Kommunale Ressourcen gegen Kinderarmut - Verlag Neue Praxis
Kommunale Ressourcen gegen Kinderarmut - Verlag Neue Praxis
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Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
np<br />
5/2012<br />
Ursula Winklhofer/Thomas Schübel<br />
<strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong>:<br />
Handlungsspielräume für Soziale Arbeit<br />
<strong>Kinderarmut</strong> in Deutschland ist in den vergangenen Jahren in vielen einschlägigen<br />
Publikationen thematisiert und problematisiert worden (vgl. für einen Überblick<br />
Holz et al., 2010; Zander, 2010). Als sozialpolitischer Sprengstoff erwächst daraus<br />
die Gefahr einer »sozialen Spaltung« in den Kommunen (Hanesch, 2011). Im<br />
Hinblick auf die kommunale Sozialverwaltung zeigen sich vielfache Versuche<br />
einer stärkeren Sozialraumorientierung (Dahme et al., 2011). Um wirkungsvoll<br />
auf den Entstehungsprozess und auf die Auswirkungen von <strong>Kinderarmut</strong> in den<br />
Kommunen Einfluss nehmen zu können, sollten Konzepte Sozialer Arbeit nicht nur<br />
lebensweltorientiert ausgerichtet sein, sondern auch gesellschaftlich-strukturelle<br />
Bezüge berücksichtigen, wie von Thiersch (2008) wiederholt betont. Wir stellen im<br />
Folgenden Ergebnisse einer empirischen Studie am Deutschen Jugendinstitut 1 vor,<br />
in der es um erfolgreiche Strategien von Kommunen im Umgang mit <strong>Kinderarmut</strong><br />
geht. Die Ergebnisse zeigen Möglichkeiten zur Verzahnung von Politik, Verwaltung<br />
und Sozialer Arbeit auf und wie sich daraus Handlungsspielräume im Umgang mit<br />
<strong>Kinderarmut</strong> sowie für die Kinder selbst ergeben.<br />
Wir werden zunächst (1) kurz skizzieren, inwiefern <strong>Kinderarmut</strong> gerade ein<br />
kommunales Problem darstellt und anschließend (2) unser methodisches Vorgehen<br />
beschreiben. In diesem Zusammenhang werden wir auch die in die Studie aufgenommenen<br />
Kommunen kurz beschreiben. Danach werden wir (3) aus unseren<br />
qualitativen Daten diejenigen Strategien herausfiltern, welche den Kommunen<br />
Handlungsspielräume eröffneten für ihr Vorhaben, <strong>Kinderarmut</strong> in der Kommune<br />
aktiv zu begegnen. Wir werden dazu Thesen generieren, die in obigem Sinne<br />
als Erfolgskriterien gelten können. Wir werden (4) im Anschluss an die Thesen<br />
verdeutlichen, dass diese Strategien zumindest die Voraussetzung bieten, armen<br />
Kindern mehr <strong>Ressourcen</strong> zur Verfügung zu stellen. Im Anschluss (5) werden wir<br />
zeigen, was dies für Politik, Verwaltung und Soziale Arbeit bedeutet.<br />
Studie des<br />
Deutschen<br />
Jugendinstituts<br />
1 Die Studie wurde im Rahmen des DJI-Projektes »Wissenschaftliche Begleitung des Nationalen<br />
Aktionsplans ›Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010‹« durchgeführt. In den ausgewählten<br />
Kommunen führten wir Interviews mit politisch und fachlich Verantwortlichen, sowie<br />
mit pädagogischen Fachkräften »an der Basis«, also in unterschiedlichen Einrichtungen oder<br />
Initiativen. Ergänzend führten wir Expertengespräche sowie teilnehmende Beobachtungen durch<br />
und sichteten eine Fülle von schriftlichen Materialien (z.B. Selbstbeschreibungen der Kommune<br />
bzw. einzelner Projekte).<br />
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<strong>Kommunale</strong><br />
Armutsprävention<br />
Kindbezogene<br />
Armutsprävention<br />
1 <strong>Kinderarmut</strong> als kommunales Problem<br />
Kinder und Jugendliche in armen 2 Familien leben nicht nur mit knappen materiellen<br />
Möglichkeiten, sondern erfahren gerade auch in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe<br />
und ihren persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten Einschränkungen. Armutsprävention<br />
auf der kommunalen Ebene kann nur begrenzt die Einkommensarmut von<br />
Eltern und ihren Kindern verhindern – über die Regelsätze der Sozialtransfers wird<br />
auf Bundesebene entschieden. Auf der kommunalen Ebene werden jedoch vielfältige<br />
Angebote und ihre Zugangsmöglichkeiten gestaltet, z. B. im Bereich von Bildung<br />
und Gesundheit, Kultur und Freizeit, Sport und Vereinsleben. Armutsprävention auf<br />
der kommunalen Ebene bedeutet also vielfach, die Folgen zu geringer Geldmittel<br />
zu bekämpfen (vgl. Löher, 2010). Folgt man dem Stufenmodell von Zander (2008,<br />
128 f.), so entspricht dies der Sekundärprävention: Es sind bereits individuelle oder<br />
familiäre Armutsrisiken eingetreten und es gilt, akute oder potenzielle Folgen der<br />
Gefährdung abzuwehren (z.B. durch Angebote der Berufsförderung, Beratung,<br />
kostenfreie Angebote der frühen und außerschulischen Bildung). Dem<strong>gegen</strong>über<br />
richtet sich die Primärprävention darauf, Armut grundsätzlich zu vermeiden durch<br />
erweiterte Zugangsmöglichkeiten zu entsprechenden <strong>Ressourcen</strong> wie Einkommen,<br />
Erwerbsarbeit, Bildung etc. Tertiäre Prävention bedeutet in diesem Kontext,<br />
Vorkehrungen zu treffen, um die Verfestigung von Armut oder einer »sozialen«<br />
Vererbung über Generationen abzuwenden.<br />
In vielen Kommunen gibt es einzelne Initiativen, um benachteiligte Kinder und<br />
Jugendliche zu unterstützen. Die unterschiedlichen Leistungen innerhalb einer<br />
Kommune sind jedoch zumeist nicht systematisiert oder in eine Gesamtplanung<br />
eingebunden. Kindbezogene Armutsprävention als umfassendes Konzept folgt<br />
da<strong>gegen</strong> dem Ansatz, die gesamte Lebenssituation von Kindern und ihren Familien<br />
in den Blick zu nehmen und von der Kindperspektive auszugehen. Leitorientierung<br />
ist ein »Aufwachsen im Wohlergehen« für alle Kinder und Jugendlichen (vgl. Holz,<br />
2010b: 114). Hauptziel dabei ist es, kindspezifische Armutsfolgen zu vermeiden<br />
bzw. zu begrenzen und Ursachen auf Seiten der Eltern/Familie und des Umfeldes<br />
positiv zu beeinflussen. Sie wirkt demnach sowohl indirekt durch eltern- und<br />
familienorientierte oder sozialraumbezogene Maßnahmen als auch direkt durch<br />
kindorientierte Maßnahmen. Eine (sozial)pädagogische Handlungsperspektive auf<br />
diesen drei Ebenen beinhaltet auch das Resilienzkonzept, mit dem sich Zander<br />
(2008) im Hinblick auf Armutsprävention intensiv auseinandersetzt: Die Analyse<br />
2 Es gibt keinen fachlichen Konsens darüber, wie <strong>Kinderarmut</strong> letztlich zu definieren sei. Ein Problem<br />
dürfte sein, dass sich empirische Forschung und normative Interessen hier nur schwer trennen<br />
lassen. Selbst für eine scheinbar objektiv-statistische Annäherung an das Phänomen <strong>Kinderarmut</strong><br />
über das zur Verfügung stehende (Familien-) Einkommen bedarf es der Normierung einer Grenze, ab<br />
der Kinder und ihre Familien als arm gelten sollen (vgl. zu den verschiedenen Konzepten, Armut zu<br />
definieren Chassé et al., 2010). Nach der EU-Armutsrisikogrenze gilt ein Haushalt als arm, wenn er<br />
über weniger als 60% des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens (Median) verfügen kann<br />
(Holz, 2010a). Diese Grenze wird jedoch häufig auch niedriger angesetzt bei 50% des Äquivalenzeinkommens<br />
(vgl. z.B. Bertram et al., 2010). Beisenherz (2005) unterscheidet zwischen strenger<br />
Armut (unter 40% des Medianeinkommens [MEK]), armen (40-50% MEK) und armutsgefährdeten<br />
(50-60% MEK) Haushalten. Im Kontext kommunaler Programme gilt als Armutsdefinition häufig<br />
der Anspruch auf Sozialtransfers (nach SGB II und SGB XII, teilweise auch Kinderzuschlag oder<br />
Wohngeld), so dass nach diesen Kriterien der Zugang zu spezifischen Angeboten und Vergünstigungen<br />
geregelt wird.<br />
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von Risiko- und Schutzfaktoren setzt sowohl beim Kind selbst, in seinem unmittelbaren<br />
sozialen Umfeld (Familie/Ersatzfamilie) sowie in seinem weiteren sozialen<br />
Umfeld (Nachbarschaft, Kita, Schule usw.) an.<br />
Kindbezogene Armutsprävention reagiert nicht nur auf einzelne Defizite in der<br />
Gegenwart, sondern entwickelt gleichzeitig eine Zielperspektive für die Zukunft,<br />
um das Entstehen verfestigter Ausgrenzung zu verhindern. Ein Modell dafür ist<br />
die »Lebensbiografische Präventionskette«, die als Vorreitermodell in der Stadt<br />
Monheim initiiert wurde und alle Bildungseinrichtungen von der Krippe bis zur<br />
Berufs(aus)bildung untereinander sowie mit weiterführenden Beratungsangeboten<br />
