Was internationale Freinamen aussagen - Fakultät Chemie und ...
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PZ<br />
TITEL<br />
45 / 2002<br />
Nomenklatur<br />
<strong>Was</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Freinamen</strong><br />
<strong>aussagen</strong><br />
Franz Bracher <strong>und</strong> Frank Dombeck, München / Das Patent ist abgelaufen.<br />
Neben dem Originalprodukt füllen nun Generika die Apothekenregale.<br />
Statt des firmeneigenen Spezialitätennamens begegnet dem Apothekenpersonal<br />
nun ständig der immer gleiche <strong>internationale</strong> Freiname (INN)<br />
des Wirkstoffs als Bestandteil von Generika-Warenzeichen.<strong>Was</strong> sagt der<br />
INN über einen Wirkstoff aus?<br />
Dieser Artikel beleuchtet, was hinter diesen<br />
<strong>internationale</strong>n <strong>Freinamen</strong> steckt,<br />
welchen Zweck sie erfüllen <strong>und</strong> was sich<br />
aus diesen Namen hinsichtlich des Indikationsgebiets,<br />
der chemischen Stoffklasse<br />
<strong>und</strong> mitunter auch der Herkunft des entsprechenden<br />
Wirkstoffs ableiten lässt.<br />
Internationale <strong>Freinamen</strong>, auch INN<br />
(international nonproprietary names) genannt,<br />
sind von der WHO empfohlene Namen<br />
für Wirkstoffe. Im Gegensatz zu<br />
Markennamen, die als<br />
registrierte Warenzeichen<br />
(mit einem ®<br />
gekennzeichnet) exklusiv<br />
einem bestimmten<br />
Hersteller<br />
gehören, sind diese allgemein<br />
zugänglich<br />
<strong>und</strong> nicht geschützt.<br />
Übrigens: Die häufig<br />
verwendete Formulierung<br />
»INN-Namen« ist<br />
red<strong>und</strong>ant, da das Wort<br />
»Name« schon in der Abkürzung<br />
»INN« enthalten<br />
ist.<br />
Das INN-System wurde<br />
1950 von der WHO initiiert<br />
mit dem Ziel, international<br />
einheitliche Bezeichnungen<br />
für definierte Wirkstoffe<br />
zu etablieren. Dies ermöglicht<br />
weltweit eine eindeutige<br />
Identifizierung der<br />
Stoffe <strong>und</strong> trägt somit ganz<br />
wesentlich zur Arzneimittelsicherheit<br />
bei. Die INN sollen<br />
bei Generika, in Arzneibüchern,<br />
bei der Beschriftung<br />
von Arzneimitteln (neben dem<br />
Markennamen) <strong>und</strong> in der wissenschaftlichen<br />
Literatur verwendet<br />
werden.<br />
Während Spezialitätennamen<br />
von Land zu Land variieren<br />
können <strong>und</strong> viele Wirkstoffe sogar<br />
in einem Land unter verschiedenen<br />
Markennamen vertrieben<br />
werden, sind die INN international<br />
einheitlich (abgesehen von<br />
marginalen Unterschieden in der<br />
Endsilbe; zum Beispiel deutsch Halofantrin,<br />
englisch Halofantrine, lateinisch Halofantrinum).<br />
Mittlerweile wurden von der WHO<br />
über 7500 INN vergeben, jährlich kommen<br />
etwa 150 neue dazu.<br />
Hersteller einer neuen Wirksubstanz<br />
können bei der WHO einen Namensvorschlag<br />
einreichen. Dieser wird nach Abstimmung<br />
mit nationalen Nomenklaturbehörden<br />
(BAN für Großbritannien,<br />
DCF für Frankreich, DCIt<br />
für Italien, JAN für Japan,<br />
USAN für die USA; eine Beteiligung<br />
deutschsprachiger Behörden<br />
wird von der WHO nicht erwähnt)<br />
als »proposed INN« veröffentlicht.<br />
Geht innerhalb von<br />
vier Monaten kein Widerspruch<br />
