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MP5 Gleichgültig um welche Sprache es geht: Nur wenige Kritiker verstehen die Praxis der zeitgenössischen Kunst in der arabischen Welt. Allgemein gibt es nur wenige professionelle Kuratoren, Assistenten, Archivare, Galeriemitarbeiter, Installationskräfte, Sponsoren der öffentlichen Kunst und Pressesprecher, und nur wenige wollen mit dem Schreiben über Kunst ihren Lebensunterhalt verdienen: Jeder weiß, dass man damit nicht reich wird – nirgendwo auf der Welt. Damit lastet eine große Bürde auf den Künstlern selbst, die sich um Dinge kümmern müssen, die mit der Kunstpraxis selbst wenig zu tun haben. Aus diesem und anderen Gründen würde ich argumentieren wollen, dass eine lebendige heimische Presselandschaft lebenswichtig ist, damit die Kunstszene im Land funktionieren kann. Es geht um mehr als das Übernehmen kleinerer Aufgaben. Es geht um die kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit, die geleistet wird, und um die Einbeziehung einer Öffentlichkeit, die sich anonym jenseits der befreundeten Kreise und Zirkel der Mäzene befindet und sich der Kunstszene entzieht. Als Chronist einer lebendigen Kunstszene – täglich, wöchentlich, jährlich – dient eine eigene Presse nicht nur der Dokumentation der Gegenwart, sondern auch dem Aufbau eines Archivs für die Zukunft, das die Verbindung zur Vergangenheit darstellt. Regelmäßige Berichterstattung und Kritik in Print- oder Online-Foren vergrößern das Publikum für die Kunst, denn erreicht werden auch diejenigen, die nicht ohnehin Kunst goutieren. Eine solide und systematische Berichterstattung über die Künste birgt auch das Potenzial des Wandels der Wahrnehmung von Kunst mit Blick auf die Finanzen in der arabischen Welt. Eine Abwendung vom Rustikalen, Folkloristischen und Billigen und eine Hinwendung zur Moderne wäre die Folge. In der Regel gilt als wohlhabend, wer sich für zeitgenössische Kunst interessiert. Es sind die gebildeten, geschmackssicheren Trendsetter, die damit auch für die Werbeagenturen interessant sind – oder sein sollten -, von denen alle kommerziellen Medien abhängig sind. Eine der dringlichsten Fragen, die diese Sammlung von Aufsätzen aufwirft, ist die „Abhängigkeit von einem fast ausschließlich ‚westlichen’ System der Anerkennung, Finanzierung und Zirkulation der Kunst in der arabischen Welt“. Ich bin es leid zu beschreiben, wie eine heimische Presse funktionieren sollte, denn meine Perspektive ist eindeutig westlich und spezifisch amerikanisch. Sollte die Presse das Vertrauen der Öffentlichkeit genießen, unabhängig sein und hohen ethischen Standards des professionellen Verhaltens gehorchen? Natürlich meine ich das. Doch es obliegt nicht mir, das zu entscheiden oder gar dafür zu kämpfen. Ohnehin sind die Journalisten, die heute in der Region arbeiten, mit Umständen konfrontiert, die ihre Lage grundsätzlich von der ihrer Kollegen im Westen unterscheiden. Ein bekanntes Phänomen ist die Zensur. Im Kunstjournalismus kommt es häufig vor, dass Berichterstattung gekauft und verkauft wird. Nicht selten erwarten die Quellen in der Welt, dass sich Journalisten wie Schoßhündchen verhalten, oder als seien sie Angestellte der Künstler und ihrer Händler. Negative Kritik wird manchmal einem Mord gleichgesetzt. Es ist nicht die Aufgabe der Künstler oder ihrer Organisationen, das zu ändern. Hier müssen vielmehr Autoren, Herausgeber und Verleger aktiv werden. Es ist an ihnen, ihre Rolle, ihre Rechte und ihre Verantwortung zu erkennen, nicht nur gegenüber denjenigen, über die sie berichten, sondern auch, und das ist wichtiger noch, gegenüber ihren Lesern. Wenn sie das leisten, dann können sie auch Respekt einfordern – für unabhängige, kritisch denkende, kompetente Berichterstatter, nicht als Lakaien ihrer Herren. Kaelen Wilson-Goldie ist Journalistin mit Sitz in Beirut. Sie ist Kunst- und Kulturredakteurin der englischsprachigen Zeitung „The Daily Star“ und Autorin für Artforum und Bidoun. Sie veröffentlichte eine Reihe von Essays über die aktuelle Kunstpraxis im Libanon und in der arabischen Welt. In ihrer früheren Position als leitende Redakteurin des New Yorker Magazins Black Book schrieb sie für die The New York Times, The Times of London, Flash Art, Art + Auction und The Village Voice. 2007 war sie Fellow des USC Annenberg/ Getty Arts Journalism Program. Regular coverage and criticism in either print or online forums widens the audience for art by attracting readers beyond the usual cadre of people who already attend art events. Solid and systematic arts coverage also has the potential to change the financial perceptions of art in the Arab world – away from the rustic, folkloric and cheap and towards the contemporary. People who are interested in the contemporary are considered affluent, well-educated tastemakers and trendsetters, and as such they are – or rather they should be – an appealing captive audience for advertisers, on whom all commercial media outlets are dependent. One of the most pressing questions posed by this collection of essays involves a challenge to “dependence on an almost entirely ‘Western’ system and structure for [the Arab art world’s] recognition, funding and circulation.” I am wary of prescribing how a lively homegrown press should function because my viewpoint in decidedly Western and distinctly