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2000-51 Anämie und Thrombozytopenie ungeklärter Ätiologie ...

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Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130:2009–16<br />

Klinisch-pathologische Konferenz (CPC)<br />

E. Colombo a , M. Krause b , H. Moch c<br />

a<br />

Medizinische Klinik A,<br />

Universität Basel<br />

b<br />

Medizinische Klinik,<br />

Kantonsspital Münsterlingen<br />

c<br />

Institut für Pathologie, Universität Basel<br />

<strong>Anämie</strong> <strong>und</strong> <strong>Thrombozytopenie</strong><br />

<strong>ungeklärter</strong> <strong>Ätiologie</strong><br />

Summary<br />

Anaemia and thrombocytopenia<br />

of unexplained aetiology<br />

A 35-year-old male patient with long lasting<br />

HIV infection presented with confusion,<br />

haemolytic anaemia and thrombocytopenia.<br />

After a stable course over 7 days he suddenly<br />

developed coma and cardiogenic shock and<br />

died. Autopsy revealed thrombotic thrombocytopenic<br />

purpura with fibrin-rich deposits in<br />

the microvasculature of the brain, heart and<br />

pancreas. The pathogenesis and differential diagnosis<br />

of this fulminant disease are discussed.<br />

Keywords: thrombotic thrombocytopenic purpura;<br />

HIV; metalloprotease<br />

Zusammenfassung<br />

Ein 35jähriger Patient mit fortgeschrittener<br />

HIV-Infektion präsentiert wechselhafte zerebrale<br />

Symptome mit schwerer hämolytischer<br />

<strong>Anämie</strong> <strong>und</strong> Thrombopenie. Nach 7 Tagen stabilen<br />

Verlaufs trübt er akut ein <strong>und</strong> verstirbt im<br />

kardiogenen Schock. Autoptisch lassen sich die<br />

klassischen Bef<strong>und</strong>e der thrombotisch-thrombozytopenischen<br />

Purpura in Gehirn, Herz <strong>und</strong><br />

Pankreas nachweisen. Die Pathogenese <strong>und</strong><br />

Differentialdiagnose dieser fulminanten Erkrankung<br />

werden diskutiert.<br />

Keywords: thrombotisch thrombozytopenische<br />

Purpura; HIV; Metalloprotease<br />

Fallbeschreibung<br />

E. Colombo<br />

Jetziges Leiden<br />

Der 34jährige Patient wurde zur internistischen Abklärung einer seit<br />

einer Woche bestehenden Blässe von der Psychiatrischen Universitäts-Poliklinik<br />

zugewiesen.<br />

In der Anamnese beschrieb der Patient einen eine Woche vor Eintritt<br />

aufgetretenen Ausschlag, nicht juckend, vor allem an den Oberarmen<br />

<strong>und</strong> am Bauch. Er habe sich wiederholt übergeben, das<br />

Erbrochene sei dunkel gewesen. Der Stuhlgang sei unauffällig, dagegen<br />

sei der Urin sehr bräunlich verfärbt gewesen.<br />

In den letzten Wochen vor Eintritt habe er sich schwach gefühlt, sei<br />

vermehrt müde gewesen <strong>und</strong> leide bereits bei geringer Anstrengung<br />

unter starker Atemnot.<br />

Patientenanamnese<br />

Der Patient war in regelmässiger psychiatrischer Behandlung wegen<br />

einer paranoiden Schizophrenie. Zum Zeitpunkt des Eintritts waren<br />

keine floriden psychotischen Symptome vorhanden. Er litt unter<br />

einer Polytoxikomanie. Die Opiatabhängigkeit wurde mit Methadon<br />

(Ketalgin) <strong>und</strong> die Benzodiazepinabhängigkeit mit Diazepam<br />

(Valium) im Rahmen eines Methadonprogramms substituiert. Daneben<br />

bestand ein fortgesetzter, zum Teil massiver Alkoholabusus.<br />

Er war seit 1989 HIV-positiv, verweigerte jedoch eine retrovirale<br />

Therapie. Er hatte eine Hepatitis B durchgemacht <strong>und</strong> war Hepatitis-C-positiv.<br />

Es bestand ein Status nach Seminom des Hodens rechts mit Ablatio<br />

testis <strong>und</strong> Prothesenimplantation 6/90. In einem CT des Abdomens<br />

(7/97) konnten keine metastasenverdächtigen Bef<strong>und</strong>e erhoben<br />

werden.<br />

Korrespondenz:<br />

PD Dr. med. M. Krause<br />

Chefarzt<br />

Medizinische Klinik<br />

Thurgauisches Kantonsspital<br />

CH-8596 Münsterlingen<br />

2009


Klinisch-pathologische Konferenz (CPC) Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

Bef<strong>und</strong>e bei Eintritt<br />

Der Patient war in deutlich reduziertem Allgemeinzustand. Der<br />

Blutdruck betrug 154/87 mm Hg, der Puls 78/Minute <strong>und</strong> die Kerntemperatur<br />

