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James Cook und die Entdeckung der Südsee - Spektrum CP

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Das Magazin für Archäologie <strong>und</strong> Geschichte<br />

<strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Entdeckung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Südsee</strong><br />

Son<strong>der</strong>heft<br />

zur Ausstellung<br />

28. August 2009<br />

bis 28. Februar 2010<br />

in Bonn


PLAN ZU DER AUSSTELLUNG<br />

NORDAMERIKA<br />

HAWAI‘I<br />

WAFFEN MUSIK SCHMUCK KÖRBE WERKZEUG FISCHEREIGERÄT<br />

VANUATU<br />

MARQUESAS<br />

NEUKALEDONIEN<br />

OSTER-<br />

INSEL<br />

RINDENBASTSTOFFE<br />

MUSEUMS-<br />

PÄDAGOGIK<br />

TONGA<br />

TAHITI<br />

1. REISE<br />

NEUSEELAND<br />

2. REISE<br />

3. REISE<br />

<br />

<br />

JAMES COOKS<br />

STUDIERSTUBE<br />

EINGANG<br />

AUSTRALIEN<br />

FEUERLAND<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong><br />

28. August 2009 – 28. Februar 2010 in Bonn<br />

Kulturpartner<br />

œ<br />

KUNST- UND AUSSTELLUNGSHALLE<br />

DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND<br />

Friedrich-Ebert-Allee 4 · 53113 Bonn · Telefon 0228 9171-200 · www.b<strong>und</strong>eskunsthalle.de


LESERSHOP<br />

> Mystiker <strong>der</strong> Steinzeit<br />

> Die steinernen Geister<br />

von Göbekli Tepe<br />

> Es lebe <strong>der</strong> Tod:<br />

Thrakische Fürsten gräber<br />

> Die Radiokarbonuhr:<br />

Datierung mit <strong>der</strong><br />

C-14-Methode<br />

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> Fremdenverkehr<br />

im Imperium<br />

> Hier wohnt das Glück –<br />

Prostitution in Pompeji<br />

> Spielfreuden im<br />

römischen Alltag<br />

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Heidelberg: Eine Ärztin<br />

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Frauen?<br />

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statt marmorweiß<br />

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durch Dürre?<br />

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Menschen<br />

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<strong>und</strong> Lebenspraxis<br />

> Maschinen:<br />

Die Kunst des Mühlenbaus<br />

Nachdruck, € 8,90<br />

> Evolution <strong>der</strong> Mammuts<br />

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ausstarb<br />

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epoc 4/2009<br />

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Vom Händlervolk zur<br />

Großmacht<br />

> Chachapoya: Die Wolkenkrieger<br />

aus Peru<br />

> Fin de Siècle:<br />

Zwischen Frivolität <strong>und</strong><br />

Weltschmerz<br />

€ 7,90<br />

epoc 3/2009<br />

> Die Ketzer:<br />

Freidenker im Konflikt<br />

mit <strong>der</strong> Kirche<br />

> Alexan<strong>der</strong> von Humboldt<br />

> Amerika:<br />

Deutsche Inseln im Meer<br />

<strong>der</strong> Fremde<br />

> Die Vandalen:<br />

Volk ohne Spuren<br />

€ 7,90<br />

epoc 2/2009<br />

> Die Geschichte Persiens<br />

> Doggerland:<br />

Atlantis <strong>der</strong> Nordsee<br />

> Auswan<strong>der</strong>er nach<br />

Amerika<br />

> Frauenzünfte in Köln<br />

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epoc 1/2009<br />

epoc 6/2008<br />

epoc 5/2008<br />

> Zeus <strong>und</strong> seine Götter<br />

> SPEZIAL:<br />

Das Darwin-Jahr 2009<br />

> Pharao im Genlabor:<br />

Biologen entschlüsseln<br />

archäologische Rätsel<br />

> Amerika vor Kolumbus<br />

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> Die Weimarer Republik<br />

> Varusschlacht:<br />

Wie sich <strong>die</strong> Schlachtfeldarchäologie<br />

etabliert<br />

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Santorin <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Datierung <strong>der</strong> Bronzezeit<br />

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> Die Türken:<br />

2000 Jahre zwischen<br />

Ost <strong>und</strong> West<br />

> Köln: Mit <strong>der</strong> U-Bahn<br />

durch den Römerhafen<br />

> Serie Europa:<br />

Das Mittelalter<br />

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Dies ist nur ein Auszug <strong>der</strong> lieferbaren Titel. Wir bieten Ihnen <strong>die</strong> erschienenen epoc-Ausgaben auch komplett als digitale Hefte für € 5,– an.<br />

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NATIONAL LIBRARY OF AUSTRALIA, CANBERRA<br />

Joachim Schüring<br />

stellvertreten<strong>der</strong> Chefredakteur<br />

Ein ehrgeiziger Eigenbrötler<br />

Mitte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts war noch ein<br />

Drittel des Globus von weißen Flecken bedeckt:<br />

unbekanntes Land. Fahrten dorthin waren keine<br />

romantischen Abenteuer, keine Segeltörns ins<br />

»Para<strong>die</strong>s auf Erden«. Die mehrjährigen <strong>Entdeckung</strong>sreisen<br />

waren Vorstöße ins Ungewisse,<br />

<strong>die</strong> von den Mannschaften <strong>der</strong> Segelschiffe alles<br />

ab verlangten. Die Lebensbedingungen an Bord<br />

waren – an heutigen Standards gemessen – katastrophal,<br />

Krankheiten, Unwetter <strong>und</strong> Untiefen<br />

eine ständige Bedrohung. Statistisch gesehen<br />

war eine ges<strong>und</strong>e Rückkehr eher unwahrscheinlich.<br />

Solche Herausfor<strong>der</strong>ungen konnten nur außergewöhnliche<br />

Persönlichkeiten meistern – so<br />

wie <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> eine war. Schon für seinen Aufstieg<br />

aus einer armen Landarbeiterfamilie zum<br />

Kapitän in <strong>der</strong> Royal Navy <strong>und</strong> Mitglied <strong>der</strong> Royal<br />

Society hatte er neben <strong>der</strong> großen Begabung<br />

in nautischen Angelegenheiten auch ein gehöriges<br />

Maß an Ehrgeiz <strong>und</strong> Disziplin mitgebracht.<br />

Bei seinen Männern war <strong>der</strong> 1,83 Meter große,<br />

etwas schlaksige Kapitän durchaus angesehen –<br />

er galt aber als unnahbar. <strong>Cook</strong> war ein wortkarger<br />

Eigenbrötler, <strong>der</strong> selten lachte <strong>und</strong> seine<br />

Zeit gerne unter Deck in seiner Kabine verbrachte.<br />

An Durchsetzungskraft fehlte es ihm<br />

freilich nicht – vor allem, wenn er spürte, dass<br />

seine Autorität in Frage gestellt war. Dann konnte<br />

er »übers Heck stampfen <strong>und</strong> brüllen, bis er<br />

heiser war«, wie ein Matrose berichtete.<br />

So wenige Worte er mit an<strong>der</strong>en wechselte, so<br />

wenige machte er auch um sich selbst. Daheim<br />

in London schrieb er lieber seine Berichte, als<br />

sich in <strong>die</strong> feine Gesellschaft zu drängen. Den<br />

Wert seiner <strong>Entdeckung</strong>en schätzte er einmal als<br />

»nicht son<strong>der</strong>lich groß« ein. Auch sah er in den<br />

Inseln <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> nicht <strong>die</strong> Ressourcen, <strong>die</strong> es für<br />

<strong>die</strong> Krone auszubeuten galt, <strong>und</strong> in ihren Bewoh-<br />

nern nicht <strong>die</strong> »edlen Wilden«, von denen man<br />

damals in Europa schwärmte. Es waren Menschen,<br />

<strong>die</strong> es zu schützen galt. »Wir bringen ihnen<br />

Bedürfnisse <strong>und</strong> womöglich Krankheiten,<br />

<strong>die</strong> sie zuvor nicht gekannt <strong>und</strong> <strong>die</strong> ausschließlich<br />

dazu angetan, <strong>die</strong> glückselige Ruhe zu stören,<br />

<strong>der</strong>en sie <strong>und</strong> ihre Vorväter sich erfreuten«,<br />

schrieb <strong>Cook</strong> im Jahr 1777 mit eindrucksvoller<br />

Weitsicht.<br />

Dies ist einer <strong>der</strong> wenigen Momente, in denen<br />

<strong>Cook</strong> einen kurzen Blick in sein Seelenleben<br />

gewährte. Sein Persönlichstes, <strong>die</strong> Liebe zu seiner<br />

Frau Elizabeth <strong>und</strong> den Kin<strong>der</strong>n, bleibt indes<br />

völlig im Dunkeln. Wenn man weiß, dass <strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong> nur einen Tag, bevor seine Frau zu Hause<br />

das vierte Kind bekam, zu seiner zweiten Reise<br />

aufbrach, dass er nach Jahren auf großer Fahrt<br />

immer erst <strong>der</strong> Admiralität Bericht erstattete,<br />

bevor er zu seiner Familie fuhr, <strong>und</strong> dass er<br />

manches seiner Kin<strong>der</strong> nie sah, weil sie in seiner<br />

Abwesenheit zur Welt kamen <strong>und</strong> auch wie<strong>der</strong><br />

starben, dann ist das Verhältnis <strong>der</strong> beiden <strong>Cook</strong>s<br />

gewiss nicht nur mit dem Rollenverständnis jener<br />

Zeit zu erklären. Dann offenbart sich hier ein<br />

Mann, <strong>der</strong> trotz aller Bescheidenheit vor allem<br />

eigene Interessen verfolgte. Während sich Elizabeth<br />

nach ihrem Mann sehnte, wollte <strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong> das behagliche Leben nicht leben <strong>und</strong> gab –<br />

allzu gern – »den bequemen Ruhestand einer<br />

womöglich gefährlichen Reise zuliebe« auf. Berufen<br />

konnte er sich dabei auf höhere Mächte:<br />

»Mein Schicksal treibt mich von einem Extrem<br />

ins an<strong>der</strong>e.«<br />

Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen<br />

Ihr<br />

Nach seiner ersten Reise:<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> (Mitte) mit den<br />

Botanikern Daniel Solan<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Joseph Banks (von links).<br />

In blauem Rock steht neben<br />

ihm Romanautor John<br />

Hawkesworth, <strong>der</strong> <strong>Cook</strong>s<br />

Aufzeichnungen veröffentlichte.<br />

Marineminister John<br />

Montagu, 4th Earl of Sandwich<br />

(ganz rechts), gehörte zu<br />

<strong>Cook</strong>s wichtigsten För<strong>der</strong>ern.<br />

FÜR DIE WISSENSCHAFTLICHE<br />

BERATUNG DANKEN WIR<br />

Henriette Pleiger, Projektleiterin,<br />

Kunst- <strong>und</strong> Ausstellungshalle <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, Bonn<br />

Prof. Dr. Brigitta Hauser-Schäublin,<br />

Leiterin des Instituts für Ethnologie<br />

<strong>der</strong> Universität Göttingen<br />

epoc.de 3


Inhalt<br />

Ein Leben auf See ................... 6<br />

Mit Mut, Ehrgeiz <strong>und</strong> Begabung<br />

schaffte <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, Sohn eines<br />

Tagelöhners, den Aufstieg zum<br />

Kapitän<br />

Ein Ozean des Wissens .....18<br />

Im 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wollten <strong>die</strong><br />

Denker <strong>der</strong> Aufklärung den Menschen<br />

verbessern <strong>und</strong> <strong>die</strong> Welt erfassen. In<br />

einer von Theorien geprägten Epoche<br />

waren <strong>die</strong> Entdecker jener Zeit <strong>die</strong><br />

Praktiker<br />

»H<strong>und</strong>erte, ja Tausende<br />

von Maden!« ..........................34<br />

Die Verhältnisse an Bord <strong>der</strong><br />

»Endeavour« waren aus heutiger Sicht<br />

katastrophal<br />

Wussten<br />

Sie, …<br />

… dass wir alle ein<br />

bisschen südseeisch<br />

sprechen?<br />

Im August 1769 schrieb Joseph Banks,<br />

Botaniker an Bord von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>s<br />

»Endeavour«, dass <strong>die</strong> schmerzhafte <strong>und</strong><br />

teils Monate dauernde Prozedur <strong>der</strong> Tätowierung<br />

bei den Bewohnern Tahitis<br />

tatau genannt wird. Das Wort bedeutet<br />

so viel wie »W<strong>und</strong>en schlagen« <strong>und</strong> ist<br />

womöglich eine lautmalerische Ableitung<br />

des Klopfens bei <strong>der</strong> Arbeit mit dem traditionellen<br />

Tätowierkamm (Bild). Im Deutschen<br />

wurde daraus zunächst »Tatauie-<br />

ren« <strong>und</strong> später »Tätowieren«.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche<br />

nach dem Para<strong>die</strong>s ............28<br />

Als <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> auf den pazifischen<br />

Inseln landete, traf <strong>der</strong> Entdecker auf<br />

fremde Kulturen. Es folgten Begegnungen<br />

voller Unsicherheiten <strong>und</strong><br />

Missverständnisse<br />

Editorial ..........................................3<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>und</strong> seine Zeit ... 16<br />

IN BILDERN<br />

<strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> ....... 22<br />

FÜR KINDER<br />

Zwei kleine Passagiere .......... 38<br />

Die »HMS Endeavour« ............ 40<br />

Preisrätsel ................................... 42<br />

Aloha ist – in <strong>der</strong> hawaiianischen Sprache<br />

– viel mehr als ein einfacher Gruß.<br />

Denn <strong>die</strong> Silben alo <strong>und</strong> ha bedeuten<br />

sinngemäß »vom Geist Gottes erfüllt«.<br />

Titelmotiv: Bildkomposition nach Vorlagen von: National Maritime Museum, Greenwich, London / The Natural History Museum, London /<br />

British Library, London<br />

IMPRESSUM<br />

epoc – Das Magazin für Archäologie <strong>und</strong> Geschichte<br />

Chefredakteur: Dr. phil. Carsten Könneker (v.i.S.d.P.)<br />

Redaktion: Dr. Joachim Schüring (stv. Chefredakteur),<br />

Dr. Klaus-Dieter Linsmeier, Dr. Claudia Mocek, Rabea Rentschler<br />

Schlussredaktion: Christina Meyberg (Ltg.), Sigrid Spies,<br />

Katharina Werle<br />

Bildredaktion: Alice Krüßmann (Ltg.), Anke Lingg,<br />

Gabriela Rabe<br />

Artdirector: Karsten Kramarczik<br />

Layout: Claus Schäfer, Oliver Gabriel<br />

Redaktionsassistenz: Anja Albat-Nollau<br />

Redaktionsanschrift: Postfach 10 48 40, 69038 Heidelberg<br />

Tel.: 06221 9126-711, Fax: 06221 9126-869,<br />

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Verlag: <strong>Spektrum</strong> <strong>der</strong> Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH,<br />

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Verlagsleiter: Dr. Carsten Könneker, Richard Zinken (Online)<br />

Geschäftsleitung: Markus Bossle, Thomas Bleck<br />

Herstellung: Natalie Schäfer, Tel.: 06221 9126-733<br />

Marketing: Annette Baumbusch (Ltg.), Tel.: 06221 9126-741,<br />

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Vertretungsberechtigter: Uwe Bronn<br />

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Jahresabonnement Studenten Inland (gegen Stu<strong>die</strong>nnachweis):<br />

€ 34,50; Jahresabonnement Studenten Ausland (gegen<br />

Stu<strong>die</strong>nnachweis): € 37,50. Zahlung sofort nach Rechnungs erhalt.


Anfang <strong>der</strong> 1920er Jahre gelangte das<br />

Tabu in <strong>die</strong> deutsche Sprache. Auf Tonga<br />

stand tapu ursprünglich für »nicht erlaubt«<br />

(siehe S. 30). Heute bedeutet es dort<br />

auch »heilig«. So heißt <strong>die</strong> Hauptinsel<br />

des Königreichs Tongatapu, was eher »heiliger<br />

Süden« bedeutet als »verbotener<br />

Süden«.<br />

Wenngleich <strong>die</strong> Geschichte vom Känguru<br />

nicht stimmt, wird sie immer wie<strong>der</strong> erzählt:<br />

Als Joseph Banks, Botaniker an Bord<br />

<strong>der</strong> »Endeavour«, im Jahr 1770 »ein Tier so<br />

groß wie ein Windh<strong>und</strong>, von mausgrauer<br />

Farbe <strong>und</strong> sehr flink« sah, soll er <strong>die</strong> Eingeborenen<br />

Australiens gefragt haben:<br />

»Was ist das für ein Tier?« Worauf sie<br />

»Känguru« geantwortet hätten, was angeblich<br />

»Wir verstehen dich nicht!« heißt.<br />

Doch <strong>die</strong>s ist Legende. In Wahrheit leitet<br />

sich das Wort von gangurru ab, dem Namen<br />

<strong>der</strong> Aborigines für das Graue Riesenkänguru.<br />

Für viele europäische Seefahrer <strong>und</strong><br />

Händler waren alle fernen Inselvölker<br />

Kanaken. In Wirklichkeit leben <strong>die</strong> Kanaken<br />

aber nur auf den Inseln Neukaledoniens<br />

östlich von Australien. Seinen Ursprung<br />

hat <strong>der</strong> Name des Volks in Hawaii,<br />

wo kanaka »Mensch« heißt.<br />

Im Sommer 1946, kurz<br />

nachdem <strong>die</strong> Amerikaner<br />

auf dem Bikini-Atoll im Pazifik<br />

Atombomben getestet<br />

hatten, benannte <strong>der</strong><br />

Franzose Louis Réard<br />

einen neuen, zweiteiligen<br />

Badeanzug für Damen<br />

nach <strong>der</strong> Inselgruppe.<br />

Die Provokation gelang,<br />

<strong>die</strong> Aufregung über <strong>die</strong> Tat<br />

Réards war größer als <strong>die</strong> Empörung über<br />

<strong>die</strong> Bombentests. Bei den Bewohnern <strong>der</strong><br />

Inseln bedeutet bikini übrigens Land<br />

<strong>der</strong> vielen Kokosnüsse.<br />

Kennen Sie im Deutschen weitere<br />

Wörter, <strong>die</strong> ihren Ursprung in <strong>der</strong><br />

<strong>Südsee</strong> haben? Schreiben Sie uns!<br />

Unter den Einsen<strong>der</strong>n verlosen wir<br />

zehn Jahresabos von epoc!<br />

epoc<br />

Das Magazin für<br />

Archäologie <strong>und</strong> Geschichte<br />

Stichwort »<strong>Südsee</strong>«<br />

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ISSN 1865-5718<br />

ISBN 978-3-941205-26-0<br />

www.epoc.de<br />

Erhältlich im Zeitschriften<strong>und</strong><br />

Bahnhofsbuchhandel <strong>und</strong><br />

beim Pressefachhändler<br />

mit <strong>die</strong>sem Zeichen.


Von Joachim Schüring<br />

6 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON


Mit Fleiß <strong>und</strong> Ehrgeiz schaffte <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, Sohn<br />

eines Tagelöhners, den Aufstieg an <strong>die</strong> Spitze <strong>der</strong><br />

britischen Gesellschaft.<br />

Es gibt nur wenige Porträts<br />

von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>. Dieses<br />

Gemälde von Nathaniel<br />

Dance zeigt ihn im Alter<br />

von 48 Jahren, kurz bevor er<br />

zu seiner dritten Reise<br />

aufbrach.<br />

Kurz vor ihrem Tod im Jahr 1835 erfüllte<br />

Eli zabeth <strong>Cook</strong> ihrem verstorbenen Gatten<br />

noch einen letzten Wunsch: Sie vernichtete alle<br />

Briefe, <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> beiden geschrieben hatten.<br />

Es dürften viele gewesen sein, schließlich war<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> r<strong>und</strong> 13 seiner 17 Ehejahre viele tausend<br />

Seemeilen von zu Hause entfernt. Während<br />

<strong>die</strong> von ihm penibel geführten Logbücher bis heute<br />

seine Reisen beinahe lückenlos dokumentieren,<br />

ist vom Privatleben <strong>der</strong> <strong>Cook</strong>s daher kaum etwas<br />

bekannt.<br />

Kennen gelernt haben sich <strong>die</strong> beiden wohl in<br />

den 1750er Jahren, in den Docklands von London,<br />

wo Elizabeth’ Vater eine Taverne betrieb – nicht<br />

weit von <strong>der</strong> Stelle, wo regelmäßig Piraten, Meuterer<br />

<strong>und</strong> Schmuggler gehenkt wurden. Damals war<br />

<strong>James</strong> oft in <strong>der</strong> Gegend, denn als Schiffsjunge an<br />

Bord von Kohleschiffen pendelte er ständig zwischen<br />

dem Norden des Landes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

hin <strong>und</strong> her.<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> wurde am 27. Oktober 1728 in Marton,<br />

einem kleinen Dorf im Nordosten Englands,<br />

geboren – ein Jahr nach seinem Bru<strong>der</strong> John. Die<br />

Familie war arm; <strong>der</strong> Vater, <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> sen., musste<br />

sich <strong>und</strong> <strong>die</strong> seinen mit dem kargen Lohn eines<br />

Tagelöhners durchbringen. Obwohl bald zwei weitere<br />

Kin<strong>der</strong> folgten – Christiana (1731) <strong>und</strong> Mary<br />

(1733) – <strong>und</strong> <strong>der</strong> kleine <strong>James</strong> seinem Vater auf einer<br />

Farm zur Hand gehen musste, brachte <strong>die</strong><br />

Frau des Hofbesitzers dem Knaben das Lesen <strong>und</strong><br />

Schreiben bei. Als er acht Jahre alt war, <strong>die</strong> kleine<br />

Schwester Mary war gerade gestorben, zog <strong>die</strong> Familie<br />

in das wenige Kilometer entfernte Great Ayton,<br />

auf den Hof von Lord Thomas Skottowe, wo<br />

noch vier weitere Geschwister zur Welt kommen<br />

sollten: Jane, Mary (Nr. 2), Margaret <strong>und</strong> William.<br />

<strong>James</strong> ging nun in eine richtige Schule, tat sich<br />

aber in den meisten Fächern nicht beson<strong>der</strong>s hervor<br />

– außer in Mathematik.<br />

Im Jahr 1745 begann er bei einem Gemischtwarenhändler<br />

im nahe gelegenen Staithes eine Lehre.<br />

<strong>Cook</strong> mochte den Ort nicht, dessen Einwohner<br />

in sich gekehrt <strong>und</strong> Fremden gegenüber wenig<br />

aufgeschlossen waren. Nur acht Monate hielt er es<br />

dort aus, dann kehrte er dem Dorf den Rücken –<br />

<strong>der</strong> Legende nach, weil er eine Münze <strong>der</strong> englischen<br />

<strong>Südsee</strong>-Kompanie unterschlagen hätte. In<br />

Wahrheit aber war sein Lehrmeister ein verständnisvoller<br />

Mann, <strong>der</strong> sah, wie unglücklich <strong>der</strong> Junge<br />

war. Und so half ihm William San<strong>der</strong>son sogar<br />

beim Umzug in <strong>die</strong> zwölf Kilometer entfernte<br />

Hafenstadt Whitby, wo er <strong>die</strong> Ree<strong>der</strong> John <strong>und</strong><br />

Henry Walker kannte. Schon bald schnupperte<br />

<strong>der</strong> 17-jährige <strong>Cook</strong> erstmals Seeluft.<br />

Umgeschlagen wurde in Whitby vor allem<br />

eines: Kohle. Die Fahrten <strong>die</strong> Küste hinunter von<br />

den Kohlefel<strong>der</strong>n Nordenglands nach London<br />

dauerten meist mehrere Wochen. Während <strong>die</strong><br />

Fracht im Osten <strong>der</strong> Metropole gelöscht wurde,<br />

übernachtete <strong>James</strong> vermutlich immer wie<strong>der</strong> im<br />

