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Tarnen und Täuschen: Der Kampf gegen die Prototypen-Paparazzi

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11. April 2008<br />

<strong>Tarnen</strong> <strong>und</strong> <strong>Täuschen</strong>: <strong>Der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> <strong>Prototypen</strong>-<strong>Paparazzi</strong><br />

Von Fishies, Flimmies <strong>und</strong> der Kunst, verwechselt zu werden<br />

<strong>Tarnen</strong> <strong>und</strong> <strong>Täuschen</strong> ist Trumpf, wenn <strong>Prototypen</strong> neuer Modelle zum ersten Mal aus den<br />

streng abgeschirmten Designstudios <strong>und</strong> Werkstätten auf Versuchsstrecken oder in <strong>die</strong><br />

freie Wildbahn rollen. Denn heute kann zwar ein wachsender Teil der Erprobung durch<br />

Computersimulation vorweg genommen oder auf dem Prüfstand nachgestellt werden. Zur<br />

Vali<strong>die</strong>rung aller Laborergebnisse aber kommt unweigerlich der Tag, an dem Autos in ihr<br />

natürliches Habitat entlassen werden müssen – <strong>die</strong> Straße.<br />

Beim Insignia, dem neuen Mittelklasse-Opel, der am 22. Juli seine Weltpremiere feiert, war<br />

<strong>die</strong>s vor r<strong>und</strong> Zwei Jahren der Fall: Die erste Testfahrt auf der Nürburg-Nordschleife stand<br />

an. Auf <strong>die</strong>sen Tag hatten sich <strong>die</strong> Camouflage-Experten bei Opel monatelang besonders<br />

akribisch vorbereitet. Denn mit einer höchst attraktiven, völlig neuen Karosserielinie soll<br />

der Nachfolger des Vectra für einen überraschenden neuen Auftritt in der Mittelklasse<br />

stehen. Und Überraschungen können nur gelingen, wenn sie nicht vorzeitig bekannt<br />

werden.<br />

Bereits als vom neuen Modell nur Computersimulationen oder Tonmodelle in der<br />

Designabteilung existierten, begann das für <strong>die</strong> Tarnung der <strong>Prototypen</strong> zuständige Team<br />

in der Versuchsplanung mit seinen Vorbereitungen. Zusammen mit Chefdesigner <strong>und</strong><br />

Chefingenieur legte es fest, welche charakteristischen Linien des Autos den neugierigen<br />

Blicken der <strong>Prototypen</strong>-Jäger besonders lange verborgen bleiben sollten.<br />

Dafür entwickelten sie ein „Facelift“ für das kommende Modell, das <strong>die</strong> <strong>Prototypen</strong><br />

möglichst perfekt verunstaltet. So hat eine Variante des Neulings zum Beispiel ein<br />

besonders elegant fließendes Heck. Prompt wurde ein ausladender Heckspoiler<br />

General Motors Belgium N.V.<br />

http://media.opel.be<br />

General Motors Corporation


- 2 -<br />

konstruiert. Zur Produktion des Tarn-Teils, immerhin müssen bis zu 200 Versuchswagen<br />

bis zum Beginn der Produktion damit camouflagiert werden, wurde ein Holzmodell gebaut,<br />

aus dem danach ein Spritzwerkzeug für Kunststoffteile entstand. Auch für andere<br />

charakteristische Teile der Karosserie wurden nach dem gleichen Verfahren Abdeckungen<br />

entworfen <strong>und</strong> gefertigt. Wie immer wurden <strong>die</strong> ersten <strong>Prototypen</strong> in eine Werkstatt in<br />

einem besonders geschützten Teil des Werkes gebracht. Dort begann <strong>die</strong> Verunstaltung<br />

der ersten Versuchswagen.<br />

Das erste „Facelift“ sollte den Insignia so hässlich wie möglich machen<br />

Angebracht wird <strong>die</strong>ser Teil der Tarnung mit Spezialkleber, für eine glatte Oberfläche<br />