vernetzt (Berg, 2010).<br />
Nach Gintzel et al. (2008) können Ansätze von Kommunen im Umgang mit<br />
<strong>Kinderarmut</strong> hinsichtlich ihrer kommunalpolitischen Zielsetzung und Reichweite<br />
in vier verschiedene Typen unterschieden werden: (1) kommunalpolitische Gesamtstrategie,<br />
in der alle Politikbereiche systematisch ineinander greifen in Hinblick<br />
auf die Lebenslagen von Kindern; (2) direkte Verbesserung der materiellen<br />
Situation der betroffenen Kinder (z.B. durch Kostenfreistellung für den ÖPNV,<br />
kostenlose Nutzung kommunaler Einrichtungen etc., (anteilige) Übernahme von<br />
Mitgliedsbeiträgen für Vereine, insbesondere Sport und musisch-kulturell; (3)<br />
Förderung entlastender Projekte und Ansätze (Durchführung von Gesundheitsprojekten<br />
in Kooperation mehrerer Institutionen und stadtteilvernetzt, Aufbau<br />
zusätzlicher Förderangebote im Bereich Bildung, Herabsetzung der materiellen<br />
Zugangsvoraussetzungen zu Bildungs- und Kulturangeboten); (4) Verbesserung der<br />
sozialen Infrastruktur (Förderung sozialer Netzwerke mit dem Ziel, die Kontakte<br />
der Menschen zu fördern und damit <strong>Ressourcen</strong> für arme Kinder zur Verfügung<br />
zu stellen; Schaffung, Förderung, Professionalisierung dezentraler Beratungsangebote).<br />
Die vier unterschiedlichen Strategien unterscheiden sich vor allem darin,<br />
welche <strong>Ressourcen</strong> sie in welchem Umfang zur Verfügung stellen. Erfahrungen mit<br />
dem sog. »Bildungs- und Teilhabepaket« der Bundesregierung kamen in der Studie<br />
noch nicht zum Tragen, da die Erhebung vor der Einführung Anfang des Jahres<br />
2011 stattfand. Allerdings umfassen die untersuchten kommunalen Programme<br />
auch jene Angebote, zu denen in Armut lebende Kinder mit Hilfe des »Bildungsund<br />
Teilhabepakets« leichter Zugang finden sollen: Mitgliedsbeiträge in den Bereichen<br />
Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit; Unterricht in künstlerischen Fächern<br />
und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung; Teilnahme an<br />
Freizeiten (vgl. Apel et al., 2012).<br />
Betrachtet man die unterschiedlichen kommunalen Handlungsansätze eher aus<br />
dem Blick der Kinder und Jugendlichen, so kann man fragen, welche Handlungsspielräume<br />
sich aus den jeweiligen Strategien für Kinder und Jugendliche konkret<br />
ergeben. Chassé et al. (2010, mit Bezug auf Krieger et al., 1987) unterscheiden<br />
aus der Kindperspektive zwischen fünf unterschiedlichen Bereichen: Einkommens-<br />
und Versorgungsspielraum, Lern- und Erfahrungsspielraum, Kontakt- und<br />
Kooperationsspielraum, Regenerations- und Mußespielraum, Dispositions- und<br />
Entscheidungsspielraum.<br />
Die Aktivierung kommunaler <strong>Ressourcen</strong> garantiert noch nicht, dass Kinder<br />
befähigt werden, ihre Spielräume zu erweitern. Der kritische Blick auf Art und<br />
Umfang der <strong>Ressourcen</strong>, welche eine Kommune willens und fähig ist einzusetzen,<br />
gibt jedoch einen ersten wichtigen Hinweis darauf, ob ein kommunales Programm<br />
<strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> überhaupt eine realistische Chance hat, wahrgenommen und<br />
<strong>Kommunale</strong><br />
Strategien<br />
<strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
Handlungsspielräume<br />
für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
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Strukturen<br />
der Hilfeleistung<br />
Best-Practice-<br />
Kriterien<br />
Forschungsfrage<br />
angenommen zu werden. Apel und Engels (2012) resümieren in ihrem Abschlussbericht<br />
»Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen im unteren Einkommensbereich«<br />
neben vielen im Sinne des Gesetzgebers positiven Ergebnissen, dass<br />
viele Leistungsberechtigte das »Bildungs- und Teilhabepaket« gar nicht kennen<br />
bzw. zu dessen Nutzung einer Beratung bedürfen, welche im Rahmen einer solchen<br />
anlassbezogenen Leistung gar nicht vorgesehen ist. Weil die Erreichbarkeit der<br />
Zielgruppe in deren Lebenswelt immer eine große Herausforderung für Soziale<br />
Arbeit darstellt (Thiersch, 2008), hatte unser Projekt von Anfang an die Zielrichtung,<br />
keine einzelnen Maßnahmen oder Leistungen für in Armut lebende Kinder<br />
und Jugendliche zu untersuchen, sondern solche kommunale Programme, welche<br />
bei den Strukturen der Hilfeleistung selbst ansetzen.<br />
2 Methode<br />
Für die Suche nach Kommunen entlang der oben dargestellten Kriterien führten<br />
wir zwei ausführliche Expertinnen-Interviews 3 . Die Auswertung der Interviews<br />
ergänzt durch eine ausführliche Internet-Recherche ergab eine Auswahl von<br />
Kommunen, die unsere »Best-Practice«-Kriterien erfüllten. Mit dieser theoriegeleiteten<br />
Auswahl sollte erreicht werden, gerade solche Kommunen zu beforschen,<br />
die nicht mit einfachen Antworten auf die komplexe Problematik <strong>Kinderarmut</strong><br />
reagieren, sondern möglichst vielschichtig und an der kindlichen Lebenswelt orientiert<br />
handeln.<br />
Die ausgewählten Kommunen legten ihre Anstrengungen <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> als<br />
breite kommunalpolitische Gesamtstrategie an – im Sinne von Kategorie (1) der<br />
oben zitierten Kriterien von Gintzel et al. (2008). Ein ressortübergreifendes kommunales<br />
Programm wurde in Augsburg, Nürnberg und Dortmund konzipiert. Wir<br />
haben darüber hinaus zwei Kommunen einbezogen, die – im Sinne von Kategorie<br />
(3) – innerhalb eines Ressorts einen Projektschwerpunkt setzen, ihre Maßnahmen<br />
aber innerhalb dieses Schwerpunkts sehr breit anlegen (Schulsozialarbeit in Wiesbaden,<br />
verbunden mit umfassenden Strategien zur Sicherung der Bildungsteilhabe<br />
von sozial benachteiligten Kindern (vgl. Hock et al., 2010); »Bildungslandschaft«<br />
in Mühlhausen/Thüringen, verbunden mit einem beginnenden übergreifenden<br />
Vernetzungsprozess).<br />
In Anlehnung an die Arbeiten von Zander zum Zusammenhang zwischen<br />
Resilienzfaktoren und <strong>Kinderarmut</strong> (Zander, 2008; 2010) sollten sich möglichst<br />
alle in die Studie einbezogenen Kommunen an folgenden (sozial)pädagogischen<br />
Handlungsansätzen orientieren: direkte (sozial)pädagogische Arbeit mit Kindern<br />
und Jugendlichen, die explizite Einbeziehung der Eltern und Familien sowie stadtteilbezogene<br />
Vernetzungsarbeit. Als übergreifende Handlungsprinzipien waren<br />
somit Sozialraumorientierung, Vernetzung der Akteure und Selbstbemächtigung<br />
im Sinne von Empowerment relevante Kriterien (Gintzel et al., 2008).<br />
Die vorliegende Studie stellt keine Evaluation dar, sondern setzt die grundsätzliche<br />
(relative) Qualität der Ansätze im Sinne der eben beschriebenen Kriterien<br />
bereits voraus. Die Forschungsfrage lautete: Wie schaffen es die Kommunen, über<br />
einen längeren Zeitraum trotz knapper Finanzen und struktureller Zwänge um-<br />
3 Wir danken Prof. Dr. Margarete Zander von der Fachhochschule Münster und Gerda Holz vom<br />
Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. in Frankfurt a. M.<br />
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fangreiche Programme <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> umzusetzen und dabei Hilfe effektiver<br />
zu gestalten?<br />
Die Feldphase des Projekts dauerte vom Herbst 2009 bis zum Herbst 2010. Im<br />
Zentrum der Erhebung stand die Durchführung leitfadengestützter qualitativer<br />
Experteninterviews in Verbindung mit einem Besuch ausgewählter Einrichtungen<br />
oder Initiativen der Kommune. In der Interviewführung wurden einzelne Elemente<br />
narrativer Interviews einbezogen, insbesondere durch Beginn des Interviews mit<br />
einer offenen Eingangsfrage. Die Interviews wurden unter anderem im Rahmen von<br />
zwei zweitägigen Forschungswerkstätten interpretiert. Dabei ging es zum einen um<br />
das Wissen und die Einschätzungen der Interviewpartner/innen und zum anderen<br />
um dessen subjektive Bedeutung für das eigene Alltagshandeln, wie es vor allem<br />
in der Verbindung von Erzählung und Argumentation offensichtlich wird. 4 Die<br />
Interviewpartner/innen stammen aus Politik, Verwaltung und Sozialer Arbeit vor<br />
Ort (z.B. Stadtverwaltung, Behörde, Schule, Kindertageseinrichtungen).<br />
Bei einer Vielzahl von kommunalen Anstrengungen <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> ist deren<br />
Strategieansatz von außen kaum ersichtlich, geschweige denn dokumentiert. Diese<br />