ein, wird dieser Name endgültig<br />
als »recommended INN«<br />
im Journal »WHO Drug Information«<br />
bekannt gegeben.<br />
Die WHO bietet auch<br />
eine regelmäßig aktualisierte kumulative<br />
Liste aller INN an (1).<br />
Richtlinien zur Bildung neuer INN<br />
Die WHO hat für die Bildung neuer <strong>internationale</strong>r<br />
<strong>Freinamen</strong> eine Reihe von Vorgaben<br />
beschlossen (2). Die wichtigsten<br />
Anforderungen sind:<br />
V NN sollen eindeutig in Aussprache<br />
<strong>und</strong> Schreibweise sein.<br />
V Sie sollen kurz sein <strong>und</strong> nur aus einem<br />
Wort ohne zusätzliche Ziffern oder Einzelbuchstaben<br />
bestehen.<br />
V Sie sollen Verwechslungen mit anderen<br />
Namen möglichst ausschließen.<br />
V Die Namen sollen für den Laien keinen<br />
direkten Rückschluss auf die anatomische,<br />
physiologische, pathologische oder<br />
therapeutische Bedeutung ermöglichen.<br />
V Andererseits soll aus den INN durch<br />
Verwendung definierter Kennsilben<br />
(»common stems«) die Zugehörigkeit des<br />
Wirkstoffs zu einer bestimmten Klasse<br />
verwandter Substanzen zu erkennen sein.<br />
Dieser Aspekt wird noch ausführlich diskutiert.<br />
Die allgemeinen Richtlinien der WHO<br />
werden noch konkreter:<br />
V Bei der Auswahl des INN für die erste<br />
Substanz einer neuen pharmakologischen<br />
Gruppe soll daran gedacht werden,<br />
dass weitere INN für verwandte Verbindungen<br />
geschaffen werden können (3).<br />
V INN von Substanzen, die als Salze oder<br />
Ester eingesetzt werden, sollen sich auf<br />
den wirksamen Gr<strong>und</strong>körper beziehen. Die<br />
Namen verschiedener Salze oder Ester des<br />
selben wirksamen Gr<strong>und</strong>körpers<br />
sollen sich<br />
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nur hinsichtlich des Namens der<br />
unwirksamen Komponente unterscheiden<br />
(siehe Ausführungen zu<br />
»modifizierten INN«)<br />
V Zur Erleichterung der Übersetzung<br />
<strong>und</strong> Aussprache in manchen<br />
Sprachen sollte »f« statt »ph«, »t«<br />
statt »th«, »e« statt »ä« <strong>und</strong> »ö«<br />
<strong>und</strong> »i« statt »y« verwendet werden.<br />
Die Buchstaben »h« <strong>und</strong> »k«<br />
sollten vermieden werden; Ausnahmen<br />
wie Haloperidol <strong>und</strong> Ketoprofen<br />
bestätigen die Regel.<br />
Präfixe, Infixe <strong>und</strong> Suffixe<br />
Herzstück der <strong>internationale</strong>n <strong>Freinamen</strong><br />
sind die von der WHO festgelegten<br />
Kennsilben (»common<br />
stems«) (2). Dies sind Silben, die,<br />
den genannten Richtlinien gehorchend,<br />
pharmakologisch verwandte<br />
Gruppen von Wirkstoffen charakterisieren.<br />
Die Kennsilben können je nach Definition<br />
als Präfixe (also am Wortanfang), Infixe<br />
(im Wort) <strong>und</strong>/oder Suffixe (am Wortende)<br />
verwendet werden.<br />
Klassische Beispiele sind »Cef-« als<br />
Präfix für Cephalosporine (Beispiele: Cefuroxim,<br />
Cefixim), »-cillin« als Suffix für<br />
Penicilline (Beispiele: Ampicillin, Oxacillin)<br />
<strong>und</strong> »-cort-« als Infix für Corticosteroide<br />
(Beispiele: Hydrocortison, Fluocortolon).<br />
Diese Kennsilben sollen nach Vorgabe<br />
der WHO nicht in Handelsnamen verwendet<br />