37,5 °C.<br />

Die Haut <strong>und</strong> Schleimhäute waren sehr blass, die Skleren ikterisch<br />

<strong>und</strong> die Pupillen miotisch. Petechien waren an Bauchwand <strong>und</strong> an<br />

den Vorderarmen beiderseits, nicht an den Beinen sichtbar. Es bestanden<br />

Prankenhände bei Status nach i.v.-Drogenabusus. Die Leber<br />

war palpatorisch vergrössert mit etwa 13 cm. Über dem Herzen<br />

war ein 2/6 Systolikum auskultierbar.<br />

Der übrige Status war unauffällig.<br />

Laborresultate<br />

Es lag eine normochrome normozytäre <strong>Anämie</strong> mit einem Eintritts-<br />

Hämoglobin von 5,2 g% (MCV 79,6 fl, MCH 28,2 pg) sowie eine<br />

<strong>Thrombozytopenie</strong> mit 1810 9 /l vor.<br />

Die Retikulozyten waren mit 106‰ deutlich erhöht. Es bestand eine<br />

Anisozytose ++, eine Anisochromie + <strong>und</strong> eine Polychromie ++.<br />

Sphärozyten (+) sowie Fragmentozyten ++ <strong>und</strong> Erythroblasten<br />

2/200 waren nachweisbar. Das weisse Blutbild war unauffällig (Lc<br />

5,7<strong>51</strong>0 9 /l, 71,6% Neutrophile, 15,7% Lymphozyten, 7,6% Monozyten,<br />

1,6% Eosinophile, 0,4% Basophile, 3,1% LUC-Zellen).<br />

Die Elektrolyte lagen im Normbereich, das Bilirubin war leicht erhöht<br />

mit 35 µmol/l. Sämtliche Leberenzyme <strong>und</strong> die alkalische<br />

Phosphatase waren erhöht (ASAT 79, ALAT 66, GGT 158 alk Phos<br />

158). Das CRP war im Normbereich. Die LDH war mit 3153 U/l<br />

stark erhöht, die Gerinnung normal.<br />

38,7 °C. Die CD4-Zellen waren mit 316/µl erniedrigt, der Coombs-<br />

Test fiel negativ aus. Im Ultraschall des Abdomens wurde eine Splenomegalie<br />

ohne weitere Pathologie gef<strong>und</strong>en.<br />

Am 5. Hospitalisationstag war das subjektive <strong>und</strong> objektive Befinden<br />

des Patienten deutlich besser. Wegen der Zytopenie wurde eine<br />

Knochenmarkpunktion durchgeführt. Nach dem Eingriff verliess<br />

der Patient gegen den Willen der behandelnden Ärztin <strong>und</strong> trotz psychiatrischer<br />

Intervention mit liegendem Venflon erneut die Abteilung<br />

<strong>und</strong> wurde nach Fahndung wegen Selbstgefährdung zurückgebracht.<br />

Am 6. <strong>und</strong> 7. Hospitalisationstag blieb der Patient stabil. Mitpatienten<br />

beobachteten, wie er sich Drogen i.v. applizierte. Am 8. Hospitalisationstag<br />

war der Patient erneut von der Abteilung verschw<strong>und</strong>en.<br />

Er wurde bewusstlos in einer Toilette im Keller des Spitals<br />

aufgef<strong>und</strong>en. Der Patient hatte ein GCS von 6, eine spontane<br />

Atmung <strong>und</strong> war kardiopulmonal stabil. Bei Verdacht auf Methadon-Intoxikation<br />

brachte eine Narkan-Applikation keine Veränderung<br />

des GCS. Im CT des Neurokraniums konnte weder eine Blutung<br />

noch eine Raumforderung nachgewiesen werden. Im EEG<br />

fanden sich generalisierte schwere Allgemeinveränderungen ohne<br />

Herde oder Hinweise auf zerebrale Übererregbarkeit, insbesondere<br />

lagen keine Epilepsiepotentiale vor. Im Verlauf wurde der Patient<br />

zunehmend tachypnoisch. Bei Verdacht auf Methadon-Entzug<br />

wegen der Narcan-Applikation wurde Methadon i.v. gespritzt, ohne<br />

eine Veränderung zu erreichen. Während der Vorbereitung zur elektiven<br />

Intubation kam es zur rapiden Allgemeinzustandsverschlechterung<br />

mit anschliessender Asystolie. Der Patient wurde notfallmässig<br />

intubiert <strong>und</strong> mechanisch reanimiert. Bei elektromechanischer<br />

Dissoziation wurde der Patient 25 Minuten reanimiert, ohne<br />

dass es zu erneuter spontaner Herzaktivität gekommen wäre.<br />

Verlauf<br />

Bereits am Eintrittstag war der Patient spurlos von der Abteilung<br />

verschw<strong>und</strong>en, wurde jedoch nach einigen St<strong>und</strong>en durch die Sanität<br />

erneut von zu Hause zurückgebracht. Gleichentags wurden 2<br />

Ec substituiert. Agitiert <strong>und</strong> unruhig stürzte der distanzlose Patient<br />

wiederholt auf der Abteilung <strong>und</strong> war insgesamt schwer zu führen.<br />