American. Should the press be a public trust, totally independent and adherent to high ethical standards of professional conduct? Of course, I think it should. But it is not for me to decide or even fight for. And anyway, journalists working in the region today face circumstances that are very different from those of their Western counterparts. Media censorship is, of course, a well-known phenomenon. In arts journalism specifically, it is not uncommon to find instances of coverage being bought and sold. It is not uncommon for sources in the art world to expect journalists to behave as obedient pets, or as if they are in the pocket or on the payroll of artists and their handlers. Negative criticism is sometimes considered equal to character assassination. It is not incumbent on artists or art organizations to change this. Rather, the duty lies upon writers, editors and their publishers to recognize their role, their rights and their responsibilities not only to the people they cover but also – and much more crucially – to their readers. If they step up to the plate, then maybe they can demand some respect as independent, critically thinking, knowledgeable entities rather than feudal minions. Kaelen Wilson-Goldie is a journalist based in Beirut. She is the arts and culture editor of the English-language newspaper The Daily Star and a contributor to Artforum and Bidoun. She has published a number of essays on contemporary art practices in Lebanon and in the Arab world. Previously the senior editor of the New York magazine Black Book, she has written for The New York Times, The Times of London, Flash Art, Art + Auction and The Village Voice, among other publications. She was a 2007 fellow in the USC Annenberg/Getty Arts Journalism Program.
Was hast du seit dem letzten Sommer gemacht? Neubestimmung von Beziehungen Alia Rayyan 2007. Es wird Abend in Ramallah. Lichterglanz am Horizont, die Grenze zur anderen Seite – Tel Aviv. Die Besatzer – weit entfernt, und doch so nah. Eine Aufteilung in Macht, Umstände und Möglichkeiten. Das Licht sehen heißt nicht, es genießen zu können. Ich sitze am Schreibtisch, versuche, meine Gedanken für diesen Text zu sammeln – kunstvoller Verdruss – eine neue Perspektive, geographisch gesehen. Die Position, die ich hier in Ramallah gewählt habe, ist klar. Sie ist weniger kunstvoll als künstlich in ihrer Beziehung zur Außenwelt, was mich zu meinem Thema führt: Wo stehen wir – eine Zusammenfassung. Die Anerkennung des politischen Körpers, des Umfelds, des Setting, das unsere Perspektiven und Positionen formuliert. Ramallah ist ein besonderer Ort. Die rosafarbene Blase der palästinensischen Realität, mit internationalen Fonds und Kulturzentren. Teil des arabischen Nahen Ostens, und wiederum auch nicht auf Grund der politischen Realität. Araber können nicht kommen, da ihr Transit sie durch Feindesland – Israel – führen würde. Und auch Europäer sieht man immer seltener auf den Straßen. Man warnt sie vor dem Besuch der „Wild Westbank“ oder des Gazastreifens. Vernachlässigt im Realen, nicht im Optischen, denn auf einer imaginären Oberfläche kommen wir durchaus vor. Es ist die Projektionsfläche, die jede Partei nutzt, um ihre Interpretation Palästinas, der Palästinenser und der Geschichte des Konflikts zu vermitteln. Der Held, der Terrorist, das Opfer, der Rebell. Aber der Umstand dieser speziellen Vernachlässigung beschreibt ein wohlbekanntes Ärgernis in der Region. Eine bipolare Machtbeziehung zwischen den Ohnmächtigen und den Mächtigen, dem Zentrum und der Peripherie – oder, mit Blick auf den Nahen Osten – unserer Region und dem „Westen“. Dies ist der vorherrschende Eindruck, transportiert durch Bilder, die die herrschende Ordnung stabilisieren. Die Frage, wie wir wiedergegeben werden und wie wir uns selbst im Alltag vertreten, wie wir die Welt sehen, mit Bildern umgehen und sie produzieren, ist noch nicht geklärt. Trotz der eigenen Satellitenkanäle, die unsere Stimme in die Welt hinaus tragen, weil wir einen Mechanismus übernahmen, ohne ihn vorher zu dekonstruieren. Zeitgenössische Kunst spielte und spielt eine bedeutende Rolle hinsichtlich der Infragestellung der Bildproduktion und als Gegenpol zum Siegeszug des Mainstreams. Der Mensch wird davon abgehalten, zu konsumieren, und wird gezwungen, nachzudenken. Über sich selbst zu reflektieren. Zeitgenössische Kunst stellt Fragen und markiert die Welt mit Ausrufezeichen, über die man stolpert. Sie hält dem Publikum den Spiegel vor, und lässt es das Selbstbild langsam verdauen. Umso überraschter waren wir, als die politischen Entwicklungen uns im vergangenen Jahr entstellten und wir mit dem eigenen Zerrbild konfrontiert wurden, während die Gesellschaft in Meilenstiefel an uns vorbeischritt. Revision. Vor einigen Jahren fand die zeitgenössische Kunst im Nahen Osten einen Weg, sich zu artikulieren und endlich auf internationaler Bühne Gehör zu verschaffen. Die missverstandene Ankunft nach 9/11. Der Westen war überrascht und begeistert angesichts der Möglichkeit, nach langen Jahren der Leere etwas entdecken zu können. Die Entdeckten genossen die Aufmerksamkeit. Eine neue alte Beziehung wurde geknüpft. Es war eine Win-Win-Situation – in postkolonialer Verpackung. Die wenige Jahre später erfolgende zunehmende Anerkennung der modernen Kunstszene führte zur Gründung neuer