werden, um die Bildung weiterer INN<br />
für verwandte Substanzen nicht zu erschweren<br />
<strong>und</strong> Verwirrungen in der Arzneistoff-<br />
<strong>und</strong> Arzneimittelnomenklatur<br />
zu vermeiden.<br />
Allerdings werden, vor allem bei älteren<br />
INN, diese Kennsilben nicht ganz konsequent<br />
verwendet. Deshalb führt die Liste<br />
der »common stems« auch Beispiele<br />
auf, in denen eine Kennsilbe bei Wirkstoffen<br />
auftaucht, die nicht zur definierten<br />
pharmakologischen Klasse gehören. So ist<br />
das Suffix »-terol« für Bronchodilatatoren<br />
vom Phenylethylamin-Typ (wie Bambuterol<br />
oder Clenbuterol) vorgesehen,<br />
taucht allerdings auch beim Vitamin D-<br />
Derivat Dihydrotachysterol auf. Andererseits<br />
enthalten die Bronchodilatatoren<br />
Salbutamol <strong>und</strong> Terbutalin trotz enger<br />
pharmakologischer <strong>und</strong> struktureller Verwandtschaft<br />
zu den Vertretern der »-terol«-Gruppe<br />
dieses Suffix nicht.<br />
Die Kennsilben der WHO werden für<br />
Wirkstoffe jeglicher Art <strong>und</strong> Herkunft verwendet,<br />
also für synthetische Stoffe, Naturstoffe,Naturstoffderivate,Metaboliten<br />
von Mikroorganismen, Peptide, Hormone,<br />
Enzyme <strong>und</strong> monoklonale Antikörper.<br />
INN von Salzen <strong>und</strong> Derivaten<br />
Die <strong>internationale</strong>n <strong>Freinamen</strong> bezeichnen<br />
in der Regel nur die wirksame Komponente<br />
des Arzneistoffs. Um die Zahl der<br />
INN einigermaßen überschaubar zu halten,<br />
werden die <strong>Freinamen</strong> von Salzen<br />
<strong>und</strong> Derivaten eines Wirkstoffs an die Bezeichnung<br />
der »Muttersubstanz« angelehnt.<br />
Auf diese Weise entstehen durch<br />
Kombination des ursprünglichen INN mit<br />
den Namen zusätzlicher funktioneller<br />
Gruppen oder Gegenionen die »modifizierten<br />
INN« (INNM).<br />
Präfix Wirkstoffklasse Beispiele<br />
Ist die systematische Bezeichnung der<br />
neuen Molekülkomponente zu lang, kann<br />
auch für diese eine international anerkannte<br />
Kurzform (nach den INN-Regeln<br />
als »Names for radicals & groups« bezeichnet;<br />
4) verwendet werden. Eine umfassende<br />
Liste solcher Gruppennamen<br />
veröffentlicht die WHO regelmäßig.<br />
Ein Beispiel sind vom Cephalosporin<br />
Cefuroxim abgeleitete<br />
Antibiotika: Das Natriumsalz dieses<br />
Wirkstoffs wird als Cefuroxim-<br />
Natrium bezeichnet, der als Prodrug<br />
verwendete a-Acetoxyethylester<br />
als Cefuroxim-axetil.<br />
Nachfolgend werden, ohne<br />
Anspruch auf Vollständigkeit,<br />
wichtige Kennsilben (common<br />
stems) bekannter Wirkstoffklassen<br />
vorgestellt.<br />
Kennsilben für Wirkstoffklassen<br />
Reine Präfixe werden bei INN relativ<br />
selten verwendet. Wichtige<br />
Beispiele sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br />
Eine Reihe weiterer Kennsilben kann<br />
frei sowohl als Präfix, Infix oder als Suffix<br />
eingesetzt werden (Tabelle 2). Diese Regelung<br />
wird vor allem bei den diversen Typen<br />
hormonell wirksamer Verbindungen<br />
angewandt. Allerdings geht die variable<br />
Einsetzbarkeit der Kennsilben mitunter<br />
auf Kosten der Eindeutigkeit. So kann<br />
man aus dem Namen Progesteron sowohl<br />
Cef- Cephalosporin-Antibiotika Cefalexin, Cefuroxim, Cefotaxim<br />
