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Die Zeichenforderung - Vorträge von Reinhart Gruhn

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2. Pass. - Reminiscere Matthäus 12, 38 - 42 20.02.2005<br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeichenforderung</strong><br />

Da fingen einige <strong>von</strong> den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm:<br />

Meister, wir möchten gern ein Zeichen <strong>von</strong> dir sehen. 39 Und er antwortete und<br />

sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es<br />

wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten<br />

Jona. 40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so<br />

wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. 41 <strong>Die</strong><br />

Leute <strong>von</strong> Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht<br />

und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und<br />

siehe, hier ist mehr als Jona. 42 <strong>Die</strong> Königin vom Süden wird auftreten beim<br />

Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom<br />

Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.<br />

Jesus Christus, der Sohn Gottes, starb am Kreuz für uns, wegen unserer Bosheit, um uns zu<br />

retten und mit Gott zu versöhnen.<br />

Das ist die ganz knappe, aber um so erstaunlichere Glaubenserkenntnis der Jünger und Apostel<br />

Jesu, der ersten Christengemeinden. So haben sie es bezeugt, so haben sie es bekannt.<br />

Wie können wir das glauben? Welche Beweise gibt es? Wenn Gott uns doch ein Zeichen gäbe...<br />

- ein Zeichen dafür, daß er da ist und hilft und der Welt und uns Gutes tut. Bei der Flutkatastrophe,<br />

dem Tsunami, wo war da Gott? Aber die <strong>Zeichenforderung</strong> wird abgelehnt; da sind sich alle<br />

Evangelisten und Apostel einig. <strong>Die</strong> <strong>Zeichenforderung</strong> ist die Versuchung schlechthin. Jesus wird<br />

genauso versucht: „Stürze dich <strong>von</strong> der Zinne des Tempels herab, denn wenn du Gottes Sohn bist,<br />

wird Gott eine Legion Engel schicken, dich auf Händen zu tragen.“ (vgl. Matth. 4) Das wäre ein<br />

„Beweis“ gewesen für die Messianität Jesu: mitten in Jerusalem die Show des Tempelsturzes, ein<br />

Event, der alle Zweifel erschlagen, aber auch allen Glauben unmöglich machen würde. <strong>Die</strong>sem<br />

Geschlecht aber, sagt Jesus nach Matthäus, uns wird nur das Zeichen des Jona gegeben. So wie<br />

Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Walfisches war, so wird auch der Menschensohn<br />

heute gekreuzigt und sterben und am dritten Tage auferstehen. Das Kreuz Jesu, sein Sterben, sein<br />

'Hinabsteigen in das Reich des Todes', das ist das einzige Zeichen! <strong>Die</strong>s Zeichen aber ist ein Stein<br />

des Anstoßes: Gottes Sohn am Kreuz? Aber eben dieser Stein des Anstoßes ist zum Eckstein<br />

geworden, - und das ist das Wunder, ein Wunder vor unseren Augen (vgl. Mk. 12, 10).


2<br />

Was ist das „Wunder des Ecksteins“? Was bedeutet das „Zeichen des Jona“? Inwiefern hat der<br />

Kreuzestod Jesu solche alles begründende, erklärende, legitimierende Kraft?<br />

Für Heiden und Juden war und ist klar: Wer so stirbt, ist <strong>von</strong> Gott verdammt, verlassen,<br />

menschlich gesehen gescheitert. Römer, Heiden, Philosophen, Menschen anderer Kulturen, können<br />

nur den Kopf schütteln. Jesus, Gottes Sohn, am Kreuz? Hingerichtet? Gestorben? - Lächerlich! Ein<br />

gekreuzigter Gott ist ein lächerlicher Gott, und ein lächerlicher Gott ist eine Eselei – so wie Spötter<br />

in Rom es an die Wände malten: <strong>Die</strong> Christen beten einen Esel an. Ein gekreuzigter Gott ist eine<br />

einzige große Eselei.<br />

Ein richtiger Gott stirbt nicht. Ein richtiger Gott ist groß und mächtig, stark und siegreich. Ein<br />

richtiger Gott ist oben im Himmel; in seinen Himmel kommen die Guten, und die Bösen landen in<br />

der Hölle. Ein richtiger Gott ist klar und einfach, keine komplizierte „Dreifaltigkeit“. Ein richtiger<br />