Kommunen entsprachen somit nicht unseren Auswahlkriterien. Im Verlauf unserer<br />
Recherche wurde deutlich, dass die »Leuchttürme« schnell zu finden waren, dass<br />
wir in unseren Recherchen immer wieder auf diejenigen Kommunen stießen, die<br />
schon als besonders engagiert bekannt waren. Dazu zählt auch die bereits erwähnte<br />
Stadt Monheim, die wir allerdings nicht in unsere Studie aufgenommen haben, weil<br />
es zum Ansatz Monheims <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> bereits umfangreiche Forschungsliteratur<br />
gibt (vgl. Orosz, 2005; Holz, 2010b).<br />
2.1 Skizze der ausgewählten Kommunen<br />
Folgende kommunale Beispiele wurden in die<br />
Studie einbezogen: Die Stadt Augsburg (ca.<br />
268.000 Einwohnerinnen und Einwohner) hat<br />
die 2005 anstehende Umstrukturierung des<br />
Sozialamtes sowie die Initiative des damaligen<br />
Sozialdezernenten für bürgerschaftliches Engagement<br />
genutzt, um eine innovative Ausrichtung<br />
und neue Vernetzungen in der Armutsprävention<br />
auf den Weg zu bringen. Das Besondere am<br />
Augsburger Modell ist, dass die Sozialbehörde<br />
nicht nur mit sozialen Trägern kooperiert,<br />
sondern in ihrer eigenen Herangehensweise<br />
versucht, nachhaltig Armut zu verringern. Zu<br />
diesem Zweck wurde von Amtsseite eine Reihe<br />
von städtischen Projekten gegründet. Im »Sozialpatenprojekt«<br />
unterstützen Ehrenamtliche<br />
vor Ort in sogenannten Sozialregionen die Hilfebedürftigen<br />
bei behördlichen Angelegenheiten<br />
sowie im Umgang mit Schuldenproblemen. Das<br />
Projekt »Kinderchancen« bietet in Kooperation<br />
mit einem Förderverein unbürokratische finanzielle<br />
Hilfen, die direkt Kindern und Jugendlichen<br />
zugutekommen. Zielgruppe sind die Kinder<br />
selbst, nicht die Bedarfsgemeinschaften als<br />
Sozialgeldempfänger. Einen Schwerpunkt<br />
bildet dabei die individuelle Förderung von<br />
armen Kindern im sozio-kulturellen Bereich.<br />
Neben der Finanzierung von Schulmaterial und<br />
Nachhilfestunden werden (über die gesetzlich<br />
geregelten Betreuungserfordernisse hinaus)<br />
städtisch finanzierte Räume zur Verfügung gestellt,<br />
in denen Kinder abseits ihres belasteten<br />
familiären Umfeldes in Ruhe lernen können. Die<br />
soziale Integration von armen Kindern wird vor<br />
allem hinsichtlich der Möglichkeit gefördert, in<br />
Vereinen Sport zu treiben und an musischen<br />
Angeboten teil zu haben. Die Förderung reicht<br />
von der Übernahme des Mitgliedsbeitrags bis<br />
zur Erstausstattung mit Sportartikeln bzw. der<br />
Finanzierung eines Musikinstruments. Ein neues<br />
Modellprojekt »Kleine Hilfen« bietet praktische<br />
Hilfe von Ehrenamtlichen im Alltag, etwa die<br />
Reparatur eines kaputten Türscharniers. Damit<br />
können oft weitaus höhere Folgekosten und<br />
damit einhergehende soziale Problemlagen<br />
vermieden werden. Alle Projekte sind direkt im<br />
Amt für soziale Dienstleistungen angesiedelt<br />
und werden dort koordiniert und betreut. Der<br />
Qualitativer<br />
Zugang<br />
Augsburg<br />
4 Wir danken Prof. Dr. Werner Schefold für die Durchführung zweier Forschungswerkstätten, in<br />
deren Rahmen wir mit ihm gemeinsam das Interviewmaterial strukturiert und gleichberechtigt<br />
interpretieren konnten.<br />
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Dortmund<br />
Nürnberg<br />
Erfolg des Augsburger Programms zeigt sich<br />
darin, dass <strong>Kinderarmut</strong> nicht nur verwaltet wird,<br />
sondern unter breiter bürgerschaftlicher Beteiligung<br />
Teilhabechancen teilweise kompensiert<br />
werden können. Die Inanspruchnahme von Hilfe<br />
im Rahmen des Projekts »Kinderchancen« durch<br />
Betroffene stieg von 2005 bis 2007 um mehr als<br />
das Doppelte. 5<br />
Initialzündung in Dortmund (ca. 580.000<br />
Einwohnerinnen und Einwohner) war die Entscheidung,<br />
die Ergebnisse einer Studie zur<br />
Sozialstruktur der Stadt öffentlich zu machen.<br />
Diese Veröffentlichung sollte jedoch direkt mit<br />
einem Maßnahmenplan von aufeinander abgestimmten<br />
Aktivitäten zur Armutsprävention<br />
verbunden werden. Im Zuge des »Aktionsplans<br />
Soziale Stadt Dortmund« wurden ressortübergreifende<br />
Kooperationen in der Stadtverwaltung<br />
eingerichtet. Ein zentrales Ziel ist die Bekämpfung<br />
der <strong>Kinderarmut</strong>, eine starke Betonung<br />
liegt auf dem frühkindlichen Bildungsbereich.<br />
Gemeinsam mit einer Grundschule wurde das<br />
Projekt »Aufwachsen im sozialen Brennpunkt:<br />
Kinderstube im Wohnblock« ins Leben gerufen.<br />
Dieses soll gewährleisten, dass insbesondere<br />
Kleinkinder mit Migrationshintergrund altersgemäße<br />
Sprachkenntnisse erwerben und der<br />
Übergang in Kindergarten und Grundschule<br />
erleichtert wird. Durch ein spezielles Finanzierungsmodell<br />
kann eine überdurchschnittliche<br />
Tagesmutter-Kind-Relation von 1 zu 3 erreicht<br />
werden. Die Eltern der Kinder werden persönlich<br />
angesprochen, der nachbarschaftliche Kontakt<br />
soll den rein behördlichen Kontakt ersetzen.<br />
Neben den Tagesmutter-Einrichtungen im<br />
Rahmen der »familienergänzenden Bildungseinrichtungen<br />
in Dortmund« (FABIDO) finanziert<br />
die Stadt auch kleinere Projekte in Kooperation<br />
mit Schulen, etwa ein Schulfrühstück. Durch die<br />
Verzahnung von Schule, Sozialhilfe, Jugendhilfe<br />
und Stadtentwicklung wird es möglich, auch<br />
unkonventionelle Projekte umzusetzen, etwa die<br />
Erstellung eines »Angst-Atlas« unter Beteiligung<br />
von Kindern und Jugendlichen. Dabei ging es um<br />
die Wahrnehmung des öffentlichen Raums durch<br />
die Kinder und Jugendlichen und Maßnahmen für<br />
deren subjektive und objektive Sicherheit. Die<br />
Stadt ist in »Aktionsräume« eingeteilt, in denen<br />
Kinder, Jugendliche und Eltern mit weiteren<br />
Projekten angesprochen werden. Bürgerbeteiligung<br />
spielt eine wichtige Rolle. Der Erfolg des<br />
Dortmunder Programms zeigt sich zum Beispiel<br />
in der Beteiligung schwer zu erreichender Zielgruppen<br />
(z.B. Eltern mit Migrationshintergrund).<br />
In diesem Zusammenhang ist auch der aktuelle<br />
Ausbau von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren<br />
zu sehen. Ein weiterer Erfolg besteht<br />
in den verbesserten Übergängen von armen<br />
Kindern in weiterführende Bildungseinrichtungen<br />
und in der starken bürgerschaftlichen und<br />
institutionellen Beteiligung. 6<br />
Nürnberg (ca. 503.000 Einwohnerinnen und<br />
Einwohner) hat ein integriertes Gesamtkonzept<br />
mit dem Ziel der »Verbesserung von Kinderchancen<br />
und Verringerung der Kinder- und<br />
Familienarmut« entwickelt. Als übergreifende<br />
Aufgaben hat sich die Stadt zum Ziel gesetzt,<br />
die Infrastruktur auszubauen (von den Frühen<br />
Hilfen über Kitas bis zur Familienbildung) und<br />
die qualifizierte Erwerbstätigkeit für Eltern zu<br />
fördern. Handlungsfelder sind außerdem die<br />
Initiative »Jedem Kind eine helfende Hand«<br />
mittels Hilfen zur Erziehung und ehrenamtlicher<br />
Patenschaften sowie innovative Hilfeangebote<br />
wie »Stadtteilmütter«. Die Maßnahmen <strong>gegen</strong><br />
<strong>Kinderarmut</strong> werden darüber hinaus verstanden<br />
als Förderung der demokratischen Teilhabe von<br />
Kindern, der Stärkung ihrer Fähigkeiten und ihres<br />
Empfindens von Selbstwirksamkeit. So gibt es<br />
etwa im sozial benachteiligten Stadtteil Gibitzenhof<br />
einen Stadtteilladen, der eng vernetzt<br />
mit Vermietern, Kinder- und Jugendeinrichtungen<br />
kooperiert. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes<br />
ist vor Ort tätig und organisiert Unterstützung<br />
eher als Nachbarschaftshilfe denn als behördliche<br />
Hilfe. Der Stadtteilladen fungiert sowohl<br />
als Büro als auch als Ort für Familienfeiern und<br />
Kochkurse. Es besteht eine enge Verzahnung<br />
mit einer »Lern- und Spielstube«, in der Kinder<br />
unterschiedlichen Alters betreut werden. Die<br />
Einrichtung bietet Ganztagsbetreuung für die<br />
Kleinen und Nachmittagsbetreuung für Schulkinder,<br />
um jenseits beengter und belasteter<br />
Wohnverhältnisse einen Raum für Lernen und<br />
Spielen zu ermöglichen. Die Kinder können in der<br />
Einrichtung essen. Die Beteiligung der Eltern ist<br />
hoch, die Schwelle zur Herstellung von Kontakt<br />
zum Jugendamt ist im Bedarfsfall niedrig. Auch<br />