sorgen Spezialfolien, <strong>die</strong> zwischen minus 40 <strong>und</strong> plus 70 Grad Celsius elastisch <strong>und</strong><br />

reißfest bleiben. An anderen Stellen werden <strong>die</strong> Folien mit Schaumstoffteilen unterfüttert,<br />

um Konturen zu verändern. Auch zur Tarnung von charakteristischen Fensterlinien wird<br />

auf das Klebematerial zurückgegriffen. Solche Folien verwendet auch <strong>die</strong> Polizei zur<br />

Kennzeichnung der Streifenwagen – allerdings in Grün oder Blau <strong>und</strong> nicht in Erlkönig-<br />

Schwarz.<br />

Weitere Flächen der <strong>Prototypen</strong>-Karosserie bekommen zum Verwischen der Konturen eine<br />

möglichst kontraststarke, kleinteilige Beklebung. Jahrelang regierte hier bei Opel ein<br />

schwarzweißes Schachbrettmuster. Es wurde abgelöst von so genannten Fischies,<br />

fischförmigen ger<strong>und</strong>eten Rauten, <strong>die</strong> Fotoobjektive <strong>und</strong> Augen noch mehr verwirren. Noch<br />

besser sollen das künftig <strong>die</strong> Flimmies® können, deren Muster einen flimmernden<br />

Eindruck hervorruft.<br />

Wo Opel draufsteht, ist ganz sicher nicht Opel drin<br />

Zu beliebten Tricks im Verwirrspiel des Camouflagebusiness gehören auch „falsche“<br />

Marken- <strong>und</strong> Kennzeichen. So kann man ziemlich sicher sein, dass ein Prototyp mit einem<br />

blitzartigen Markensymbol <strong>und</strong> GG-Kennzeichen mit großer Wahrscheinlichkeit kein Opel<br />

ist.<br />

Besonders schwierig sind Scheinwerfer <strong>und</strong> Rückleuchten zu tarnen. Denn einerseits sind<br />

<strong>die</strong>se heute eine beliebte Spielwiese der Designer, um Autos leicht wiedererkennbare<br />

Merkmale mit zu geben. Was ihre Verhüllung besonders wichtig macht. Anderseits reden


- 3 -<br />

hier <strong>die</strong> Zulassungsbehörden mit. Denn <strong>die</strong>se schreiben vor, dass Lichtkegel,<br />

Bremsleuchten <strong>und</strong> alle anderen Funktionsteile der Außenhaut auch bei <strong>Prototypen</strong> den<br />

gesetzlichen Bestimmungen entsprechen müssen. So behelfen sich <strong>die</strong> Tarner am Heck<br />

mit einfachen r<strong>und</strong>en Leuchten aus dem Zubehörhandel, während für <strong>die</strong><br />

Frontscheinwerfer gesonderte Teile angefertigt werden.<br />

Ein weiteres Hindernis für ungehemmtes Versteckspiel mit den Versuchswagen ist <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit, <strong>die</strong>se bei Bedarf auch wieder enttarnen zu können. Denn für bestimmte<br />

Versuche, etwa der Akustiker oder Aerodynamiker, sind alle Anbauteile hinderlich –<br />

Sicherheit hin oder her. Daher setzen manche Autohersteller auf große Schürzen, <strong>die</strong> mit<br />

Klettbändern <strong>und</strong> Verzurrgurten an der Karosserie befestigt werden. Für Opel nicht<br />

unbedingt <strong>die</strong> beste Lösung: Denn allzu leicht macht sich ein solches Teil bei schneller<br />

Fahrt selbstständig <strong>und</strong> gefährdet damit nicht nur <strong>die</strong> Tarnung, sondern auch den Verkehr.<br />

<strong>Der</strong> Mensch ist das größte Hindernis für perfekte Täuschungsmanöver<br />

