Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
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Insbesondere unsere Erinnerung<br />
spielt uns einen Streich, wenn wir intuitiv<br />
entscheiden und handeln sollen.<br />
Hier einige interessante Phänomene:<br />
„out of sight, out of mind“<br />
Die Unterschätzung eines Ereignisses,<br />
dessen Wahrnehmung<br />
lange nicht aufgefrischt wurde.<br />
„illusory correlation“<br />
Verbindung von Ereignissen, die<br />
es nicht gibt.<br />
„illusion of control“<br />
Die Über- bzw. Unterschätzung<br />
des Eintretens von Ereignissen in<br />
Abhängigkeit von eigenen Aktivitäten;<br />
die Illusion, die Zukunft<br />
beeinflussen zu können; ich<br />
mache das schon<br />
„wishful thinking“<br />
Die Überschätzung der Wahrscheinlichkeit<br />
angenehmer bzw.<br />
die Unterschätzung der Wahrscheinlichkeit<br />
unangenehmer Ereignisse.<br />
„unrealistic optimism“<br />
Die Einschätzung, dass der eigenen<br />
Person negative Ereignisse<br />
mit geringerer Wahrscheinlichkeit<br />
zustoßen als anderen (vergleichbaren)<br />
Menschen.<br />
Gibt es einen Wert, der eine Vorstellung<br />
davon vermitteln kann, wie<br />
groß die Ablage der Vorstellung über<br />
Ereignisse und Sachverhalte gegenüber<br />
der Realität bei Unsicherheit ist?<br />
Der nächste Absatz versucht, dieses<br />
Phänomen zu beleuchten.<br />
Confidence vs Overconfidence<br />
Im Rahmen einer Testreihe 34 wurde<br />
der Versuch unternommen festzustellen,<br />
ob eine messbare Größe für „overconfidence“<br />
berechnet werden kann –<br />
die Ergebnisse waren verblüffend.<br />
Probanden sollten sich zu einem<br />
Sachverhalt intuitiv äußern. Die Fragen<br />
wurden so ausgewählt, dass die Wahrscheinlichkeit<br />
relativ gering war, die<br />
Antwort aufgrund von Faktenwissen<br />
geben zu können 35 . Anschließend sollten<br />
die Probanden Auskunft darüber<br />
erteilen, wie sicher sie waren, dass ihre<br />
Antwort richtig war 36 .<br />
Wenn die Richtigkeit der Antwort<br />
mit 100% angegeben wurde, waren<br />
die Antworten nur zu 80% richtig.<br />
<strong>Das</strong> Verhältnis 100/80 wurde beibehalten,<br />
auch wenn geringere Wahrscheinlichkeiten<br />
über die Richtigkeit<br />
der Annahme geäußert wurden<br />
Die empirische Forschung hat diesen<br />
Wert auch für andere Bereiche des<br />
täglichen Lebens bestätigt – fragt sich<br />
nur, wie es sich damit leben lässt.<br />
Würden Sie mit einer zu erwartenden<br />
Trefferquote von 80% ins<br />
Spielkasino gehen? – Vermutlich „Ja“.<br />
Sollte Flugbetrieb mit einer Wahrscheinlichkeit<br />
für einen sicheren<br />
Ablauf von 80% durchgeführt werden?<br />
– es bleiben Fragen.<br />
Zum Glück ist es im täglichen Leben<br />
so, dass für die meisten immer wiederkehrende,<br />
ähnliche Fragen routinemäßig<br />
zu beantworten sind. Hier<br />
tendieren die Ergebnisse gegen<br />
100%. Damit lässt sich eigentlich<br />
komfortabel und sicher leben.<br />
Gefährlich wird „overconfidence“<br />
in wenig vertrauten Situationen geringer<br />
Informationsdichte. Wir greifen<br />
dann all zu gern auf Entscheidungsprozesse<br />
zurück, die uns kognitiv<br />
möglichst wenig belasten und viele<br />
der oben aufgeführten problematischen<br />
Merkmale für Entscheidungen<br />
unter Unsicherheit ausweisen. In diesem<br />
Fall verschärft „overconfidence“<br />
die potentielle Bedrohung einer Situation.<br />
Mit dem Phänomen „overconfidence“<br />
kann aber auch in einem fliegerischen<br />
Umfeld hinreichend sicher gelebt<br />
werden, wenn genau bedacht<br />
wird, an welcher Stelle, bei welchem<br />
Detail eines Sachverhalts „overconfidence“<br />
zugelassen werden kann:<br />
weil sich ein gewisses Maß an<br />
overconfidence nicht vermeiden<br />
lässt, da keine weitergehenden<br />
Informationen mit vernünftigem<br />
Aufwand beschafft werden können,<br />
weil die Auswirkungen dieses<br />
minimalen Details nicht erheblich<br />
sind, da diese durch andere Strukturen<br />
und Konzepte kompensiert<br />
werden könnten.<br />
Wird „overconfidence“ jedoch im<br />
großen Stil umfassend und „blauäugig“<br />
zugelassen, dann kann es sein,<br />
dass die Wirklichkeit eine harte andere<br />
Sprache spricht und den Betroffenen<br />
gnadenlos und aus seiner Sicht<br />
plötzlich mit den Grenzen seines<br />
Handeln konfrontiert – dann ist der<br />
Betroffene schnell überfordert.<br />
Intuition kommt „aus dem Bauch“<br />
und kann kaum rational begründet<br />
werden. Intuition ist die Summe aller<br />
Erfahrung, aller Wünsche, aller<br />
Wertmaßstäbe und aller Motive.<br />
Intuition – das sind wir selbst.<br />
Hier spielen Emotionen eine Rolle<br />
und manch einer glaubt, für Emotionen<br />
wäre im Flugbetrieb kein Platz,<br />
weil Emotionen notwendige Entscheidungsfindungsprozesse<br />
behindern<br />
und auf ein falsches Gleis führen. Ist<br />
das so?<br />
Entscheidung<br />
vs. Emotion?<br />
Gefühle sind nicht der Gegenspieler<br />
der Logik, sie stehen nicht in Konkurrenz<br />
– wenn es auch manchmal<br />
den Anschein hat.<br />
Wir brauchen unser Gehirn nicht so<br />
sehr, um damit logisch und widerspruchsfrei<br />
zu denken, sondern um in<br />
der Welt, in der wir leben, einigermaßen<br />
zurechtzukommen 37 . Bei diesem<br />
„Vorhaben“ ergänzen sich die<br />
Fähigkeiten zur Logik und zur Wahrnehmung<br />
von Gefühlen. Während wir<br />
immer dann, wenn es zweckmäßig ist,<br />
46 I/2002 FLUGSICHERHEIT