Eine geplante Gastroskopie scheiterte am 2. Hospitalisationstag.<br />

Tags darauf fiel das Hämoglobin erneut auf 4,9 g% bei stabiler<br />

Thrombozytenzahl.<br />

2 EC-Konserven konnten verabreicht werden, danach verweigerte<br />

der Patient ausser der Methadon- <strong>und</strong> Valium-Substitution jede weitere<br />

Medikation. Gegen Nachmittag entwickelte er Fieber bis<br />

Klinische Diagnosen<br />

– <strong>Anämie</strong> <strong>und</strong> <strong>Thrombozytopenie</strong> unklarer <strong>Ätiologie</strong><br />

– Differentialdiagnose: medikamentös-toxisch<br />

– Im Rahmen einer schweren gastrointestinalen Blutung<br />

<strong>und</strong> chronischer Leberschädigung<br />

– Intravasale Hämolyse<br />

– Verdacht auf obere gastrointestinale Blutung<br />

– Chronisch paranoide Schizophrenie<br />

– Polytoxikomanie (Alkohol-, Opiat- <strong>und</strong> Benzodiazepinabusus)<br />

– Zustand nach Seminom des Hodens<br />

– HIV-Infektion<br />

Diskussion<br />

M. Krause<br />

Die langjährige Krankengeschichte dieses<br />

35jährigen Patienten endet mit einer fulminant<br />

verlaufenden Erkrankung, die innerhalb von<br />

2 Wochen zum Tode führte. Sein aktuelles<br />

Leiden beginnt mit Schwäche, Anstrengungsdyspnoe,<br />

Nausea <strong>und</strong> Erbrechen. Gleichzeitig<br />

bemerkt der Patient ein purpuriformes Exanthem<br />

<strong>und</strong> dunklen Urin. Der Verlauf im Spital<br />

ist gekennzeichnet durch ein wechselndes, teils<br />

delirantes zerebrales Zustandsbild <strong>und</strong> Fieber<br />

über 38 °C. <strong>Anämie</strong> <strong>und</strong> Thrombopenie sind<br />

die augenfälligsten Laborbef<strong>und</strong>e. Da bekannt<br />

ist, dass er nebst Methadon regelmässig Benzodiazepine<br />

<strong>und</strong> Alkohol konsumiert, besteht<br />

der dringende Verdacht, dass er auch während<br />

der Hospitalisation Drogen zu sich nimmt. Am<br />

8. Hospitalisationstag wird er komatös auf<br />

der Toilette aufgef<strong>und</strong>en. Sein Bewusstseinszustand<br />

bleibt auch nach Naloxon <strong>und</strong> Flumazenil<br />

unverändert, ein toxikologisches Screening<br />

für Barbiturate <strong>und</strong> trizyklische Antidepressiva<br />

ist negativ. Innerhalb von 3 St<strong>und</strong>en wird er<br />

zunehmend tachypnoisch <strong>und</strong> tachykard <strong>und</strong><br />

verstirbt schliesslich an kardialem Pumpversagen.<br />

Welche seiner vorbestehenden Erkrankungen<br />

2010


Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

Klinisch-pathologische Konferenz (CPC)<br />

bringen uns auf die richtige Spur, um diese<br />

rasch <strong>und</strong> tödlich verlaufende Krankheit zu<br />

erkennen? In unsere Überlegungen einzuschliessen<br />

sind eine langjährige paranoide<br />

Schizophrenie, eine Semicastratio rechts wegen<br />

Seminom vor 9 Jahren, eine Hepatitis-C-Infektion<br />

<strong>und</strong> eine HIV-Infektion. Mit seinem psychiatrischen<br />

Leiden kann die aktuelle Symptomatik<br />

nicht in Zusammenhang gebracht werden.<br />

Vom Seminom war er durch die Operation<br />

geheilt. Über die Aktivität der Hepatitis C<br />

liegen keine Untersuchungen vor, die leicht erhöhten<br />

Leberenzyme könnten Ausdruck einer<br />

aktiven Infektion sein. Die HIV-Infektion besteht<br />

über 10 Jahre, ist unbehandelt <strong>und</strong> hat<br />

noch keine opportunistischen Infektionen zur<br />

Folge gehabt. Dennoch ist die HIV-Infektion<br />

bereits fortgeschritten, da die Zahl der CD4-T-<br />

Lymphozyten deutlich reduziert ist (316/µl).<br />

Der Autor glaubt deshalb, dass die HIV-Infektion<br />

<strong>und</strong> die eindrücklichen hämatologischen<br />

Bef<strong>und</strong>e auf die richtige Fährte führen.<br />

Die schwere <strong>Anämie</strong> (Hb 5,2 g/dl) erklärt die<br />

Schwäche <strong>und</strong> Anstrengungs-Dyspnoe des Patienten.<br />

Die hohe Retikulozytenzahl mit ausgeschwemmten<br />

Erythroblasten, das erhöhte<br />

Bilirubin, die hohe Lactatdehydrogenase (LDH<br />

3153 U/l) <strong>und</strong> das fehlende Haptoglobin lassen<br />