»The Bell«, jener Taverne, in <strong>der</strong> Elizabeth ihrem<br />

Vater beim Ausschank half.<br />

Ehrgeizig <strong>und</strong> wissbegierig, wie er war, segelte<br />

<strong>Cook</strong> für <strong>die</strong> Walkers bald auch nach Norwegen,<br />

vielleicht sogar bis St. Petersburg. Damals litt Europa<br />

noch unter einer längeren Kälteperiode – <strong>der</strong><br />

so genannten Kleinen Eiszeit – <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nordsee<br />

gehörte zu den gefährlichsten aller Meere. Aufmerksam<br />

beobachtete er, was es brauchte, um ein<br />

Schiff mit unkontrollierbarer Ladung durch ungewisse<br />

Gewässer in unübersichtliche Häfen zu<br />

segeln. Zu Hause habe er nächtelang gelernt, während,<br />

wie Mary Prowd, <strong>die</strong> Haushälterin <strong>der</strong> Walkers,<br />

berichtete, »<strong>die</strong> an<strong>der</strong>en Lehrjungen sich mit<br />

eitlem Geschwätz <strong>und</strong> an<strong>der</strong>em läppischen Zeitvertreib<br />

beschäftigten«. Den Schiffseignern gefiel<br />

das, <strong>und</strong> sicher hätten sie ihm bald das Kommando<br />

über eines ihrer Schiffe anvertraut, wenn <strong>Cook</strong><br />

nicht im Jahr 1755 einen unerwarteten Entschluss<br />

gefasst hätte: Er kündigte <strong>und</strong> ging zur Royal<br />

Navy. Obwohl dem 26-Jährigen sicher bewusst<br />

war, dass das Leben an Bord eines Marineschiffs<br />

viel härter war, trieb ihn <strong>die</strong> Sehnsucht nach<br />

Abenteuern zum Dienst auf hoher See.<br />

Die Zeiten waren unruhig: Gerade hatten<br />

Frankreich <strong>und</strong> England wie<strong>der</strong> einmal um <strong>die</strong><br />

Vormachtstellung in Nordamerika gerungen.<br />

Krieg lag in <strong>der</strong> Luft, <strong>und</strong> tatsächlich eskalierten<br />

1756 <strong>die</strong> Konflikte in <strong>der</strong> Neuen Welt <strong>und</strong> schwappten<br />

nach Europa, wo sich <strong>die</strong> Briten <strong>und</strong> Franzosen<br />

mit ihren Bündnispartnern vielerorts erbitterte<br />

Schlachten lieferten. Der Siebenjährige<br />

Krieg war ausgebrochen.<br />

Jenseits des Atlantiks, wo <strong>die</strong> englische Navy<br />

versuchte, den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> französischen<br />

Truppen in Kanada zu brechen, lernte <strong>Cook</strong> <strong>die</strong><br />

Kunst des Navigierens <strong>und</strong> Kartografierens. Als es<br />

den Briten im September 1759 endlich gelang, bei<br />

Québec <strong>die</strong> entscheidende Schlacht gegen <strong>die</strong><br />

Franzosen zu gewinnen, waren es seine präzisen<br />

Karten des Sankt-Lorenz-Stroms, <strong>die</strong> maßgeblich<br />

zum Sieg beitrugen – <strong>und</strong> ihn ins Gespräch bei<br />

<strong>der</strong> Admiralität brachten.<br />

epoc.de 7


Im Herbst 1762 kehrte <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> zurück nach<br />

England <strong>und</strong> führte am 21. Dezember seine Verlobte<br />

Elizabeth Batts zum Traualtar. Ob <strong>die</strong> 21-Jährige<br />

da von einem gemeinsamen Leben im trauten<br />

Heim träumte, ist ungewiss. Er, <strong>der</strong> 13 Jahre Ältere,<br />

tat es sicher nicht. Es vergingen nur ein paar Monate,<br />

bis er das Haus im Londoner Vorort Mile End<br />

verließ <strong>und</strong> gen Neuf<strong>und</strong>land segelte. Nach seinen<br />

Ver<strong>die</strong>nsten im Siebenjährigen Krieg kam für<br />

<strong>die</strong> Admiralität schlicht kein an<strong>der</strong>er in Frage, um<br />

<strong>die</strong> Küsten <strong>der</strong> Region zu kartieren. Er erhielt das<br />

Kommando über <strong>die</strong> »Grenville« <strong>und</strong> verbrachte<br />

fünf Jahre <strong>die</strong> Sommer auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des<br />

Atlantiks, <strong>die</strong> Winter daheim bei Elizabeth. In <strong>die</strong>ser<br />

Zeit brachte sie drei ihrer sechs Kin<strong>der</strong> zur<br />

Welt: <strong>James</strong>, Nathaniel <strong>und</strong> Elizabeth. Einmal kam<br />

er schwer verw<strong>und</strong>et heim, weil, wie es im Logbuch<br />

steht, »ein großes Pulverhorn explo<strong>die</strong>rte<br />

<strong>und</strong> seine Hand zerbarst«. Die Narbe würde eines<br />

Tages noch von Bedeutung sein. Ÿ<br />

MITCHELL LIBRARY, STATE LIBRARY OF NEW SOUTH WALES, SYDNEY<br />

Erste Reise: 1768 – 1771<br />

Vorstoß<br />

ins Ungewisse<br />

Akribisch beschrieb <strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong>, wie sich am 3. Juni<br />

1769 <strong>die</strong> winzige Venus vor<br />

<strong>die</strong> große Sonnenscheibe<br />

schob. Das Ereignis dauerte<br />

gut 1,5 St<strong>und</strong>en.<br />

W<br />

äre<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> im Sommer 1768 nur einen<br />

einzigen Tag länger bei seiner Frau<br />

geblieben, hätte er auch <strong>die</strong> Geburt seines vierten<br />

Kindes noch erlebt. Doch als Elizabeth am 26. August<br />

den kleinen Joseph zur Welt brachte, war ihr<br />

Mann bereits an Bord <strong>der</strong> »Endeavour« <strong>und</strong> in<br />

Richtung <strong>Südsee</strong> aufgebrochen, um, wie er sagte,<br />

»einige neue <strong>Entdeckung</strong>en in <strong>die</strong>sem riesigen,<br />

unbekannten Gebiet zu versuchen«.<br />

Obwohl <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, schon 39 Jahre alt, noch<br />

nie ein Schiff befehligt hatte, wusste <strong>die</strong> Navy seine<br />

außerordentlichen Fähigkeiten zu schätzen<br />

<strong>und</strong> wählte ihn für eine ganz beson<strong>der</strong>e Mission<br />

aus: <strong>die</strong> Suche nach dem sagenumwobenen Südland,<br />

<strong>der</strong> Terra australis incognita. Die Existenz<br />

des Kontinents hatte schon <strong>der</strong> griechische Gelehrte<br />

Claudius Ptolemäus im 2. Jahrh<strong>und</strong>ert n.<br />

Chr. postuliert, weil er überzeugt davon war, dass<br />

<strong>die</strong> Landmassen auf <strong>der</strong> Nord- <strong>und</strong> Südhalbkugel<br />

gleichmäßig verteilt sein müssten. Auch im 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert glaubten viele daran; <strong>der</strong> schottische<br />

Geograf Alexan<strong>der</strong> Dalrymple etwa, <strong>der</strong> sich große<br />

Hoffnungen machte, eine Suche danach anzuführen.<br />

Er war von <strong>der</strong> Royal Society vorgeschlagen<br />

worden, doch <strong>die</strong> Navy zog den erfahrenen<br />

Seemann <strong>Cook</strong> dem Schreibtischgelehrten vor.<br />

An Bord <strong>der</strong> »Endeavour« wusste von <strong>die</strong>sem<br />

Auftrag freilich niemand – er war geheim, schließlich<br />

sollte das neu entdeckte Land sofort für <strong>die</strong><br />

Krone in Besitz genommen werden. Der offizielle<br />

Auftrag war ein an<strong>der</strong>er, von ganz <strong>und</strong> gar unpolitischer<br />

Natur: <strong>Cook</strong> solle »<strong>die</strong> Passage des Planeten<br />

Venus über <strong>die</strong> Sonnenscheibe beobachten«<br />

– ein seltenes Ereignis, das es bei sorgfältiger<br />

Vermessung möglich machen würde, <strong>die</strong> Entfernung<br />

zwischen Erde <strong>und</strong> Sonne zu errechnen <strong>und</strong><br />

somit <strong>die</strong> Dimensionen des Sonnensystems zu<br />

bestimmen.<br />

Die gut 30 Meter lange »Endeavour« war ein<br />

paar Jahre zuvor in Whitby vom Stapel gelaufen –<br />

als eines <strong>der</strong> Kohleschiffe, mit denen <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

ja schon vertraut war. Nach dem Umbau erinnerte<br />

jedoch fast nichts mehr an den alten Segler. Wo<br />

einst das schwarze Gold lagerte, stapelten sich<br />

nun Vorräte für 18 Monate. Hinzu kamen vier<br />

Schweine, drei Katzen, zwei H<strong>und</strong>e, eine Ziege<br />

sowie ein paar dutzend Hühner. Unter Deck<br />

drängten sich 94 Männer, von denen elf in wissenschaftlicher<br />

Mission unterwegs waren. Zu ihnen<br />

gehörten Charles Green, <strong>der</strong> als Astronom<br />

den Venusdurchgang beobachten sollte, <strong>und</strong> Joseph<br />

Banks, 25-jähriger Spross einer wohlhabenden<br />

Familie <strong>und</strong> stu<strong>die</strong>rter Botaniker. Letzterer<br />

hatte immerhin 10 000 Pf<strong>und</strong> gezahlt, um mit einer<br />

Entourage von mehreren Forschern, Zeichnern<br />

<strong>und</strong> Dienern dabei sein zu können.<br />

Wenn man von einem tödlichen Unfall, einem<br />

Selbstmord <strong>und</strong> den beiden im Vollrausch da-<br />

8<br />

epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

EPOC / EMDE-GRAFIK


BRITISH LIBRARY, LONDON (CHARLES PRAVAL, 1771)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Für <strong>die</strong> Beobachtung des<br />

Venustransits ließ <strong>Cook</strong> auf<br />

Tahiti eigens ein befestigtes<br />

Lager errichten: »Fort Venus«.<br />

Auf seiner ersten Reise stellte<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> unter an<strong>der</strong>em<br />

fest, das Neuseeland aus zwei<br />

Inseln bestand – <strong>und</strong> nicht<br />

Teil des legendären Südkontinents<br />

war.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

hingeschiedenen Lakaien Banks’ absieht, querte<br />

<strong>die</strong> Crew ohne größere Zwischenfälle den Atlantik,<br />

umr<strong>und</strong>ete Kap Hoorn <strong>und</strong> erreichte den<br />

Pazifik. Selbst Skorbut, <strong>die</strong> tödliche Krankheit<br />

infolge einseitiger Ernährung mit Pökelfleisch<br />

<strong>und</strong> Schiffszwieback, war an Bord <strong>der</strong> »Endeavour«<br />

sehr selten, weil <strong>der</strong> Kapitän seine Mannschaft<br />

stets mit Obst <strong>und</strong> Gemüse versorgte (siehe<br />

S. 34).<br />

<br />

<br />

Am 5. April 1769 warf <strong>die</strong> »Endeavour« vor Tahiti<br />

<strong>die</strong> Anker. Bis zum Venustransit am 3. Juni hatten<br />

<strong>die</strong> Männer Zeit – <strong>und</strong> genossen das Leben<br />

auf den Inseln, <strong>die</strong> wie das Para<strong>die</strong>s auf Erden anmuteten.<br />

Die Bewohner schienen friedlich, sorglos<br />

<strong>und</strong> ohne Arbeit in den Tag hineinzuleben.<br />

Für Messingknöpfe <strong>und</strong> Eisennägel gaben sie fast<br />

alles her – <strong>die</strong> Frauen auch ihren Körper. »Die<br />

Liebe ist ihre einzige Beschäftigung«, schrieb<br />

Banks begeistert – <strong>und</strong> bestätigte, was schon im<br />

Jahr zuvor <strong>der</strong> französische Seefahrer Antoine de<br />

Bougainville ille<br />

le notiert hat-<br />

te: »Aller Vorsicht<br />

ungeachtet,<br />

et,<br />

kam ein<br />

jun-<br />

ges Mädchen vor eine <strong>der</strong> Luken über dem Gangspill.<br />

Sie ließ ungeniert ihre Bedeckung fallen<br />

<strong>und</strong> stand vor den Augen aller da, wie Venus sich<br />

dem phrygischen Hirten gezeigt. Sie hatte einen<br />

göttlichen Körper.« <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, <strong>der</strong> dem Treiben<br />

aus Sorge um Geschlechtskrankheiten Einhalt<br />

gebieten wollte, was ihm aber nicht gelang,<br />

schrieb: »Beide Geschlechter geben im Gespräch<br />

den unsittlichsten Gedanken Ausdruck, ohne<br />

geringste innere Regung. Solche Reden verschaffen<br />

ihnen höchstes Entzücken.« Nüchtern resümierte<br />

<strong>der</strong> Kapitän: »Keuschheit wird geringer<br />

Wert beigemessen.«<br />

Der Tag des Venustransits begann, wie <strong>Cook</strong><br />

es sich nur wünschen konnte: »Es zeigte sich keine<br />

Wolke, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Luft war völlig klar, also dass<br />

wir jeden erdenklichen Vorteil hatten bei <strong>der</strong> Beob-achtung<br />

<strong>der</strong> ganzen Passage des Planeten Venus<br />

über <strong>die</strong> Scheibe <strong>der</strong> Sonne.« Nach ein paar<br />

St<strong>und</strong>en war das Spektakel, das man mit bloßem<br />

Auge gerade so beobachten kann, schon wie<strong>der</strong><br />

vorüber –<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> »offizielle« Teil <strong>der</strong> Reise abgeschlossen.<br />

sen Jetzt galt es, <strong>der</strong> »geheimen Anweisung«<br />

<strong>der</strong> Admiralität zu folgen: »Ihr sollt gen<br />

Süden fahren, um den Kontinent zu entdecken.«<br />

Bevor es Anfang August 1769 weiterging,<br />

überzeugte Joseph Banks den Kommandanten<br />

noch, zwei Einheimische mit an Bord zu neh-<br />

men:<br />

Tupaia, einen Priester von <strong>der</strong> Insel Ra’iatea,<br />

sowie dessen Gefährten Taiata. Während<br />

Banks in sein Tagebuch schrieb: »Ich weiß<br />

nicht, warum ich ihn nicht als Kuriosum<br />

behalten sollte – so wie sich meine Nachbarn<br />

Löwen <strong>und</strong> Tiger halten«, war <strong>Cook</strong><br />

bald von den navigatorischen Fähigkeiten<br />

des Fremden fasziniert – insbeson<strong>der</strong>e<br />

von dessen Karten, auf denen<br />

Tupaia <strong>die</strong> Positionen von mehr als 70<br />

Inseln verzeichnet hatte. »Ich sehe keinen<br />

Gr<strong>und</strong>, an seinen Angaben zu zweifeln«,<br />

schrieb er.<br />

Doch ein großes Land, einen Kontinent,<br />

kannte auch Tupaia nicht. Obwohl<br />

<strong>Cook</strong> auf dem Weg nach Süden mehrfach<br />

östliche <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> westliche Kurse einschlagen<br />

ließ, blieb <strong>der</strong> Horizont leer.<br />

<br />

epoc.de 9


Zwei Monate später erreichten sie jedoch Neuseeland.<br />

Von den Maori wurden sie fre<strong>und</strong>schaftlich<br />

aufgenommen – obschon einer von ihnen<br />

nach einem Diebstahl erschossen wurde. <strong>Cook</strong> segelte<br />

<strong>die</strong> Küste entlang <strong>und</strong> erkannte, dass Neuseeland<br />

nicht, wie <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländische Seefahrer<br />

Abel Tasman zuvor vermutet hatte, Teil jener Terra<br />

australis incognita war, son<strong>der</strong>n aus einer Nord<strong>und</strong><br />

einer Südinsel bestand. <strong>Cook</strong> kamen zunehmend<br />

Zweifel an <strong>der</strong> Existenz des Südkontinents.<br />

Ende März 1770 verließ <strong>die</strong> »Endeavour« Neuseeland<br />

<strong>und</strong> hielt westwärts. Nach bald zwei Jahren<br />

sollte es nun endlich heimgehen. Am 28. April<br />

betrat <strong>Cook</strong> in <strong>der</strong> Botany Bay (heute: Sydney) als<br />

erster Brite den Boden von Neuholland, das erst<br />

mehr als 50 Jahre später offiziell Australien heißen<br />

sollte. Auf dem Weg nach Norden nahm er <strong>die</strong><br />

ganze Ostküste für <strong>die</strong> Krone in Besitz <strong>und</strong> nannte<br />

sie »New South Wales«. Die Einwohner zeigten<br />

kaum Interesse o<strong>der</strong> verhielten sich feindselig.<br />

Kontakte gab es kaum, denn auch Tupaia sprach<br />

ihre Sprache nicht. Banks hielt sie für »elendige<br />

Feiglinge«.<br />

Am 11. Juni 1770 ereignete sich am Great Barrier<br />

Reef beinahe eine Katastrophe. Es war gegen<br />

23 Uhr, <strong>und</strong> <strong>Cook</strong> hatte sich gerade hingelegt, als<br />

ein Schlag durch den Rumpf <strong>der</strong> »Endeavour«<br />

ging: »Das Schiff lief auf ein Hin<strong>der</strong>nis <strong>und</strong> saß<br />

fest«, würde <strong>Cook</strong> später notieren. Noch in Unterwäsche<br />

eilte <strong>der</strong> Kapitän an Deck, um den Schaden<br />

zu begutachten. Sogleich befahl er, alles von<br />

Bord zu werfen, was nicht lebensnotwendig war.<br />

Von außen zerrten <strong>die</strong> Männer mit Winden <strong>und</strong><br />

Seilen am Rumpf, an<strong>der</strong>e standen bis zur Erschöpfung<br />

an den Pumpen. Dann, fast 24 St<strong>und</strong>en später<br />

<strong>und</strong> über 40 Tonnen leichter, kam <strong>die</strong> »Endeavour«<br />

endlich frei. Als es <strong>der</strong> Mannschaft sechs<br />

»Ihr sollt gen Süden fahren,<br />

um den Kontinent zu entdecken«<br />

Tage später gelang, das Schiff in flachem Wasser<br />

auf <strong>die</strong> Seite zu legen, offenbarte sich, welches<br />

Glück sie gehabt hatten: In dem riesigen Loch<br />

steckte das Stück einer Koralle. Es hatte <strong>die</strong> »Endeavour«<br />

vor dem Untergang bewahrt.<br />

Doch es sollte nicht lange dauern, bis sie das<br />

Glück schließlich doch verließ. Waren sie von<br />

Skorbut weit gehend verschont geblieben, kam in<br />

Batavia (dem heutigen Jakarta), wo <strong>die</strong> »Endeavour«<br />

fit für <strong>die</strong> Rückreise gemacht wurde, <strong>die</strong><br />

Ruhr an Bord. Ein Seemann nach dem an<strong>der</strong>en<br />

klagte über <strong>die</strong> »Schmerzen <strong>der</strong> Verdammten«,<br />

wie <strong>der</strong> ebenfalls erkrankte Joseph Banks aus eigener<br />

Erfahrung berichtete. Dem Siechen folgte<br />

das Sterben. Taiata <strong>und</strong> sein Herr Tupaia starben<br />

in Batavia; bis Kapstadt raffte <strong>die</strong> Krankheit noch<br />

einmal zwei Dutzend Mann dahin.<br />

Als <strong>die</strong> »Endeavour« am 13. Juli 1771, einem windigen<br />

Samstag, vor <strong>der</strong> Küste von Kent im heimischen<br />

England ein letztes Mal <strong>die</strong> Anker warf, gingen<br />

von den ursprünglich 94 nur noch 38 Mann<br />

<strong>der</strong> Besatzung von Bord. <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, <strong>der</strong> verschont<br />

geblieben war, fuhr zunächst nach London,<br />

wo er <strong>der</strong> Admiralität Bericht erstattete, <strong>und</strong><br />

am Sonntagmorgen zu seiner Familie in Mile End.<br />

Erst jetzt konnte ihm seine Frau <strong>die</strong> traurige Nachricht<br />

vom Tod zweier Kin<strong>der</strong> berichten: Joseph<br />

war gleich nach <strong>der</strong> Abfahrt des Vaters gestorben<br />

<strong>und</strong> seine vierjährige Tochter Elizabeth drei Monate<br />

vor seiner Rückkehr. Sie war unter <strong>die</strong> Rä<strong>der</strong><br />

einer Kutsche geraten. Ÿ<br />

Geheime Anweisung <strong>der</strong> britischen Admiralität, 1768<br />

EPOC / EMDE-GRAFIK<br />

<br />

Zweite Reise: 1772 – 1775<br />

Der<br />

sagenhafte<br />

Kontinent<br />

Hätte man nach <strong>der</strong> Rückkehr <strong>der</strong> »Endeavour«<br />

einfache Englän<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Straße<br />

nach <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> gefragt, hätten <strong>die</strong> allermeisten<br />

wohl mit den Achseln gezuckt. Kaum jemand<br />

kannte den Kapitän <strong>und</strong> Weltreisenden. Umjubelt<br />

wurde ein an<strong>der</strong>er: Joseph Banks. Der wohlhabende<br />

Forscher kam ja nicht wie <strong>Cook</strong> aus kleinen<br />

Verhältnissen, son<strong>der</strong>n verkehrte seit jeher in den<br />

besten Kreisen Londons. Nun war er auch Gast<br />

Seiner Majestät Georg III. <strong>und</strong> machte mit abenteuerlichen<br />

Berichten <strong>und</strong> seinem in <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong><br />

tätowierten Arm einigen Eindruck.<br />

Unterdessen mäkelte Alexan<strong>der</strong> Dalrymple,<br />

<strong>der</strong> noch immer vergrätzt war, weil nicht er am<br />

10 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


Von Neuseeland aus unternahm<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> während<br />

seiner zweiten Reise im<br />

Winter 1773 (rot) <strong>und</strong> im<br />

Sommer 1773/74 (rosa)<br />

systematische Suchen nach<br />

<strong>der</strong> Terra australis incognita<br />

– ohne Erfolg.<br />

<br />

Omai, ein Bewohner <strong>der</strong><br />

<strong>Südsee</strong>insel Ulietea bei<br />

Tahiti, kam an Bord <strong>der</strong><br />

»Adventure« nach England.<br />

Dort avancierte er zum<br />

Liebling <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

(unten: seine Visitenkarte).<br />

Ein paar Jahre später (1777)<br />

brachte <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> ihn<br />

wie<strong>der</strong> zurück in seine<br />

Heimat.<br />

<br />

<br />

SAMMLUNG MARK UND CAROLYN BLACKBURN, HONOLULU<br />

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Steuer<br />

er<br />

<strong>der</strong> »Endeavourstanden<br />

hatte,<br />

<strong>Cook</strong><br />

ok hätte te<br />

<strong>die</strong><br />

Existenz<br />

des Südkontinents mitnichten wi-<br />

ge<strong>der</strong>legt.<br />

Doch das wusste auch <strong>Cook</strong> selbst nur allzu<br />

gut – <strong>und</strong> hatte noch auf <strong>der</strong> Rückreise erste<br />

Pläne für eine weitere Reise geschmiedet. Der Admiralität<br />

kamen seine Vorschläge gerade recht,<br />

schließlich sollte auf dem unbekannten Land <strong>die</strong><br />

britische Flagge wehen.<br />

Nach dem Schrecken im Great Barrier Reef<br />

wollte <strong>Cook</strong> <strong>die</strong>smal mit zwei Schiffen segeln. Die<br />

Admiralität willigte ein <strong>und</strong> stellte <strong>die</strong> »Resolution«<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> »Adventure« bereit, <strong>die</strong> ebenfalls<br />

ursprünglich als Kohleschiffe in Whitby vom Stapel<br />

gelaufen waren. Auch Joseph Banks wollte<br />

wie<strong>der</strong> mit von <strong>der</strong> Partie sein, doch <strong>die</strong>smal über-<br />