in anderen sozial benachteiligten Stadtteilen<br />
steht die Verzahnung von Hilfe mit den Familien<br />
im Vordergrund. Schulen und Kindertageseinrichtungen<br />
wurden deshalb schrittweise zu<br />
Familienzentren ausgebaut. Beispielsweise<br />
werden in einer Kindertageseinrichtung Mitar-<br />
5 Vgl. den »2. Bericht über das Projekt Kinderchancen der Stadt Augsburg« aus dem Jahr 2008 unter<br />
http://www.armutspraevention.augsburg.de.<br />
6 Vgl. »Gremienbericht_’Aktionsplan_Soziale Stadt’ Stand_Maerz 2011« unter http://www.dortmund.<br />
de/de/rathaus_und_buergerservice/lokalpolitik/aktionsplan_soziale_stadt/startseite_aktionsplan/index.html<br />
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Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
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beiter behördlicher Dienststellen eingeladen,<br />
eine Kinderärztin hält Sprechstunde ab oder<br />
eine Realschullehrerin bietet einen Deutschkurs<br />
an bei Kaffee und Kuchen. Die aktive Beteiligung<br />
und niedrigschwellige Unterstützung wird stark<br />
betont. Die institutionelle Verzahnung von<br />
Jugendhilfe, Sozialhilfe und Bildung zeigt sich<br />
auch in personellen Überschneidungen. So leitet<br />
eine langjährige Mitarbeiterin des Jugendamtes<br />
nun vor Ort ein solches Familienzentrum, was im<br />
Bedarfsfall kurze Wege zu behördlichen Stellen<br />
ermöglicht. Als Erfolg des Nürnberger Programms<br />
kann gelten, dass die Sozialen Dienste die<br />
betroffenen Kinder und deren Eltern viel besser<br />
erreichen. Dass Eltern unter diesen Bedingungen<br />
Hilfen für ihre Kinder verstärkt annehmen, konnte<br />
in einer Studie für Nürnberg gezeigt werden. 7<br />
Mühlhausen (in Thüringen, ca. 36.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohner) ist dabei, eine<br />
eigene Gesamtstrategie <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> zu<br />
entwickeln. Die relative Wirtschaftsschwäche der<br />
Region führt zu einer erhöhten Armutsquote bei<br />
Kindern und Jugendlichen und trägt außerdem<br />
zu einer hohen Abwanderungsrate bei. Bislang<br />
war das Hilfesystem zur Bekämpfung von <strong>Kinderarmut</strong><br />
in Mühlhausen noch wenig vernetzt:<br />
Die Maßnahmen waren auf unterschiedliche<br />
Träger verteilt, ohne dass eine gemeinsame<br />
kommunale Strategie für die Prävention bzw.<br />
Bekämpfung von <strong>Kinderarmut</strong> bestand. Dies hat<br />
die Kommune erkannt und sich dem Thüringer<br />
Bildungsmodell »<strong>Neue</strong> Lernkultur in Kommunen«<br />
(nelecom) angeschlossen. Ein Netzwerk aus<br />
haupt- und ehrenamtlichen Akteurinnen und<br />
Akteuren wurde ins Leben gerufen, das den<br />
Informationsaustausch fördern, Lücken in der<br />
Angebotsstruktur aufspüren und entsprechende<br />
Strategien und Maßnahmen planen will: »Mühlhäuser<br />
Netzwerk zur <strong>Kinderarmut</strong>sprävention«.<br />
Generelles Ziel ist die Bereitstellung vernetzter<br />
und bedarfsorientierter Hilfen. Zugrunde liegt ein<br />
explizit als solches benanntes »Lebenswelten-<br />
Konzept«. So werden etwa beim Bildungswerk<br />
der Thüringischen Wirtschaft in Armut lebende<br />
Eltern nicht nur arbeitsmarktbezogen, sondern<br />
auch gezielt in ihren Handlungskompetenzen<br />
mit Blick auf ihre Kinder unterstützt. Das umfasst<br />
haushaltsbezogene Alltagskompetenzen ebenso<br />
wie die kreative Erweiterung kindgerechter<br />
Spielideen. In diesem Rahmen finden auch mit<br />
den Kindern gemeinsame Veranstaltungen und<br />
Festivitäten statt. Im Rahmen von Freiwilligen-<br />
Projekten (»Brückenbauer«) und unter dem Dach<br />
eines Mehrgenerationenhauses werden gezielt<br />
Angebote für benachteiligte Kinder und Jugendliche<br />
organisiert. Der Erfolg des Mühlheimer<br />
Programms kann mittlerweile auch aus den Evaluationsergebnissen<br />
bezüglich »nelecom« abgelesen<br />
werden. Demnach können benachteiligte<br />
Kinder und Jugendliche kommunale <strong>Ressourcen</strong><br />
besser nutzen und für ihre eigene z.B. schulische<br />
Entwicklung positiver nutzen. 8<br />
Die Stadt Wiesbaden (ca. 277.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohner) verfügt über ein Amt für<br />
Soziale Arbeit, in dem sowohl Jugend- als auch<br />
Sozialhilfe angesiedelt sind und eng kooperieren.<br />
Wiesbaden ist auch Optionskommune 9 und<br />
ermöglicht damit eine enge Kopplung der Bereiche<br />
»Grundsicherung« und »Kinder- und Jugendhilfe«.<br />
Diese Koppelung führt zu einem hohen<br />
Bewusstsein für das Thema <strong>Kinderarmut</strong>. Ein<br />
Ziel des Amtes ist eine bessere Ausbildung der<br />
nachwachsenden Generation, damit diese nicht<br />
in der Armut bleibt oder in sie hineinrutscht. Aus<br />
diesem Grund liegt der Fokus seit über zehn<br />
Jahren auf dem Übergang von Schule zu Beruf<br />
und wird jetzt erweitert auf das Thema Frühe<br />
Förderung und Chancen der Bildungsteilhabe.<br />
Der gelungene Übergang von der Schule in den<br />
Beruf wird durch eine gut etablierte Vernetzung<br />
zwischen Hauptschulen und Schulsozialarbeit<br />
unterstützt. Schulsozialarbeit wird hier nicht<br />
als eine Maßnahme unter vielen verstanden, die<br />
neben der Schule her angeboten wird, sondern<br />
sie soll alle Schülerinnen und Schüler erreichen.<br />
Da sie konzeptionell in den Schulalltag integriert<br />
wurde, ist sie zum festen Bestandteil der Schulentwicklung<br />
geworden. Als ein wichtiges Instrument<br />
der Schulsozialarbeit ist das Kompetenz-<br />
Entwicklungs-Programm (KEP) entstanden. Ziel<br />
ist die Erlangung der Hauptschulreife und der<br />
Übergang in eine Ausbildung oder eine andere<br />
passende zielführende Maßnahme nach dem<br />
Verlassen der Schule. Im Rahmen von KEP wurde<br />
zum Beispiel in den 7. Klassen der Hauptschulen<br />
ein Fokus auf soziales Lernen gesetzt. Es gibt<br />
ehrenamtliche »Integrationslotsen«, die bei<br />
schwierigen Gesprächen helfen. Außerdem<br />
wurden »Übergabekonferenzen« eingerichtet,<br />
um die Jugendlichen kontinuierlich zu betreuen<br />
Wiesbaden<br />
Mülhausen<br />
7 Vgl. die Studie von Werner Wüstendörfer im Auftrag der Stadt Nürnberg: http://www.nuernberg.<br />
de/imperia/md/sozialreferat/dokumente/befragung_nuernberg_pass.pdf<br />
8 Vgl. http://www2.uni-jena.de/svw/devpsy/projectw/nele.html, auch in: Weichold, K. et al. (2007).<br />
Positive Jugendentwicklung und Prävention. In B. Röhrle (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung<br />
für Kinder und Jugendliche (S. 103-126). Tübingen<br />
9 Eine Optionskommune übernimmt freiwillig den Bereich des SGB II von der Bundesagentur für<br />
Arbeit und ist somit auch für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II zuständig.<br />
435
np<br />
5/2012 Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
beim Übergang zwischen Bildung und Beruf.<br />
Der Erfolg des Wiesbadener Programms zeigt<br />
sich vor allem in erhöhten Schulabschluss- und<br />
Ausbildungsquoten. Es ist Teil der Initiative<br />
»Kompetenzagenturen« des Bundesministeriums<br />
für Familie, Frauen und Jugend, für die eine<br />
umfangreiche Dokumentation vorliegt. 10<br />
3 <strong>Kommunale</strong> Strategien <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
Die Analyse der untersuchten Modelle zeigt eine Reihe von Ansatzpunkten,<br />
<strong>Ressourcen</strong> und Handlungsstrategien, die für die erfolgreiche Umsetzung eines<br />
kommunalen Programms <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> bedeutsam sind. Im Folgenden<br />
werden vier Aspekte genauer in den Blick genommen: (1) die Anfangsphase einer<br />
kommunalen Initiative, (2) die Bedeutung von Öffentlichkeit und Beteiligung, (3)<br />
die Ziele und (4) die strukturelle Absicherung der Nachhaltigkeit des Programms.<br />
Zu diesen Aspekten werden erfolgreiche Strategien der Kommunen thesenartig<br />
formuliert. Zentrales Ziel der Kommunen war die Erweiterung von Handlungsspielräumen<br />
für Politik, Verwaltung und soziale Einrichtungen, um möglichst effektive<br />
Handlungsstrategien im Umgang mit <strong>Kinderarmut</strong> zu entwickeln.<br />
3.1 Wie kommt ein Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> ins Rollen?<br />
Entscheidungsmacht<br />
Auch wenn die konkreten Anlässe und Gelegenheiten, aus denen die kommunalen<br />
Initiativen <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> entstehen, ganz unterschiedlich sind, so zeigen sich<br />