leicht die Diagnose einer hämolytischen <strong>Anämie</strong><br />

stellen. Das kleine durchschnittliche<br />

Erythrozytenvolumen (79,6 fl) lässt zwar beim<br />

ersten Blick einen Eisenmangel vermuten, doch<br />

spricht das erhöhte Ferritin (667 ng/ml bei<br />

normalem C-reaktivem Protein) dagegen. Die<br />

B 12 - <strong>und</strong> Folsäure-Spiegel sind normal. Der hämolytische<br />

Prozess zerstört auch transf<strong>und</strong>ierte<br />

Erythrozyten, was sich daran erkennen<br />

lässt, dass das Hämoglobin auch nach insgesamt<br />

4 Erythrozytenkonzentraten nicht angestiegen<br />

ist. Gleichzeitig liegt eine schwere<br />

Thrombopenie vor (1810 9 /l). Thrombopenien<br />

sind bei HIV-Patienten häufig. Sie entstehen<br />

sowohl durch verminderte Produktion<br />

als auch durch einen erhöhten Verbrauch der<br />

Plättchen [1]. Die beim Patienten frisch aufgetretene<br />

Purpura ist Hinweis dafür, dass die<br />

niedrige Plättchenzahl relativ rasch entstanden<br />

ist.<br />

Wie kann die Kombination «Hämolyse <strong>und</strong><br />

Thrombopenie» mit der HIV-Infektion in Verbindung<br />

gebracht werden?<br />

Eine Erklärung bieten Autoantikörper gegen<br />

Blutzellen, welche diese Bizytopenie verursacht<br />

haben. Autoimmun-assoziierte Phänomene<br />

werden bei HIV-Infektionen häufig beobachtet,<br />

<strong>und</strong> autoimmun-getriggerte Hämolysen sind<br />

beschrieben worden [2]. Das gleichzeitige Auftreten<br />

von Autoantikörper gegen Plättchen <strong>und</strong><br />

Erythrozyten wäre nicht ungewöhnlich (sog.<br />

Evans-Syndrom), doch kann damit der akute<br />

<strong>und</strong> letale Krankheitsverlauf nicht genügend<br />

erklärt werden. Ein weiterer Beweis dagegen ist<br />

der direkte Coombs-Test, welcher negativ ist<br />

<strong>und</strong> eine Destruktion der Erythrozyten durch<br />

Antikörper weitgehend ausschliesst.<br />

Eine Coombs-negative Erythrozytendestruktion<br />

mit Thrombopenie wird beim Hämophagozytose-Syndrom<br />

beobachtet. Dabei handelt<br />

es sich um eine überschiessende Makrophagenaktivierung<br />

mit fulminantem klinischem<br />

Verlauf. Fieber, Erbrechen, Zerfall des Allgemeinzustands,<br />

Hepatosplenomegalie, Panzytopenie,<br />

exzesshaft hohe Ferritinwerte, Hypofibrinogenämie<br />

sowie erhöhte Triglyzeride,<br />

LDH <strong>und</strong> Leberenzyme gehören zu den Symptomen<br />

<strong>und</strong> Zeichen dieser aussergewöhnlichen<br />

Krankheit [3]. Im Knochenmark erkennt<br />

man die Erkrankung an der ausgeprägten<br />

Erythrozytophagie durch Makrophagen. Die<br />

Letalität ist hoch. Die Hämophagozytose wird<br />

häufig durch Epstein-Barr-Virusinfekte <strong>und</strong> T-<br />

Zell-Lymphome ausgelöst [3]. Sie wird auch<br />

gehäuft in Assoziation mit HIV-Infektionen beschrieben<br />

[4]. Da viele Elemente der Hämophagozytose-Krankheit<br />

beim Patienten nicht<br />

zutreffen, soll diese Diagnose nicht weiter in<br />

Betracht gezogen werden.<br />

Viele schwere Infektionskrankheiten gehen mit<br />

Thrombozytenverbrauch einher. Gewisse Infektionen<br />

können zusätzlich starke Hämolysen<br />

auslösen [5]. Da die HIV-bedingte Immunsuppression<br />

zu vielen Infektionen prädisponiert,<br />

muss eine infektiöse Genese erwogen werden.<br />

Die Pathomechanismen der Infekt-assoziierten<br />

Hämolyse sind sehr unterschiedlich (Tab. 1).<br />

Erreger, welche direkt eine Erythrozytendestruktion<br />

verursachen, konnten nicht nachgewiesen<br />

werden. Die Malaria <strong>und</strong> die Babesiose<br />

Tabelle 1<br />

Hämolyse-induzierende<br />

Erreger (vereinfachend<br />

modifiziert nach [5].<br />

direkte Destruktion durch Erreger<br />

a) direkter Befall der Erythrozyten Malaria, Babesiose, Bartonella<br />

b) Toxinbildung Clostridium perfringens<br />

indirekt<br />

a) Antikörper gegen Erythrozyten Mycoplasma, Lues, Epstein-Barr-Virus<br />

b) hämolytisch-urämisches Syndrom Shigella, Escherichia coli<br />

c) mechanische Hämolyse an Klappen Endokarditis (verschiedene Erreger)<br />

2011


Klinisch-pathologische Konferenz (CPC) Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