<br />

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<br />

NATIONAL PORTRAIT GALLERY, LONDON (JOHANN JACOBI, NACH SIR JOSHUA REYNOLDS, LONDON, 1780<br />

schätzte er seine Position. Nachdem <strong>der</strong><br />

stets auf Stil <strong>und</strong> Komfort bedachte Botaniker<br />

gegen den Willen <strong>Cook</strong>s <strong>die</strong> »Resolution«<br />

so hatte umbauen lassen, dass er<br />

<strong>und</strong> sein Gefolge – darunter zwei Blasmusiker<br />

– möglichst kommod reisen konnten,<br />

war das Schiff so kopflastig, dass es<br />

wie<strong>der</strong> in den Originalzustand versetzt<br />

werden musste. Die Besatzung habe sich<br />

dem Schiff anzupassen – <strong>und</strong> nicht umgekehrt,<br />

hieß es von Seiten <strong>der</strong> Admiralität.<br />

Verärgert blieb Banks daheim. An seiner Stel-<br />

le wurde Johann Reinhold Forster verpflichtet,<br />

ein namhafter, wenngleich launischer Naturforscher<br />

aus Preußen. Mit seinem Sohn <strong>und</strong> Assistenten<br />

e Georg würden sie <strong>die</strong> ersten Forscher sein,<br />

<strong>die</strong> nicht nur alle möglichen Pflanzen <strong>und</strong> Tiere<br />

sammelten, son<strong>der</strong>n auch völkerk<strong>und</strong>liche Objekte<br />

e – wobei Georg Forster mit seinen differenzierten<br />

Beschreibungen verschiedener <strong>Südsee</strong>gesellschaften<br />

scha<br />

eben nicht mehr dem Klischee vom<br />

»edlen en Wilden« im »Para<strong>die</strong>s auf Erden« verfallen<br />

würde. Die unzähligen Ethnografica, <strong>die</strong> Vater<br />

<strong>und</strong> Sohn aus <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> heimbrachten, befinden<br />

sich heute übrigens zum Großteil in <strong>der</strong> Ethnologischen<br />

Sammlung <strong>der</strong> Universität Göttingen.<br />

<br />

<br />

Am 13. Juli 1772, genau ein Jahr nach seiner ersten<br />

Rückkehr aus <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> – <strong>und</strong> fünf Tage,<br />

nachdem seine Frau das fünfte Kind zur Welt gebracht<br />

hatte –, verließ <strong>Cook</strong> den Hafen von Plymouth<br />

<strong>und</strong> segelte in Richtung Kapstadt. (Kaum<br />

hatte ihr Mann den Äquator überquert, trug Elizabeth<br />

daheim in London den kleinen George schon<br />

wie<strong>der</strong> zu Grabe).<br />

Nachdem <strong>die</strong> Schiffe in Kapstadt Nachschub<br />

geladen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Botaniker An<strong>der</strong>s Sparrman als<br />

weiterer Assistent von Johann Reinhold Forster<br />

dazugestoßen war, drängte es <strong>Cook</strong> nach Süden.<br />

Er hatte Zeit verloren; wollte er den Südkontinent<br />

finden, konnte <strong>die</strong>s nur im Sommer gelingen.<br />

Es würde mit 117 Tagen <strong>die</strong> längste Etappe werden.<br />

117 Tage, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Männer in bedrücken<strong>der</strong><br />

Enge <strong>und</strong> auf schwankenden Planken verbrachten.<br />

Um sie bei Laune zu halten, führte <strong>der</strong> Kapitän<br />

sie mit nachsichtiger Hand. Am Weihnachtstag<br />

1772 etwa notierte er, wie er sein Schiff auf einen<br />

»möglichst geschützten Kurs« brachte, um nicht<br />

»von einem plötzlichen Wind mit einer betrunkenen<br />

Mannschaft überrascht zu werden«. In antarkti-schen<br />

Gewässern schließlich half ein »zusätzli-ches<br />

Glas Brandy jeden Morgen« den Männern,<br />

»<strong>die</strong> Kälte ohne Murren zu ertragen«. Als<br />

<strong>Cook</strong> wegen des mächtigen Eises den Rückzug<br />

befahl, ahnte er nicht, dass nur 75 Meilen voraus<br />

Festland lag – <strong>und</strong> er um Haaresbreite auch als<br />

11


Mit <strong>die</strong>sem vom Londoner<br />

Tischler John Harrison entwickelten<br />

<strong>und</strong> vom Uhrmacher<br />

Larcum Kendall<br />

gebauten Chronometer<br />

konnte <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> eines<br />

<strong>der</strong> größten Probleme seiner<br />

Zeit lösen: Er war so genau,<br />

dass sich mit ihm endlich<br />

<strong>die</strong> geografische Länge<br />

zuverlässig bestimmen ließ.<br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

Ent decker <strong>der</strong> Antarktis in <strong>die</strong> Geschichte eingegangen<br />

wäre!<br />

Auf dem Rückweg verloren sich <strong>die</strong> Schiffe in<br />

dichtem Nebel aus den Augen. Für einen solchen<br />

Fall hatten <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>und</strong> Tobias Furneaux, Kapitän<br />

<strong>der</strong> »Adventure«, vorab ausgemacht, sich<br />

am Queen Charlotte So<strong>und</strong> in Neuseeland zu treffen.<br />

In <strong>der</strong> Hoffnung, er könne noch auf den Kontinent<br />

stoßen, segelte <strong>Cook</strong> im Zickzackkurs nach<br />

Neuseeland, wo er eine kleine Brauerei aufbauen<br />

ließ – Bier galt als probates Mittel gegen Skorbut –<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Forsters so viel Gefleuch <strong>und</strong> Gekreuch<br />

sammelte, dass sich in ihren Kammern ein »recht<br />

scheußlicher Gestank« verbreitete.<br />

Nachdem im Mai 1773 <strong>die</strong> »Resolution« <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

»Adventure« wie<strong>der</strong> vereint waren, ging es auf<br />

<strong>Entdeckung</strong>sreise durch <strong>die</strong> <strong>Südsee</strong>. Auf <strong>der</strong> Gesellschaftsinsel<br />

Ulietea nahm Furneaux einen<br />

jungen Mann namens Mai an Bord, <strong>der</strong> später in<br />

<strong>der</strong> Obhut von Joseph Banks zum Liebling <strong>der</strong><br />

englischen Gesellschaft avancieren sollte. Omai,<br />

wie man ihn dort nannte, wurde vom König bezahlt,<br />

saß Malern Modell <strong>und</strong> fuhr Schlittschuh.<br />

Im Theater kam 1785 gar das Stück »Omai: O<strong>der</strong><br />

eine Reise um <strong>die</strong> Welt« zur Aufführung.<br />

Auf dem Rückweg nach Neuseeland verloren<br />

sich <strong>die</strong> Schiffe ein zweites Mal. Wie<strong>der</strong> wartete<br />

<strong>Cook</strong> im Queen Charlotte So<strong>und</strong>. Diesmal vergeblich.<br />

Gerade als er aufbrechen wollte, fand <strong>Cook</strong><br />

das »Zwischendeck bevölkert mit Eingeborenen«<br />

<strong>und</strong> wurde Zeuge eines grausigen Geschehens.<br />

Seine Wissenschaftler hatten <strong>die</strong> Überreste eines<br />

Toten entdeckt <strong>und</strong> den Schädel an Bord gebracht<br />

»o<strong>der</strong> das, was von ihm noch übrig war, denn Unterkiefer<br />

<strong>und</strong> Lippen et cetera fehlten«. <strong>Cook</strong> wurde<br />

klar, dass <strong>der</strong> »Junge von vielleicht 14 o<strong>der</strong> 15<br />

Jahren« Opfer eines kannibalischen Brauchs geworden<br />

war. Weil ihm das zu Hause niemand<br />

glauben würde, befahl er »ein Stück des Fleisches<br />

zu braten <strong>und</strong> auf das Zwischendeck zu bringen,<br />

wo einer <strong>die</strong>ser Kannibalen es mit offensichtlich<br />

gutem Appetit verzehrte«. Unterdessen verglich<br />

<strong>der</strong> junge Forster das Erlebte mit dem Wüten <strong>der</strong><br />

spanischen Eroberer in Südamerika: »Was ist <strong>der</strong><br />

Neu-Seelän<strong>der</strong>, <strong>der</strong> seinen Feind im Kriege umbringt<br />

<strong>und</strong> frisst, gegen den Europäer, <strong>der</strong>, zum<br />

Zeitvertreib, einer Mutter ihren Säugling mit kaltem<br />

Blut, von <strong>der</strong> Brust reißen <strong>und</strong> seinen H<strong>und</strong>en<br />

vorwerfen kann?« Furneaux sollte, einige<br />

Tage nachdem <strong>Cook</strong> den Ort verlassen hatte, an<br />

gleicher Stelle ebenfalls Augenzeuge eines solchen<br />

Mahls werden. Allerdings kannte er <strong>die</strong> Verspeisten:<br />

Es waren einige seiner eigenen Männer.<br />

Nachdem sich <strong>die</strong> Schiffe knapp verpasst hatten,<br />

segelte Furneaux nach Kap Hoorn <strong>und</strong> weiter<br />

Dritte Reise: 1776 – 1780<br />

Scheitern<br />

in <strong>der</strong> Arktis<br />

12


»Nunmehr bin ich fertig mit<br />

dem Pazifischen Ozean«<br />

zum Kap <strong>der</strong> Guten Hoffnung. Als er im Juli 1774 –<br />

ein Jahr vor <strong>Cook</strong> – <strong>die</strong> Heimat erreichte, war er<br />

<strong>der</strong> erste Kapitän, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Erde von West nach Ost<br />

umsegelt hatte. Unterdessen ließ <strong>Cook</strong> erneut<br />

nach Süden segeln, bis er am 71. Breitengrad vor<br />

dickem Packeis aufgab.<br />

<strong>Cook</strong> ließ umdrehen <strong>und</strong> ankerte Mitte März<br />

1774 vor <strong>der</strong> Osterinsel. Von dort ging <strong>die</strong> Fahrt zu<br />

den Marquesas, nach Tahiti, Nue, Tonga <strong>und</strong> den<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, 17. Dezember 1774<br />

Neuen Hebriden (heute Vanuatu), wo <strong>Cook</strong> zahlreiche<br />

bis dahin unbekannte Inseln kartierte. Auf<br />

<strong>der</strong> Fahrt nach Südwesten entdeckte er Neukaledonien<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Norfolkinseln. Von Terra australia<br />

incognita indes noch immer keine Spur. Im Dezember<br />

schrieb er vor Kap Hoorn: »Nunmehr bin<br />

ich fertig mit dem Pazifischen Ozean. Ich hoffe<br />

nur, dass <strong>die</strong>, welche mich ehrten, <strong>und</strong> auch jene,<br />

welche mich beleidigten, dass also nicht einer von<br />

ihnen denken wird, dass irgendetwas mehr hätte<br />

getan werden können auf einer Reise mit einem<br />

solchen Ziele denn das, was in <strong>die</strong>ser geschah.«<br />

Vor seiner Rückreise löste <strong>Cook</strong> dann noch<br />

eines <strong>der</strong> größten Probleme seiner Zeit – <strong>und</strong> verhalf<br />

einem Londoner Uhrmacher namens John<br />

Harrison endlich zu seinem ver<strong>die</strong>nten Ruhm. 40<br />

Jahre hatte <strong>der</strong> an einem Chronometer gebaut,<br />

mit dessen Hilfe er das so genannte Längenproblem<br />

lösen wollte: Während sich <strong>der</strong> Breitengrad<br />

nämlich leicht mit dem Sonnenstand bestimmen<br />

ließ, musste <strong>die</strong> Länge, <strong>die</strong> Position in Ost-West-<br />

Richtung, auf komplizierte Weise berechnet werden.<br />

Mit einer extrem genauen Uhr könnte man<br />

jedoch <strong>die</strong> zurückgelegte Strecke direkt messen –<br />

<strong>und</strong> daraus leicht <strong>die</strong> geografische Länge ableiten.<br />

<strong>Cook</strong> vertraute <strong>der</strong> Uhr <strong>und</strong> adelte sie, nachdem<br />

er mühelos zur Atlantikinsel Sankt Helena gef<strong>und</strong>en<br />

hatte, als our faithful guide. Damit war das<br />

Längenproblem endgültig Geschichte – <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Traum von John Harrison erfüllte sich endlich<br />

acht Monate vor seinem Tod.<br />

Am 30. Juli 1775 erreichte <strong>die</strong> »Resolution« <strong>die</strong><br />

Heimat. Wie zuvor eilte <strong>Cook</strong> auch <strong>die</strong>smal zunächst<br />

zur Berichterstattung nach London – <strong>und</strong><br />

hörte erst später vom frühen Tod eines seiner Kin<strong>der</strong>.<br />

Am Tisch <strong>der</strong> <strong>Cook</strong>s saßen nur noch <strong>James</strong>,<br />

mit zwölf Jahren bereits bei <strong>der</strong> Marineakademie<br />

in Portsmouth, <strong>und</strong> Nathaniel, <strong>der</strong> ihm bald dorthin<br />

folgen würde. Beiden muss ihr Vater schrecklich<br />

fremd vorgekommen sein. Ÿ<br />

Nach seiner zweiten Reise war <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> ein<br />

berühmter Mann. Die Royal Society berief<br />

ihn in ihre Reihen <strong>und</strong> verlieh ihm für seinen<br />

Kampf gegen den Skorbut <strong>die</strong> renommierte Copley-Medaille.<br />

Er lernte König Georg III. kennen,<br />

war gern gesehener Gast in den feinen Londoner<br />

Zirkeln <strong>und</strong> bekam eine gut dotierte Stellung an<br />

Land. Die Zukunft <strong>der</strong> <strong>Cook</strong>s war also gesichert.<br />

Doch dauerte es nicht lange, bis sich <strong>der</strong> Kapitän<br />

langweilte <strong>und</strong> einem erneuten Angebot <strong>der</strong> Admiralität<br />

nicht zu wi<strong>der</strong>stehen vermochte. Er<br />

sollte <strong>die</strong> Nordwestpassage suchen, <strong>die</strong> im hohen<br />

Norden den Atlantik mit dem Pazifik verbindet<br />

<strong>und</strong> den Briten schnellen Zugang zu den ostasiatischen<br />

Schatztruhen bieten sollte: »Ich habe einen<br />

kommoden Rückzug eingetauscht gegen ein aktives,<br />

vielleicht gar gefährliches Unternehmen.«<br />

Die »Resolution« wurde überholt <strong>und</strong> zusammen<br />

mit <strong>der</strong> »Discovery« – auch sie ein Kohlesegler<br />

aus Whitby – reisefertig gemacht. Wissenschaftler<br />

wollte <strong>Cook</strong> <strong>die</strong>smal nicht an Bord haben,<br />

wohl, weil es in <strong>der</strong> Vergangenheit immer<br />

wie<strong>der</strong> zu Spannungen gekommen war. Zudem<br />

hatte er selbst im Lauf <strong>der</strong> Jahre respektable<br />

Vor Nordamerika gerieten<br />

<strong>Cook</strong>s Schiffe in miserables<br />

Wetter. Im Nootka So<strong>und</strong><br />

vor Vancouver Island mussten<br />

sie eine Pause einlegen.<br />

Indianer halfen, <strong>die</strong> beiden<br />

Segler wie<strong>der</strong> seetüchtig zu<br />

machen.<br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON (JOHN WEBBER, 1778)<br />

epoc.de 13


NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

scheu <strong>und</strong> zurückhaltend gaben. Es war schon<br />

Ende Februar 1777, als <strong>Cook</strong> dort wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Anker<br />

lichten ließ. Bis in <strong>die</strong> Arktis mit ihrem kurzen<br />

Sommer war es nicht mehr zu schaffen. Er musste<br />

<strong>die</strong> Suche nach <strong>der</strong> Nordwestpassage ins nächste<br />

Jahr verschieben. Ziellos kreuzte er durch <strong>die</strong> <strong>Südsee</strong><br />

<strong>und</strong> besuchte bereits bekannte Inseln. Auf<br />

Tonga blieb er fast drei Monate – ohne dass Berichte<br />

über eine »äußerst fruchtbare Insel« namens<br />

Fidgee (Fidschi) <strong>und</strong> Hammoah (Samoa), <strong>die</strong><br />

»größte aller Inseln«, seinen Entdeckergeist zu<br />

wecken vermochten. Stattdessen war er ständig<br />

Gast bei Festen. <strong>Cook</strong>s Einstellung zu den Dingen<br />

verän<strong>der</strong>te sich. Immer wie<strong>der</strong> zeigten sich bei<br />

ihm Antriebslosigkeit <strong>und</strong> Gleichgültigkeit. Zudem<br />

litt er unter rheumatischen Schmerzen, beklagte<br />

sich heftig über den maroden Zustand <strong>der</strong><br />

Schiffe <strong>und</strong> über seine Matrosen, <strong>die</strong> nur Alkohol<br />

<strong>und</strong> Sex im Kopf hatten.<br />

Völlig unerwartet kam<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> am 14. Februar<br />

1779 in einer Bucht von<br />

Hawaii in einem Hand -<br />

gemenge zu Tode. Das Gemälde<br />

von Johann Zoffany<br />

entstand um 1795.<br />

Kenntnisse erworben <strong>und</strong> war davon überzeugt,<br />

zusammen mit dem Schiffsarzt <strong>und</strong> mehreren<br />

Malern <strong>die</strong> Aufgabe erfüllen zu können. Des Weiteren<br />

sind erwähnenswert: <strong>der</strong> Navigator William<br />

Bligh, <strong>der</strong> 13 Jahre später als Kapitän <strong>der</strong> »Bounty«<br />

bei den Tongainseln Opfer <strong>der</strong> berühmtesten<br />

Meuterei <strong>der</strong> Seefahrtsgeschichte werden sollte,<br />

<strong>und</strong> Omai, jener exotische Besucher von <strong>der</strong><br />

Gesellschafts insel Ulietea, <strong>der</strong>, nachdem in England<br />

das Interesse an ihm versiegt war, zurück<br />

nach Hause wollte – samt Ritterrüstung, Drehorgel,<br />

Zinnsoldaten <strong>und</strong> mehreren Tieren.<br />

Am 12. Juli 1776 verließ <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> – gerade<br />

war sein Sohn Hugh geboren – den Hafen von Plymouth<br />

<strong>und</strong> segelte nach Kapstadt, wo er einige<br />

Zeit auf <strong>die</strong> »Discovery« warten musste. Der<br />

Gr<strong>und</strong>: Kapitän Charles Clerke war kurz vor Reiseantritt<br />

ins Gefängnis geworfen worden, weil er <strong>die</strong><br />

Schulden seines Bru<strong>der</strong>s nicht bezahlen konnte.<br />

Von Südafrika ging es quer durch den Indischen<br />

Ozean über Tasmanien – das zu erk<strong>und</strong>en er seltsamerweise<br />

unterließ – nach Neuseeland, wo sich<br />

<strong>die</strong> Maori, <strong>die</strong> auf <strong>der</strong> zweiten Reise einige von<br />

Furneaux’ Männern getötet <strong>und</strong> verspeist hatten,<br />

»Nach einem so hoch geehrten<br />

<strong>und</strong> erfolgreichen Leben kann sein<br />

Tod nicht ermessen werden«<br />

<strong>James</strong> King, Leutnant an Bord <strong>der</strong> »Resolution« in seinem Bericht von 1779<br />

Mitte Juli 1777 verließen <strong>die</strong> Schiffe Tonga <strong>und</strong><br />

segelten nordwärts – nach Tahiti, wo <strong>die</strong> Englän<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Opferung eines »Mannes mittleren Alters«<br />

beiwohnten. Er »hatte einen blutigen Kopf,<br />

welchen Umstand wir zurückführten auf <strong>die</strong> Art,<br />

da sie ihn töteten, indem sie ihm mit einem Stein<br />

auf den Kopf schlugen«. Vielleicht brachte ja<br />

<strong>die</strong>ses schreckliche Ereignis das Fass zum Überlaufen.<br />

Denn als <strong>die</strong> Bewohner einer Insel zwei<br />

Ziegen stahlen, gab er Befehl, <strong>der</strong>en Häuser <strong>und</strong><br />

Kanus in Brand zu setzen. Dem Dieb eines Sextanten<br />

ließ er gar <strong>die</strong> Ohren abschneiden – ein<br />

Schock auch für <strong>die</strong> eigenen Offiziere.<br />

Ende November verabschiedeten sich <strong>die</strong> Englän<strong>der</strong><br />

von Omai, dem sie ein schönes Haus gebaut<br />

hatten. Das bezog er mit zwei Maori, <strong>die</strong> ihm<br />

seit Neuseeland Gesellschaft geleistet hatten.<br />

Seine letzte große <strong>Entdeckung</strong> machte <strong>Cook</strong><br />

am 18. Januar 1778, als er auf Hawaii stieß. Er nannte<br />

sie – nach seinem Fre<strong>und</strong> Lord Sandwich –<br />

Sandwichinseln. Als er an <strong>der</strong> Sprache erkannte,<br />

»dass sie <strong>der</strong>selben Nation angehörten wie <strong>die</strong><br />

Leute von Otaheite (Tahiti, <strong>die</strong> Red.) <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en<br />

Eilanden«, staunte <strong>Cook</strong> über den Wagemut<br />

<strong>und</strong> das seefahrerische Können <strong>der</strong> Vorfahren<br />

<strong>die</strong>ser Leute. »Wir finden sie von Neuseeland im<br />

Süden bis hinauf zu <strong>die</strong>sen Eilanden im Norden<br />

<strong>und</strong> von <strong>der</strong> Osterinsel zu den Neuen Hebriden.«<br />

Das erste Stückchen Amerika zeigte sich<br />

windumtost <strong>und</strong> in dicken, grauen Wolken: Cape<br />

Foulweather nannte <strong>Cook</strong> den Felsvorsprung im<br />

heutigen Oregon, <strong>der</strong> wie ein Zeichen von den<br />

kommenden Monaten kündete. Das Wetter blieb<br />

h<strong>und</strong>smiserabel. Nur mit Mühe kamen <strong>die</strong> lä<strong>die</strong>rten<br />

Schiffe entlang <strong>der</strong> Küste voran nach Norden.<br />

Im Nootka So<strong>und</strong> vor Vancouver Island mussten<br />

sie halten, um <strong>die</strong> Schiffe wie<strong>der</strong> seetüchtig<br />

zu machen. Indianer halfen ihnen bei <strong>der</strong> Arbeit<br />

<strong>und</strong> gaben »Holz <strong>und</strong> Wasser aus Fre<strong>und</strong>schaft«.<br />

Ende April 1778 ging es mühsam <strong>und</strong> in zermürbendem<br />

Zickzack weiter. Schließlich durchfuhren<br />

<strong>die</strong> Schiffe <strong>die</strong> Aleuten <strong>und</strong> stießen bis in<br />

<strong>die</strong> Beringstraße vor, wo das Packeis jedes Weiterkommen<br />

unmöglich machte. Qualvolle Wochen<br />

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14 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


EPOC / EMDE-GRAFIK<br />

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Die dritte Reise führte<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> in den hohen<br />

Norden, wo er nach <strong>der</strong><br />

Nordwestpassage suchte.<br />

Unterwegs entdeckte er<br />

Hawaii (gepunktete Linie:<br />

Rückfahrt <strong>der</strong> Schiffe nach<br />

<strong>Cook</strong>s Tod).<br />

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suchten <strong>Cook</strong> <strong>und</strong> Clerke einen Weg nach Norden.<br />

Bis nach Sibirien segelten sie – ohne Erfolg. Einmal<br />

lief <strong>Cook</strong> fast auf Gr<strong>und</strong>. Dann starb einer<br />

seiner engen Fre<strong>und</strong>e an Bord: <strong>der</strong> Arzt William<br />