Denn das ist <strong>die</strong> größte Schwachstelle aller Täuschungsmanöver: Die mit den Versuchswagen<br />

befassten Techniker. Fehler passieren, wo immer Menschen tätig sind, <strong>und</strong> nach<br />

dem Ende eines anstrengenden Werkstatttages besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass eine solche<br />

Persenning nicht korrekt befestigt wird.<br />

Um Nachlässigkeiten der Testfahrer <strong>und</strong> Ingenieure möglichst auszuschließen, gibt es<br />

Opel-intern ein striktes Regelwerk, wie mit <strong>Prototypen</strong> umzugehen ist. Diese Richtlinie 531<br />

bestimmt zum Beispiel, dass mit einem getarnten Versuchswagen keinesfalls auf<br />

öffentlichen Plätzen anzuhalten ist, etwa um den kleinen Hunger zwischendurch an einem<br />

Schnellimbiss zu stillen. Auch ist stets eine Abdeckplane im Fahrzeug mitzuführen – auch<br />

Opel der Zuverlässige neigt gelegentlich zu einer Panne, wenn er noch im Versuchsstadium<br />

ist, <strong>und</strong> muss dann dringend komplett verhüllt werden. Zum Schutz der<br />

Werkgeheimnisse werden <strong>die</strong> <strong>Prototypen</strong> auf öffentlichen Straßen auch stets von einem<br />

zweiten Fahrzeug begleitet, damit Hilfe nah ist, wenn Hilfe gebraucht wird. Für größere<br />

Transportstrecken, etwa zu Versuchsfahrten in Finnland, sind <strong>die</strong> <strong>Prototypen</strong> in<br />

geschlossenen Lastwagen zu transportieren. Allzu häufig wurde früher von findigen<br />

Fotografen mal eben schnell <strong>die</strong> Plane gelupft, während der Lastwagenfahrer eine wohl<br />

ver<strong>die</strong>nte Pause machte.


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Und wozu das alles? Von neuen Autos lebt, um neue Autos dreht sich alles in der<br />

Automobilindustrie. Für zwei Interessengruppen sind Neuigkeiten über geplante Produkte<br />

von besonderem Interesse: Wettbewerber <strong>und</strong> Me<strong>die</strong>n. Wollen <strong>die</strong> einen auf Neuheiten<br />

möglichst schnell mit eigenen Innovationen reagieren, ist für <strong>die</strong> anderen der Nachrichtenwert<br />

der Neuigkeiten ein bewährtes Mittel, um Konsumenten zum eigenen Medium zu<br />

locken.<br />

Wesentliches Erkennungsmerkmal neuer Autos ist ihre Außenhaut, das Design. Es setzt<br />

<strong>die</strong> entscheidenden Kaufimpulse bei den Konsumenten, es bestimmt den Auftritt einer<br />

Marke in der Öffentlichkeit – <strong>und</strong> es lässt häufig auch Rückschlüsse auf unter dem Blech<br />

verborgene technologische Neuerungen zu. Frische Karosserieformen vor fremden Blicken<br />

zu schützen ist daher in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Kunstform der ganz<br />

besonderen Art in den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller gereift.<br />

Erlkönig-Jäger sind der natürliche Feind aller Tarnexperten<br />

Hauptgegner sind spezialisierte Fotografen, in Deutschland nach dem Objekt ihrer<br />

Begierde Erlkönig-Jäger genannt, im englischen Sprachgebrauch prosaisch Foto-Spione<br />

gerufen. Die <strong>Prototypen</strong>-<strong>Paparazzi</strong> wissen ziemlich genau, wo zwischen Nordkap <strong>und</strong><br />