Abbildung 1<br />

Blutausstrich eines Patienten mit thrombotisch-thrombozytopenischer<br />

Purpura. Es sind<br />

viele Fragmentozyten vorhanden. Sie sind<br />

daran zu erkennen, dass sie wie «halbierte»<br />

Erythrozyten aussehen, die an der Bruchstelle<br />

einen unregelmässigen Rand haben (zu Demonstrationszwecken<br />

wurde das Blutbild<br />

eines anderen Patienten gewählt).<br />

sind im Blutbild leicht auszuschliessen. Infektionen<br />

mit Bartonella bacilliformis kommen<br />

bei uns nicht vor. Sie sind endemisch in den<br />

Anden in Peru <strong>und</strong> Ecuador <strong>und</strong> führen zu<br />

schweren intravasalen Hämolysen. Bei HIVinfizierten<br />

Personen sind Infektionen mit anderen<br />

Bartonella-Spezies beschrieben worden,<br />

nämlich B. henselae <strong>und</strong> B. quintana. Klinisch<br />

imponieren diese Infekte aber nicht mit einer<br />

Hämolyse, sondern mit gefässreichen entzündlichen<br />

Proliferationen auf der Haut oder in der<br />

Leber, welche mit dem Begriff «bazilläre Angiomatose»<br />

umschrieben werden. Eine Endokarditis<br />

kann durch mechanische Hämolyse an<br />

den veränderten Klappen eine <strong>Anämie</strong> mit Bildung<br />

von Fragmentozyten verursachen. Fragmentozyten<br />

sind mechanisch lädierte Erythrozyten,<br />

die im Blutausstrich wie zerbrochene<br />

Eierschalen aussehen (Abb. 1). Sie verkleinern<br />

das im Automaten durchschnittlich errechnete<br />

Erythrozytenvolumen, welches bei Hämolysen<br />

normalerweise wegen der Retikulozytose erhöht<br />

ist. Im Blutausstrich des Patienten sind<br />

Fragmentozyten vorhanden <strong>und</strong> auskultatorisch<br />

ist ein Systolikum zu hören. Obwohl die<br />

sterilen Blutkulturen eine Endokarditis nicht<br />

ausschliessen, glaubt der Autor, dass die Fragmentozyten<br />

beim Patienten auf eine andere<br />

Krankheit hinweisen.<br />

Fragmentozyten entstehen nicht nur an Herzklappen,<br />

sondern auch am veränderten Endothel<br />

von mikrovaskulären Gefässzonen. Diese<br />

Erkrankungen, kurz Mikroangiopathien genannt,<br />

gehen typischerweise mit Hämolyse <strong>und</strong><br />

Thrombopenie einher. Die Hämolyse ist<br />

Coombs-negativ, <strong>und</strong> die Thrombopenie ist<br />

durch einen Plättchenverbrauch verursacht [6].<br />

Die klinische Präsentation der Mikroangiopathien<br />

ist durch das akute Auftreten von Fieber,<br />

<strong>Anämie</strong>, Blutungen <strong>und</strong> Mikrozirkulationsstörungen<br />

in verschiedenen Organen gekennzeichnet.<br />

Der Verlauf ist oft fulminant. Mikroangiopathien<br />

kommen beispielsweise bei ausgedehnter<br />

intravasaler Metastasierung oder bei<br />

angiotropen Lymphomen gleichzeitig mit einer<br />

Aktivierung der Gerinnung vor. Die HIV-Infektion<br />

prädisponiert zu Non-Hodgkin-Lymphomen<br />

der B-Zellreihe, die zwar häufig extranodal,<br />

aber selten exklusiv intravaskulär<br />

lokalisiert sind. Die Gerinnung des Patienten<br />

zeigt keinen Verbrauch an, weshalb ein intravaskuläres<br />

Lymphom kaum in Frage kommt.<br />

Zwei klassische Formen der Mikroangiopathie<br />

ohne signifikante Verbrauchskoagulopathie<br />

sind die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura (TTP) <strong>und</strong> das hämolytisch-urämische<br />