An<strong>der</strong>son. Allgemeine Verzweiflung machte sich<br />

breit. <strong>Cook</strong> hatte heftige Wutsausbrüche <strong>und</strong><br />

machte Fehler. Einmal lief er ein <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbe<br />

elbe<br />

Insel dreimal an <strong>und</strong><br />

gab<br />

ihr drei verschiedene<br />

ed<br />

ene<br />

Namen: Immer<br />

dachte er,<br />

sie<br />

neu entdeckt<br />

zu<br />

haben.<br />

Ein<br />

ande-<br />

res Mal ließ<br />

er<br />

Walrösser ser schießen<br />

en<br />

<strong>und</strong> das »Rindfleisch isch<br />

<strong>der</strong><br />

Meere« seinen Männern vorsetzen.<br />

<br />

<br />

Doch <strong>die</strong> kotzten <strong>und</strong> verweigerten den Fraß. Nur<br />

knapp entging er da <strong>der</strong> Meuterei.<br />

Ende Oktober gab <strong>Cook</strong> auf. Im folgenden Jahr<br />

wolle er es noch einmal probieren, »doch ich muss<br />

gestehen, ich habe wenig Hoffnung«.<br />

<strong>Cook</strong> wandte sich nach Süden – zurück zu den<br />

Inseln von Hawaii, das er aus unerfindlichen<br />

Gründen <strong>und</strong> zum Unmut seiner Besatzung zunächst<br />

wochenlang umkreiste. Als <strong>die</strong> Schiffe<br />

Mitte Januar 1779 schließlich landeten, kamen<br />

ihnen über 1000 Kanus entgegen. Nach überschwänglicher<br />

Begrüßung tauschte <strong>Cook</strong> mit dem<br />

König nach alter Sitte <strong>die</strong> Namen. Riesige Mengen<br />

von Proviant wurden an Bord gebracht – sowie<br />

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kostbare Kult- <strong>und</strong> Zeremonialgeräte. Manche<br />

Forscher vermuten, dass <strong>die</strong> Hawaiianer in <strong>Cook</strong><br />

den Gott Lono sahen, <strong>der</strong>, so <strong>die</strong> Vorstellung, stets<br />

just um <strong>die</strong>se Jahreszeit mit seinen Schiffen zu ihnen<br />

kam (siehe S. 28).<br />

Am 4. Februar 1779 verließen <strong>die</strong> »Resolution«<br />

<strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> »Discovery« <strong>die</strong> Bucht – <strong>und</strong> segelten geradewegs<br />

in einen Sturm. Als auf <strong>Cook</strong>s Schiff <strong>der</strong><br />

Fockmast brach, musste er umkehren, zurück in<br />

<strong>die</strong> Kealakekua Bay. Der Empfang war nun deut-<br />

lich<br />

zurückhalten<strong>der</strong> – vielleicht, wie jene Forscher<br />

glauben, weil einem göttlichen Wesen nie-<br />

mals<br />

ein Mast bräche <strong>und</strong> <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> somit seine<br />

wahre, menschliche Natur offenbart habe.<br />

Wie auch immer: In den kommenden Tagen<br />

kamen ständig irgendwelche Dinge abhanden,<br />

<strong>und</strong><br />

beim Handel verlangten <strong>die</strong> Hawaiianer<br />

plötzlich exorbitante Preise. Als dann ein Beiboot<br />

verschwand, verlor <strong>Cook</strong> <strong>die</strong> Beherrschung.<br />

Wutentbrannt stürmte er an Land, um den<br />

König als Geisel zu nehmen. Nachdem im<br />

Durcheinan<strong>der</strong> ein Priester von den Englän<strong>der</strong>n<br />

erschossen worden war, sammelte sich<br />

ein Heer von Kriegern. Einer von ihnen bedrohte<br />

<strong>Cook</strong> mit einem Stein. Der schoss mit<br />

<strong>der</strong> Schrotflinte auf ihn. Die Situation eskalierte.<br />

Die hawaii anischen Krieger griffen an,<br />

während <strong>die</strong> Schiffsbesatzung über ihre Köpfe<br />

hinweg feuerte. Als <strong>die</strong> Seeleute auf ihre Schiffe<br />

fliehen wollten, musste ein Offizier sie mit vorgehaltener<br />

Waffe zurückhalten.<br />

<strong>Cook</strong> wurde jedoch vor ihren Augen nie<strong>der</strong>gestochen<br />

<strong>und</strong> zu Tode geprügelt. Es war <strong>der</strong> 14. Februar<br />

1779. Ÿ<br />

PS: Wenig später übergaben <strong>die</strong> Hawaiianer Charles<br />

Clerke, jetzt Ka pitän <strong>der</strong> »Resolution«, ein Bündel<br />

mit<br />

Leichenteilen, darunter auch eine Hand mit<br />

einer »außergewöhnlichen Narbe«: <strong>Cook</strong>s Hand!<br />

Er hatte sie sich vor vielen Jahren bei <strong>der</strong> Explosion<br />

eines Pulverhorns verletzt.<br />

PPS: Im Juni 1779 gab Clerke in Kamtschatka einen<br />

Brief nach England auf. Ein halbes Jahr später erhielt<br />

Elizabeth <strong>die</strong> Nachricht vom Tod ihres Mannes.<br />

Sie überlebte ihren Mann um 56 Jahre <strong>und</strong> starb<br />

am 13. Mai 1835 im Alter von 94 Jahren.<br />

PPPS: Nachdem bereits drei Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Cook</strong>s früh<br />

verstorben waren, ging Nathaniel, Fähnrich zur<br />

See, Ende 1780 vor Westin<strong>die</strong>n über Bord – im Alter<br />

von 16 Jahren. Im Dezember 1793 erkrankte sein<br />

jüngerer Bru<strong>der</strong> Hugh an Scharlach. Auch er wurde<br />

nur 16 Jahre alt. Lediglich einen Monat später starb<br />

auch das letzte <strong>der</strong> sechs Kin<strong>der</strong>: Der erstgeborene<br />

<strong>James</strong> war 31, als er vor <strong>der</strong> Isle of Wight ertrank.<br />

epoc.de 15


<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> …<br />

… <strong>und</strong> seine Zeit<br />

Politik <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

1715<br />

Am 1. September stirbt in Versailles<br />

Frankreichs »Sonnenkönig« Ludwig XIV.<br />

1728<br />

Am 27. Oktober kommt <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

in Marton, Yorkshire, als zweites<br />

von sieben Kin<strong>der</strong>n des Tagelöhners<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> sen. <strong>und</strong> dessen Frau<br />

Grace zur Welt 1746<br />

1736 Umzug nach Whitby:<br />

Umzug nach Great<br />

<strong>Cook</strong> fährt erstmals<br />

Ayton, wo <strong>James</strong> zur zur See – an Bord von<br />

Schule geht Kohleschiffen auf <strong>der</strong><br />

Nord- <strong>und</strong> Ostsee<br />

1721<br />

In Sankt Petersburg lässt sich Zar Peter <strong>der</strong> Große<br />

zum Kaiser des Russischen Reichs ausrufen<br />

1745<br />

In Staithes beginnt <strong>Cook</strong> eine Lehre bei dem<br />

Gemischtwarenhändler William San<strong>der</strong>son.<br />

Nur acht Monate später verlässt er den Ort<br />

1707<br />

Am 1. Mai vereinen<br />

sich <strong>die</strong> Königreiche<br />

England <strong>und</strong> Schottland<br />

zum Königreich<br />

Großbritannien<br />

1718<br />

Edward Teach alias<br />

Captain Blackbeard<br />

wird im Gefecht gegen<br />

<strong>die</strong> Royal Navy getötet<br />

1735<br />

Die britischen Premier -<br />

mi nister resi<strong>die</strong>ren fortan<br />

in 10 Downing Street<br />

1740 1748<br />

Österreichischer<br />

Erbfolgekrieg<br />

Kunst <strong>und</strong> Kultur<br />

1703<br />

Bau des Buckingham Palace<br />

1710<br />

Bei Neapel wird das<br />

verschüttete Herculaneum<br />

entdeckt<br />

1723<br />

Johann Sebastian<br />

Bach wird Thomaskantor<br />

in Leipzig<br />

1726<br />

Jonathan Swift<br />

veröffentlicht seinen<br />

Roman »Gulliver’s<br />

Travels«<br />

1737<br />

Am 18. Dezember stirbt in Cremona<br />

<strong>der</strong> Geigenbauer Antonio Stradivari<br />

Philosophie <strong>und</strong> Religion<br />

1701<br />

Christian Thomasius’ Werk gegen <strong>die</strong><br />

Hexenverfolgung »Dissertatio de crimine<br />

magiae« erscheint<br />

1706<br />

Am 12. Mai kommt es in Deutschland<br />

zur letzten totalen Sonnenfinsternis<br />

vor 1999<br />

1726<br />

Gr<strong>und</strong>steinlegung<br />

<strong>der</strong> Frauenkirche<br />

in Dresden<br />

1738<br />

Papst Clemens XII. spricht<br />

ein Verbot gegen <strong>die</strong> Freimaurerei<br />

aus<br />

1749<br />

Gründung des Berliner Montagsclubs.<br />

Er entwickelt sich<br />

zum geistigen Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> Berliner Aufklärung<br />

Naturwissenschaft <strong>und</strong> Technik<br />

1705<br />

Edm<strong>und</strong> Halley weist <strong>die</strong> Periodizität des später nach<br />

ihm benannten Kometen nach<br />

1703<br />

Guillaume Amontons erkennt den Einfluss <strong>der</strong><br />

Temperatur auf den Gasdruck <strong>und</strong> das Volumen<br />

1708<br />

In Dresden gelingt es Johann Friedrich Böttger <strong>und</strong> Ehrenfried<br />

Walther von Tschirnhaus als Ersten in Europa, Porzellan zu erzeugen<br />

1735<br />

Carl von Linné führt <strong>die</strong><br />

Taxonomie (Systematik<br />

in <strong>der</strong> Biologie) ein<br />

1741<br />

Der Däne Vitus Bering findet <strong>die</strong><br />

nach ihm benannte Meeresstraße<br />

zwischen Sibirien <strong>und</strong> Alaska<br />

1747<br />

Andreas Sigism<strong>und</strong> Marggraf<br />

entdeckt den beson<strong>der</strong>s<br />

hohen Zuckergehalt <strong>der</strong><br />

Runkelrübe<br />

16 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


1755<br />

Eintritt in <strong>die</strong> Royal Navy<br />

1756 1763<br />

Am Siebenjährigen Krieg sind alle europäischen<br />

Großmächte beteiligt. Für Großbritannien<br />

<strong>und</strong> Frankreich geht es um <strong>die</strong><br />

Herrschaft in Nordamerika <strong>und</strong> In<strong>die</strong>n<br />

1763<br />

Mit dem Frieden von Hubertusburg<br />

endet <strong>der</strong> Siebenjährige Krieg<br />

1758<br />

<strong>Cook</strong>s Karten verhalfen den britischen<br />

Truppen während des Siebenjährigen<br />

Kriegs zum entscheidenden Sieg über<br />

<strong>die</strong> Franzosen bei Québec<br />

1762<br />

Heirat mit Elizabeth Batts<br />

1768 – 1771<br />

Erste Pazifikreise<br />

1772 – 1775<br />

Zweite<br />

Pazifikreise<br />

1779<br />

Am 14. Februar wird <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

in <strong>der</strong> Kealakekua Bay auf Hawaii<br />

bei einer Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit den Eingeborenen getötet<br />

1776 – 1780<br />

Dritte Pazifikreise<br />

1787<br />

Südwestlich <strong>der</strong> Tongainseln kommt es<br />

an Bord <strong>der</strong> »Bounty« zur Meuterei. Der<br />

Kapitänleutnant William Bligh hatte als<br />

Steuermann unter <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> ge<strong>die</strong>nt<br />

1776<br />

Amerikanische Unabhängigkeitserklärung<br />

1789<br />

Ausbruch <strong>der</strong> Französischen<br />

Revolution<br />

George Washington<br />

wird erster Präsident<br />

<strong>der</strong> Vereinigten<br />

Staaten von Amerika<br />

BRIDGEMAN BERLIN BEIDE: NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

1749<br />

In London wird<br />

Georg Friedrich<br />

Händels »Feuerwerksmusik«<br />

uraufgeführt<br />

1762<br />

Der Legende nach ließ sich<br />

<strong>der</strong> britische Staatsmann John<br />

Montagu, 4th Earl of Sandwich,<br />

beim st<strong>und</strong>enlangen Kartenspiel<br />

belegte Brote bringen. Das<br />

»Sandwich« war geboren.<br />

1756<br />

Am 27. Januar wird Wolfgang Amadeus<br />

Mozart in Salzburg geboren<br />

1774<br />

Johann Wolfgang Goethe schreibt »Die<br />

Leiden des jungen Werthers«<br />

1770<br />

Am 17. Dezember kommt in Bonn<br />

Ludwig van Beethoven zur Welt<br />

1782<br />

Friedrich Schillers Drama »Die Räuber«<br />

wird in Mannheim uraufgeführt<br />

ISTOCKPHOTO / HULTON ARCHIVE / GETTY IMAGES; ISTOCKPHOTO / OLGA LIS<br />

1762<br />

Jean-Jacques Rousseaus<br />

»Contrat social« wird<br />

nach seinem Erscheinen<br />

verboten<br />

1752<br />

Benjamin Franklin<br />

erfindet den Blitzableiter<br />

1778<br />

Am 30. Mai stirbt <strong>der</strong> französische<br />

Schriftsteller <strong>und</strong> Philosoph Voltaire<br />

1773<br />

Der Jesuitenorden wird von Papst<br />

Clemens XIV. aufgehoben<br />

1775<br />

<strong>James</strong> Watt verbessert<br />

<strong>die</strong> Dampfmaschine,<br />

so dass sie<br />

rentabel eingesetzt<br />

werden kann<br />

1781<br />

Immanuel Kant veröffentlicht<br />

seine »Kritik<br />

<strong>der</strong> reinen Vernunft«<br />

1794<br />

Maximilien de Robespierre eröffnet in<br />

Paris <strong>die</strong> Veranstaltungen zum Fest<br />

des höchsten Wesens. Der Kult soll <strong>die</strong><br />

christliche Religion ersetzen<br />

1791<br />

Preußens König Friedrich<br />

Wilhelm II. weiht in<br />

Berlin das Brandenburger<br />

Tor ein<br />

1799<br />

Alexan<strong>der</strong> von<br />

Humboldt bricht<br />

zu seiner Amerikaexpedition<br />

auf<br />

PUBLIC DOMAIN<br />

CORBIS / PHILADELPHIA MUSEUM OF ART; AKG BERLIN<br />

epoc.de 17


Die Denker <strong>der</strong> Aufklärung wollten<br />

den Menschen verbessern <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Welt erfassen. In einer von Theorien<br />

geprägten Epoche waren Entdecker<br />

wie <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>die</strong> Praktiker.<br />

Von Hakan Baykal<br />

ALLES WISSEN<br />

Ein Ozean<br />

des Wissens<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Aufklärung<br />

arbeiteten zahlreiche<br />

Gelehrte in ganz Europa<br />

daran, das gesamte Wissen<br />

<strong>der</strong> Menscheit in Buchform<br />

zusammenzufassen.<br />

Die französische »Encyclopé<strong>die</strong>«<br />

ist bis heute<br />

eines <strong>der</strong> bedeutendsten<br />

<strong>und</strong> bekanntesten Werke<br />

<strong>die</strong>ser Strömung. Sie<br />

erschien zwischen 1751 <strong>und</strong><br />

1772 in 18 Bänden unter <strong>der</strong><br />

Fe<strong>der</strong>führung von Denis<br />

Di<strong>der</strong>ot <strong>und</strong> Jean Baptiste<br />

le Rond d’Alembert. Einige<br />

Jahre zuvor, nämlich von<br />

1732 bis 1754, hatte<br />

allerdings <strong>der</strong> Deutsche<br />

Johann Heinrich Zedler <strong>die</strong><br />

mit fast 70 000 Seiten<br />

umfangreichste Enzyklopä<strong>die</strong><br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

publiziert: sein »Grosses<br />

vollständiges Universal-<br />

Lexicon Aller Wissenschafften<br />

<strong>und</strong> Künste«.<br />

»I<br />

n einem gleichen Zeitraum hat niemand je<br />

<strong>die</strong> Grenzen unseres Wissens in gleichem<br />

Maße erweitert«, schwärmte <strong>der</strong> deutsche Naturforscher<br />

<strong>und</strong> Revolutionär Georg Forster über<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, den er auf dessen zweiter Weltumsegelung<br />

begleitet hatte. Heute, mehr als zwei<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte später, fragt sich <strong>die</strong> amerikanische<br />

Ethnologin Adrienne L. Kaeppler, »ob <strong>die</strong> Aufklärung<br />

ohne seine Reisen <strong>die</strong>selbe gewesen wäre«.<br />

Solch hohes Lob für einen braven Seemann mag<br />

verw<strong>und</strong>ern, zumal <strong>Cook</strong> in eine Zeit geboren<br />

wurde, <strong>die</strong> längst von den Ideen <strong>und</strong> Idealen <strong>der</strong><br />

Aufklärung beseelt war; von dem Vertrauen darauf,<br />

dass sich <strong>der</strong> Mensch durch den Gebrauch<br />

seines Verstands <strong>und</strong> seiner Vernunft vervollkommnen<br />

kann.<br />

Bereits im Jahrh<strong>und</strong>ert vor <strong>Cook</strong>s Geburt hatten<br />

Philosophen wie Baruch Spinoza in Holland,<br />

René Descartes in Frankreich o<strong>der</strong> John Locke in<br />

England je<strong>der</strong> Art von Vorurteilen <strong>und</strong> Aberglauben<br />

den Kampf angesagt. Isaac Newton, wiewohl<br />

gläubiger Christ, legte ebenfalls bereits im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

den Gr<strong>und</strong>stein einer zutiefst rationalen,<br />

naturwissenschaftlichen Weltsicht. Damals begannen<br />

vor allem französische <strong>und</strong> britische Gelehrte,<br />

das traditionelle Denken in Frage zu stellen.<br />

Im Dreißigjährigen Krieg, <strong>der</strong> 1648 mit dem<br />

Westfälischen Frieden sein ersehntes Ende fand,<br />

hatten <strong>die</strong> konfessionellen Konflikte <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

Jahrzehnte in Europa ihren Höhepunkt<br />

erreicht. Das gesellschaftliche Leben des Kontinents<br />

wurde von religiösem Dogmatismus auf<br />

<strong>der</strong> einen sowie absolutistisch herrschenden Monarchen<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dominiert. Just in<br />

<strong>die</strong>ser Epoche reiften <strong>die</strong> Ideale persönlicher <strong>und</strong><br />

gesellschaftlicher Emanzipation. Der Weg war<br />

klar: Jenseits von Religion, Vorurteil, Schwärmerei<br />

<strong>und</strong> Aberglaube sollte <strong>der</strong> Mensch nach Selbstbestimmung<br />

streben. Voraussetzung dafür war,<br />

so <strong>die</strong> feste Überzeugung <strong>der</strong> Aufklärer, <strong>der</strong> Einsatz<br />

des Verstands <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ratio eines jeden.<br />

»Möge <strong>der</strong> Mensch seine Vernunft anwenden,<br />

möge purem Glauben o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Annahme übernatürlicher<br />

Kräfte Wissen folgen« – so umschreibt<br />

<strong>der</strong> Evolutionsbiologe Rainer Willmann von <strong>der</strong><br />

Universität Göttingen das Ziel <strong>der</strong> Aufklärung.<br />

Anfangs war <strong>die</strong>ses Streben nach Erkenntnis<br />

zumeist ein eher kontemplatives, philosophisches.<br />

Die frühen Aufklärer machten sich im<br />

buchstäblichen Sinn ihre Gedanken: Sie dachten<br />

über gesellschaftliche, politische <strong>und</strong> kulturelle<br />

Phänomene ihrer Umwelt nach, versuchten <strong>die</strong>se<br />

zu erfassen – <strong>und</strong> nötigenfalls Vorschläge zu ihrer<br />

Verän<strong>der</strong>ung beizusteuern. Die neue Sicht blieb<br />

aber nicht auf <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>rstuben <strong>der</strong> Gelehrten<br />

beschränkt.<br />

Durch <strong>die</strong> Fahrten eines Kolumbus o<strong>der</strong> Magellan<br />

war <strong>die</strong> Welt bereits überschaubarer geworden.<br />

Mit <strong>der</strong> Erk<strong>und</strong>ung des Globus ging eine<br />

Vermehrung des Wissens Hand in Hand. Je mehr<br />

exotische Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten <strong>die</strong> Weltreisenden<br />

entdeckten <strong>und</strong> dokumentierten, desto ernsthafter<br />

wurden theologische Dogmen in Frage<br />

gestellt. Als <strong>der</strong> Franzose Isaac de La Peyrère 1655<br />

es wagte, angesichts <strong>der</strong> Artenvielfalt auf Erden<br />

Zweifel am biblischen Bericht von <strong>der</strong> Sintflut<br />

anzumelden, wurde er im Kerker zum Wi<strong>der</strong>ruf<br />

seiner Aussagen gezwungen. Keine 100 Jahre danach,<br />

1735, erschien erstmals ein Werk zur Klassifizierung<br />

von Mineralien, Pflanzen <strong>und</strong> Tieren:<br />

»Systema naturae« von Carl von Linné. Der Schwede<br />

katalogisierte darin über 5000 Tierarten –<br />

mehr als jemals auf Noahs Arche Platz gehabt hätten.<br />

So fremd es uns heutzutage erscheinen mag:<br />

Auch in solch schlichten wissenschaftlichen Feststellungen<br />

keimte <strong>der</strong> Zweifel an den Inhalten <strong>der</strong><br />

Bibel <strong>und</strong> damit am Glauben an sich. Schritt für<br />

Schritt betrat <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>die</strong> Welt, manchmal<br />

durch <strong>die</strong> Hintertür. »In das Bestreben, <strong>die</strong><br />

18 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

Georg Forsters »Karte <strong>der</strong><br />

südlichen Halbkugel«<br />

erschien 1777 in dem<br />

Buch »Voyage Ro<strong>und</strong> the<br />

World«. Wenig später<br />

kam <strong>die</strong> »Reise um <strong>die</strong> Welt«<br />

auch in Deutschland auf<br />

den Markt.<br />

Dinge <strong>und</strong> Phänomene darzustellen <strong>und</strong> zu erklären,<br />

wie sie sind, waren von Anbeginn Naturk<strong>und</strong>ige<br />

einbezogen«, erläutert Willmann.<br />

Der Wissensdurst <strong>der</strong> Intellektuellen zu Beginn<br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts war schier unstillbar.<br />

Isaac Newton (1643 – 1727), <strong>der</strong> als Erster in seiner<br />

Zeit den Versuch einer Erklärung des Universums<br />

unternahm, notierte: »Ich weiß nicht, wie ich <strong>der</strong><br />

Welt erscheinen mag. Mir selbst komme ich wie<br />

ein Junge vor, <strong>der</strong> am Strand spielt <strong>und</strong> sich damit<br />

vergnügt, ein noch glatteres Kieselsteinchen o<strong>der</strong><br />

eine noch schönere Muschel als gewöhnlich zu<br />

finden, während das große Meer <strong>der</strong> Wahrheit<br />

gänzlich unerforscht vor mir liegt.« Der englische<br />

Mathematiker, Physiker <strong>und</strong> Astronom stand tatsächlich<br />

nur am Rand eines Ozeans des Wissens.<br />

Manche Zeitgenossen <strong>und</strong> vor allem <strong>die</strong> Nachgeborenen<br />

wagten sich immer weiter in <strong>die</strong> Wellen<br />

vor. Keine 20 Jahre nach Newtons Tod segelte sein<br />

Landsmann <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> in reale noch unbekannte<br />

Meere. Und auch er stellte sich in den Dienst<br />

<strong>der</strong> Wahrheit <strong>und</strong> Wissenserweiterung – wenngleich<br />

in ganz an<strong>der</strong>er Funktion als <strong>der</strong> Jahrh<strong>und</strong>ertphysiker.<br />