Nürburgring-Nordschleife, zwischen Arizona <strong>und</strong> Afrika <strong>die</strong> bevorzugten Erprobungsstrecken<br />

der Autoindustrie liegen. Konkurrenz bekommen sie zunehmend von Amateuren,<br />

<strong>die</strong> mit ihrem Fotohandy einen Zufallstreffer knipsen – oder eben auch nicht: Da landet auf<br />

den Redaktionstischen manches Bild eines Serienproduktes, das sich nur dadurch<br />

auszeichnet, dass es auf dem Heimatmarkt des Fotografen nicht verkauft wird <strong>und</strong> daher<br />

exotisch <strong>und</strong> geheimnisvoll erscheint.<br />

Professionelle Bilder geheimer Erprobungsfahrzeuge da<strong>gegen</strong> erzielen, je nach Marke,<br />

Zeitpunkt <strong>und</strong> Qualität der Bilder, einen fünfstelligen Preis. Und beschäftigen einen<br />

eigenen, kleinen <strong>und</strong> feinen Berufstand: <strong>die</strong> Enttarner. Früher setzten gelernte Designer<br />

<strong>die</strong> Fotos der getarnten <strong>Prototypen</strong> künstlerisch mit Buntstift <strong>und</strong> Tusche in häufig sehr<br />

genau zutreffende Bilder der Neuheiten um. Heute sind es Photoshop-Retuscheure, <strong>die</strong><br />

versuchen, ein realistisches Neuheitenbild zu erschaffen. Hinweise geben ihnen dabei<br />

nicht nur <strong>die</strong> Erlkönigfotos, sondern auch <strong>die</strong> so genannten Designstu<strong>die</strong>n, mit denen <strong>die</strong><br />

Autowerke auf Messen den Geschmack des Publikums testen <strong>und</strong> gleichzeitig den Appetit<br />

anregen wollen.


- 5 -<br />

Auch <strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong>n würden <strong>die</strong> <strong>Prototypen</strong>-Schützer am liebsten tarnen. Aber man lässt<br />

sie einfach nicht.


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Ein Interview<br />

<strong>Der</strong> Verunstalter<br />

„Camouflage Cross carline“ steht auf seiner Visitenkarte: Seit über 20 Jahren ist Mr. M. für<br />

<strong>die</strong> Tarnung von Opel-<strong>Prototypen</strong> zuständig.<br />

Frage: Herr M., wollen Sie uns nicht Ihren vollen Namen verraten?<br />

M: Lieber nicht. Vernünftiger Schutz von <strong>Prototypen</strong> hat auch etwas mit dem vernünftigen<br />

Verhalten der Mitarbeiter zu tun. Und das beginnt damit, dass man eben nicht <strong>die</strong> Bühne<br />

sucht, sondern lieber im Verborgenen agiert.<br />

Frage: Sie sind also ein Geheimniskrämer?<br />

M: Privat nicht. Aber beruflich versuche ich schon alles zu tun, damit der Wettbewerb nicht<br />

erfährt, was wir planen.<br />

Frage: Wäre es da nicht am einfachsten, <strong>Prototypen</strong> nur auf abgesperrten Testgeländen<br />

zu erproben?<br />

M: Aus meiner Sicht schon. Aber leider geht das in der Realität nicht. In einem bestimmten<br />

Entwicklungsstadium müssen <strong>die</strong> Autos auf <strong>die</strong> Straße – dort, wo unsere K<strong>und</strong>en sie<br />

später ja auch bewegen werden. Und nur bei Nacht geht auch nicht – da würden wir je<br />

nach Jahreszeit bis zu zwei Drittel der Entwicklungszeit verlieren.<br />

Frage: Die Geheimhaltung ist im Anfangsstadium der Entwicklung wahrscheinlich am<br />

größten?<br />

M: Im Prinzip natürlich schon. In der Realität ist es am Anfang aber einfach. Denn <strong>die</strong><br />

neuen Technik-Komponenten werden zunächst unter dem Blechkleid des Vorgänger-


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modells erprobt. Diese Null-Wagen verraten noch nicht viel. Die Bewährungsprobe kommt<br />

erst, wenn <strong>die</strong> ersten <strong>Prototypen</strong> mit dem neuen Blechkleid soweit sind.<br />