Syndrom (HUS). Bei der thrombotisch-thrombozytopenischen<br />

Purpura ist in erster Linie<br />

die zerebrale Mikrozirkulation behindert,<br />

während beim hämolytisch-urämischen Syndrom<br />

vor allem die Niere mit akutem Versagen<br />

betroffen ist. Oft ist es aber wegen überlappender<br />

Klinik nicht möglich, die beiden Entitäten<br />

eindeutig voneinander zu trennen [6].<br />

Die pathogenetische Kette von Ereignissen,<br />

welche diesen Erkrankungen zu Gr<strong>und</strong>e liegt,<br />

ist durch kürzlich veröffentlichte Arbeiten bereichert<br />

worden. Der Überschuss von ungewöhnlich<br />

grossen Multimeren des Von-Willebrand-Faktors<br />

führt am Endothel an Stellen<br />

mit hohen intravasalen Scherkräften zur vermehrten<br />

Plättchenaggregation. Die dadurch<br />

vor allem in kleinen Gefässen entstehenden<br />

Plättchenthromben behindern die Mikrozirkulation<br />

<strong>und</strong> führen zu einer mechanischen Lädierung<br />

der Erythrozyten mit Fragmentation.<br />

Wie Furlan et al. gezeigt haben, ist die Aktivität<br />

jener Metalloproteinase stark reduziert, welche<br />

die Multimerformen des Von-Willebrand-<br />

Faktors in kleinere Einheiten schneidet [7]. Erstaunlicherweise<br />

scheinen beim hämolytischurämischen<br />

Syndrom andere Mechanismen<br />

eine Rolle zu spielen, da die Aktivität der Metalloprotease<br />

normal ist [7]. Verschiedene Infektionen<br />

<strong>und</strong> Medikamente (Ticlopidin, Zytostatika)<br />

sind als Trigger von TTP/HUS-Schü-<br />

2012


Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

Klinisch-pathologische Konferenz (CPC)<br />

ben bekannt [6, 8]. Schübe können aber auch<br />

rezidivieren, ohne dass ein Auslöser zu erkennen<br />

ist. Auch familiäre Formen kommen vor.<br />

Bei HIV-Patienten werden TTP-Schübe gehäuft<br />

beobachtet [9–11]. Diese treten meist<br />

erst im fortgeschrittenen Stadium ihrer Krankheit<br />

auf. In einer Untersuchung von Patienten<br />

mit thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura,<br />

welche auch zwei HIV-Patienten einschloss,<br />

liessen sich IgG-Antikörper mit hemmender<br />

Wirkung gegen die Metalloprotease<br />

nachweisen [12]. Ob ein solcher Autoimmunmechanismus<br />

bei der HIV-assoziierten thrombotisch-thrombozytopenischen<br />

Purpura wirklich<br />

vorliegt, muss an einer grösseren Zahl von<br />

Patienten bewiesen werden.<br />

Der hier vorgestellte Patient ist an einem akuten<br />

Schub einer HIV-assoziierten thrombotisch-thrombozytopenischen<br />

Purpura verstorben.<br />

Das wechselnde Bild mit Verwirrung,<br />

Delir <strong>und</strong> schliesslich Koma ist auf die zerebrale<br />

Mikrozirkulationsstörung zurückzuführen,<br />

welche im Schädel-Computertomogramm erwartungsgemäss<br />

nicht zu erkennen ist. Das letale<br />

kardiale Pumpversagen mit EKG-Veränderungen<br />

<strong>und</strong> Laktatazidose (12,5 mmol/l) ist<br />

mit einem terminalen Schub einer myokardialen<br />

Mikroangiopathie zu erklären. Nausea <strong>und</strong><br />

Erbrechen lassen einem Mitbefall der gastrointestinalen<br />

Gefässe, die bei Eintritt festgehaltene<br />

Hämaturie eine diskrete Mitbeteiligung der<br />

Niere vermuten. Möglicherweise ist der terminale<br />

Mikroangiopathie-Schub durch eine Sepsis<br />

ausgelöst worden, für deren Diagnose allerdings<br />

keine Zeit mehr zur Verfügung stand.<br />

Der Autor ist überzeugt, dass das behandelnde<br />

Ärzteteam bewusst auf die TTP-Standardbehandlung<br />

mit Kortikosteroiden, Plasmainfusionen<br />

<strong>und</strong> -apherese verzichtet hat.<br />

Diagnosen<br />

1. HIV-assoziierte thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura, mit zerebralem, myokardialem,<br />

eventuell intestinalem <strong>und</strong> renalem<br />

Befall;<br />

2. HIV-Infektion Stadium A2;<br />

3. terminale Sepsis (?).<br />

Autopsiebef<strong>und</strong>e<br />

H. Moch<br />

Bei der Autopsie liessen sich vor allem in<br />

Gehirn, Herz <strong>und</strong> Pankreas zahlreiche hyaline<br />

Mikrothromben, überwiegend in den präkapillären<br />

Arteriolen <strong>und</strong> Kapillaren, jedoch<br />

nicht in grossen Gefässen nachweisen. Die immunhistologische<br />

Untersuchung zum Nachweis<br />

von Fibrin zeigte, dass die hyalinen Mikrothromben<br />

überwiegend aus Fibrin bestehen<br />

