), Vegetarismus, Mün<strong>ch</strong>en.<br />

MacLean, C. H. et al. (2006), Effects of Omega-3 Fatty Acids on<br />

Cancer Risk: A Systematic Review, in: Journal of the American<br />

Medical Association 295/2006.<br />

Naylor, R. et al. (2000), Effect of aquaculture on world fish supplies,<br />

in: Nature 405/2000.<br />

Portavella, M. et al. (2004), Avoidance Response in Goldfish, in:<br />

Journal of Neuroscience 24/2004.<br />

Rose, J. D. (1999/2000), Do Fish Feel Pain?, in: Fishermen 24/<br />

1999/2000.<br />

Rose, J. D. (2002), The neurobehavioral nature of fishes and the<br />

question of awareness and pain, in: Fisheries Science 10/<br />

2002.<br />

S<strong>ch</strong>midt, T. (2002), Die Haltung von Fis<strong>ch</strong>en in Aquakulturen: ein<br />

expandierender Markt mit Risiken, in: Der Kritis<strong>ch</strong>e Agrarberi<strong>ch</strong>t<br />

2002.<br />

S<strong>ch</strong>reckenba<strong>ch</strong>, K. & Pietrock, M. (2005), S<strong>ch</strong>merzempfinden bei<br />

Fis<strong>ch</strong>en – Stand der Wissens<strong>ch</strong>aft, in: S<strong>ch</strong>riftenreihe LFV Baden-Würtenberg<br />

2/2005.<br />

Segner, H. (2003), Ist der Fis<strong>ch</strong> bloss eine Reflexmas<strong>ch</strong>ine?, in:<br />

Können Fis<strong>ch</strong>e leiden? Spüren sie S<strong>ch</strong>merzen?, hrsg. Verein<br />

fair-fish, Dezember 2003.<br />

Sneddon, L. U. et al. (2003), Do fish have nociceptors? Evidence<br />

for the evolution of a vertebrate sensory system, in: Proceedings<br />

of the Royal Society 270/2003.<br />

Totz, S. (2008a), Rückverfolgbarkeit von Fis<strong>ch</strong>produkten?, Greenpeace<br />

Deuts<strong>ch</strong>land.<br />

Totz, S. (2008b), Gift <strong>im</strong> Fis<strong>ch</strong>?, Greenpeace Deuts<strong>ch</strong>land.<br />

Wall, P. D. (1999), Pain: Neurophysiological me<strong>ch</strong>anism, in: Encyclopedia<br />

of Neuroscience, ed. G. Adelman & B. Smith, Amsterdam.<br />

Walsh, S. (2003), Plant Based Nutrition and Health, East Sussex.<br />

Weltalmana<strong>ch</strong> (2009), Der Fis<strong>ch</strong>er Weltalmana<strong>ch</strong> 2009, Frankfurt<br />

a. M. 2008.<br />

Worm, B. (2006), Impacts of Biodiversity Loss on Ocean Ecosystem<br />

Services, in: Science 314/2006.<br />

WWF (2007), Ozeane in Gefahr, Faktenblatt zum Thema Überfis<strong>ch</strong>ung.<br />

Zittlau, J. (2006), Das Fett der Fis<strong>ch</strong>e ist do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so gesund, in:<br />

Die Welt vom 1. April 2006.<br />

© 2009 tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong><br />

Um Info-Material dieser Art zu erstellen, sind<br />

wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen:<br />

// tier-<strong>im</strong>-fokus.<strong>ch</strong> //<br />

PC-Konto 30-37815-2<br />

Vermerk: Info-Material<br />

– 9 –

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!