Frage: Wie legen Sie denn <strong>die</strong> Tarnung <strong>die</strong>ser Autos fest?<br />

M: Ich setze mich frühzeitig mit dem verantwortlichen Designer des neuen Modells<br />

zusammen <strong>und</strong> bespreche, was <strong>die</strong> ganz besonders typischen Stilelemente des Neulings<br />

sind. Und dann mache ich einen Vorschlag, wie man <strong>die</strong>se Besonderheiten besonders gut<br />

verunstalten kann.<br />

Frage: Also möglichst viele Kunststoffteile möglichst hässlich draufgeklebt?<br />

M: Das ist leider nicht ganz so einfach. Denn einerseits wollen wir <strong>die</strong> Autos möglichst<br />

unkenntlich machen, andererseits müssen <strong>die</strong> Ingenieure der einzelnen Versuchsgruppen<br />

damit arbeiten können. Und drittens müssen <strong>die</strong>se Autos vom TÜV abgenommen werden.<br />

Frage: Vom TÜV?<br />

M: Natürlich, was in Deutschland auf <strong>die</strong> Straße kommt, braucht einen amtlichen Stempel.<br />

Das heißt zum Beispiel, <strong>die</strong> Beleuchtung muss den Vorschriften entsprechen, <strong>und</strong> es darf<br />

keine scharfkantigen Teile geben. Und alle speziellen Teile für <strong>die</strong> Camouflage müssen<br />

fest mit dem Auto verb<strong>und</strong>en sein.<br />

Frage: Und was bedeuten <strong>die</strong> Anforderungen der Ingenieure für Ihre Arbeit?<br />

M: Auch dazu einige Beispiele. Die Motoreningenieure bestehen darauf, dass <strong>die</strong><br />

Kühlluftführung exakt dem späteren Serienauto entspricht. Die Karosserieleute wollen,<br />

dass man zum Beispiel alle Türen <strong>und</strong> Hauben öffnen kann. Und <strong>die</strong> Akustiktechniker<br />

sowie <strong>die</strong> Licht-<strong>und</strong>-Sicht-Experten wollen am liebsten überhaupt keine Tarnung.<br />

Frage: Da bleibt für Ihre Arbeit wenig Spielraum.<br />

M: Es ist schon sehr schwierig. In gewisser Weise konstruieren wir Teile der Karosserie<br />

neu. Die Kunststoffteile, mit denen wir <strong>die</strong> Konturen der Karosserie verändern, um <strong>die</strong><br />

Erlkönig-Jäger in <strong>die</strong> Irre zu führen, werden dann in speziellen Werkzeugen hergestellt.


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Dazu kommen dann noch <strong>die</strong> Beklebungsmuster, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Form der Karosserie möglichst<br />

unkenntlich machen sollen.<br />

Frage: Was lässt sich denn am schwersten tarnen?<br />

M: Ganz klar, Kombis <strong>und</strong> SUVs. <strong>Der</strong>en Karosserien bieten wenig Gestaltungsspielraum.<br />

Während man bei einem Stufenheck-Fahrzeug zum Beispiel durch einen geschickt<br />

platzierten Heckspoiler einen völlig falschen Eindruck erzeugen kann.