(Abb. 2a <strong>und</strong> b). Eine entzündliche Infiltration<br />

der Gefässwand fehlte. Teilweise fand sich<br />

auch subendothelial hyalines Material. Die<br />

Mikrothromben im Gehirn waren überwiegend<br />

im Grosshirnkortex, weniger im Marklager<br />

<strong>und</strong> vereinzelt auch in Kleinhirn <strong>und</strong><br />

Hirnstamm nachweisbar. Es bestand ein mässiges<br />

raumforderndes Hirnödem (Hirngewicht<br />

1550 g), jedoch keine Anhaltspunkte für eine<br />

hypoxämische Enzephalopathie, eine Hirnblutung<br />

oder eine Basilaristhrombose.<br />

In den Nieren <strong>und</strong> im Knochenmark konnten<br />

nur vereinzelt hyaline Mikrothromben nachgewiesen<br />

werden (Abb. 2c). Folge dieser Mikrothromben<br />

waren ischämische Veränderungen:<br />

Im Herzen waren zahlreiche perakute<br />

Herzmuskelfaser-Gruppennekrosen vorhanden,<br />

im Pankreas lagen ebenfalls fokale Nekrosen<br />

<strong>und</strong> ausgedehnte Hämorrhagien vor.<br />

Daneben bestanden Zeichen einer hämorrha-<br />

Abbildung 2a<br />

Grosshirnkortex: Purpura cerebri. Nachweis<br />

von hyalinen Fibrin-Mikrothromben in kleinen<br />

Gefässen. Teilweise Exsudation von Fibrin<br />

<strong>und</strong> Erythrozyten aus Gefässlumen (rechts).<br />

Immunhistochemie (ABC-Elite-Methode) zum<br />

Nachweis von Fibrinogen (217).<br />

2013


Klinisch-pathologische Konferenz (CPC) Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

Abbildung 2b<br />

Myokard: zahlreiche hyaline Fibrin-<br />

Mikrothromben. Immunhistochemie<br />

(ABC-Elite-Methode) zum Nachweis von<br />

Fibrinogen (280).<br />

Abbildung 2c<br />

Niere: glomerulärer Mikrothrombus.<br />

SFOG-Färbung (560).<br />

Abbildung 2d<br />

Lunge: Fremdkörperriesenzelle mit<br />

Phagozytose von kristallinem<br />

Fremdmaterial in Alveolarsepten<br />

bei i.v.-Drogenabusus. HE (560).<br />

gischen Diathese in Form von diffusen Petechien,<br />

subepikardial, subendokardial, im Myokard,<br />

der Trachea, des distalen Ösophagus, im<br />

Magen, Nierenbecken <strong>und</strong> in der Harnblase.<br />

HIV-assoziierte Erkrankungen, wie z.B. eine<br />

HIV-Enzephalitis, eine HIV-assoziierte Pneumopathie,<br />

ein Kaposi-Sarkom oder eine HIV-<br />

Lymphadenopathie, liessen sich nicht nachweisen.<br />

Vereinzelt fand sich kristallines Fremdmaterial<br />

in den Lungensepten (Abb. 2d), ein<br />

Bef<strong>und</strong>, der häufig bei intravenösem Drogenabusus<br />

beobachtet werden kann. In der Leber<br />

bestanden Hinweise für eine Hepatitis-C-Infektion<br />

in Form einer teils follikulären lymphoplasmazellulären<br />

Portalfeldinfiltration <strong>und</strong><br />

eines inkompletten bindegewebigen Leberparenchym-Umbaus.<br />

Hinweise für eine Metastasierung<br />

des vor 9 Jahren durch Orchiektomie<br />

behandelten Seminoms lagen nicht vor.<br />

2014


Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

Klinisch-pathologische Konferenz (CPC)<br />

Pathologisch-anatomische Diagnose:<br />

Herzversagen bei thrombotisch-thrombozytopenischer<br />

Purpura (M. Moschcowitz) in Assoziation<br />

mit HIV-Infektion.<br />

Pathologisch-anatomische Diskussion:<br />

Die 1924 von Moschcowitz beschriebene<br />

thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />

(TTP, M. Moschcowitz) [13] gehört gemeinsam<br />

mit dem 1955 von Gasser beschriebenen<br />

hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS, M.<br />

Gasser) [14] zu den thrombotischen Mikroangiopathien.<br />

Bei beiden Syndromen kommt es<br />

zur Bildung hyaliner Plättchenthromben <strong>und</strong><br />

damit zur Minderperfusion abhängiger Gewebe.<br />

Während beim hämolytisch-urämischen<br />

Syndrom die histologischen Veränderungen<br />

vor allem die Nieren betreffen, sind bei der<br />

thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura<br />

die Hauptbef<strong>und</strong>e im Gehirn, aber auch häufig<br />

in Herz, Pankreas <strong>und</strong> Nebennieren zu finden.<br />

Ätiologisch geht dem hämolytisch-urämischen<br />

Syndrom, vor allem bei Kindern, ein Infekt mit<br />

Durchfällen voraus. Bei der Mehrzahl der Patienten<br />

kann das Shigella-ähnliche Toxin von<br />

Eschericha coli O 157: H 7 nachgewiesen werden.<br />

Die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura kann idiopathisch, aber auch im Rahmen<br />