doch einige Gemeinsamkeiten in der Startphase der Programme.<br />
These 1: <strong>Kommunale</strong> Programme <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> brauchen die Initiative von<br />
bereits engagierten Akteurinnen und Akteuren und daran anknüpfend die Macht,<br />
Entscheidungen zu treffen.<br />
Damit überhaupt ein Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> entsteht, muss jemand<br />
die Initiative ergreifen. Die initiierenden Akteurinnen und Akteure können aus<br />
verschiedenen Bereichen kommen: aus Politik oder Verwaltung, aus Kindertageseinrichtungen,<br />
Schule oder Sozialarbeit, aus Wirtschaft oder Wissenschaft. Damit<br />
ihre Ideen umgesetzt werden, brauchen sie allerdings Einflussmöglichkeiten. Falls<br />
sie darüber nicht selbst verfügen, müssen sie andere Akteurinnen und Akteure mit<br />
Entscheidungsmacht für die Sache gewinnen. Die Initiative engagierter Akteurinnen<br />
und Akteure wird also nur dann zur Ressource, wenn sie Entscheidungsmacht<br />
und Einflussmöglichkeiten gewinnt.<br />
Also, man muss bloß den Willen aufbringen, und<br />
man muss zum Beispiel eine Politikerin oder<br />
einen Politiker finden, das war zum Beispiel für<br />
diese Stadt der damalige Sozialdezernent. Der<br />
hat die Initialzündung gegeben und hatte dann<br />
das Glück, dass er einen Partner gefunden hat<br />
hier in dem System, der gesagt hat: »O.K., da<br />
machen wir mit!«, und darum stehen wir jetzt<br />
da, wo wir jetzt sind.<br />
Das Thema <strong>Kinderarmut</strong> ist in der Regel nicht neu in der Kommune – wenn<br />
auch nicht immer im öffentlichen Fokus und nicht immer zielgerichtet bearbeitet<br />
hinsichtlich konkreter Maßnahmen. Die explizite programmatische Ausrichtung<br />
der Kommune auf ein Konzept <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> setzt immer bereits an einer<br />
Vorgeschichte an.<br />
10 Vgl. http://kompetenzagenturen.inbas.com/download.html<br />
436
Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
np<br />
5/2012<br />
These 2: Ein kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> kann leichter initiiert<br />
werden, wenn an bestehende Erfahrungen angeknüpft wird und vorhandene fachliche<br />
und strukturelle <strong>Ressourcen</strong> genutzt werden.<br />
Eine wichtige Frage in der Anfangsphase ist also: An welchen bestehenden<br />
Vernetzungen, Initiativen oder Projekten können wir anknüpfen? Es zeigte sich<br />
in der Studie, dass die meisten Kommunen erfolgreich an bestehende Bündnisse<br />
oder Kooperationen anknüpfen konnten. In der Stadt Nürnberg entstand die<br />
strategische Beschäftigung mit dem Thema <strong>Kinderarmut</strong> z. B. im Kontext des seit<br />
einigen Jahren bestehenden »Lokalen Bündnisses für Familie«. Aber auch personelle<br />
Veränderungen in Politik oder Verwaltung können entscheidende Anstöße<br />
geben, wie dies z. B. in Augsburg durch den neu gewählten Sozialdezernenten der<br />
Fall war, der die Armutslagen in einer an sich als eher wohlhabend geltenden Kommune<br />
kritisch in den Blick nahm und Anstöße für ein umfassendes Konzept gab.<br />
Anknüpfungspunkte können auch politische Programmatiken oder übergreifende<br />
kommunalpolitische Ziele sein, die parteiübergreifend Konsens finden oder aber<br />
durch einen Politikwechsel neu entstehen.<br />
Die Gestaltung der Strukturen in der Verwaltung erweist sich in den Kommunen<br />
als entscheidende Unterstützung für die Umsetzung eines Programms <strong>gegen</strong><br />
<strong>Kinderarmut</strong>. Strukturelle Veränderungen können es erleichtern, das Thema <strong>Kinderarmut</strong><br />
in seiner weitgreifenden Komplexität politisch sowie verwaltungsintern<br />
zu thematisieren und koordiniert zu bearbeiten. Hilfreich sind darüber hinaus<br />
Erfahrungen und Wissenstransfer aus thematisch ähnlich gelagerten Modellprojekten.<br />
Den entscheidenden Anstoß können schließlich auch aktuelle Daten der<br />
Sozialstatistik geben.<br />
Erfahrung<br />
Wenn eine Kommune Armut hat, dann existiert<br />
das seit langer Zeit und es existiert auch schon<br />
seit längerer Zeit ein Umgang mit diesem Problem.<br />
Wie sollen die dann anfangen? Also bei<br />
uns war es einfach ganz schön, dass wir einen<br />
konkreten Anlass hatten durch unsere Sozialberichterstattung<br />
und damit sagen konnten, jetzt<br />
machen wir weiter, jetzt gucken wir mal, ob wir<br />
die richtigen Schwerpunkte haben.<br />
3.2 Welche Rolle spielen Öffentlichkeit und Beteiligung?<br />
Eine Kommune, die bereit ist, sich mit dem Thema <strong>Kinderarmut</strong> intensiver auseinanderzusetzen<br />
und für ihre Gegebenheiten passende Konzepte zu entwickeln,<br />
muss sich dem Thema auch in der Öffentlichkeit stellen.<br />
These 3: Ein entscheidender erster Schritt besteht darin, das Thema <strong>Kinderarmut</strong><br />
öffentlich zu machen.<br />
Mehrere Kommunen berichteten, dass im Hinblick auf Öffentlichkeit eine<br />
wichtige Grundsatzentscheidung getroffen wurde: Teilweise nach einigem Zögern<br />
beschlossen sie, mit dem Thema Armut offen umzugehen, vorliegende Ergebnisse<br />
der Sozialberichterstattung zu veröffentlichen und diese zur Diskussion zu stellen.<br />
Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger ebenso<br />
wie Institutionen ein kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> mittragen. Im<br />
Hinblick auf den öffentlichen Umgang mit dem Thema besteht oft die Befürchtung,<br />
dass die Kommune mit ihren Zahlen zur Verbreitung von Arbeitslosigkeit,<br />
Familien im Sozialtransfer und damit zusammenhängend <strong>Kinderarmut</strong> »schlecht<br />
dasteht«. Um eine aktive Strategie zu entwickeln, ist Öffentlichkeit jedoch eine<br />
wichtige Voraussetzung. Das Thema muss auf die Tagesordnung der städtischen<br />
Transparenz<br />
437
np<br />
5/2012 Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
Beteiligung<br />
Gremien, von Verbänden und Parteien. Die Berichterstattung in den lokalen Medien<br />
ist eine wichtige Voraussetzung, um auch das Engagement ehrenamtlicher<br />
Kräfte zu motivieren.<br />
Für die Entwicklung eines Gesamtkonzepts <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> spielt die Beteiligung<br />
der in diesem Feld handelnden Akteurinnen und Akteure eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
These 4: Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Umsetzung kommunaler Programme<br />
<strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> ist die Beteiligung der relevanten Akteurinnen und Akteure.<br />
Da Vernetzung und Kooperation, <strong>gegen</strong>seitige Information und die Nutzung von<br />
Synergieeffekten entscheidende Handlungsformen sind, ist es sinnvoll, wenn alle<br />
relevanten Träger, Organisationen und Initiativen vor Ort in den Prozess eingebunden<br />
werden. In Zeiten knapper kommunaler Kassen ist dies umso wichtiger, da die<br />
relevanten Akteure und Akteurinnen (berechtigte) Angst vor dem Entzug eines<br />
Teils ihrer <strong>Ressourcen</strong> haben könnten und auf diese Weise den Prozess blockieren<br />
könnten. Ein wichtiger Schritt in der Anfangsphase besteht deshalb darin, sich zu<br />
ver<strong>gegen</strong>wärtigen, welche Akteure vor Ort in dem Handlungsfeld aktiv sind und wie<br />
sie eingebunden werden können. Häufig bestehen bereits Vernetzungen zwischen<br />
Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, während Kooperationen mit der Schule, der<br />
Agentur für Arbeit und der ARGE oder auch zwischen verschiedenen Bereichen<br />
der Kommunalverwaltung erst konstituiert werden müssen. In Mühlhausen gelang<br />
es z. B., die gesamte Spannbreite der kommunalen Akteure von Beginn an in den<br />
Prozess einzubinden, wobei neben den Jugendhilfeträgern auch kleinere Projekte<br />
und Initiativen sowie bestehende Bündnisse, Kindertageseinrichtungen und die<br />
Schulverwaltung, die politische Ebene sowie die Arbeitsvermittlung beteiligt sind.<br />
In diesem Anfangsprozess der Vernetzung und Programmentwicklung kann eine<br />
externe Moderation hilfreich sein, um die Rolle jedes Akteurs zu klären und die<br />
unterschiedlichen Anliegen zu einem gemeinsamen Konzept zu bündeln.<br />
Erfolg versprechend für die Entwicklung eines kommunalen Programms und erst<br />
recht für dessen Umsetzung ist jedoch nicht nur die Beteiligung der Fachkräfte,<br />
sondern auch die Beteiligung der Bürgerschaft sowie gerade auch der Kinder und<br />