Gott ist nur Einer, ist einfach, setzt klare Regeln <strong>von</strong> oben und unten, richtig und falsch. Allah der<br />

Muslim ist solch ein „richtiger Gott“. Drum laufen ihm so viele nach.<br />

Auch für Israel, auch für die Juden ist klar: „Verflucht ist, wer am Holze hängt.“ Davids Sohn,<br />

der Messias, sollte als Verbrecher an einem Folterkreuz hingerichtet werden? Das ist unmöglich,<br />

das ist lästerlich. Gott ist kein Verbrecher. Gott endet niemals so. Darum ist die Geschichte Jesu<br />

<strong>von</strong> Nazareth eben keine Heilsgeschichte; sie ist aus, ehe sie recht begonnen hat. In den Augen <strong>von</strong><br />

Juden und Heiden, in den Augen aller normal denkender Menschen soll das Ärgernis des Kreuzes<br />

beseitigt werden. <strong>Die</strong>ser verendende Mensch dort kann nicht Gottes Sohn gewesen sein.<br />

Aber die Jünger und die ersten Christen erkennen: Gott war, Gott ist mit diesem Jesus am Kreuz.<br />

Gott bekennt sich zu diesem Gekreuzigten. Er ist mit ihm in der Verlassenheit des Schmerzes und<br />

des Todes, er erhöht ihn, nicht nur am Kreuz, er erweckt ihn vom Tode und setzt ihn „zu seiner<br />

Rechten“. Gott steht zu diesem Jesus. Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen! Denn<br />

„Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber.“ (2. Kor. 5, 19)<br />

Jesus <strong>von</strong> Nazareth starb nicht nur irgendeinen Tod; es war kein Unfall; er starb einen Fluchtod.<br />

Jesus starb wegen unserer Sünde und Bosheit, uns abgewandt zu haben <strong>von</strong> Gott. Wir, Heiden und<br />

Juden, Fromme und Unfromme, haben ihn getötet. Menschen haben ihn hinrichten lassen und<br />

schauten zu. Wir haben nicht erkannt, wer Gott war und wie Gott war. Wir hielten Gott für den<br />

„großen Diktator“, der die Guten rettet und die Bösen vernichtet; wir hielten ihn für den Rächer<br />

alles Bösen, für „Superman“ à la Hollywood, für den Wunschtraum unseres Herzens nach Recht


und Ordnung und einfachen Lösungen. Aber Gott ist nicht so. Gott war in Christus am Kreuz.<br />

3<br />

Wir halten uns selbst für klug und meinen zu wissen, was für Gott möglich und unmöglich ist.<br />

Gott am Kreuz? Unmöglich. Gott ohnmächtig und hilflos? Ein Spielball der Interessen <strong>von</strong><br />

Mächtigen? Lächerlich, lästerlich. Aber Gott war in Christus.<br />

Wir fordern Zeichen und Beweise, beklagen Gottes Abwesenheit in den Schrecken dieser Zeit.<br />

Wo war Gott, als der Tsunami kam? Wo war Gott, als die Tausenden und Abertausenden <strong>von</strong><br />

Menschen in Auschwitz in die Gaskammern getrieben wurden, aufgehängt, erschossen? Wo war<br />

Gott in Theresienstadt und Buchenwald, aber auch in den Bombennächten <strong>von</strong> Hamburg und<br />

Dresden? - Gott war in Christus. Gott war am Kreuz. Gott war in Auschwitz. Gott war am Strand<br />

<strong>von</strong> Phuket. Gott war in der völligen Verlassenheit, in der Niederlage, im Tod. Gott war in Christus.<br />

Gott war in Christus, um um die Welt zu retten, um uns zu versöhnen, zu befreien <strong>von</strong> aller<br />