<strong>Cook</strong> war ein Praktiker <strong>der</strong> Aufklä-<br />

epoc.de 19


ung; während an<strong>der</strong>e spekulierten, überlegten,<br />

theoretisierten, handelte er, umsegelte mehrfach<br />

<strong>die</strong> Welt – <strong>und</strong> brachte sensationelle Neuigkeiten<br />

von seinen Fahrten mit.<br />

Die Erkenntnisse aus <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> verbreiteten<br />

sich rasch in ganz Europa. Ein reges Netzwerk von<br />

Philosophen, Wissenschaftlern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Intellektuellen<br />

garantierte den Austausch von Ideen<br />

aus aller Herren Län<strong>der</strong>. Denn auch <strong>die</strong> so genannte<br />

Gelehrtenrepublik war eine Errungenschaft<br />

des Zeitalters <strong>der</strong> Aufklärung: Naturforscher<br />

korrespon<strong>die</strong>rten in Briefen, Büchern <strong>und</strong><br />

Journalen mit Literaten, Physiker mit Theologen,<br />

Philosophen mit Biologen. Wissenschaftliche<br />

Akademien traten in Kontakt mit Universitäten,<br />

astronomische Observatorien standen im Diskurs<br />

mit herzoglichen Bibliotheken, <strong>die</strong> Betreiber von<br />

Naturalienkabinetten tauschten sich mit den<br />

führenden Köpfen <strong>der</strong> zahlreichen geografischen<br />

Gesellschaften aus. Sie alle hatten ein Ziel vor Augen:<br />

Das Wissen über sich selbst <strong>und</strong> <strong>die</strong> Welt zu<br />

mehren. Nicht von ungefähr trug eine <strong>der</strong> größten<br />

<strong>und</strong> nachhaltigsten Unternehmungen <strong>der</strong><br />

fran zösischen Aufklärer Denis Di<strong>der</strong>ot <strong>und</strong> Jean<br />

le Rond d’Alembert den Titel »Encyclopé<strong>die</strong> ou<br />

Dic tionnaire raisonné des sciences, des arts et des<br />

metiers«, also: »Enzyklopä<strong>die</strong> o<strong>der</strong> systematisches<br />

Wörterbuch <strong>der</strong> Wissenschaften, Künste <strong>und</strong> Gewerbe«.<br />

Und <strong>die</strong>ses ehrgeizige Werk war nicht das<br />

einzige seiner Art.<br />

Das 18. Jahrh<strong>und</strong>ert erlebte eine Me<strong>die</strong>nrevolution:<br />

Der Buchmarkt expan<strong>die</strong>rte in ungeahnte<br />

<strong>Cook</strong>s erste Schritte auf australischem<br />

Festland waren so bedeutsam wie Neil<br />

Armstrongs Gehversuche auf dem Mond<br />

Dimensionen. Zugleich erschienen zumindest in<br />

den großen Städten fast allwöchentlich neue Tages-<br />

<strong>und</strong> Wochenzeitungen sowie gelehrte Zeitschriften.<br />

Bürger bildeten Lese- <strong>und</strong> Gesprächskreise,<br />

in denen <strong>die</strong> Freiheit <strong>der</strong> Gedanken <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Rede erstmals nach zwei unsäglichen Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

<strong>der</strong> Religionskriege aufleben konnte.<br />

In Salons, Klubs, Universitäten <strong>und</strong> Akademien<br />

wurden <strong>die</strong> neuesten Errungenschaften <strong>der</strong> Philosophie<br />

<strong>und</strong> Wissenschaften ergründet. Aufgeklärte<br />

Fürsten öffneten ihre Anwesen <strong>und</strong> Sammlungen<br />

als Museen, Bibliotheken, Botanische Gärten<br />

<strong>und</strong> Zoos für wissbegierige Untertanen. Die<br />

Verfechter <strong>der</strong> Vernunft strebten danach, <strong>die</strong><br />

Natur gründlich zu erfassen <strong>und</strong> zu katalogisieren.<br />

Forschungs- <strong>und</strong> <strong>Entdeckung</strong>sreisen wie<br />

jene des <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> ergänzten <strong>die</strong> allzu oft eher<br />

theoretische Weltbetrachtung <strong>der</strong> in Europa Verbliebenen<br />

durch sensationelle Mitbringsel: Objekte,<br />

Pflanzen <strong>und</strong> Tiere aus fernen, »wilden« Regionen.<br />

Das schier grenzenlose »Universum des<br />

Erforschbaren« (epoc 1/2009, S. 50) wurde so peu<br />

à peu erfahrbar, nachvollziehbar.<br />

Dadurch, dass aufgeklärte Denker althergebrachte<br />

kirchliche <strong>und</strong> weltliche Autoritäten immer<br />

wie<strong>der</strong> in Frage stellten, trugen sie zu einer<br />

Entwicklung bei, <strong>die</strong> sie in ihrem Ausmaß wohl<br />

William Hodges begleitete<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> auf seiner<br />

zweiten Reise. Er neigte zu<br />

idealisierenden Darstellungen.<br />

So fehlen Hinweise<br />

auf <strong>die</strong> europäischen<br />

Besucher. Hier: <strong>die</strong> Oaitepeha-Bucht<br />

auf Tahiti<br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON (WILLIAM HODGES, TAHITI REVISTED, 1776)<br />

20 epoc<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

ok


selbst nicht erwartet hätten. Aus <strong>der</strong> philosophischen<br />

Strömung wurde eine soziale Reformbewegung,<br />

<strong>die</strong> in <strong>der</strong> amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung<br />

(1775 – 1783) <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Französischen<br />

Revolution von 1789 gipfelte. Ein glühen<strong>der</strong><br />

Anhänger <strong>der</strong> Letzteren war auch <strong>der</strong> Deutsche<br />

Georg Forster.<br />

Gemeinsam mit seinem Vater Johann Reinhold<br />

widmete er sich während <strong>Cook</strong>s zweiter Reise<br />

<strong>der</strong> Aufgabe, unzählige Pflanzen <strong>und</strong> Tiere sowie<br />

ethnologische Objekte zu sammeln, zu zeichnen<br />

<strong>und</strong> enzyklopädisch zu erfassen. Er lernte<br />

verschiedene polynesische Sprachen, um so <strong>die</strong><br />

Sitten <strong>und</strong> Gebräuche <strong>der</strong> Inselvölker des Südpazifiks<br />

besser zu verstehen. Bei seiner Rückkehr<br />

nach Europa veröffentlichte er einen Bericht seiner<br />

»Reise um <strong>die</strong> Welt«, dessen größter Teil »vom<br />

Menschen« handelt – nach Ansicht <strong>der</strong> Göttinger<br />

Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin »ein Meisterstück<br />

<strong>der</strong> Aufklärung«. Frei von christlichen<br />

Vorurteilen begegnete <strong>der</strong> Deutsche den Pazifikbewohnern<br />

meist weltoffen <strong>und</strong> achtungsvoll. Zugleich<br />

hütete er sich aber vor <strong>der</strong> romantischen<br />

Verlockung, <strong>die</strong> fremden Menschen zu »edlen<br />

Wilden« zu stilisieren, <strong>die</strong> von Natur aus gut seien.<br />

Eine weit verbreitete Auffassung im Europa des<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts, wie sie etwa <strong>der</strong> Philosoph Jean-<br />

Jacques Rousseau vertrat.<br />

Wenige Jahre später, 1793, begegnen wir Forster<br />

als Jakobiner <strong>und</strong> Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> revolutionären<br />

Mainzer Republik. Der akribische Naturwissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Völkerk<strong>und</strong>ler hatte sich zum<br />

radikalen Aufklärer entwickelt – wie<strong>der</strong> im Dienst<br />

des Volks. Denn, so schrieb er: »Schön ist es zu sehen,<br />

was <strong>die</strong> Philosophie in den Köpfen gereift<br />

<strong>und</strong> dann im Staate zu Stande gebracht hat.«<br />

Doch auf ihre Weise waren alle Aufklärer zugleich<br />

auch Radikale, selbst wenn sie an keiner politischen<br />

Revolution teilnahmen. Denn das Entdecken,<br />

Forschen <strong>und</strong> Philosophieren in <strong>der</strong> Aufklärung<br />

wirkt aus zeitlicher Distanz leichter, als<br />

es zu seiner Zeit tatsächlich war. <strong>Cook</strong> betrat als<br />

erster Europäer den Westen Australiens, entdeckte<br />

zahlreiche Inseln im Pazifik <strong>und</strong> drang weiter<br />

in den Süden vor als je ein Mensch vor ihm – das<br />

sind Pfeiler seiner Legende <strong>und</strong> zunächst doch<br />

bloß Gemeinplätze. Um <strong>die</strong> Dimension <strong>der</strong> Leistungen<br />

von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> zu verstehen, muss man<br />

sich klarmachen, dass <strong>die</strong> Meere den Menschen<br />

damals teilweise so unbekannt waren wie uns<br />

heute <strong>die</strong> unendlichen Weiten des Universums.<br />

Seine Fahrten – etwa ins südliche Eismeer, fast<br />

schon an <strong>die</strong> Gestade <strong>der</strong> Antarktis – waren entbehrungsreiche,<br />

wagemutige Reisen ins Ungewisse,<br />

vergleichbar nur mit den Flügen ins Weltall<br />

ab <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Nicht<br />

von ungefähr benannte <strong>die</strong> NASA 1992 einen ihrer<br />

Spaceshuttles nach einem <strong>der</strong> Schiffe des Entdeckers<br />

»Endeavour«. <strong>Cook</strong>s erste Schritte auf australischem<br />

Festland waren so bedeutsam wie Neil<br />

Armstrongs Gehversuche auf dem Mond. »one<br />

small step for a man, one giant leap for mankind«.<br />

Jener »Schritt« war tatsächlich gigantisch:<br />

Während seiner ersten beiden Fahrten war es ihm<br />

gelungen, mehr Erkenntnisse über den Pazifik zu<br />

gewinnen, als es allen Entdeckern auf allen Expeditionen<br />

zuvor gemeinsam vergönnt war. Unmengen<br />

an ethnografischen Objekten wan<strong>der</strong>ten nach<br />

Europa in verstreute Sammlungen <strong>und</strong> Naturalienkabinette<br />

– vieles davon kann man noch heute<br />

bestaunen, etwa in <strong>der</strong> Ethnologischen Sammlung<br />

<strong>der</strong> Universität Göttingen. <strong>Cook</strong> hatte zahlreiche<br />

Inseln <strong>und</strong> Inselgruppen entdeckt <strong>und</strong> kartiert,<br />

Land für <strong>die</strong> Krone in Besitz genommen <strong>und</strong><br />

natürlich immer wie<strong>der</strong> naturwissenschaftliche<br />

Stu<strong>die</strong>n betrieben <strong>und</strong> unterstützt. Die Menge <strong>der</strong><br />

gesammelten geografischen <strong>und</strong> astronomischen<br />

Daten war enorm, <strong>Cook</strong>s exzellente Karten von<br />

unschätzbarem Wert für <strong>die</strong> Marine Englands. Sie<br />

wurden umgehend veröffentlicht <strong>und</strong> standen<br />

schon bald auch den an<strong>der</strong>en Seemächten zur<br />

Verfügung, selbst Feinden Britanniens. Als <strong>Cook</strong><br />

sich 1776 auf <strong>die</strong> Suche nach <strong>der</strong> Nordwestpassage<br />

machte, wiesen <strong>die</strong> Regierungen Frankreichs, Spaniens<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> noch jungen Vereinigten Staaten<br />

ihre Marineoffiziere an, ihn stets respektvoll zu<br />

behandeln <strong>und</strong> auch im Kriegsfall ungehin<strong>der</strong>t<br />

fahren zu lassen. Schließlich würden alle von dem<br />

Mann profitieren, <strong>der</strong> so wagemutig <strong>die</strong> Grenzen<br />

des Wissens überschritt. Ÿ<br />

Hakan Baykal ist ständiger Mitarbeiter von<br />

epoc <strong>und</strong> lebt in Berlin.<br />

Auch Johann Reinhold<br />

Forster (links) <strong>und</strong> sein Sohn<br />

Georg (rechts) befuhren<br />

zusammen mit <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

den Pazifik.<br />

VERNUNFT ÜBER ALLES?<br />

Als sich <strong>die</strong> Französische<br />

Revolution zunehmend<br />

radikalisierte, gewannen<br />

antiklerikale Kräfte an<br />

Bedeutung. Ein Höhepunkt<br />

<strong>die</strong>ser Entwicklung war <strong>die</strong><br />

Propagierung eines so<br />

genannten Kults <strong>der</strong> Vernunft<br />

durch den Ultrarevolutionär<br />

Jacques-René<br />

Hébert <strong>und</strong> seine Anhänger,<br />

<strong>die</strong> Hébertisten, 1793.<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Entchristianisierung<br />

wurde selbst<br />

Nôtre-Dame zu einem<br />

»Tempel <strong>der</strong> Vernunft <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Freiheit« umfunktioniert.<br />

Die etwas abstruse<br />

Ersatzreligion traf auf<br />

heftigen Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong><br />

Bürger <strong>und</strong> fand bereits im<br />

März 1794 ihr Ende – gemeinsam<br />

mit ihren Verkün<strong>der</strong>n,<br />

<strong>die</strong> hingerichtet<br />

wurden.<br />

LINKS: COOK-FORSTER SAMMLUNG, UNIVERSITÄT GÖTTINGEN; RECHTS: MUSEUM FÜR WELTKULTUREN, FRANKFURT<br />

epoc.de 21


<strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong><br />

Au s dem Nachlass<br />

des Kapitäns<br />

Erst im Januar 1780, elf Monate nach dem Tod von <strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong> am 14. Februar 1779, erreichte <strong>die</strong> traurige Nachricht<br />

England. Charles Clerke – <strong>Cook</strong>s Nachfolger als Kapitän <strong>der</strong><br />

»Resolution« – berichtete, er habe »<strong>die</strong> sterblichen Überreste<br />

Kaptän <strong>Cook</strong>s mit allen Ehren <strong>und</strong> Würden, welche wir in<br />

<strong>die</strong>sem Teil <strong>der</strong> Welt irgend erweisen konnten, <strong>der</strong> Tiefe überantwortet«.<br />

Clerke hatte <strong>die</strong> Suche nach <strong>der</strong> Nordwestpassage<br />

noch fortgeführt, war aber ein paar Monate später selbst<br />

verstorben. Am Ende stand <strong>die</strong> »Resolution« unter dem Kommando<br />

von John Gore, <strong>der</strong> sie am 6. Oktober 1780 nach England<br />

zurückbrachte.<br />

Der wegen seiner Seltenheit<br />

<strong>und</strong> Schönheit geschätzte<br />

Grünstein <strong>die</strong>nte den Maori als<br />

Material für wertvolle<br />

Schmuckstücke wie <strong>die</strong> heitiki.<br />

Die Amulette stellen<br />

gebärende Frauen dar <strong>und</strong><br />

wurden über Generationen in<br />

den Familien weitergegeben.<br />

Dieses Stück schenkte <strong>Cook</strong><br />

nach seiner Rückkehr aus<br />

Neuseeland König Georg III. Es<br />

befindet sich heute im Besitz<br />

von Königin Elizabeth II.<br />

Da <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> niemals einen Geistlichen an Bord<br />

hatte, benutzte er bei Gottes<strong>die</strong>nsten stets seine<br />

eigene Bibel. Sie hat ihn auf allen drei Reisen begleitet.<br />

Nach seinem Tod wurde sie von <strong>Cook</strong>s Ehefrau<br />

Elizabeth aufbewahrt.<br />

MITCHELL LIBRARY, STATE LIBRARY OF NEW SOUTH WALES, SYDNEY<br />

22 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


THE ROYAL COLLECTION, HER MAJESTY QUEEN ELIZABETH II<br />

Gut möglich, dass <strong>die</strong>ses Porträt von<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> im Jahr 1777, auf dem<br />

Rückweg von seiner zweiten Reise, an<br />

Bord <strong>der</strong> »Resolution« entstand.<br />

Der Maler William Hodges hatte sich<br />

mit seinen Landschaftsansichten einen<br />

Namen gemacht <strong>und</strong> war deshalb<br />

für <strong>die</strong> Expedition in den Pazifik<br />

aus gewählt worden. Dort fertigte er<br />

zahlreiche Skizzen, <strong>die</strong> er daheim in<br />

England zu prächtigen Gemälden<br />

ausarbeitete.<br />

OBEN: NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

UNTEN: MITCHELL LIBRARY, STATE LIBRARY OF NEW SOUTH WALES, SYDNEY<br />

Wie alle Offiziere seiner Zeit trug<br />

auch <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> zu gegebenem<br />

Anlass einen so genannten Galanteriedegen<br />

– <strong>der</strong> allerdings eher modisches<br />

Beiwerk war als echte Waffe. Die geätzte Stahlklinge, <strong>der</strong><br />

dekorative Griff aus Horn <strong>und</strong> das silberne Stichblatt in<br />

Form einer Jakobsmuschel sind beson<strong>der</strong>s aufwändig<br />

gearbeitet. Dieser Degen wurde um 1750 hergestellt <strong>und</strong><br />

gehörte seither dem Kapitän.<br />

epoc.de 23


Pioniere<br />

<strong>der</strong> Biologie<br />

Zusammen mit seinem Vater Johann Reinhold Forster<br />

entdeckte, zeichnete <strong>und</strong> beschrieb Georg Forster auf<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong>s zweiter Reise unzählige Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten.<br />

Damit leisteten <strong>die</strong> beiden Deutschen einen unschätzbaren<br />

Beitrag zu <strong>der</strong> damals noch jungen Taxonomie,<br />

<strong>der</strong> von Carl von Linné begründeten Systematik<br />

<strong>der</strong> Biologie.<br />

Als Georg Forster im August 1773 im<br />

O-Parre-Tal von Tahiti das erste Mal<br />

eine Barringtonia sah, beschrieb<br />

er sie als einen <strong>der</strong> schönsten Bäume<br />

<strong>der</strong> Welt. Die Insulaner erklärten<br />

Forster, »dass <strong>die</strong> nussartige Frucht,<br />

wenn sie zerstoßen <strong>und</strong> mit dem<br />

Fleisch von Muscheln vermischt ins<br />

Meer geworfen wird, <strong>die</strong> Fische auf<br />

einige Zeit betäubt, so dass sie an <strong>die</strong><br />

Oberfläche kommen <strong>und</strong> sich mit<br />

den Händen fangen lassen«.<br />

ALLE BILDER DIESER DOPPELSEITE: NATURAL HISTORY MUSEUM, LONDON<br />

Anfang Dezember 1772 schil<strong>der</strong>te<br />

Forster, wie er im Südpolarmeer<br />

zum ersten Mal Pinguine zu Gesicht<br />

bekam. Im Lauf <strong>der</strong> Reise malte <strong>der</strong><br />

junge Naturforscher sechs verschiedene<br />

Arten (im Bild: <strong>der</strong> Zügelpinguin).<br />

Beschrieben wurden sie von<br />

seinem Vater Johann Reinhold<br />

Forster im Jahr 1781.<br />

24<br />

epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


Ende Juni 1774 ankerte <strong>die</strong> »Resolution«<br />

vor <strong>der</strong> Tongainsel<br />

Nomuka – für Forster »einer <strong>der</strong><br />

fruchtbarsten Orte <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong>«.<br />

Unter an<strong>der</strong>em beobachtete er<br />

Pazifische Karettschildkröten, <strong>die</strong><br />

dort damals noch in großer<br />

Zahl anzutreffen waren. Heute<br />

stehen <strong>die</strong> Tiere auf <strong>der</strong> Roten Liste<br />

<strong>der</strong> Weltnaturschutzunion. Vor<br />

allem in Folge von Überfischung<br />

<strong>und</strong> verschwindenden Eiablageplätzen<br />

sind sie vielerorts vom<br />

Aussterben bedroht.<br />

epoc.de e<br />

25


Mit<br />

unverstelltem<br />

Blick<br />

HISTORISCHES MUSEUM BERN<br />

Während seiner Reisen sammelten <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Wissenschaftler an Bord seiner Schiffe<br />

unzählige Objekte, <strong>die</strong> von den unterschiedlichsten<br />

Kulturen im Pazifik zeugen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

Georg Forster war stets bemüht,<br />

sich einen objektiven <strong>und</strong> vom Zeitgeist<br />

des »edlen Wilden« freien Eindruck von<br />

den Inselvölkern zu machen (siehe<br />

S. 18). Damit war er den meisten<br />

Forschern seiner Zeit weit voraus.<br />

Auf Hawaii trugen nur Häuptlinge solche Fe<strong>der</strong>mäntel.<br />

Für <strong>die</strong> roten Fe<strong>der</strong>n wurden <strong>die</strong> kleinen<br />

Klei<strong>der</strong>vögel gefangen <strong>und</strong> getötet. Die gelben<br />

Fe<strong>der</strong>n stammten von größeren Vögeln, <strong>die</strong>, nachdem<br />

sie einige Fe<strong>der</strong>n gelassen hatten, wie<strong>der</strong> in<br />

<strong>die</strong> Freiheit durften.<br />

In Neuseeland symbolisierten Keulen aus Holz<br />

den gespannten Körper eines kampfbereiten<br />

Mannes. Erfahrene Krieger konnten mit<br />

Hilfe <strong>der</strong> Einbuchtungen am Rand <strong>die</strong><br />

Hiebe gegnerischer Langkeulen abwehren.<br />

en.<br />

26 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE, WIEN


MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE, WIEN<br />

MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE, WIEN<br />

Von Vancouver Island<br />

(<strong>Cook</strong>s dritte Reise) stammt<br />

<strong>die</strong>ser kurze Dolch aus Basalt. Der Griff<br />

ist auf <strong>der</strong> einen Seite durch eine Scheibe<br />

von <strong>der</strong> Klinge getrennt, am Ende mit<br />

einem Tierkopf <strong>und</strong> einer le<strong>der</strong>nen<br />

Tragschlaufe versehen. Über den Zweck<br />

<strong>der</strong> Dolche finden sich in den Reiseaufzeichnungen<br />

keine Angaben.<br />

Womöglich <strong>die</strong>nten sie zur Tötung von<br />

Kriegsgefangenen.<br />

ETHNOLOGISCHE SAMMLUNG DER UNIVERSITÄT GÖTTINGEN<br />

Auf Hawaii sammelte melt<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

ok<br />

auch etwa 20 Angelhaken. n.<br />

Mit<br />

<strong>die</strong>sem ungefähr fünf Zentimeter<br />

langen Exemplar aus Bein wurden<br />

wohl Haifische gefangen.<br />

THE BRITISH MUSEUM, LONDON<br />

Fe<strong>der</strong>figuren wie <strong>die</strong>se wurden<br />

auf Hawaii auf Stäbe gesteckt t <strong>und</strong><br />

bei religiösen Prozessionen en <strong>und</strong> bei<br />

Kriegszügen mitgeführt. Über einem<br />

em<br />

Innenskelett aus geflochtenen Luftwurzeln<br />

brachte man ein feines, es<br />

mit Fe<strong>der</strong>n besetztes etzt<br />

Gewebe ebe aus<br />

Pflanzenfasern auf. Diese e Plastik mit dem typisch verzerrten<br />

errt<br />

rten<br />

<strong>und</strong> mit H<strong>und</strong>ezähnen nen besetzten ten M<strong>und</strong> stellte vermutlich den<br />