Jugendlichen. Intensive Bürgerbeteiligung braucht für die Durchführung sowie für<br />
die Vor- und Nachbereitung finanzielle und personelle <strong>Ressourcen</strong>. Aus der Reihe<br />
unserer Beispiele hatte vor allem die Stadt Dortmund an dieser Stelle investiert<br />
und damit gute Ergebnisse erzielt: Auf den Bürgerversammlungen in den jeweiligen<br />
Aktionsräumen fanden sich viele Bürgerinnen und Bürger, die die Initiative<br />
aktiv unterstützen wollten, so dass es zum Beispiel mit den Kirchengemeinden zu<br />
konkreten Kooperationen kam.<br />
Wir haben dann dementsprechend eine Bürgerbeteiligung<br />
organisiert, auf der diskutiert, eingeschätzt<br />
und Projektideen entwickelt wurden.<br />
Ja, das war eigentlich sehr erfolgreich. Das hat<br />
uns selbst so überrascht. Also bei der Auftaktveranstaltung<br />
im Rathaus waren über 600 Leute,<br />
damit hatten wir nicht gerechnet. Da sind dann<br />
auch sehr vielfältige Ideen herausgekommen,<br />
bei denen man im ersten Moment denkt: Wie<br />
passt das denn alles zusammen? Aber vor Ort<br />
passte das sehr gut und dementsprechend hat<br />
das etwas gebracht.<br />
In Dortmund zeigte sich jedoch auch, dass mit Methoden wie Bürgerversammlungen,<br />
auch wenn sie direkt im Stadtteil stattfinden, vor allem engagierte und<br />
aktive Bürgerinnen und Bürger erreicht werden, weniger jedoch die Zielgruppen<br />
der Programme. Diese lassen sich leichter z. B. über die Kindertageseinrichtungen,<br />
Familienzentren oder die Schulen erreichen, wenn es entsprechend niedrigschwellige<br />
Angebote gibt. Für die Einbindung der Kinder und Jugendlichen selbst ist ein<br />
438
Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
np<br />
5/2012<br />
partizipatives Konzept in den Institutionen unterstützend; darüber hinaus gibt es<br />
vielfältige methodische Ansätze gerade auch für den kommunalen Bereich (z. B.<br />
Stadtteilerkundungen, Projekte zur Gestaltung von Freiräumen etc.). 11<br />
3.3 Welche Ziele verfolgt ein kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong>?<br />
<strong>Kinderarmut</strong> kann in der politischen Debatte unterschiedlich thematisiert werden.<br />
Um das Thema im politischen Diskurs ausreichend zu etablieren, bedarf es einer<br />
konkreten Aussage darüber, was unter <strong>Kinderarmut</strong> verstanden wird und welche<br />
politischen Ziele gesetzt werden sollen. Neben übergreifenden politischen Zielen<br />
wie z. B. der Verringerung von Einkommensarmut, der Förderung des sozialen<br />
Friedens, gesellschaftlicher Integration oder einer kinder- und familiengerechten<br />
Kommune gilt es, konkrete Ziele zu definieren, die auf der kommunalen Ebene<br />
Erfolg versprechend angepackt werden können.<br />
These 5: Für die Konzeption eines kommunalen Programms <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
ist die Formulierung konkreter politischer Ziele und spezifischer Handlungsschwerpunkte<br />
sinnvoll.<br />
Für die Formulierung konkreter Ziele ist es im ersten Schritt nötig, sich darüber<br />
zu verständigen, welche Auswirkungen von Armutslagen auf Kinder, Jugendliche<br />
und ihre Familien den Fachkräften in der <strong>Praxis</strong> begegnen (z. B. Sprachschwierigkeiten<br />
im Kindergartenalter, Abmeldung vom Mittagessen in der Schule), über<br />
die Sozialstatistik deutlich werden (z. B. vermehrte gesundheitliche Probleme)<br />
oder aus grundsätzlichen, auch theoretisch fundierten Überlegungen heraus als<br />
wichtig erachtet werden (z. B. die Förderung früher Bildung, Elternarbeit). Es gilt<br />
also, sich mit den Fragen zu beschäftigen: Wie wird Armut in unserer Kommune<br />
sichtbar und was sind die grundlegenden bzw. besonders drängenden Probleme,<br />
auf die reagiert werden soll?<br />
Was verstehen wir eigentlich unter <strong>Kinderarmut</strong>?<br />
Da kann man ja verschiedene Definitionen<br />
zugrunde legen. Also die Einkommenssituation<br />
oder die soziale Integration. Für uns ist dieser<br />
zweite Begriff der sozialen Integration oder Inklusion<br />
handlungsleitend. Und zwar aus dem ganz<br />
einfachen Grund, weil wir auf den ersten Bereich,<br />
also die Hartz-IV-Sätze beispielsweise oder die<br />
Renten, als Kommune sowieso kaum Einfluss<br />
haben. Unsere Handlungsstärken sind in dem<br />
anderen Bereich, also indem man Kinderstuben 12<br />
macht, indem man Schulen stärkt, indem man<br />
Nachbarschaftszentren organisiert.<br />
Für zielführendes Handeln vor Ort in den Sozialräumen ist die Formulierung spezifischer<br />
Handlungsschwerpunkte, abgeleitet aus den politischen Zielen, die ideale<br />
Voraussetzung. Auf diese Weise können die übergeordneten politischen Ziele des<br />
Programms <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> auf konkrete Ziele vor Ort heruntergebrochen und<br />
somit leichter realisiert werden. Die politischen Handlungsschwerpunkte können<br />
die übergeordneten Ziele, die Zielgruppen, die Orte, die Maßnahmen und die<br />
Zuständigkeiten konkret benennen: In welcher Weise ist z. B. eine direkte Arbeit<br />
mit Kindern vorgesehen, die Einbeziehung der Eltern, eine stadtteilbezogene<br />
Vernetzung? So wurde z. B. in Wiesbaden die bereits gut etablierte Zusammenarbeit<br />
zwischen Schulen und der Schulsozialarbeit systematisch weiterentwickelt<br />
Umsetzbarkeit<br />
11 Vgl. dazu auch das Themenheft 1 »beteiligen!« (Download unter www.kindergerechtes-deutschland.<br />
de)<br />
12 Die »Kinderstube« ist eine Einrichtung im sozialen Brennpunkt zur Frühförderung von Kindern im<br />
Alter von zwei bis vier Jahren, vgl. dazu www.fabido.dortmund.de<br />
439
np<br />
5/2012 Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
in Richtung auf eine gezielte Förderung der Jugendlichen bereits zwei Jahre<br />
vor dem Übergang in die Ausbildung im Rahmen des sogenannten Kompetenz-<br />
Entwicklungs-Programms und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weiter<br />
ausgebaut.<br />
3.4 Welche Strukturen stützen ein kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong>,<br />
damit es nachhaltig wirken kann?<br />
Tragfähigkeit<br />
Innovation<br />
Nachhaltigkeit<br />
Ein kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> kommt nur zustande, wenn sich<br />
die Kommune förmlich dazu bekennt. Nur wenn der politische Wille in verbindliche<br />
Beschlüsse mündet, können öffentliche Mittel in Form von personellen und<br />
finanziellen <strong>Ressourcen</strong> für das Programm eingesetzt werden.<br />
These 6: Ein kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> sollte von tragfähigen<br />
Beschlüssen des Stadt- oder Gemeinderates gestützt werden.<br />
Erst tragfähige kommunale Beschlüsse machen aus einem Bündel von Maßnahmen<br />
ein »Programm«, das nicht nur Ziele für die Kommune formuliert, sondern<br />
auch kommunale <strong>Ressourcen</strong> für deren Erreichen bereitstellen kann. Je mehr ein<br />
kommunales Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> auf konkrete Beschlüsse von Verwaltung<br />
und Politik aufsetzen kann, umso leichter kann es strukturelle Spielräume<br />
vor allem für ein flexibles und zielgerichtetes Verwaltungshandeln ausschöpfen.<br />
<strong>Kommunale</strong> Beschlüsse können verhindern, dass die Maßnahmen versickern bzw.<br />
früh an Verwaltungsvorschriften oder politischen Interessenkonflikten scheitern.<br />
Die Kommunen der Studie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem kommunalen<br />
Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> konkrete Beschlüsse zugrunde gelegt haben.<br />
Dies ermöglichte z. B. die Reorganisation des Sozialamtes in Augsburg oder die<br />
Zusammenlegung einzelner Verwaltungsbudgets in ein gemeinsames Budget in<br />
Dortmund.<br />
These 7: Ein Erfolgsfaktor für die Umsetzung kommunaler Programme <strong>gegen</strong><br />
<strong>Kinderarmut</strong> ist die Nutzung von strukturellen Spielräumen im Verwaltungshandeln,<br />
vor allem hinsichtlich der Finanzierungsstrukturen.<br />
Die Möglichkeit von gezielten Umstrukturierungen in Politik und Verwaltung<br />
stellt eine zentrale Ressource dar für die Realisierung kommunaler Programme.<br />
Finanzielle Umschichtungen, bspw. in ein zentrales ressortübergreifendes Programmbudget,<br />
können die Umsetzung erheblich vereinfachen. Darüber hinaus<br />
spielen unterstützende Rahmenbedingungen vor Ort (bspw. die Ausstattung von<br />
Bürger- oder Aktionsbüros) eine wichtige Rolle.<br />