verschiedenster Erkrankungen wie Infektionserkrankungen<br />

oder Immunprozessen beobachtet<br />

werden. Die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura kann durch Zytostatika<br />

oder Immunsuppressiva ausgelöst werden sowie<br />

Folge einer Bestrahlung oder neoplastisch<br />

bedingt sein. Ein gehäuftes Auftreten wird<br />

auch in der Schwangerschaft beschrieben (vor<br />

allem im 3. Trimenon <strong>und</strong> postportal). Lange<br />

Zeit wurde für beide Krankheitsbilder ein disseminierter<br />

Endothelschaden in der Mikrozirkulation<br />

postuliert. In jüngster Zeit lassen<br />

verschiedene Untersuchungen vermuten, dass<br />

ein Inhibitor der Von-Willebrand-Faktor-Cleaving-Protease<br />

in der Pathogenese der thrombotisch-thrombozytopenischen<br />

Purpura, aber<br />

nicht des hämolytisch-urämischen Syndroms<br />

beteiligt ist [15]. Mit dem Nachweis der Von-<br />

Willebrand-Faktor-Cleaving-Protease ist in der<br />

Zukunft möglicherweise ein hämolytisch-urämisches<br />

Syndrom von einer thrombotischthrombozytopenischen<br />

Purpura sicher abzugrenzen.<br />

In dem hier besprochenen Fall tritt die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura bei<br />

einem HIV-positiven Patienten auf. Bei HIV-<br />

Infektionen werden signifikant höhere Inzidenzen<br />

der verschiedenen Formen von Mikroangiopathien<br />

beobachtet. So werden häufiger<br />

zerebrale Vaskulitiden, okuläre Mikroangiopathie-Syndrome<br />

<strong>und</strong> leukozytoklastische<br />

bzw. eosinophile nekrotisierende Vaskulitiden<br />

beobachtet. Häufig finden sich bei HIV-Infektionen<br />

auch immunologisch bedingte Autoimmun-<strong>Thrombozytopenie</strong>n.<br />

Immunologisch<br />

bedingte <strong>Thrombozytopenie</strong>n mit plättchenreaktiven<br />

Autoantikörpern treten bei bis zu<br />

20% der HIV-positiven Patienten auf.<br />

Ein Zusammenhang zwischen thrombotischen<br />

Mikroangiopathien <strong>und</strong> HIV-Infektion wurde<br />

erstmals 1987 von Jokela et al. beschrieben<br />

[16]. Seitdem wurden über 93 Patienten mit<br />

HIV-Infektion <strong>und</strong> thrombotischer Mikroangiopathie<br />

publiziert [17–21]. Die Analyse dieser<br />

Fälle zeigt bestimmte Besonderheiten der<br />

thrombotischen Mikroangiopathien bei HIV-<br />

Infektion: Die thrombotischen Mikroangiopathien<br />

(HUS <strong>und</strong> TTP) haben bei HIV-Patienten<br />

eine äusserst hohe Prävalenz, bei fortgeschrittenen<br />

Aids-Stadien bis zu 5,9%. Während in<br />

fortgeschrittenen Aids-Stadien häufiger das<br />

hämolytisch-urämische Syndrom auftritt, sieht<br />

man die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura schon in früheren Aids-Stadien. Oftmals<br />

ist die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura das erste Symptom einer HIV-<br />

Infektion [22]. Der Verlauf von thrombotischthrombozytopenischer<br />

Purpura <strong>und</strong> hämolytisch-urämischem<br />

Syndrom bei HIV-Infektionen<br />

ist sehr schlecht [23–30]. In einer Untersuchung<br />

zeigte sich, dass 63% der Patienten mit<br />

hämolytisch-urämischem Syndrom an diesem<br />

Krankheitsbild starben, aber auch 43% der<br />

TTP-Patienten [17]. Damit haben thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura <strong>und</strong> hämolytisch-urämisches<br />

Syndrom die schlechteste<br />

Prognose aller Aids-assoziierten Erkrankungen.<br />

Wegen der Häufigkeit <strong>und</strong> der prognostischen<br />

Relevanz der thrombotischen Mikroangiopathien<br />

erscheint es gerechtfertigt, die<br />

thrombotischen Mikroangiopathien zu den<br />

Aids-assoziierten Erkrankungen zu zählen.<br />

2015


Klinisch-pathologische Konferenz (CPC) Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>51</strong>/52<br />

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2016

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