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Unter der Lupe<br />

Kleider machen Leute: Vom Flecktarn zum Militarylook<br />

Oft ist Kleidung zugleich Ver-Kleidung – also per definitionem Camouflage. Mode findet<br />

statt im Spannungsfeld zwischen Exhibitionismus <strong>und</strong> Verhüllung <strong>und</strong> ist damit ein<br />

vielschichtiges sozialpsychologisches Phänomen. Vom eitlen Streben, immer eine gute<br />

Figur zu machen, <strong>und</strong> von der Täuschung der Wahrnehmung berichtet schon das Märchen<br />

„Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen (1805-1875). Mit kleinen<br />

Kleidungstricks wollen Frauen <strong>und</strong> Männer auch heutzutage von ihren Problemzonen<br />

ablenken: So soll ein Gürtel in der Taille mollige R<strong>und</strong>ungen kaschieren, Streifenmuster<br />

optisch strecken oder <strong>die</strong> Baseball-Cap vom dünnen Haarschopf ablenken.<br />

Mit dem aktuellen Militarylook à la Lara Croft will seine Trägerin allerdings vor allem eines:<br />

auffallen. Das militärisch inspirierte Outfit für den Großstadtdschungel ist indes keine ganz<br />

neue Erscheinung. Mit Parkas <strong>und</strong> Palästinensertüchern grenzten sich schon in den 70er<br />

Jahren viele Schüler, Studenten <strong>und</strong> Azubis vom gutbürgerlichen Elternhaus ab.<br />

Abgeleitet sind <strong>die</strong> Camouflage-Stoffe vom militärischen Flecktarn. 1935 hat Johann Georg<br />

Otto Schick im Auftrag des deutschen Militärs erstmals farbige Flecken <strong>und</strong> Punkte<br />

unregelmäßig auf einem Gr<strong>und</strong>ton angeordnet. Das deutsche „Platanen- <strong>und</strong><br />

Erbsenmuster“ sowie das „Eichellaubmuster“ zählen noch heute zu den meistkopierten<br />

Tarnmustern weltweit. Was in der Tierwelt der jahreszeitliche Farbwechsel des Fells ist,<br />

sind bei militärischen Uniformen <strong>die</strong> helleren Frühlings/Sommer- <strong>und</strong> <strong>die</strong> dunkleren<br />

Herbst/Winter-Versionen. Ziel ist in jedem Fall, wie von Stan Ridgeway 1985 in seinem Hit<br />

„Camouflage“ besungen: “Things are never quite the way they seem“ (Die Dinge sind<br />

niemals so, wie sie scheinen).<br />

In der Anfangszeit des deutschen Flecktarns war der industrielle Fünf- <strong>und</strong> Sechsfarben-<br />

Textildruck noch eine technologische Herausforderung. Heute hat das Computerzeitalter<br />

längst begonnen: Aktuelle Flecktarn-Dessins wie das von den Kanadischen Streitkräften<br />

benutzte CADPAT (Canadian disruptive pattern) oder das MARPAT (Marine Pattern) der


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US-Marines bestehen aus digitalisierten, also mit Hilfe von Computern generierten<br />

Fraktalen.<br />

Eine andere Form der Tarnkleidung ist der so genannte „Ghillie Suit“ (ghillie: Wildhüter,<br />

suit: Anzug). Hier kommt es weniger auf <strong>die</strong> Farbgebung als auf <strong>die</strong> Struktur an. <strong>Der</strong> oft<br />

von Scharfschützen getragene Tarnanzug besteht aus einem netzartigen Material, an das<br />

häufig noch Jutestreifen angenäht werden. <strong>Der</strong> „Ghillie Suit“ verbirgt <strong>die</strong> Form des<br />

menschlichen Körpers <strong>und</strong> lässt ihn mit seiner Umgebung verschmelzen. Ideal also auch<br />

für Erlkönig-Fotografen auf der Pirsch.