These 8: Programme <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> erhalten durch nachhaltige strukturelle<br />
Veränderungen beständige Anreize für langfristige Wirksamkeit.<br />
Die Umsetzbarkeit eines kommunalen Programms <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> scheint<br />
insbesondere abhängig von der Eindeutigkeit fachlicher Zuständigkeiten, von<br />
personellen Kapazitäten und der Federführung des Programms durch eine entscheidungsbefugte<br />
Person (z.B. Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister,<br />
Sozialdezernentin oder Sozialdezernent). Für die längerfristige Sicherung der<br />
Handlungsfähigkeit spielen beständige Anreize eine wesentliche Rolle. Hier ist<br />
noch einmal zu betonen, dass als nachhaltig wirkende <strong>Ressourcen</strong> nicht nur direkte<br />
finanzielle oder personelle Mittel wirken, sondern auch strukturelle Veränderungen,<br />
wie die Kooperation von Verwaltungsbereichen, die Absicherung von Vernetzungen<br />
zum Beispiel durch ein Steuerungsgremium sowie die Verankerung von freiwilligem<br />
Engagement und Beteiligung.<br />
440
Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
np<br />
5/2012<br />
4 <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
Die vorgestellten Thesen zeigen, dass zur Realisierung eines kommunalen Programms<br />
<strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> eine Vielzahl von <strong>Ressourcen</strong> zur Verfügung steht,<br />
die weitgehend kostengünstig oder kostenneutral genutzt werden können. Wenn<br />
Verwaltungsstrukturen anders gestaltet, neue Kooperationen aufgenommen oder<br />
der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern gesucht wird, sind die Probleme<br />
oft weniger finanzieller Art, sondern eher in Vorbehalten, Befürchtungen oder<br />
ablehnenden Haltungen begründet. Zu den kommunalen <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
gehören zum einen durch Politik und Verwaltung zur Verfügung gestellte<br />
<strong>Ressourcen</strong> (z.B. Finanzmittel und Personal), zum anderen alle übrigen förderlichen<br />
Umstände, welche die Umsetzung der Strategien <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> maßgeblich<br />
erleichtern (z.B. das Engagement bestimmter Personen).<br />
In Zusammenfassung unserer acht Thesen können diese <strong>Ressourcen</strong> und die<br />
Möglichkeiten ihrer Aktivierung in folgendem Schema auf den Punkt gebracht<br />
werden:<br />
Zusammenfassung: <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
<strong>Ressourcen</strong> Möglichkeiten der <strong>Ressourcen</strong>aktivierung<br />
der Kommunen für die Kommune<br />
Entscheidungsmacht Akteure und Akteurinnen mit Entscheidungsmacht ausstatten<br />
Erfahrung<br />
An bestehenden Erfahrungen und Strukturen anknüpfen<br />
Transparenz Öffentlichkeit herstellen<br />
Beteiligung<br />
Alle Akteure vernetzen<br />
Umsetzbarkeit Ziele konkret formulieren<br />
Tragfähigkeit Beschlüsse bindend fassen<br />
Innovation<br />
Strukturelle Spielräume nutzen<br />
Nachhaltigkeit Absicherung neuer Strukturen und Vernetzungen<br />
Kostenneutrale<br />
<strong>Ressourcen</strong><br />
Kommunen können prinzipiell sehr unterschiedliche Programme <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
entwerfen – in der Reichweite ihres Vorgehens und in der Bezugnahme<br />
auf die Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen in Armut. In Betrachtung<br />
der kommunalen <strong>Ressourcen</strong> fällt auf, dass es weniger eine einzelne Ressource<br />
ist, welche aufwändig von einer Kommune zum Einsatz gebracht worden wäre,<br />
um ein Programm <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> erfolgreich zu implementieren. Vielmehr<br />
scheinen es die Kommunen vermieden zu haben, das Armutsthema mit einem<br />
»Mehr Desselben« (Watzlawick) anzugehen. Sie fanden einen <strong>Ressourcen</strong>mix,<br />
der dem komplexen Problem <strong>Kinderarmut</strong> in ihrer Kommune gerecht werden<br />
konnte.<br />
Die Kommunen konnten als Erfolgsindikatoren kaum Zahlen nennen, die auf<br />
die Effizienz ihrer Bemühungen Rückschlüsse zulassen. Sie weigerten sich sogar,<br />
als Ziel ihrer Maßnahmen die Senkung von <strong>Kinderarmut</strong> gelten zu lassen. Dafür<br />
betonten sie die Bedeutung der Effektivität ihrer Vorhaben im Sinne einer<br />
Kompensation von Armutsfolgen: Vermehrte Integration der Zielgruppen durch<br />
Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger (Dortmund, Augsburg, Mühlhausen);<br />
vermehrte Teilhabechancen durch Steigerung von Übergangsquoten (Dortmund,<br />
Wiesbaden); Empowerment durch »Lustgewinn« und dadurch, dass »Leute nicht<br />
aus der Wohnung geworfen werden« (Augsburg); Indvidualisierung durch zuge-<br />
<strong>Ressourcen</strong>mix<br />
441
np<br />
5/2012 Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
schnittene Hilfeleistungen (Nürnberg, Augsburg, Mühlhausen). Den Kommunen<br />
scheint es vor allem gelungen zu sein, Gelegenheitsstrukturen zu schaffen, innerhalb<br />
deren Hilfen besser greifen können.<br />
Koordiniertes<br />
Handeln<br />
Ziel dieses Beitrags war es, verantwortlichen Akteurinnen und Akteuren in Politik,<br />
Verwaltung und Sozialer Arbeit zu zeigen, dass <strong>Ressourcen</strong> für einen sinnvollen<br />
Umgang mit <strong>Kinderarmut</strong> auch ohne große zusätzliche Finanzbudgets aktiviert<br />
werden können.<br />
Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass Kommunen in der Bekämpfung<br />
der Folgen von <strong>Kinderarmut</strong> zielgerichtet und effektiv handeln können. Trotz<br />
begrenzter finanzieller <strong>Ressourcen</strong> haben die untersuchten Kommunen vielfältige<br />
Lösungen gefunden, um Kindern und Jugendlichen mehr soziale Teilhabe und<br />
persönliche Entwicklung zu ermöglichen. Dazu gehört der Mut, die Auswirkungen<br />
von Kinder- und Jugendarmut in den Blick zu nehmen und nicht zu verdrängen, die<br />
Lebenslagen in ihren unterschiedlichen Facetten wahrzunehmen und die Thematik<br />
öffentlich zu machen. Die Erfahrung zeigt, dass der Wille zu einem koordinierten<br />
Handeln auf Seiten von Politik und Verwaltung nicht nur den Einsatz von Fachkräften,<br />
sondern auch Engagement aus der Bürgerschaft hervorruft. Beteiligung<br />
gerade auch der Erwachsenen, Kinder und Jugendlichen, an die sich die Programme<br />
richten, erhöht die Bereitschaft zu Eigenaktivität und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit<br />
in der eigenen Lebensgestaltung.<br />
Dabei können die Kommunen prinzipiell sehr unterschiedliche Programme <strong>gegen</strong><br />
<strong>Kinderarmut</strong> entwerfen – in der Auswahl von Themen und in der Bezugnahme<br />
auf die unterschiedlichen Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen. Um<br />
auf das komplexe Bedingungsgefüge benachteiligter Lebenslagen einzuwirken,<br />
müssen sie die Vielfalt der einsetzbaren <strong>Ressourcen</strong> zusammenführen und für<br />
ihre Ziele nutzen. <strong>Kinderarmut</strong> ist eine politische Querschnittsaufgabe (Merten,<br />
2001). Programme <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> müssen langfristig angelegt werden, um<br />
nachhaltig zu wirken. Sie brauchen tragfähige kommunalpolitische Beschlusslagen<br />
und ausreichende <strong>Ressourcen</strong>. Kommunen eröffnen dann am wirkungsvollsten<br />
Kindern in Armut neue Spielräume, wenn ihre konkreten Strategien vor Ort mit<br />
einer gezielten <strong>Ressourcen</strong>aktivierung und Netzwerkbildung einhergehen (vgl.<br />
Oelschlägel, 2000).<br />
Die Aktivierung kommunaler <strong>Ressourcen</strong> erfolgte in den untersuchten Kommunen<br />
immer auch unter Beteiligung von Akteuren und Akteurinnen Sozialer<br />
Arbeit. Durch die Aktivierung kommunaler <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> kann<br />
Soziale Arbeit leichter lebensweltorientiert (Thiersch, 2008) auf die Spielräume<br />
von Kindern und Jugendlichen einwirken, weil sie sich (weniger) an strukturellen<br />
Defiziten abarbeiten muss. Auf diese Weise und unter Beteiligung der Kinder, Jugendlichen<br />
und ihrer Eltern entsteht Handlungswissen im Sinne einer »reflexiven<br />
Sozialpädagogik« (Dewe et al., 2002), die sich der Bedingungen – Restriktionen<br />
wie <strong>Ressourcen</strong> – des eigenen professionellen Handelns bewusst wird. Auf diese<br />
Weise wird eine verstärkt sozialpolitische Ausrichtung Sozialer Arbeit greifbar, wie<br />