Bosheit. Siehe, hier am Kreuz ist mehr als Mose, mehr als Jona, mehr als Ninive, mehr als Salomo,<br />

mehr als Mohammed, mehr als Mekka! Gott stirbt den Tod der Verlassenheit, um uns <strong>von</strong> aller<br />

Angst zu erlösen: vom Bösen, das uns treibt, <strong>von</strong> der Schuld, die uns bedrängt, <strong>von</strong> der Vernichtung<br />

des Todes, der uns bevorsteht. Gott setzt einen wirklichen Neuanfang; sein Sterben am Kreuz,<br />

dieses Zeichen des Jona, ist der Neuanfang.<br />

Wir werden frei <strong>von</strong> der Sucht, selber wie Gott sein zu wollen, größenwahnsinnig und<br />

grenzenlos; wir werden frei <strong>von</strong> dem Drang, Gott nach unserem Bilde zu schaffen, nach unseren<br />

Wünschen und Rachegedanken, denn Gott definiert sich im ohnmächtigen, sterbenden Jesus <strong>von</strong><br />

Nazareth. Gott hört dort auf, Instrument unseres Machtstrebens und Größenwahns zu sein. Gott läßt<br />

sich ganz anders finden: in der Ohnmacht und Niederlage, in der Verlassenheit des Kreuzes. Das ist<br />

auch das Ende unserer wirklichen Bosheit; sie stirbt den Kreuzestod.<br />

Von diesem Wahn befreit, geht es für uns nicht mehr darum, Beweise und Zeichen der Größe<br />

und Macht Gottes zu fordern. Als Zeugen und Nachfolger Jesu Christi sollen wir vielmehr selber<br />

zum Zeichen werden, zum Zeichen der Versöhnung, der Vergebung, des Neuanfangs, der Freiheit.<br />

Weil Gott uns Menschen eine solche Chance gegeben hat, darum haben wir wieder Hoffnung und<br />

Zukunft trotz aller Bosheit und Schuld und Verbrechen in Geschichte und Gegenwart. Das Zeichen<br />

des Jona ist dieser Jesus, den wir getötet haben, den aber Gott auferweckt hat und zum Zeichen<br />

seiner Liebe und seiner Freiheit in die Welt gestellt hat; so möchte Gott <strong>von</strong> uns geglaubt und<br />

bekannt werden!


4<br />

So bleibt nun dies: Es gibt keine Zeichen; es gibt keine Beweise. Unser Wünschen bleibt Traum.<br />

Es gibt nur Jesus, den Gekreuzigten. Er ist die Gegenwart Gottes in dieser Welt; er ist das<br />

Unterpfand, das einzige große Zeichen der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung, der Versöhnung<br />

Gottes trotz aller Bosheit, der Rettung der Welt <strong>von</strong> allem Übel und vom Bösen. Gott war in<br />

Christus und versöhnte die Welt mit sich selber. Das „Zeichen des Jona“ ist das Zeichen des<br />

Glaubens. <strong>Die</strong>sem Gott zu vertrauen, ihm zu glauben und nachzufolgen, der sich im Leiden und<br />

Sterben nicht aufgab, sondern aus dem Tod heraus neue Hoffnung wachsen ließ, das ist der Weg<br />

des Heils für die Welt. Das ist das Zeichen, das wir sein können als Zeugen Jesu Christi: Zeugen der<br />

Freiheit des Reiches Gottes, der Hoffnung auf Leben, der geschenkten Zukunft.<br />

Jesu Leiden und Passion in diesen Wochen zu bedenken heißt, diesem Gott nachzuspüren, den<br />

Glauben an ihn zu wagen, das Vertrauen auf das Leben gegen alle Hoffnungslosigkeit zu setzen;<br />

heißt: getrost zu leben auch angesichts des Todes. Siehe, hier ist mehr als Jona, mehr als Salomo.<br />

Hier ist allein Christus. Christus aber ist Gottes. Gott die Ehre!<br />

Amen.<br />

© 2005 Dr. <strong>Reinhart</strong> <strong>Gruhn</strong>, Andreasweg 4, D - 32427 Minden<br />

dr.gruhn@martinigemeinde.de

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