- 11 -<br />

Unter der Lupe<br />

<strong>Tarnen</strong> <strong>und</strong> täuschen – <strong>die</strong> tierischen Tricks<br />

Fressen oder gefressen werden, für viele Tiere ist eine gute Tarnung überlebenswichtig.<br />

Raubtiere tarnen sich, wenn sie sich an ihre Beute heranschleichen. Und Beutetiere geben<br />

sich gern unauffällig, damit sie nicht gefressen werden. Wenn Form, Farbe <strong>und</strong> Verhalten<br />

der Umgebung ähneln, verschmilzt der Körper des Tieres optisch mit der Umgebung – <strong>die</strong><br />

Tarnung ist erfolgreich. Nicht zufällig erinnern <strong>die</strong> Klebefolien, mit denen <strong>die</strong> Autohersteller<br />

<strong>die</strong> Formgebung ihrer <strong>Prototypen</strong> verschleiern, an <strong>die</strong> Streifen eines Zebras. Oder <strong>die</strong><br />

Hersteller versuchen, mitfremden Markenlogos <strong>die</strong> Erlkönig-Jäger auf <strong>die</strong> falsche Fährte zu<br />

locken – biologisch gesehen ein klarer Fall von Mimikry.<br />

Die tierischen Tarntechniken sind einfallsreich <strong>und</strong> höchst unterschiedlich:<br />

• Muster: Wildkatzen wie Luchs, Leopard oder Tiger, aber auch Beutetiere wie Zebras<br />

oder Wildschwein-Frischlinge tragen Flecken oder Streifen auf dem Fell. Dadurch<br />

verschmelzen ihre Umrisse mit dem Hintergr<strong>und</strong>.<br />

• Farbwechsel I: Die meisten Reptilien <strong>und</strong> Amphibien tragen eine Tarnfärbung. Viele<br />

können ihre Erscheinung verändern <strong>und</strong> sich dem jeweiligen Hintergr<strong>und</strong> anpassen.<br />

Nicht nur das für den Farbwechsel berühmte Chamäleon nutzt <strong>die</strong>sen Trick. Viele<br />

andere Echsen, aber auch Frösche oder Kröten <strong>und</strong> Fische erscheinen je nach<br />

Hintergr<strong>und</strong> heller oder dunkler.<br />

• Farbwechsel II: Manche Tierarten ändern je nach Jahreszeit <strong>die</strong> Farbe. Das weiße<br />

Winterfell des sonst graubraunen Schneehasen macht ihn im Winter fast unsichtbar.<br />

• Mimikry: Unter <strong>die</strong>sem Begriff verstehen Biologen <strong>die</strong> Nachahmung von anderen<br />

Tieren. Viele, eigentliche wehrlose Insekten wie <strong>die</strong> Schwebfliege ahmen beispielsweise<br />

<strong>die</strong> auffällige gelb-schwarze Warntracht von Wespen nach. Wer ein<br />

OPC Line Pack mit Spoiler für seinen sonst zivilen Opel Astra bestellt, betreibt also in<br />

biologischer Hinsicht Mimikry.


- 12 -<br />

• Mimese: Manche Tiere ahmen unbewegliche Objekte ihrer Umgebung nach <strong>und</strong><br />

ähneln Pflanzenteilen, Dornen, Knospen oder Blättern. Meisterhafte Tarnkünstler sind<br />

etwa das Wandelnde Blatt, <strong>die</strong> Bananenschnecke oder der Blattschwanzgecko.


- 13 -<br />

Unter der Lupe<br />

Wie der Erlkönig zu seinem Namen kam<br />

„Spy shot“ sagen <strong>die</strong> Briten, „photo espion“ <strong>die</strong> Franzosen – <strong>und</strong> <strong>die</strong> Deutschen nennen <strong>die</strong><br />

hoch gehandelten Bilder von geheimen <strong>Prototypen</strong>fahrzeugen ganz poesievoll „Erlkönig-<br />

Foto“. Wohl jeder denkt dabei an den nächtlichen Ritt eines Vaters mit seinem Kind aus<br />

dem gleichnamigen Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). „Wer reitet so<br />

spät durch Nacht <strong>und</strong> Wind?“ lautet <strong>die</strong> berühmte erste Zeile <strong>die</strong>ser 1782 geschriebenen<br />

<strong>und</strong> später von Franz Schubert (1797-1828) vertonten Ballade. Generationen von<br />