sie unter anderem Böhnisch (2005) eingefordert hat. Allerdings läuft ein solches<br />
Anliegen immer Gefahr, Armut lediglich zu verwalten, so lange sie keine wirk-<br />
Programmvielfalt<br />
Spielräume<br />
5 Schlussfolgerungen für Politik, Verwaltung und<br />
Soziale Arbeit<br />
442
Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
np<br />
5/2012<br />
samen politischen Strategien findet, die <strong>Kinderarmut</strong>squote in den Kommunen<br />
nachhaltig zu senken.<br />
Für Soziale Arbeit ist es entscheidend, Strategien <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> als in<br />
Macht- und <strong>Ressourcen</strong>strukturen eingebettetes Handeln zu begreifen und die<br />
kommunalen <strong>Ressourcen</strong> selbst aktiv zu nutzen. Dabei kommt Sozialer Arbeit eine<br />
Schlüsselposition zu, weil sie die kommunalen Strategien <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong> mit<br />
den betroffenen Menschen in ihrer konkreten Lebenswelt in Verbindung bringt.<br />
Schlüsselpartien<br />
Sozialer<br />
Arbeit<br />
Literatur<br />
Apel, H./Engels, D., 2012: Bildung und Teilhabe von<br />
Kindern und Jugendlichen im unteren Einkommensbereich.<br />
Untersuchung der Implementationsphase<br />
des »Bildungs- und Teilhabepakets« im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />
(Abschlussbericht). Köln/Berlin<br />
Beisenherz, H. G., 2007: Wohlbefinden und Schulleistung<br />
von Kindern armer Familien. Auswirkungen<br />
der Dauer der Armut auf Grundschulkinder. In: Alt,<br />
C. (Hrsg.): Kinderleben – Start in die Grundschule.<br />
Band 3: Ergebnisse aus der zweiten Welle. Wiesbaden:<br />
189-210<br />
Berg, A., 2010: »Mo.Ki – Monheim für Kinder« – Armutsprävention<br />
als kommunale Handlungsstrategie. In:<br />
Holz, G./Richter-Kornweitz, A., (Hrsg.): <strong>Kinderarmut</strong><br />
und ihre Folgen: Wie kann Prävention gelingen?<br />
München: 149-158<br />
Bertram, H./Kohl, S., 2010: Zur Lage der Kinder in<br />
Deutschland 2010: Kinder stärken für eine ungewisse<br />
Zukunft. Deutsches Komitee für UNICEF, Köln 2010<br />
Böhnisch, L., 2005: Sozialpädagogisches Denken: Wege<br />
zu einer Neubestimmung. Weinheim<br />
Chassé, K. A./Zander, M./Rasch, K., 2010: Meine Familie<br />
ist arm: Wie Kinder im Grundschulalter Armut erleben<br />
und bewältigen. Wiesbaden<br />
Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N., 2011: Sozialraumorientierung<br />
in der kommunalen Sozialverwaltung: Das Gemeinwesen<br />
als Bezugspunkt einer neuen Steuerung Sozialer<br />
Arbeit. In: Hanesch, W. (Hrsg.): Die Zukunft der »Sozialen<br />
Stadt« – Strategien <strong>gegen</strong> soziale Spaltung und<br />
Armut in den Kommunen. Wiesbaden: 203-218<br />
Dewe, B./Otto, H.-U., 2002: Reflexive Sozialpädagogik.<br />
Grundstrukturen eines neuen Typs dienstleistungsorientierten<br />
Professionshandelns. In: Thole, W. (Hrsg.):<br />
Grundriss Soziale Arbeit. Wiesbaden: 179-198<br />
Gintzel, U./Clausnitzer, S./Drößler, T./Mummert, L./<br />
Rudolph, M., 2008: <strong>Kinderarmut</strong> und kommunale<br />
Handlungsstrategien. Opladen<br />
Hanesch, W., 2011: Soziale Spaltung und Armut in den<br />
Kommunen und die Zukunft des »lokalen Sozialstaats«.<br />
In: Hanesch, W. (Hrsg.): Die Zukunft der<br />
»Sozialen Stadt« – Strategien <strong>gegen</strong> soziale Spaltung<br />
und Armut in den Kommunen. Wiesbaden: 7-46<br />
Hock, B./Brülle, H., 2010: Bildung für alle – Strategien<br />
zur Sicherung der Bildungsteilhabe von sozial benachteiligten<br />
Kindern. In: Holz, G./Richter-Kornweitz,<br />
A., (Hrsg.): <strong>Kinderarmut</strong> und ihre Folgen: Wie kann<br />
Prävention gelingen? München: 159-169<br />
Holz, G., 2008: Theorie und <strong>Praxis</strong> des integrierten Handlungsansatzes<br />
»Kindbezogene Armutsprävention«<br />
auf kommunaler Ebene. Frankfurt am Main. Unter:<br />
www.iss-ffm.de (Stand: 27.07.2011)<br />
Holz, G., 2010a: <strong>Kinderarmut</strong> – Definition, Konzepte und<br />
Befunde. In: Holz, G./Richter-Kornweitz, A., (Hrsg.):<br />
<strong>Kinderarmut</strong> und ihre Folgen: Wie kann Prävention<br />
gelingen? München: 32-42<br />
Holz, G., 2010b: Kindbezogene Armutsprävention als<br />
struktureller Präventionsansatz. In: Holz, G./Richter-<br />
Kornweitz, A., (Hrsg.): <strong>Kinderarmut</strong> und ihre Folgen:<br />
Wie kann Prävention gelingen? München: 109-125<br />
Holz, G./Richter-Kornweitz, A., 2010 (Hrsg.): <strong>Kinderarmut</strong><br />
und ihre Folgen: Wie kann Prävention gelingen?<br />
München<br />
Krieger, I./Schläfke, B., 1987: Bestimmung von Lebenslagen.<br />
In: Lompe, K. (Hrsg.): Die Realität der<br />
neuen Armut. Analysen der Beziehungen zwischen<br />
Arbeitslosigkeit und Armut in einer Problemregion.<br />
Regensburg: 185-213<br />
Löher, M., 2010: Handlungsstrategien und mögliche Handlungsansätze<br />
für Armutsprävention auf kommunaler<br />
Ebene. In: Dokumentation der Themenveranstaltung<br />
»Jedes Kind ist wichtig – Armutsprävention auf der<br />
kommunalen Ebene«. Unter: www.kindergerechtesdeutschland.de<br />
(Stand: 27.07.2011)<br />
Merten, R., 2001: Kinder- und Jugendhilfepolitik als Politik<br />
<strong>gegen</strong> Kinder- und Jugendarmut. Möglichkeiten und<br />
Grenzen. In: Klocke, A./Hurrelmann, K. (Hrsg.): Kinder<br />
und Jugendliche in Armut. Umfang, Auswirkungen<br />
und Konsequenzen. Wiesbaden<br />
Oelschlägel, D., 2000: Vernetzung und <strong>Ressourcen</strong>bündelung<br />
im Gemeinwesen. In: Theorie und <strong>Praxis</strong> der<br />
Sozialen Arbeit, Heft 1: 16-20<br />
443
np<br />
5/2012 Winklhofer/Schübel, <strong>Kommunale</strong> <strong>Ressourcen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinderarmut</strong><br />
Orosz, M., 2005: Frühe Förderung ist Prävention. Ein<br />
Modellprojekt als niedrigschwelliges Angebot. In:<br />
Theorie und <strong>Praxis</strong> der Sozialpädagogik, Jg.3, Heft<br />
3: 36-40<br />
Thiersch, H., 2008: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit:<br />
Aufgaben der <strong>Praxis</strong> im sozialen Wandel. Weinheim<br />
Zander, M., 2008: Armes Kind – starkes Kind? Die Chance<br />
der Resilienz. Wiesbaden<br />
Zander, M., 2010 (Hrsg.): <strong>Kinderarmut</strong>: Einführendes<br />
Handbuch für Forschung und soziale <strong>Praxis</strong>. Wiesbaden<br />
Verf.: Ursula Winklhofer, M.A., Diplom-Sozialpädagogin, Deutsches Jugendinstitut,<br />
Abteilung Kinder und Kinderbetreuung, Nockherstr. 2, 81541 München<br />
E-Mail: winklhofer@dji.de;<br />
Thomas Schübel, M.A., Diplom-Soziologe, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />
Nürnberg, Rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für<br />
Empirische Wirtschaftssoziologie, Findelgasse 7-9, 90402 Nürnberg<br />
E-Mail: Thomas.Schuebel@wiso.uni-erlangen.de<br />
Holger Backhaus-Maul/Martin Kunze/Karsten Speck<br />
Unternehmenskooperation in der Sozialen Arbeit<br />
Der Wandel der sozialpolitischen Rolle privat-gewerblicher<br />
Unternehmen am Beispiel des Energiemarktes. 1<br />
Zunahme<br />
von Risiken<br />
gesellschaftlicher<br />
Exklusion<br />
1 Einleitung<br />
Risiken gesellschaftlicher Exklusion, wie Armut und Überschuldung, gehören für<br />
einen wachsenden Teil der Bevölkerung zur Normalbiografie. Auch wenn einzelne<br />
gesellschaftliche Gruppen von dieser Entwicklung in besonderer Art und Weise<br />
betroffen sind, deutet sich eine Prekarisierung der sozialen Lage breiter sozialer<br />
Schichten an, die auf eine »Renaissance« der klassischen sozialen Frage hindeuten<br />
könnte (vgl. Bäcker et al., 2010; Castel/Dörre, 2009; Lohmann, 2008). Angesichts<br />
dieser armutspolitischen Entwicklung stehen – neben der Sozialpolitik – einerseits<br />
öffentliche und freigemeinnützige soziale Dienste vor der Herausforderung,<br />
konzeptionell und organisatorisch neuartige Lösungsstrategien für sozialpolitische<br />
Probleme zu entwickeln. Auf der anderen Seite werden Unternehmen in zunehmendem<br />
Maß direkt oder vermittelt über ihre Kunden mit sozialpolitischen Problemen<br />
konfrontiert. Dieses gilt besonders für Unternehmen in der öffentlichen<br />
Grundversorgung, die unter sozialstaatlichen Bedingungen Menschen mit öffent-<br />
1 Der vorliegende Text basiert in Teilen auf einem Vortrag auf der Jahrestagung der Sektion Sozialpolitik<br />
der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Jahr 2011 (vgl. Backhaus-Maul/Kunze, 2012).<br />
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