Kriegsgott Kukailimoku imok<br />

dar.<br />

Für <strong>die</strong> Zubereitung un<br />

von kava<br />

(siehe S. 30)<br />

verwendeten<br />

eten<br />

en<br />

<strong>die</strong> Häuptlinge auf<br />

Hawaii ai<br />

i hölzernen n Schalen. Durch<br />

<strong>die</strong> menschlichen chen<br />

Figuren führen Kanäle zum<br />

Inneren<br />

en<br />

des Gefäßes. Wahrscheinlich ich konnte so zunächst ein<br />

Schluck zu Ehren <strong>der</strong><br />

Götter ter ausgegossen sen werden, en, bevor<br />

<strong>die</strong> Häuptlinge selbst tranken.<br />

n.<br />

epoc.de 27


Auf <strong>der</strong><br />

Suche nach<br />

dem Para<strong>die</strong>s<br />

Sie kommen als Entdecker<br />

<strong>und</strong> bringen Musketen<br />

<strong>und</strong> Syphilis mit. <strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong>s Landung auf den<br />

pazifischen Inseln steht<br />

am<br />

Anfang einer Reise<br />

voller Unsicherheiten <strong>und</strong><br />

Missverständnisse, <strong>die</strong> den<br />

Untergang ganzer Kulturen<br />

einleiten wird.<br />

Von Claudia Mocek<br />

28 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


W<br />

ie ein riesiger weißer Vogel nähert sich<br />

<strong>der</strong> Segler dem Strand. Er ist größer als<br />

jedes Kanu, das Te Horeta je gesehen hat. Der staunende<br />

Junge <strong>und</strong> sein Maori-Klan sammeln Herzmuscheln<br />

auf <strong>der</strong> Nordinsel Neuseelands, als <strong>die</strong><br />

»Endeavour« im Herbst 1769 den Anker setzt. Seit<br />

mehr als sechs Jahrh<strong>und</strong>erten hat hier niemand<br />

mehr ein Schiff gesehen, das sich vom offenen<br />

Ozean <strong>der</strong> Insel nähert. Die Ältesten überlegen, ob<br />

das Ungetüm aus <strong>der</strong> Geisterwelt kommt. Als<br />

bleichhäutige Männer aus seinem Bauch klettern<br />

<strong>und</strong> in einem kleinen Boot mit dem Rücken zum<br />

Land auf <strong>die</strong> Küste zuru<strong>der</strong>n, nicken <strong>die</strong> Weisen:<br />

»Ja, es ist so: Diese Kreaturen sind Kobolde, sie haben<br />

<strong>die</strong> Augen im Hinterkopf.«<br />

Zunächst geben sich <strong>die</strong> Kobolde harmlos. Sie<br />

suchen Austern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Nahrung, sammeln<br />

Muscheln <strong>und</strong> Blumen, klopfen auf Steine <strong>und</strong><br />

lassen sie in Beutel verschwinden. »Wir strichen<br />

über ihre Klei<strong>der</strong> <strong>und</strong> erfreuten uns am Weiß ihrer<br />

Haut <strong>und</strong> an den blauen Augen, <strong>die</strong> manche<br />

hatten«, wird Te Horeta später den Kolonialherren<br />

erzählen, <strong>die</strong> seinen Bericht aufzeichnen.<br />

Plötzlich zeigt einer <strong>der</strong> Kobolde mit seinem<br />

Gehstock in <strong>die</strong> Luft. »Ein Donner ertönte, <strong>und</strong><br />

ein Blitz war zu sehen.« Dann stürzt ein Vogel zu<br />

Boden. Doch was hat ihn getötet? Das erfahren<br />

<strong>die</strong> Maori erst, als einer ihrer Krieger den Fremden<br />

einen Handel anbietet. Doch statt dem Kobold<br />

den Umhang aus H<strong>und</strong>efell zu übergeben,<br />

reißt er ihm <strong>die</strong> zum Tausch gebotenen Klei<strong>der</strong><br />

aus den Händen <strong>und</strong> ru<strong>der</strong>t davon. Der Gehstock<br />

blitzt erneut auf, <strong>der</strong> Krieger fälltn – mit einem<br />

Loch im Rücken. Der Klan bestattet ihn in den<br />

Klei<strong>der</strong>n des Kobolds; da er seinen Tod selbst verschuldet<br />

hat, gibt es keine utu, keine Rache.<br />

Eines Tages fährt <strong>der</strong> Klan in Kanus los, um <strong>die</strong><br />

Wohnstätte <strong>der</strong> Kobolde zu besuchen. Die Kin<strong>der</strong><br />

weigern sich, das Schiff zu betreten. »Wir hatten<br />

Angst, sie könnten uns verhexen«, berichtet Te<br />

Horeta. Doch sie lassen es zu, dass <strong>die</strong> Fremden<br />

ihnen das Haar zerzausen. »Sie machten schnatternde<br />

Geräusche beim Sprechen. Wir lachten, da<br />

wir sie nicht verstehen konnten, <strong>und</strong> sie lachten<br />

mit uns.«<br />

Vor ihrer Abfahrt schenkt ihm <strong>der</strong> Anführer<br />

<strong>der</strong> Fremden ein kleines, scharfes Stück Metall. Er<br />

soll ein großer Kapitän sein, <strong>der</strong> Kuku heißt. Te<br />

Horeta ist beeindruckt von dessen ruhiger Ausstrahlung.<br />

Dafür gibt es in seiner Sprache ein<br />

Sprichwort: »E koro te tino tangata e ngaro i roto i<br />

te tokomaha« – »Ein Edler ist auch unter H<strong>und</strong>erten<br />

nicht zu übersehen«.<br />

Te Horeta verliert seinen Gott<br />

Te Horeta trägt das metallene Geschenk als heitiki,<br />

Talisman, um den Hals. Er steckt es auf <strong>die</strong><br />

Spitze seines Speers, graviert damit Holzschachteln<br />

<strong>und</strong> repariert <strong>die</strong> Kanus seines Klans: »Ich<br />

hütete den Nagel, bis ich eines Tages in einem<br />

Kanu fuhr <strong>und</strong> es auf dem Meer kenterte. Ich bin<br />

danach getaucht, aber ich habe ihn nicht mehr gef<strong>und</strong>en.<br />

Ich hatte meinen Gott verloren.«<br />

Te Horetas Schil<strong>der</strong>ungen gehören zu den wenigen<br />

Quellen <strong>der</strong> <strong>Entdeckung</strong>sfahrten, aus denen<br />

sich ablesen lässt, wie <strong>die</strong> Ureinwohner <strong>die</strong><br />

Ankunft <strong>der</strong> Europäer erlebt haben. Die Tagebücher<br />

von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>und</strong> seinen Männern bestätigen,<br />

dass <strong>der</strong> Klan <strong>die</strong> Fremden fre<strong>und</strong>schaftlich<br />

aufgenommen hat.<br />

Doch <strong>Cook</strong>s erste Schritte auf Neuseeland im<br />

Jahr 1769 hätten auch seine letzten sein können –<br />

»Sie machten<br />

schnatternde<br />

Geräusche beim<br />

Sprechen. Wir<br />

lachten, da wir<br />

sie nicht verstehen<br />

konnten,<br />

<strong>und</strong> sie lachten<br />

mit uns«<br />

Te Horeta<br />

Auf <strong>der</strong> ersten <strong>Entdeckung</strong>sfahrt<br />

von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> ist <strong>der</strong><br />

britische Maler Sydney<br />

Parkinson mit an Bord. Er<br />

zeichnet einen tätowierten<br />

Maori (links). Den Blick in<br />

<strong>die</strong> Maitavie-Bucht (unten)<br />

<strong>der</strong> Insel Tahiti malt William<br />

Hodges 1776 in England.<br />

BILDKOMPOSITION: BRITISH LIBRARY, LONDON (MAORI-KOPF); NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

epoc.de 29


POLYNESIEN:<br />

VIELFÄLTIGE KULTUREN<br />

Die meisten Inseln, <strong>die</strong><br />

<strong>Cook</strong> besucht hat, gehören<br />

zu Polynesien. Jede besitzt<br />

eine eigene Religion <strong>und</strong><br />

Sprache. Die unterschiedlichen<br />

Kulturen gehen auf<br />

ähnliche Vorstellungen<br />

zurück, <strong>die</strong> auf den Begriffen<br />

mana <strong>und</strong> tapu beruhen.<br />

Mana bezeichnet<br />

<strong>die</strong> übernatürliche Macht,<br />

<strong>die</strong> mit <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Stellung verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Sie wird geschützt<br />

durch Verbote (tapu, von<br />

dem das deutsche Wort<br />

Tabu abstammt).<br />

Häuptlinge, <strong>die</strong> ihren<br />

Rang vererben, nautische<br />

Experten, Kunsthandwerker<br />

<strong>und</strong> Krieger bilden<br />

zu <strong>Cook</strong>s Zeit <strong>die</strong> wichtigsten<br />

gesellschaftlichen<br />

Stände <strong>der</strong> Inseln. Die<br />

soziale Struktur gleicht<br />

einer Pyramide mit wenigen<br />

einflussreichen Vertretern<br />

an <strong>der</strong> Spitze. Die<br />

Stämme auf den Tongainseln<br />

sind am stärksten<br />

hierarchisch geglie<strong>der</strong>t. Im<br />

Unterschied zu an<strong>der</strong>en<br />

polynesischen Gesellschaften<br />

gibt es bei den<br />

Maori keine zentra lisierte<br />

Macht. Die Gesellschaft<br />

ist nach aristokratischen<br />

Prinzipien organisiert.<br />

Heilige Orte <strong>und</strong> <strong>der</strong> gemeinsame<br />

rituelle Genuss<br />

von kava, dem Aufguss<br />

eines tropischen Pfeffers,<br />

sind für Polynesien charakteristisch.<br />

Die Entdecker<br />

haben keine Vorstellung<br />

von den Traditionen<br />

<strong>der</strong> Ureinwohner, <strong>die</strong> sich<br />

mit <strong>der</strong> Erschaffung des<br />

Universums beschäftigen,<br />

von den Ritualen <strong>und</strong> ihrer<br />

Bedeutung im täglichen<br />

Leben.<br />

»Alles, was sie zu begehren<br />

schienen, war, dass wir<br />

wie<strong>der</strong> verschwanden«<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

wäre Tupaia nicht gewesen. Der hochrangige Priester<br />

aus Tahiti begleitet <strong>die</strong> Englän<strong>der</strong> seit einigen<br />

Wochen. Er hilft ihnen nicht nur, sich in <strong>der</strong> Inselwelt<br />

Polynesiens zu orientieren, er schlägt auch<br />

eine Brücke zwischen <strong>der</strong> Mannschaft <strong>und</strong> den<br />

Maori. »Es war eine freudige Überraschung für<br />

uns, dass sie ihn ohne Schwierigkeiten verstanden«,<br />

notiert <strong>Cook</strong> anschließend. Obwohl <strong>die</strong><br />

Maori H<strong>und</strong>erte von Jahren in völliger Isolation<br />

gelebt haben, gleicht ihre Sprache am Ende des<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts noch immer <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> Inseln,<br />

von denen ihre Ahnen vor über 3000 Jahren<br />

kamen.<br />

Die Maori respektieren Tupaia sofort – <strong>und</strong> damit<br />

auch <strong>Cook</strong> <strong>und</strong> seine Mannschaft. Sie betrachten<br />

den Priester als Anführer <strong>der</strong> seltsam aussehenden<br />

weißen Männer. Die Nachricht seiner Ankunft<br />

verbreitet sich schnell unter den Stämmen<br />

<strong>der</strong> Nordinsel. Tupaia <strong>und</strong> sein Gefolge werden<br />

auf Dorfplätzen empfangen, wo sie Geschenke<br />

austauschen, über <strong>die</strong> Abstammung <strong>der</strong> Familien<br />

diskutieren <strong>und</strong> gemeinsam feiern.<br />

Die Begeisterung <strong>der</strong> Maori über <strong>die</strong> Ankunft<br />

<strong>der</strong> Fremden wie<strong>der</strong>holt sich bei den späteren Besuchen<br />

<strong>Cook</strong>s auf <strong>der</strong> Insel nicht. Tupaia ist inzwischen<br />

gestorben. Zwar stößt auf <strong>der</strong> zweiten Pazifikreise<br />

wie<strong>der</strong> ein Einheimischer zu den Fremden<br />

– Omai –, doch ihm fehlt das Format Tupaias.<br />

Neben friedlichen Kontakten kommt es nun auch<br />

immer wie<strong>der</strong> zu blutigen Konflikten.<br />

Für <strong>die</strong> Ureinwohner <strong>der</strong> pazifischen Inselwelt<br />

markieren <strong>die</strong> <strong>Entdeckung</strong>sreisen von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

den Beginn eines katastrophalen sozialen, politischen<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlichen Umbruchs. Trotzdem<br />

sehen <strong>die</strong> Maori bis heute – zumindest in Tupaia –<br />

einen Helden: Noch immer tragen Orte <strong>und</strong> Menschen<br />

seinen Namen.<br />

Auch <strong>die</strong> Bewohner Tahitis haben Kapitän<br />

<strong>Cook</strong> auf seiner ersten <strong>Entdeckung</strong>sfahrt 1769 als<br />

taio, Fre<strong>und</strong>, begrüßt. Obwohl Tupaia <strong>die</strong> Europäer<br />

erst von <strong>die</strong>ser Station an begleiten wird, überreichen<br />

<strong>die</strong> Tahitianer den Fremden bei ihrer Ankunft<br />

duftende Tücher <strong>und</strong> Bananenzweige als<br />

Friedenssymbole. Sie bewirten <strong>die</strong> Mannschaft<br />

mit Fisch <strong>und</strong> Kokosmilch. Die Frauen deuten auf<br />

Matten <strong>und</strong> »nötigten uns bisweilen mit Gewalt,<br />

uns darauf zu setzen«, hält <strong>der</strong> englische Botaniker<br />

Joseph Banks fest.<br />

Doch <strong>die</strong> Begegnungen auf <strong>der</strong> para<strong>die</strong>sisch<br />

anmutenden Insel verlaufen nicht ohne Konflikte.<br />

Als ein Tahitianer eine Muskete stiehlt, erschießt<br />

ihn ein Matrose. <strong>Cook</strong> versichert den Ureinwohnern,<br />

»dass wir noch immer ihre Fre<strong>und</strong>e<br />

waren«, schreibt er kurz darauf in sein Tagebuch.<br />

Wie <strong>die</strong> Inselbewohner <strong>die</strong>sen Vorfall erlebten, ist<br />

nicht überliefert. Ihre Gedanken aus den englischen<br />

Tagebüchern zu erraten, ist so, als würde<br />

man einen Film ohne Ton anschauen: »Kein Zeichen<br />

<strong>der</strong> Vergebung war in ihren Mienen zu lesen;<br />

sie blickten verdrossen <strong>und</strong> beleidigt drein«,<br />

wird Banks über einen späteren Konflikt notieren.<br />

Trotz einiger Auseinan<strong>der</strong>setzungen sind <strong>die</strong><br />

Europäer von den »edlen Wilden« begeistert – <strong>und</strong><br />

von ihren Frauen hingerissen: »Sie versichern<br />

sich unserer Fre<strong>und</strong>schaft auf eine Art <strong>und</strong> Weise,<br />

<strong>die</strong> alles an<strong>der</strong>e als platonisch ist«, hält Segelmeister<br />

Robert Molyneux fest.<br />

Die drei Reisen von <strong>Cook</strong> scheinen untrennbar<br />

verb<strong>und</strong>en mit erotischen Abenteuern, mit<br />

schönen, sinnlichen <strong>und</strong> scheinbar lie<strong>der</strong>lichen<br />

Frauen. Doch <strong>die</strong> sexuellen Berichte <strong>der</strong> Entdecker<br />

beschränken sich vor allem auf <strong>die</strong> Erlebnisse<br />

auf Tahiti <strong>und</strong> Hawaii. Auf den Neuen Hebriden<br />

(Vanuatu) <strong>und</strong> in Neukaledonien gibt es solche<br />

Begegnungen nicht. Die Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Berichte, <strong>die</strong><br />

auf den <strong>Entdeckung</strong>sfahrten entstehen, bestätigen<br />

<strong>die</strong>s: Während <strong>die</strong> Frauen <strong>der</strong> westlichen<br />

Pazifikinseln bei den europäischen Seeleuten als<br />

»hässlich«, »abstoßend« <strong>und</strong> »verunstaltet« gelten,<br />

stellen sie <strong>die</strong> Frauen <strong>der</strong> östlichen Inseln als<br />

schöne, klassisch proportionierte Frauenkörper<br />

in einer glückseligen Landschaft dar.<br />

Europäische Wissenschaftler werden lange<br />

glauben, <strong>die</strong> Polynesierinnen zu <strong>Cook</strong>s Zeit seien<br />

Nymphomaninnen, <strong>die</strong> es auf erotische Abenteuer<br />

mit Auslän<strong>der</strong>n anlegen. Heute weiß man,<br />

dass <strong>der</strong> Sex mit Fremden für <strong>die</strong> Frauen eine<br />

Möglichkeit zum Handel bedeutete: Stoff, Perlen,<br />

rote Fe<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Beile tauschten sie gegen sexuelle<br />

Be ziehungen ein. Außerdem sahen <strong>die</strong> hawaiianischen<br />

Frauen in den mächtigen Auslän<strong>der</strong>n<br />

eine Chance, einflussreiche Kin<strong>der</strong> zu zeugen <strong>und</strong><br />

sich so innerhalb ihres Stamms Macht zu sichern.<br />

Erzählungen zufolge stopften <strong>die</strong> Frauen <strong>die</strong> Nabelschnüre<br />

ihrer Neugeborenen in <strong>die</strong> Risse von<br />

<strong>Cook</strong>s Schiff: »Welche Frau hätte nicht <strong>die</strong> piko<br />

(Nabelschnur) ihres Babys dort haben wollen?«<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> indigenen Bevölkerung haben<br />

<strong>die</strong> sexuellen Kontakte mit den Europäern vor<br />

allem einen gewalttätigen Aspekt: Viele junge<br />

Mädchen werden von ihren Verwandten gezwungen,<br />

<strong>die</strong>se »heiligen Ehen« einzugehen, <strong>die</strong> in <strong>der</strong><br />

Regel <strong>die</strong> Entjungferung bedeuten. Treibende<br />

Kraft ist laut Wissenschaftlern <strong>der</strong> kollektive<br />

30 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


Der tahitianische Priester<br />

Tupaia, <strong>der</strong> mit <strong>Cook</strong> reist,<br />

zeichnet <strong>die</strong>ses Bild, das<br />

vermutlich den Botaniker<br />

Joseph Banks zeigt, dem ein<br />

Maori einen Hummer<br />

schenkt.<br />

1777 fertigt John Webber<br />

<strong>die</strong>ses Gemälde von <strong>der</strong><br />

19-jährigen Prinzessin<br />

Poedua an, <strong>der</strong> Tochter<br />

des Königs Orio von<br />

Ulietea.<br />

BRITISH LIBRARY, LONDON<br />

Wunsch nach Babys mit <strong>der</strong> heiligen Aura <strong>der</strong><br />

erstgeborenen Kin<strong>der</strong> junger Mädchen. Als Folge<br />

<strong>der</strong> sexuellen Beziehungen breiten sich tödliche<br />

Geschlechtskrankheiten aus. <strong>Cook</strong> versucht <strong>die</strong><br />

Kontakte gelegentlich zu unterbinden. Wenn er<br />

fürchtet, dass sich <strong>die</strong> Matrosenpest »mit <strong>der</strong> Zeit<br />

über alle Eilande <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> ausbreiten könnte,<br />

zur ewigen Schande <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> sie zuerst hierhergebracht«,<br />

will er aber auch seinen Ruf retten.<br />

Als <strong>die</strong> polynesischen Inseln in den Jahrzehnten<br />

nach <strong>Cook</strong>s Besuch zu beliebten Anlaufhäfen<br />

werden, grassieren neben Geschlechtskrankheiten<br />

auch Grippe, Tuberkulose, Pocken, Masern<br />

<strong>und</strong> Keuchhusten. Der Alkoholismus breitet sich<br />

aus, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Inselbewohner bekämpfen sich untereinan<strong>der</strong><br />

mit westlichen Waffen. Die Folgen<br />

sind katastrophal: 1774 schätzt <strong>Cook</strong> <strong>die</strong> Bevölkerung<br />

Tahitis noch auf 204 000 Menschen. Knapp<br />

100 Jahre später erfasst eine französische Volkszählung<br />

nur noch 7169 Insulaner.<br />

Die Europäer bedroht auf ihrer Expedition in<br />

Neuseeland <strong>der</strong> Hunger: »Wir sahen uns im Stande,<br />

jede Art von Fe<strong>der</strong>vieh zu verzehren«, hält<br />

Banks fest: »Hunger ist gewiss eine exzellente<br />

Soße.« Die Mannschaft entdeckt aber auch, dass<br />

sich <strong>der</strong> Speiseplan <strong>der</strong> Eingeborenen nicht auf<br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

Vögel, Fisch <strong>und</strong> Gemüse beschränkt – son<strong>der</strong>n<br />

auch Menschen einschließt. Das bringt den Maori<br />

bei den Menschen in Europa den Stempel <strong>der</strong><br />

»rohen Barbaren« ein.<br />

<strong>Cook</strong> betrachtet den Kannibalismus jedoch<br />

sachlich: »Sie essen ihre Feinde, <strong>die</strong> sie im Kampf<br />

getötet ... Dies scheint mir aus <strong>der</strong> Tradition zu erwachsen<br />

<strong>und</strong> mitnichten aus einer Veranlagung<br />

zur Grausamkeit.« <strong>Cook</strong> hat Recht: Zu seiner Zeit<br />

verspeisen <strong>die</strong> Maori nur ihre Feinde – um sie zu<br />

entehren <strong>und</strong> ihren Geist <strong>und</strong> ihre Kraft in sich<br />

aufzunehmen. Der Kannibalismus ist im Schöpfungsmythos<br />

<strong>der</strong> Maori rituell verankert.<br />

»Warra! Warra! Wai« – Geht fort!<br />

Der deutsche Georg Forster wird den Kannibalismus<br />

mit einem Hinweis auf <strong>die</strong> spanischen Eroberer<br />

in Südamerika relativieren: »Was ist <strong>der</strong><br />

Neu-Seelän<strong>der</strong>, <strong>der</strong> seinen Feind im Kriege umbringt<br />

<strong>und</strong> frisst, gegen den Europäer, <strong>der</strong>, zum<br />

Zeitvertreib, einer Mutter ihren Säugling mit kaltem<br />

Blut, von <strong>der</strong> Brust reißen <strong>und</strong> seinen H<strong>und</strong>en<br />

vorwerfen kann?«<br />

Als <strong>die</strong> »Endeavour« 1770 Australien erreicht,<br />

ist den Englän<strong>der</strong>n sofort klar, dass <strong>die</strong> Küstenbewohner<br />

an<strong>der</strong>s sind als alle, <strong>die</strong> sie bisher getroffen<br />

haben. Joseph Banks berichtet, dass eine<br />

Gruppe von Fischern am Strand »kaum <strong>die</strong> Augen<br />

von ihrem Tun wandten« <strong>und</strong> eine alte Frau »zum<br />

Schiff hinübersah, aber we<strong>der</strong> Überraschung<br />

noch Besorgnis erkennen ließ«.<br />

Als sich <strong>die</strong> Ru<strong>der</strong>boote dem Land nähern, fliehen<br />

<strong>die</strong> Eingeborenen. Nur zwei Krieger harren<br />

aus: »Warra! Warra! Wai!«, rufen sie. »Geht fort!«<br />

<strong>Cook</strong> wirft Nägel <strong>und</strong> Tand als Geschenke an Land.<br />

Die Aborigines schleu<strong>der</strong>n ihm Steine <strong>und</strong> Speere<br />

entgegen. <strong>Cook</strong> feuert mit kleiner Munition <strong>und</strong><br />

trifft einen <strong>der</strong> Männer. Schließlich ziehen sich<br />

<strong>die</strong> Eingeborenen zurück.<br />

»Alles, was sie zu begehren scheinen, war, dass<br />

wir wie<strong>der</strong> verschwinden«, berichtet <strong>Cook</strong> in seinem<br />

Tagebuch: »Von dem, was ich über <strong>die</strong> Eingeborenen<br />

gesagt habe, könnten sie einigen als <strong>die</strong><br />

erbärmlichsten Menschen <strong>der</strong> Erde erscheinen:<br />

Aber in Wirklichkeit sind sie viel glücklicher als<br />

wir Europäer; indem ihnen <strong>die</strong> überflüssigen, in<br />

Europa aber so notwendigen Bequemlichkeiten<br />

völlig fremd sind, sind sie glücklich, nichts von ihnen<br />

zu wissen.«<br />

Bevor <strong>die</strong> Fremden Australien verlassen, nehmen<br />

sie <strong>die</strong> Ostküste formell für <strong>die</strong> britische Krone<br />

in Besitz. Die Briten richten 1788 im heutigen<br />

Sydney eine Strafkolonie ein. Für <strong>die</strong> Australier<br />

unserer Zeit ist <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>der</strong> Urahn <strong>der</strong> britischen<br />