Germanisten mutmaßten, dass „Erlkönig“ eine fehlerhafte Übersetzung aus dem<br />

Dänischen sei. „Ellerkonge“ bezeichnet dort den Elfenkönig (Elbenkönig).<br />

Mystische Anziehungskraft besitzen Erlkönige jedenfalls noch heute – auf <strong>die</strong> „Erlkönig-<br />

Jäger“ getauften Fotografen, <strong>die</strong> meist freiberuflich für Automagazine das öffentlich<br />

machen, was eigentlich noch geheim bleiben soll. Die beiden Motorjournalisten<br />

Heinz-Ulrich Wieselmann <strong>und</strong> Werner Oswald von „Auto, Motor <strong>und</strong> Sport“ prägten den<br />

Begriff „Erlkönig“ in den 50er-Jahren für <strong>die</strong> ersten Fotos von getarnten <strong>Prototypen</strong>.<br />

Werner Oswald erinnerte sich1986: „Diese … Bildchen galten damals als nie da gewesene<br />

Provokation der Automobilindustrie. Deshalb hatten wir zuvor wochen-, ja vielleicht<br />

monatelang überlegt, ob <strong>und</strong> in welcher Form wir uns den Abdruck <strong>die</strong>ser Amateurfotos<br />

erlauben konnten. Chefredakteur Wieselmann kam schließlich auf <strong>die</strong> Idee, durch<br />

liebenswürdige Begleittexte den betroffenen Industriefirmen <strong>die</strong> bittere Pille ein wenig zu<br />

versüßen. In <strong>die</strong>sem Sinn reimte er eines schönen Sonntags für <strong>die</strong> ersten paar Bilder je<br />

ein kleines Achtzeilen-Gedicht im Stil des Erlkönig-Poems. Die legte er mir Montagfrüh auf<br />

den Tisch mit dem Auftrag, hieraus für <strong>die</strong> nächsten Hefte eine Folge vorzubereiten <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong>se mit einer gleich bleibenden Überschrift zu versehen. Nach kurzer Überlegung meinte<br />

ich: ‚Schreiben wir doch einfach ‚Erlkönig’ drüber!’“<br />

<strong>Der</strong> erste Erlkönig, veröffentlicht in Ausgabe 15 vom 19. Juli 1952, war der Mercedes 180.<br />

Über <strong>die</strong>ses Ponton-Modell reimte „Auto, Motor <strong>und</strong> Sport“:


- 14 -<br />

Erlkönig<br />

1. Folge<br />

Wer fährt da so rasch durch Regen <strong>und</strong> Wind?<br />

Ist es ein Straßenkreuzer von drüben,<br />

der nur im Umfang zurückgeblieben<br />

oder gar Daimlers jüngstes Kind?<br />

<strong>Der</strong> stille Betrachter wär’ gar nicht verw<strong>und</strong>ert,<br />

wenn jenes durchgreifend neue Modell,<br />

das selbst dem Fotografen zu schnell,<br />

nichts anderes wär’ als der Sohn vom ’Dreih<strong>und</strong>ert’.<br />

Text <strong>und</strong> Bilder können Sie unter der Internet-Adresse http://media.opel.be herunterladen.<br />

Redakteure: für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:<br />

Nathalie Van Impe<br />

Manager External Communications<br />

Tel. +32 (0)3/450 63 63<br />

GSM +32 (0)495/38 90 31<br />

Fax +32 (0)3/450 64 82<br />

nathalie.van.impe@be.gm.com<br />

General Motors Belgium N.V., Public Affairs, Noorderlaan 401, Haven 500, B-2030 Antwerpen<br />

Tel. +32 (0)3/540 48 06, Fax +32 (0)3/540 48 52<br />

Product Communications, Prins Boudewijnlaan 24 A – Gebouw B, B-2550 Kontich<br />

Tel. +32 (0)3/450 63 63 - 450 63 64, Fax +32 (0)3/450 64 82

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