Initiativen, die behaupteten, unabhängig zu sein: vom Staat – soweit es diesen gibt – und von der vorgeschriebenen „Causa“ – so weit es diese gab. Wichtige Schritte – auf den ersten Blick. Neue Initiativen, neue Kunstwerke, die das in feindlicher Umwelt gefangene Individuum reflektierten. Wer hat sie nicht geliebt, diese Werke zum Thema Staatsrepression und die Kritik an der Weltpolitik mit ihren Folgen für den Nahen Osten, vorgestellt in sauberen weißen Kuben? Die anderen Stimmen, die von innen heraus Handelnden? Aber es ist ungleich schwerer, als man glaubt, die Balance zwischen Opposition und System zu halten, ohne in den Abgrund der Marktinteressen zu fallen. Einige von uns merkten den Aufprall erst , als wir die Hände hörten, die dem gefeierten Individuum applaudierten. MP5 What have you done since last summer? Redefining Relations Alia Rayyan It is getting dark. Ramallah 2007. The lights are glomming on the horizon, the border to the other side - Tel Aviv. The far away – close occupier. A division of power, circumstances and possibilities. Seeing the light does not mean sharing it. I am sitting at my desk, trying to sum up the thoughts for this essay - artful vexation - from a new perspective; geographically speaking. The position I have chosen while being in Ramallah is clear. And it is the less artful but somehow artificial relationship to the outside world which leads me to the issue I want to raise: resuming where we are. Acknowledging the political body, the environment and setting that formulate our perspectives and positions. Ramallah is a special place to be. The pink bubble of the Palestinian reality, with international funds and cultural centres. Part of the Arab Middle East and yet neglected due to political realities. Arabs cannot come as they would have to cross the enemy state Israel. Europeans appear less and less in streets as they are cautioned to enter the wild West Bank or Gaza Strip. Neglected in real terms – not visually, as we occur on a imaginary surface. A surface used by every party screening its interpretation of Palestine, the Palestinians and the history of the conflict. The hero, the terrorist, the slather, the victim, the rebel. And yet, this very special neglected circumstances describe nevertheless a well known vexation in the region. A bi-polar power-relationship between the powerless and the powerful, the center and the periphery – or concerning the Middle East – our region and the “West”. This impression is on and on represented by a surface of images, that stabilize the order. The questions of how we are represented and how we represent ourselves in daily use, how we see the world, how we deal with images and how we produce them - have been not answered, yet. Despite the fact that we created our own satellite channels and technical tools to raise the voice. We adopted a mechanism without deconstructing it. Contemporary Art has played and is still playing an important role to crack down the surface of images and to oppose mass consumption - to hinder the consuming human being and urge him to think. Rethink and consider yourself. Contemporary art raised questions and exclamation marks all over the place. Throwing the counter image back to the audience and let them swallow it slowly. Our faces were surprised however, when last year’s political developments have thrown it back on us. And when society has left us aside. Revision. Some years ago, contemporary art in the Middle East has found a channel to express its voice, which was finally heard by the international art circus: The misunderstood arrival after 9/11. The west was astonished and excited about the possibility to discover, after long years of emptiness. The discovered were savoring the attention. A new old relationship was born. A win-win situation – in a postcolonial package. A few years later, the recognition strengthened the contemporary art scene and helped starting up new entities, claiming to be independent. Independent from the state - as far as it exists – and from the dictated “cause” – as far as it existed. At first glance important moves. These entities produced new art works, reflecting on the jammed individual in a hostile environment. And who did not love the works on the repressive state and the critical approach towards world politics and its results for the Middle East presented in clean white cubes? The other voices acting from within? But it is much more difficult than you think to hold on to the thin line which divides being “part of opposition” from “becoming part of the system” through serving the interests of the market. Some of us realized this only while hearing the sounds of hands, clapping for the celebrated individual holding the mirror in front of the bloated face of society. At the same time it is not clear anymore, which society is being targeted. And it was not only the critical approach towards the raised issues as e.g. injustice and world politics, which were attractive for the spoiled international audience. It appeared in the right moment, when the need for content, political provocation and explanation of “the other” was at its peek. Contemporary art from the Middle East stands for political agitation. And indeed this is how conflict zones are
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