Landnahme; für <strong>die</strong> Aborigines begann<br />

mit ihm ihre Enteignung.<br />

epoc.de 31


BRITISH LIBRARY, LONDON<br />

Auf Vanuatu (Neue Hebriden) empfangen <strong>die</strong><br />

ansässigen Völker <strong>die</strong> Fremden auf <strong>der</strong>en dritter<br />

Reise zunächst fre<strong>und</strong>schaftlich <strong>und</strong> neugierig.<br />

Doch einige Stämme bedrohen <strong>Cook</strong> <strong>und</strong> seine<br />

Mannschaft auch. Bei ihrer Ankunft auf Malekula<br />

1774 erscheinen nur wenige Inselbewohner,<br />

am nächsten Morgen sind es 400 Männer, <strong>die</strong><br />

sich dem Schiff nähern. Sie schenken <strong>Cook</strong> ein<br />

Schwein als Symbol ihres Wohlwollens. Im Gegenzug<br />

erhalten sie nur Stoff, was für <strong>die</strong> Bewohner<br />

kein gleichwertiges Geschenk darstellt. Von<br />

<strong>die</strong>sem Moment an interessieren sich <strong>die</strong> Malekulaner<br />

nicht mehr für ihre Besucher.<br />

Die Bewohner Erramangas laden <strong>die</strong> Fremden<br />

durch heftiges Gestikulieren ein, an Land zu kommen.<br />

Doch <strong>die</strong> Europäer fliehen kurze Zeit später,<br />

weil sie befürchten, dass <strong>die</strong> Inselbewohner ihre<br />

Boote stehlen <strong>und</strong> sie töten wollen.<br />

Auf <strong>der</strong> Insel Tanna laufen viele Menschen zusammen,<br />

als sich das Schiff <strong>der</strong> Europäer nähert.<br />

Schwimmer <strong>und</strong> Kanus kommen den Fremden<br />

entgegen. Bald schon versuchen »waghalsige <strong>und</strong><br />

freche junge Männer«, alles zu stehlen, dessen sie<br />

habhaft werden können. Erst als schwere Kugeln<br />

knapp über ihre Köpfe fliegen, lassen sie von ihrem<br />

Treiben ab. Die Menschenmenge an Land ist<br />

belustigt.<br />

Tausende haben sich versammelt, als <strong>die</strong> Beiboote<br />

zur Küste aufbrechen. Vorsichtshalber lässt<br />

<strong>Cook</strong> eine Salve über <strong>die</strong> Köpfe <strong>der</strong> Menge abfeuern.<br />

Daraufhin zeigen <strong>die</strong> jungen Männer ihre<br />

Waffen. Einer von ihnen dreht sich um, beugt sich<br />

vor <strong>und</strong> schlägt sich mit den Händen auf das Gesäß<br />

– eine verbreitete Spottgeste im pazifischen<br />

Raum. Den Bewohnern von Tanna bietet <strong>die</strong> Ankunft<br />

des Schiffs eine unerwartete Unterhaltung<br />

<strong>und</strong> für ihre jungen Männer eine willkommene<br />

Gelegenheit für Angebereien.<br />

Von den Ureinwohnern Hawaiis wird man<br />

noch bis in <strong>die</strong> 1970er Jahre glauben, dass sie<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> bew<strong>und</strong>ert hätten. Doch seit <strong>die</strong> Riten<br />

<strong>der</strong> indigenen Bevölkerung wissenschaftlich untersucht<br />

werden, zeichnet sich eine an<strong>der</strong>e Deutung<br />

ab. Verschiedene Forscher sind davon überzeugt,<br />

dass das Leben auf Hawaii zur Zeit von<br />

<strong>Cook</strong>s dritter <strong>Entdeckung</strong>sreise stark durch zwei<br />

kalendarische Rituale geprägt wird, <strong>die</strong> Jahr für<br />

Jahr Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlstand des Volks gewährleisten<br />

sollen: Ho’oilo umfasst <strong>die</strong> vier dem<br />

Schutzpatron Lono-nuiākea geweihten Regenmonate.<br />

Kau Wela bezeichnet <strong>die</strong> acht Sommermonate<br />

unter dem Patronat von Kūnuiākea.<br />

AUSTRALIEN: GEMEINSCHAFT OHNE HERRSCHAFT<br />

Sidney Parkinson begleitet<br />

<strong>Cook</strong> zunächst als<br />

naturhistorischer Illustrator.<br />

Nach dem Tod des<br />

Landschaftsmalers Alexan<strong>der</strong><br />

Buchan zeichnet er<br />

unter an<strong>der</strong>em <strong>die</strong>ses Kanu<br />

mit neuseeländischen<br />

Kriegern.<br />

In Australien leben in den 1780er Jahren r<strong>und</strong> 750 000 Aborigines, <strong>die</strong> insgesamt<br />

500 bis 600 Sprachen <strong>und</strong> Dialekte sprechen. Jede Gemeinschaft ist eine Gesellschaft<br />

für sich; <strong>die</strong> Familie bildet darin <strong>die</strong> kleinste Einheit, wobei ein Mann Beziehungen<br />

zu mehreren Frauen haben kann. An<strong>der</strong>e Gruppen organisieren sich nach<br />

ihrer Abstammung, ihrer Verbindung zum Land <strong>und</strong> zu beson<strong>der</strong>en Stätten.<br />

Jedes Mitglied einer Gruppe erfüllt soziale <strong>und</strong> rituelle Funktionen:<br />

Männer fischen <strong>und</strong> jagen Kängurus, Emus <strong>und</strong> Beuteltiere. Frauen <strong>und</strong><br />

Kin<strong>der</strong> sammeln Gemüse, Früchte, Eier <strong>und</strong> Honig. In allen Gruppen teilen<br />

<strong>die</strong> Menschen <strong>die</strong> Nahrung miteinan<strong>der</strong>. Die Aborigines arbeiten täglich ein<br />

paar St<strong>und</strong>en, um <strong>die</strong> Nahrung für einen Tag zusammenzutragen. Ein<br />

solches Leben bedeutet für jeden Sicherheit.<br />

Für <strong>die</strong> Entdecker hingegen ist harte Arbeit <strong>die</strong> wesentliche Voraussetzung<br />

für eine gottgefällige Lebensweise. Die sozialen Regeln <strong>der</strong> Ureinwohner,<br />

ihr nomadenhaftes Leben ohne individuellen Besitz, machen es überflüssig,<br />

dass einzelne Personen <strong>die</strong> Herrschaft über den Rest <strong>der</strong> Gruppe ausüben.<br />

32 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


BRITISH LIBRARY, LONDON<br />

Als <strong>Cook</strong> auf Hawaii eintrifft, ist <strong>der</strong> Schutzpatron<br />

des Sommers schon verabschiedet worden,<br />

sein Tempel bereits abgedeckt, seine Priesterschaft<br />

freigestellt. Die Ureinwohner begrüßten<br />

gerade Lononuiākea, <strong>der</strong> sich durch astronomische<br />

Konstellationen <strong>und</strong> einen Wetterumbruch<br />

angekündigt hat.<br />

Als <strong>Cook</strong> Gott Lono verkörpert<br />

Die Europäer landen im Dezember 1778 auf <strong>der</strong> Insel.<br />

<strong>Cook</strong>s Schiff hat Segel, <strong>die</strong> an Lonos Wolken<br />

erinnern. Bei den Prozessionen an Land werden<br />

<strong>die</strong>se Wolken durch einen drei Meter hohen<br />

Kreuzstab symbolisiert, über den graues Rindenbastgewebe<br />

drapiert ist. Als <strong>Cook</strong> Kanonen abfeuern<br />

lässt, erkennen <strong>die</strong> Bewohner in <strong>die</strong>sem<br />

Geräusch, das an <strong>die</strong> donnernde Stimme Lonos<br />

er innert, eine Demonstration göttlicher Macht.<br />

Durch Zufall entspricht <strong>die</strong>ses Schauspiel dem<br />

Ablauf des Rituals. Für <strong>die</strong> indigene Bevölkerung<br />

könnte <strong>Cook</strong> während des religiösen Umzugs deshalb<br />

Gott Lono verkörpert haben.<br />

<strong>Cook</strong> verlässt <strong>die</strong> Insel am 4. Februar 1779. Damit<br />

folgt er unwissentlich <strong>der</strong> Tradition: Er reist<br />

so ab, wie Lono es jedes Jahr tut. Als er wenig später<br />

zurückkehren muss, um sein Schiff zu reparieren,<br />

stellt <strong>der</strong> Kapitän als Verkörperung von<br />

Lono den Vorrang von Kūnuiākea in Frage. Dem<br />

rituellen Ablauf, <strong>der</strong> für Tausende von Jahren gegolten<br />

hat, droht <strong>der</strong> Umsturz, was ein ganzes<br />

Volk in Gefahr bringen würde.<br />

Von <strong>die</strong>sem Moment an kommt es zu gegenseitigen<br />

Anfeindungen. Als <strong>der</strong> Kapitän nicht mehr<br />

Lono verkörpert, verliert er auch seinen rituell begründeten<br />

Schutz. Seine Unkenntnis des Ritualzyklus<br />

wird ihm zum Verhängnis. Am 14. Februar<br />

1779 töten <strong>die</strong> Hawaiianer <strong>Cook</strong>, <strong>die</strong> Europäer ermorden<br />

zahlreiche Eingeborene.<br />

<strong>Cook</strong>s Besuch markiert den dramatischen<br />

Wandel <strong>der</strong> hawaiianischen Kultur. Im folgenden<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert strömen Schiffe nach Hawaii <strong>und</strong><br />

bringen Musketen, schwenkbare Kanonen, Grog<br />

<strong>und</strong> Krankheiten mit. 1820 segeln Missionare aus<br />

Neuengland zur Insel, um <strong>die</strong> »nackten Wilden«,<br />

wie sie <strong>die</strong> Hawaiianer nennen, von <strong>der</strong> Verworfenheit<br />

des Hula-Tanzes <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Traditionen<br />

zu überzeugen. 1837 wird das Verschwinden <strong>der</strong><br />

Eingeborenen <strong>und</strong> ihrer Kultur schließlich so augenfällig,<br />

dass ein Institut gegründet wird, um<br />

das Wenige zu dokumentieren, was von hawaiianischen<br />

Werkzeugen, <strong>der</strong> Musik <strong>und</strong> dem Brauchtum<br />

noch übrig geblieben ist.<br />

Der entstandene Nationalismus hat bei den Bewohnern<br />

von Hawaii zu einem regelrechten Hass<br />

auf <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> geführt. Deshalb ist Haunani-Kay<br />

Trask, Aktivistin für ein souveränes Hawaii, stolz<br />

darauf, dass <strong>die</strong> Hawaiianer – im Gegensatz zu<br />

an<strong>der</strong>en pazifischen Völkern – dafür gesorgt hätten,<br />

dass <strong>der</strong> Kapitän ihre Ufer nicht lebend verließ.<br />

Das sieht Blossom Sapp, Aufseherin <strong>der</strong><br />

heiligen Stätte Pu’uhonua o Honaunau, an<strong>der</strong>s:<br />

»Früher o<strong>der</strong> später wären <strong>die</strong> Inseln sowieso gef<strong>und</strong>en<br />

worden. <strong>Cook</strong> hat unser Land nicht gestohlen<br />

o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Kultur zerstört; aber erst nach<br />

ihm konnten <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en kommen, <strong>die</strong> das getan<br />

haben. Deswegen sehen viele in ihm den ersten<br />

Bösewicht, ein Symbol für das Schlechte, das nach<br />

ihm kam.« Ÿ<br />

Claudia Mocek ist Redakteurin bei epoc.<br />

Auf <strong>der</strong> dritten Pazifikexpedition<br />

wohnen <strong>die</strong> Europäer<br />

auf <strong>der</strong> Insel Tahiti einem<br />

Menschenopfer bei. Das<br />

Bild stammt von dem englischen<br />

Maler John Webber.<br />

»Wir hatten<br />

Angst, sie<br />

könnten uns<br />

verhexen«<br />

Te Horeta<br />

epoc.de 33


» H<strong>und</strong> erte,<br />

ja Tausende<br />

von Maden!«<br />

Skorbut, Schnaps <strong>und</strong> Langeweile: Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

war das Leben auf hoher See kein Zuckerschlecken –<br />

für <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>s Matrosen aber durchaus erträglich.<br />

Von Joachim Schüring<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Schiffszwieback<br />

aus Weizen- <strong>und</strong><br />

Erbsenmehl knochentrocken<br />

war, zog er Ungeziefer<br />

an. Mancher an Bord aß<br />

ihn lieber er nachts, wenn<br />

man <strong>die</strong> Maden<br />

nicht sah.<br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

Heute scheint uns das Vergehen lässlich –<br />

doch für William Greenslade endete es mit<br />

dem Tod: Der gerade erst 20 Jahre alte Marinesoldat<br />

an Bord <strong>der</strong> »Endeavour« hatte ein Stück Robbenfell<br />

geklaut, um sich daraus einen Tabaksbeutel<br />

zu nähen – <strong>und</strong> war erwischt worden. Von den<br />

eigenen Kameraden. Obschon selbst <strong>der</strong> Bestohlene<br />

keine große Sache daraus machen wollte, beklagten<br />

<strong>die</strong> Kameraden das Vergehen »in den<br />

schwärzesten Farben«, so <strong>der</strong> Botaniker an Bord<br />

<strong>der</strong> »Endeavour«, Joseph Banks, in seinem Tagebuch.<br />

Sie warfen Greenslade ein »unverzeihliches<br />

Verbrechen vor« <strong>und</strong> drohten, wenn <strong>der</strong> Geschädigte<br />

<strong>die</strong> Sache nicht anzeige, würden sie es tun.<br />

Tatsächlich zählte<br />

Diebstahl in<br />

jener<br />

Zeit zu den Verbrechen an Bord eines Schiffs, <strong>die</strong><br />

mit dem Tod bestraft werden konnten. Allerdings<br />

wurden Hinrichtungen auf See meist nur bei<br />

Mord, Brandstiftung o<strong>der</strong> Meuterei vollzogen.<br />

Und das aus gutem Gr<strong>und</strong>, schließlich konnte<br />

man für den fehlenden Mann kaum Ersatz finden.<br />

Deshalb machte, wer fluchte, bei <strong>der</strong> Wache einschlief,<br />

eine Schlägerei anfing, einen Befehl verweigerte,<br />

<strong>der</strong> »schändlichen Sünde mit Mann<br />

o<strong>der</strong> Tier« o<strong>der</strong> ähnlicher Vergehen überführt<br />

wurde, meist »nur« Bekanntschaft mit <strong>der</strong> neunschwänzigen<br />

Katze, einer Peitsche mit neun geflochtenen<br />

Tauenden, <strong>die</strong> zur steten Mahnung an<br />

exponierter Stelle in einem Beutel aufgehängt<br />

war. Als auf <strong>der</strong> »Endeavour« nach drei Wochen<br />

zum ersten Mal »<strong>die</strong> Katze aus dem Sack gelas-<br />

sen«<br />

wurde, galt sie zwei Matrosen, <strong>die</strong> sich gewei-<br />

gert<br />

hatten, te ihre Ration Frischfleisch zu essen.<br />

Tod o<strong>der</strong> Peitsche<br />

Das 36 Artikel umfassende Strafregister <strong>der</strong> Admiralität<br />

wurde jeden Sonntag feierlich verle-<br />

sen.<br />

Und darin stand auch, dass Diebstahl<br />

mit dem Tod zu ahnden o<strong>der</strong> »den Umständen<br />

entsprechend« mit einer an<strong>der</strong>en<br />

Strafe zu belegen sei. Auf <strong>die</strong>sen<br />

Zusatz hätte Greenslade ruhig vertrauen<br />

können, denn <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> urteilte<br />

im Allgemeinen maßvoll. »Zwölf Peitschenhiebe«<br />

hätte es vielleicht geheißen.<br />

Eine Lektion.<br />

Doch <strong>die</strong> Schil<strong>der</strong>ungen seiner<br />

Kameraden versetzten den unerfahrenen<br />

Seemann so sehr in Panik, dass er<br />

34<br />

epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

DIE LÄNGSTE REISE<br />

Während <strong>Cook</strong>s zweiter<br />

Pazifikreise war <strong>die</strong> »Resolution«<br />

genau 1111 Tage unterwegs.<br />

Von Kapstadt nach<br />

Süden sahen <strong>die</strong> Männer<br />

ganze 117 Tage am Stück kein<br />

Land. Nach drei Jahren <strong>und</strong> 16<br />

Tagen hatten sie über 60 000<br />

Meilen – gut 110 000 Kilometer<br />

– zurückgelegt.<br />

Während im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert Matrosen oft<br />

zwangsrekrutiert wurden, kamen <strong>James</strong><br />

<strong>Cook</strong>s Männer freiwillig an Bord. Sie wurden<br />

sorgfältig ausgewählt. Mehr als ihre Hängematte<br />

<strong>und</strong> ein paar persönliche Dinge<br />

konnten sie indes nicht mitbringen. Uniformen<br />

gab es keine.<br />

dem Urteil zuvorkam <strong>und</strong> über Bord in den Tod<br />

sprang – nur eine halbe St<strong>und</strong>e, nachdem er erwischt<br />

worden war.<br />

Auch wenn <strong>Cook</strong> nie <strong>die</strong> Todesstrafe vollzog,<br />

scheute er <strong>die</strong> Ahndung von Vergehen nicht. Beson<strong>der</strong>s<br />

streng war er, wenn es um <strong>die</strong> Sauberkeit<br />

ging. Schon <strong>die</strong> kleinste Nachlässigkeit in hygienischen<br />

Belangen konnte den Ausbruch tödlicher<br />

Krankheiten bedeuten – gerade unter den beengten<br />

Verhältnissen auf See. Denn ursprünglich für<br />

eine Besatzung von 16 Mann vorgesehen, mussten<br />

in dem gerade einmal 32 Meter langen ehemaligen<br />

Kohleschiff nun immerhin 94 Seeleute leben<br />

<strong>und</strong> arbeiten!<br />

Viele Matrosen machten sich nicht einmal <strong>die</strong><br />

Mühe, an <strong>die</strong> Reling zu gehen, <strong>und</strong> pinkelten, wo<br />

sie gerade standen, auf <strong>die</strong> Planken – <strong>und</strong> somit<br />

auch in <strong>die</strong> darunter liegenden La<strong>der</strong>äume. Einmal<br />

ließ <strong>Cook</strong> einen Matrosen auspeitschen, weil<br />

er sein großes Geschäft unter Deck verrichtet hatte.<br />

Zu dem von jedwe<strong>der</strong> Privatsphäre freien <strong>und</strong><br />

bei schwerer See lebensgefährlichen Donnerbalken<br />

vor dem Bug des Schiffs ging man eben nur,<br />

wenn es nicht an<strong>der</strong>s ging.<br />

Heute ist nur schwer vorstellbar, wie beklemmend<br />

<strong>die</strong> Enge an Bord <strong>der</strong> »Endeavour« war. Die<br />

Decks waren kaum 1,50 Meter hoch; einzig in <strong>der</strong><br />

Offiziersmesse konnte man gerade so aufrecht<br />

stehen. Während es für <strong>die</strong> Offiziere <strong>und</strong> Wissenschaftler<br />

im Heck ein Dutzend winziger Kabinen<br />

gab, aßen <strong>und</strong> schliefen <strong>die</strong> Matrosen weiter vorn,<br />

in <strong>der</strong> Mannschaftsmesse. Ihre Hängematten<br />

hingen so eng, dass sie schon bei leichtem Seegang<br />

aneinan<strong>der</strong>schlugen. Nicht selten erwachte<br />

epoc.de 35


ein Matrose, weil er von Ratten angenagt wurde.<br />

Die Luft war zum Schneiden, obwohl <strong>Cook</strong> eigens<br />

Segel spannen ließ, um frischen Wind nach unten<br />

zu leiten. Der Raum zwischen den Offizieren <strong>und</strong><br />

den einfachen Matrosen war für <strong>die</strong> Soldaten reserviert<br />

– als Puffer für den Fall einer Meuterei.<br />

An<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Royal Navy, <strong>die</strong> zu jener Zeit<br />

einen großen Teil ihrer Männer zwangsrekrutierte,<br />

waren <strong>die</strong> Seeleute an Bord <strong>der</strong> »Endeavour«<br />

sorgfältig ausgewählt worden; <strong>die</strong> meisten von ihnen<br />

keine 30 Jahre alt. Nur dem einhändigen Koch<br />

traute <strong>Cook</strong> sein Handwerk zunächst nicht zu. Am<br />

Ende durfte er aber doch mit.<br />

Schnaps <strong>und</strong> Langeweile<br />

Wie alle Schiffe <strong>Cook</strong>s war auch <strong>die</strong> »Endeavour«<br />

schmucklos – ohne Galionsfigur am Bug <strong>und</strong><br />

ohne Namen am Heck. Und sie war langsam: Bei<br />

optimalen Winden schaffte sie gerade einmal<br />

acht Knoten – so viel wie ein gemächlicher Radfahrer.<br />

Doch dafür war sie robust <strong>und</strong> wegen ihres<br />

geringen Tiefgangs für das Kreuzen durch <strong>die</strong> Inselwelt<br />

Polynesiens bestens geeignet. Trotzdem<br />

überstand <strong>der</strong> Küstensegler aus Whitby <strong>die</strong> 65 000<br />

Kilometer lange Reise keineswegs unbeschadet.<br />

Als <strong>die</strong> »Endeavour« vor ihrer Rückreise in Batavia,<br />

dem heutigen Jakarta, Halt machte, war <strong>der</strong><br />

Rumpf von Würmern zerfressen <strong>und</strong> laut <strong>Cook</strong><br />

»eine große Anzahl <strong>der</strong> Planken entzwei«, sodass<br />

jedem, »<strong>der</strong> den Boden sah, <strong>der</strong> Umstand höchst<br />

erstaunlich schien, dass wir das Schiff über Wasser<br />

hatten halten können«.<br />

Der Alltag auf See war vor allem von einem geprägt:<br />

Langeweile. Je<strong>der</strong> Tag war von drei Wachen<br />

bestimmt <strong>und</strong> einer immer gleichen Routine aus<br />

Segelsetzen <strong>und</strong> -einholen, Deckschrubben, Polieren<br />

<strong>der</strong> Messingteile, Putzen <strong>der</strong> Kanonen, Essen<br />

<strong>und</strong> Schlafen. Dienstags hatte zudem je<strong>der</strong><br />

seine Hängematte zu lüften, am Donnerstag war<br />

Waschtag, an dem <strong>die</strong> Montur in Ermangelung<br />

von Frischwasser meist an einer Leine ins Fahrwasser<br />

gehängt wurde. Auch <strong>die</strong> Männer selbst<br />

wuschen sich nur einmal pro Woche.<br />

Unterbrochen wurde <strong>die</strong> Eintönigkeit nur selten,<br />

zum beispiel wenn <strong>die</strong> Äquatortaufe anstand,<br />

ein bizarres Ritual, dem sich seit jeher – auch heute<br />

noch – alle Seeleute unterziehen müssen, <strong>die</strong><br />

zum ersten Mal im Leben »<strong>die</strong> Linie« überqueren.<br />

Auf <strong>der</strong> »Endeavour« wurden <strong>die</strong> Täuflinge von<br />

den erfahrenen Seeleuten auf einen Stuhl geb<strong>und</strong>en,<br />

den Großmast hinaufgezogen <strong>und</strong> dreimal<br />

in <strong>die</strong> Fluten getaucht. »Zum nicht geringen Vergnügen<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en wurde <strong>die</strong>se Zeremonie an<br />

20 bis 30 Mann vollzogen«, schrieb <strong>Cook</strong>. Mancher<br />

»wäre um ein Haar ertrunken«, notierte<br />

Joseph Banks. Die beiden hatten sich gedrückt<br />

<strong>und</strong> mit vier Tagesrationen Schnaps freigekauft –<br />

Banks löste gleich auch seine Diener <strong>und</strong> seine<br />

H<strong>und</strong>e aus.<br />

Vier Tagesrationen Schnaps: Das war mehr als<br />

zwei Liter pro Mann! Wenn es auf <strong>der</strong> »Endeavour«<br />

etwas in Übermaßen gab, dann war es Alkohol.<br />

In den Fässern unter Deck lagerten 5400<br />

Liter Bier <strong>und</strong> noch einmal <strong>die</strong> gleiche Menge<br />

Arrak, Rum <strong>und</strong> Weinbrand. Neben dem guten<br />

halben Liter Schnaps standen jedem an Bord 4,5<br />

Liter Bier zu. Jeden Tag! Letzteres begann zwar oft<br />

schon nach wenigen Wochen Fäden zu ziehen,<br />

wurde dann aber mit Mehl, Zucker o<strong>der</strong> Salz wie<strong>der</strong><br />

»genießbar« gemacht. Manche seiner Leute<br />

seien »Tag für Tag mehr o<strong>der</strong> weniger betrunken«<br />

gewesen, schrieb <strong>Cook</strong>.<br />

Um ein bisschen Ordnung in das<br />

Gewusel el <strong>der</strong><br />

einfachen Seeleute zu bringen, n, mussten st<br />

sich immer<br />

vier bis sechs von ihnen in einer Gruppe pe<br />

sammenfinden. Einmal im Monat durfte je<strong>der</strong><br />

er<br />

zu-<br />

das »Team« wechseln. Wenn <strong>die</strong> Matrosen <strong>die</strong>s<br />

häufig taten, war das ein Anzeichen für aufkeimende<br />

Unzufriedenheit eit – <strong>die</strong> es<br />

frühzeitig zu<br />

kontrollieren galt. Meist war <strong>die</strong> Bindung <strong>der</strong> Kameraden<br />

aber sehr eng. Starb einer er von<br />

ihnen,<br />

nähten <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en ihn fürs nasse Grab<br />

in ein<br />

Segel. Der, <strong>der</strong> den letzten ten Stich machte, bekam<br />

ein paar Pennys dafür. Denn er stach <strong>die</strong><br />

Nadel durch <strong>die</strong> Nase des<br />

Kameraden aden<br />

– zum<br />

einen, um sicher zu stellen, len,<br />

dass s <strong>die</strong>ser<br />

er<br />

wirklich tot war, zum an<strong>der</strong>en, n,<br />

damit er<br />

beim Überbordgehen nicht aus<br />

dem<br />

gel rutschte.<br />

Sen<br />

<strong>und</strong> Banks’<br />

beiden Windh<strong>und</strong>en tummelten<br />

sich auf <strong>der</strong> »Endeavour«<br />

auch 17 Schafe,<br />

Neben den 94 Mann<br />

24 Hühner sowie vier<br />

Je<strong>der</strong> fünfte an Bord <strong>der</strong><br />

»Endeavour« machte im<br />

Lauf seiner Reise mindestens<br />

einmal Bekanntschaft<br />

mit <strong>der</strong> neunschwänzigen<br />

Katze. Bei den meisten<br />

Vergehen setzte es zwölf<br />

Hiebe auf den nackten<br />

Rücken (das Bild zeigt eine<br />

Szene auf einem Schiff <strong>der</strong><br />

Royal Navy von 1825).<br />

UNTEN: BRIDGEMAN BERLIN; LINKS:NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

36 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


Schweine. Und eine Ziege, <strong>die</strong> schon vor <strong>Cook</strong> <strong>die</strong><br />

Welt umsegelt hatte <strong>und</strong> einzig dazu da war, Milch<br />

für den Kaffee <strong>der</strong> Offiziere zu liefern. Das Essen<br />

war streng rationiert. Von den zehn Tonnen<br />

Schiffszwieback an Bord bekam je<strong>der</strong> Seemann<br />

täglich 450 Gramm. Manche mochten ihn nur<br />

nachts verspeisen, wenn es dunkel war. Wegen<br />

des Ungeziefers. »Ich habe oft gesehen, wie jemand<br />

H<strong>und</strong>erte, ja Tausende von Maden aus<br />

einem einzigen Zwieback schüttelte«, erinnerte<br />

sich Banks. Pro Woche gab es zudem zwei Kilogramm<br />

Pökelfleisch – das selbst für Maden zu<br />

hart war, sich aber für Schnitzereien eignete –, einen<br />

Liter Erbsenbrei, zwei Pf<strong>und</strong> Haferflocken,<br />

170 Gramm Butter <strong>und</strong> 340 Gramm Käse. Wer<br />

dann noch hungrig war, dem wurde wind pudding<br />

empfohlen: ein paar tiefe Luftzüge an Deck.<br />

Die Offiziere <strong>und</strong> Wissenschaftler waren auch kulinarisch<br />

bessergestellt. Sie durften ihren eigenen<br />

Proviant mitnehmen.<br />

Beson<strong>der</strong>s unbeliebt waren <strong>die</strong> Unmengen von<br />

Sauerkraut an Bord. 3500 Kilogramm hatte <strong>Cook</strong><br />

laden lassen in <strong>der</strong> Hoffnung, damit endlich den<br />

Kampf gegen Skorbut zu gewinnen. Diese Geißel<br />

<strong>der</strong> Seefahrt – eine tödliche Erkrankung infolge<br />

Vitamin-C-Mangels – raffte regelmäßig ganze Besatzungen<br />

dahin. Als Ferdinand Magellan im Jahr<br />

1520 den Pazifik querte <strong>und</strong> es außer Ratten nur<br />

noch gekochtes Le<strong>der</strong> <strong>und</strong> Sägespäne zu essen<br />

gab, verlor er mehr als 80 Prozent seiner Leute!<br />

Noch Anfang des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts starben in <strong>der</strong><br />

englischen Navy mehr Männer an Skorbut als<br />

durch <strong>die</strong> Kugeln feindlicher Schiffe. Und niemand<br />

wusste, warum. Erst 1754 erkannte <strong>der</strong> britische<br />

Schiffsarzt <strong>James</strong> Lind, dass man dem Leiden<br />

mit Zitrusfrüchten beikommen konnte.<br />

Mit List gegen Skorbut<br />

Anfangs äußert sich <strong>die</strong> Krankheit in Müdigkeit<br />

<strong>und</strong> Schwäche. Dann brechen im M<strong>und</strong> eitrige<br />

Geschwüre auf, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Zähne fallen aus – daher<br />

<strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Krankheit: skorbutus, lateinisch für<br />

M<strong>und</strong>fäule. Wenn sich schließlich <strong>die</strong> Knochen<br />

entzünden <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> Haut schwarze Flecken erscheinen,<br />

ist das Ende nah. Es kommt zu inneren<br />

Blutungen <strong>und</strong> schließlich zu Herzversagen.<br />

Um <strong>die</strong> Männer, <strong>die</strong> sich mit Alkohol, nicht<br />

aber mit Sauerkraut bei Laune halten ließen, vom<br />

Verzehr <strong>der</strong> Vitamin-C-reichen Kost zu überzeugen,<br />

griff <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> zu einer List: Er befahl seinen<br />

Offizieren, große Mengen davon zu essen –<br />

<strong>und</strong> sie sollten <strong>die</strong>s mit offenk<strong>und</strong>igem Genuss<br />

tun. »Denn <strong>die</strong>ses ist <strong>die</strong> Wesensart <strong>der</strong> Seeleute<br />

im Allgemeinen: Es missfällt ihnen alles, mag es<br />

auch noch so sehr ihrem Besten <strong>die</strong>nen«, schrieb<br />

<strong>Cook</strong> ins Tagebuch. »Doch in dem Augenblick, da<br />

Chemisch handelt es sich bei<br />

Vitamin C um Ascorbinsäure – von<br />

a scorbutus: gegen <strong>die</strong> M<strong>und</strong>fäule.<br />

Zur Vorsorge reichen zehn Milligramm<br />

Vitamin C am Tag – das enthält<br />

etwa eine halbe Zitrone<br />

sie sehen, dass ihre Vorgesetzten Wert darauf legen,<br />

wird es das Köstlichste auf Erden.«<br />

Ob das so lange in den Fässern gelagerte Sauerkraut<br />

überhaupt noch einen nennenswerten Vitamin-C-Gehalt<br />

hatte <strong>und</strong> am Ende etwas nutzte, ist<br />

allerdings fraglich. Dass es an Bord von <strong>Cook</strong>s<br />

Schiffen tatsächlich nur ganz wenige Skorbutfälle<br />

gab, hatte wohl an<strong>der</strong>e Gründe. So lobte <strong>der</strong> Kapitän<br />

<strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> bei jedem Landgang »so gut<br />

wie jede Wurzel <strong>und</strong> jede Sorte Obst essen«, so<br />

sehr, dass <strong>die</strong>s, wie ein Matrose schrieb, bald »Sitte<br />

unter den Kameraden« wurde. Zudem verbot<br />

<strong>Cook</strong> seinen Leuten, mit dem Schiffszwieback<br />

durch <strong>die</strong> fettigen Pfannen zu fahren. Zwar<br />

glaubte er, auf <strong>die</strong>se Weise nur etwas gegen <strong>die</strong><br />

»stinkende Luft« in ihren Leibern zu tun, tatsächlich<br />

aber beseitigte er eine Ursache für <strong>die</strong> Krankheit.<br />

Das salzige <strong>und</strong> kupferhaltige Kochfett vermin<strong>der</strong>te<br />

nämlich schlicht <strong>die</strong> Vitaminaufnahme<br />

im Körper.<br />

Machtlos indes war <strong>Cook</strong> gegen <strong>die</strong> grassierenden<br />

Geschlechtskrankheiten. Wenn <strong>die</strong> Männer<br />

Wochen o<strong>der</strong> gar Monate allein auf See gewesen<br />

waren, erschienen ihnen <strong>die</strong> Eilande <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong><br />

wie Para<strong>die</strong>se. In den Logbüchern ist von<br />

unzähligen erotischen Abenteuern <strong>die</strong> Rede.<br />

Joseph Banks war den Frauen <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> beson<strong>der</strong>s<br />

zugetan. Am Abend des 3. Juni 1769 etwa, als<br />

sich alle mit <strong>der</strong> Venus am Himmel beschäftigten,<br />

berichtet <strong>der</strong> flotte Botaniker von »drei ansehnlichen<br />

Mädchen« in einem Kanu: »Sie plau<strong>der</strong>ten<br />

mit großer Offenheit <strong>und</strong> ließen sich ohne lange<br />

Überredung darauf ein, ihr Gefährt wegzuschicken<br />

<strong>und</strong> im Zelt zu übernachten.«<br />

Wie Banks hielten es fast alle an Bord. Obwohl<br />

<strong>die</strong> Folgen ihres Tuns katastrophal waren. Nicht<br />

einmal 100 Jahre nach <strong>der</strong> Ankunft <strong>der</strong> Europäer<br />

war <strong>die</strong> Bevölkerung Tahitis infolge eingeschleppter<br />

Krankheiten von r<strong>und</strong> 200 000 auf knapp<br />

7200 Menschen dezimiert worden! Der Einzige,<br />

<strong>der</strong> sich darum sorgte, war <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>. Vergebens:<br />

»Alles, was ich tun konnte, war von geringem<br />

Nutzen«, klagte er, »weil nicht ein Mann auf<br />

dem Schiff mir darin zur Hilfe kam.« Ÿ<br />

DAS SCHICKSAL<br />

DER »ENDEAVOUR«<br />

<strong>Cook</strong>s erstes Schiff wurde<br />

nach seiner Rückkehr wie<strong>der</strong><br />

zu einem Frachter umgebaut<br />

<strong>und</strong> pendelte mehrmals<br />

zwischen England <strong>und</strong><br />

den Falklandinseln hin <strong>und</strong><br />

her. Später segelte es unter<br />

dem Namen »Lord Sandwich«<br />

nach Russland <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong>nte schließlich vor <strong>der</strong><br />

amerikanischen Küste als<br />

Truppentransporter <strong>und</strong><br />

Gefängnisschiff. Im August<br />

1778 wurde <strong>die</strong> ehemalige<br />

»Endeavour« zusammen<br />

mit mehreren an<strong>der</strong>en<br />

Schiffen von den eigenen<br />

Leuten versenkt, um den<br />

Franzosen den Zugang zur<br />

Bucht von Narrangasett<br />

auf Rhode Island zu verwehren.<br />

Dort liegt <strong>Cook</strong>s<br />

Schiff bis heute auf dem<br />

Gr<strong>und</strong> des Atlantiks – konnte<br />

aber bisher nicht eindeutig<br />

identifiziert werden.<br />

epoc.de 37


Für Kin<strong>der</strong><br />

Z wei kleine Passagiere …<br />

unterwegs mit<br />

Hallo,<br />

ihr Grünschnäbel! Vor<br />

acht Jahren stach ich zum ersten<br />

Mal mit Kapitän <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> in See!<br />

Nun ist es wie<strong>der</strong> so weit, wir brechen<br />

auf, um einen Seeweg zwischen<br />

Pazifik <strong>und</strong> Atlantik zu finden.<br />

Seid ihr dabei?<br />

IM HAFEN VON PLYMOTH AM 12. JULI 1776<br />

Na<br />

klar! Ich hab<br />

keine Angst vor den<br />

Eisbergen!<br />

J ames<br />

<strong>Cook</strong><br />

Atlantik<br />

GROS<br />

S-<br />

BRIT<br />

ANNI<br />

N<br />

EN<br />

AFR<br />

IKA<br />

Rückreise nach <strong>Cook</strong>s Tod<br />

Route <strong>der</strong> dritten Seereise<br />

Ich<br />

hoffe nur, ich werde<br />

nicht seekrank – ich war<br />

noch nie auf einem<br />

Segelschiff.<br />

AUST<br />

RAL<br />

I EN<br />

Indischer Ozean<br />

ALLE ILLUSTRATIONEN DIESER DOPPELSEITE: EPOC / CONSTANZE SCHEIDEMANN, WIESBADEN<br />

EINIGE WOCHEN SPÄTER AUF HOHER SEE …<br />

Augen<br />

zu <strong>und</strong> durch – ist<br />

doch alles nur zu<br />

eurem Besten.<br />

Arrg,<br />

mir ist so<br />

schlecht!<br />

Der<br />

Seegang ist gar<br />

nicht so schlimm,<br />

aber von <strong>die</strong>sem Fraß<br />

kann einem wirklich übel<br />

werden. Jeden Tag nur<br />

Sauerkraut mit<br />

Zitronensaft!<br />

Skorbut<br />

Zu <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>s Zeiten starben <strong>die</strong><br />

meisten Seeleute an einer Krankheit<br />

namens Skorbut. Der Mangel an<br />

Vitamin C machte <strong>die</strong> Männer<br />

schlapp <strong>und</strong> traurig. Nach einiger<br />

Zeit fielen den Matrosen <strong>die</strong> Zähne<br />

aus, <strong>und</strong> am Ende starben sie<br />

qualvoll. Vom Marinearzt <strong>James</strong> Lind<br />

wusste <strong>Cook</strong>, dass Zitrusfrüchte <strong>und</strong><br />

Gemüse gegen <strong>die</strong> Krankheit helfen<br />

könnten. Also ließ <strong>der</strong> Kapitän<br />

tonnenweise Zitronen <strong>und</strong> unver<strong>der</strong>bliches<br />

Sauerkraut bunkern. Mit<br />

dem Erfolg, dass tatsächlich keiner<br />

seiner Männer an Skorbut starb!<br />

38 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


Ooh!<br />

Ah!<br />

Oh<br />

nein!<br />

Am 14. Februar 1779 nahm das Leben des großen Entdeckers<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong> ein jähes Ende. Weil <strong>der</strong> Schiffsmast<br />

repariert werden musste, ließ <strong>Cook</strong> vor Hawaii ankern.<br />

Fasziniert vom Besitz <strong>der</strong> Fremden klauten <strong>die</strong> Ureinwohner<br />

alles, was nicht niet- <strong>und</strong> nagelfest war. Zornig setzte <strong>Cook</strong><br />

mit ein paar Soldaten auf <strong>die</strong> Insel über. Es kam zum Kampf, in<br />

dem <strong>der</strong> Kapitän starb. <strong>Cook</strong>s Leute waren schockiert, gaben<br />

aber nicht auf: Sie versuchten ein zweites Mal <strong>die</strong> Nordwestpassage<br />

zu finden – wie<strong>der</strong> vergeblich. Die Meeresstraße<br />

wurde erst 1906 von Roald Am<strong>und</strong>sen entdeckt.<br />

Trotzdem war <strong>Cook</strong>s letzte Reise kein Misserfolg. Er <strong>und</strong><br />

seine Mannschaft hatten nicht nur neue Län<strong>der</strong>, Kulturen,<br />

Tiere <strong>und</strong> Pflanzen kennen gelernt, son<strong>der</strong>n auch gezeigt, was<br />

nötig ist, um seinen persönlichen Horizont zu erweitern: Mut,<br />

Geduld <strong>und</strong> Disziplin – vor allem aber <strong>der</strong> Wille, niemals<br />

aufzugeben!<br />

ZWISCHEN EISSCHOLLEN IM AUGUST 1778<br />

Ich<br />

hoffe, wir kehren<br />

bald um <strong>und</strong> überwintern<br />

auf einer<br />

warmen Insel.<br />

Putzen,<br />

schrubben,<br />

scheuern – jeden Tag<br />

dasselbe! Und das schon<br />

seit Monaten. So eintönig<br />

hab ich mir das Seefahrerleben<br />

nicht vorgestellt.<br />

NORD-<br />

AME<br />

RIK<br />

A<br />

HAWAIIA Brrr!<br />

Dass es so schwierig<br />

ist, durchs Eis zu<br />

segeln, hätte ich nie<br />

geglaubt.<br />

Pazifik<br />

1777, MITTEN AUF DEM PAZIFIK<br />

SÜD -<br />

AME<br />

RIK<br />

IKA<br />

Nordwestpassage<br />

<strong>Cook</strong> unternahm insgesamt drei Reisen. Die letzte führte<br />

ihn <strong>und</strong> seine Leute in eisige Regionen. Sie suchten<br />

<strong>die</strong> Nordwestpassage, eine Meeresstraße, <strong>die</strong> im hohen<br />

Norden den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Die<br />

Briten wollten einen schnellen Zugang zu den Reichtümern<br />

Ostasiens finden. Doch das Unternehmen scheiterte:<br />

Den ganzen Sommer kämpften sie sich durch <strong>die</strong><br />

arktische See, doch das Eis versperrte ihnen den Weg.<br />

Die Kälte, Todesfälle <strong>und</strong> Schäden am Schiff trieben <strong>die</strong><br />

Besatzung an den Rand <strong>der</strong> Verzweiflung. Im Oktober<br />

1778 gab <strong>Cook</strong> auf. Im nächsten Sommer wollte er es<br />

wie<strong>der</strong> versuchen – doch dazu kam es nicht mehr …<br />

Ach, ich<br />

hätte so gerne mal<br />

ein echtes Känguru<br />

gesehen!<br />

Terra australis incognita<br />

Auf seiner ersten Reise hatte <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> einen geheimen<br />

Auftrag erhalten: »Ihr sollt gen Süden fahren,<br />

um den Kontinent zu entdecken.« Die britische Admiralität<br />

wollte <strong>die</strong> Terra australis incognita finden –<br />

den legendären Südkontinent, an dessen Existenz<br />

schon <strong>die</strong> alten Griechen geglaubt hatten. Doch wo<br />

<strong>Cook</strong> <strong>und</strong> seine Männer auch suchten, von riesigen<br />

Landmassen war keine Spur zu sehen. Stattdessen<br />

entdeckten sie <strong>die</strong> Ostküste Australiens, <strong>die</strong> neuseeländischen<br />

Inseln, Hawaii <strong>und</strong> viele an<strong>der</strong>e <strong>Südsee</strong>inseln<br />

– sowie zahllose unbekannte Pflanzen <strong>und</strong><br />

Tiere wie das Känguru. Die Terra australis incognita<br />

aber entpuppte sich als fixe Idee, als Mythos ohne<br />

wahren Kern.<br />

epoc.de 39


Die HMS<br />

Endeavour<br />

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Bugspriet<br />

Fockmast<br />

Kranbalken<br />

Anker<br />

Vor<strong>der</strong>deck<br />

Glocke<br />

Ankerwinde<br />

Galgen<br />

Hauptdeck<br />

Hauptluke<br />

Hauptmast<br />

Achterdeck<br />

Winde<br />

Deckskanone<br />

Steuerrad<br />

Kreuzmast<br />

Lüfterhorn<br />

Pinne<br />

Drehbasse<br />

Offiziersmesse<br />

Kabine von Joseph Banks<br />

Kabine von <strong>James</strong> <strong>Cook</strong><br />

Lobby<br />

Kabine von Charles Green (Astronom)<br />

Kabine eines <strong>der</strong> Zeichner<br />

Kabine eines <strong>der</strong> Künstler<br />

Kombüse<br />

Mannschaftsmesse<br />

Segelraum<br />

Kabine des Bootsmanns<br />

Lagerraum des Bootsmanns<br />

Magazin<br />

Proviant<br />

Vorräte des Stewards<br />

Kabine des Kanoniers<br />

Kabine des Schiffsarztes<br />

Kabine des 1. Offiziers<br />

Kabine des 2. Offiziers<br />

Kabine des Navigators<br />

Ru<strong>der</strong><br />

1<br />

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Schiffsdaten<br />

Typ: ...................................... Bark o<strong>der</strong> »Whitby Cat«:<br />

Kohlefrachter<br />

Werft: .................................. Thomas Fishburn, Whitby<br />

Stapellauf: ........................ 1764 als » Earl of Pembroke«<br />

Umbau: ............................. 1768: »HMS Endeavour«<br />

Kaufpreis (1768): ............ 2800 Pf<strong>und</strong><br />

Besatzung: ........................ 73 Mann, 12 Marinesoldaten<br />

9 Wissenschaftler<br />

Gesamtlänge: ................. 39,7 Meter<br />

Breite: ................................. 8,9 Meter<br />

Tiefgang: ........................... 3,4 Meter<br />

Gewicht: ............................ 900 Tonnen<br />

Segelfläche: ...................... 2777 Quadratmeter<br />

Geschwindigkeit: ........... 7 – 8 Knoten (13 – 15 Kilometer pro St<strong>und</strong>e)<br />

Zuladung: ......................... 600 Tonnen<br />

Bewaffnung: ................... 10 Deckskanonen <strong>und</strong> 12 Drehbassen<br />

40 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>


SCHIFF: MIT FRDL. GEN. DES ZEICHNERS DAVID HOBBS UND DES AUSTALIAN NATIONL MARITIME MUSEUM (BESITZER DES NACHBAUS DER HM BARK ENDEAVOUR); FIGUREN: EPOC / CONSTANZE SCHEIDEMANN, WIESBADEN<br />

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byzanz<br />

pracht <strong>und</strong> alltag<br />

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durch Konstantin den Großen bis zur<br />

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Einsendeschluss: 28. Februar 2010<br />

Frage: Die täglichen Rationen an<br />

Bord <strong>der</strong> »Endeavour« waren nicht<br />

üppig. Welche »Speise« wurde hungrigen<br />

Matrosen empfohlen?<br />

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inklusive Frühstück sowie <strong>der</strong> Eintritt in <strong>die</strong><br />

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42 epoc.de


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Afghanistans<br />

wie<strong>der</strong>entdeckte Schätze<br />

Die Sammlung des Nationalmuseums in Kabul<br />

11. Juni bis 3. Oktober 2010 in Bonn<br />

œ K U N S T - U N D A U S S T E L L U N G S H A L L E D E R B U N D E S R E P U B L I K D E U T S C H L A N D

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