Io- Iod-haltige Kontrastmittel Iopamidol, Iopansäure, Iotalaminsäure<br />
Ni(tr)- unspezifisch für Nitro-Verbindungen Nitrofurantoin, Nitrazepam<br />
Rifa- Antibiotika vom Rifamycin-Typ Rifampicin, Rifabutin<br />
Sulfa- antibakterielle Sulfonamide Sulfamethoxazol, Sulfadiazin<br />
Tabelle 1: Reine Präfixe in <strong>internationale</strong>n <strong>Freinamen</strong> (Auswahl)<br />
Kennsilbe Wirkstoffklasse Beispiele<br />
die Kennsilbe »-gest-« als auch »-ster-«<br />
herauslesen. Schwieriger wird es noch<br />
bei Megestrolacetat: Ist dieses nun ein<br />
Gestagen (»-gest-«) oder ein Estrogen<br />
(»-estr-«)? Beim Antiphlogistikum Salsalat<br />
taucht die Kennsilbe »sal« gleich zweimal<br />
auf, weil es sich um den Salicylsäure-<br />
-andr- androgene Steroide Nandrolon<br />
-barb- Barbitursäure-Derivate Barbital, Cyclobarbital<br />
-calc- Vitamin D-Analoga Calcitriol, Colecalciferol<br />
-cort- Corticosteroide (außer Cortison, Fluocortin, Deflazacort<br />
Prednisolon-Derivaten)<br />
-erg- Lysergsäure-Derivate Ergotamin, Nicergolin<br />
-estr- Estrogene Estradiol, Fosfestrol, Mestranol<br />
-gest- Progesterone Gestonoron, Megestrol, Medroxyprogesteron<br />
-pred- Prednis(ol)on-Derivate Prednisolon, Methylprednisolon<br />
-prost- Prostaglandine Alprostadil, Dinoprost<br />
-sal- Salicylsäure-Derivate Salsalat, Acetylsalicylsäure, Triflusal<br />
-ster- Steroide allgemein Stercuroniumiodid, Aldosteron, Testosteron<br />
-vir- antivirale Wirkstoffe Aciclovir, Ganciclovir, Nevirapin<br />
Tabelle 2: Kennsilben, die als Präfixe, Infixe <strong>und</strong>/oder Suffixe verwendet werden können<br />
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Kennsilbe Wirkstoffklasse Beispiele<br />
ester der Salicylsäure handelt. Mit Salat<br />
hat der Wirkstoff nichts zu tun.<br />
Die Kennsilbe »-vir-«, die ganz allgemein<br />
für antivirale Wirkstoffe steht, hat<br />
mit der Entwicklung spezifischer Virustatika,<br />
unter anderem zur Behandlung von<br />
HIV-Infektionen, in den letzten Jahren eine<br />
Verfeinerung erfahren. So steht das erweiterte<br />
Suffix »-ciclovir« für Nucleosid-<br />
Analoga mit »aufgeschnittenen« Zuckern<br />
(Beispiele: Aciclovir, Ganciclovir, Penciclovir)<br />
<strong>und</strong> »-amivir« für Neuraminidasehemmer<br />
wie Oseltamivir <strong>und</strong> Zanamivir.<br />
Eine Endung auf »-cavir« charakterisiert<br />
carbocyclische Nucleoside wie Abacavir;<br />
»-inavir« ist ein Suffix für HIV-Proteasehemmer<br />
(Beispiele: Indinavir, Ritonavir,<br />
Saquinavir). Bei den Inhibitoren der Reversen<br />
Transkriptase enthalten die nicht-nucleosidischen<br />
Vertreter (Nevirapin, Delavirdin,<br />
Efavirenz) noch das Infix »-vir-«,<br />
während die nucleosidischen Inhibitoren<br />
(ohne dieses Infix) meist auf »-vudin« enden<br />
(Beispiele: Zidovudin, Stavudin, Lamivudin).<br />
Die mit Abstand größte Bedeutung<br />
haben Kennsilben, die als reine Suffixe<br />
verwendet werden. In Tabelle 3 sind ausgewählte<br />
Suffixe bekannter Wirkstoffklassen<br />
alphabetisch aufgelistet.<br />
Allerdings wird dieses Schema nicht<br />
immer konsequent eingehalten. So gehören<br />
Bifonazol <strong>und</strong> Clotrimazol eindeutig<br />
zu den Azol-Antimykotika, haben aber<br />
nicht das Suffix »-conazol«, sondern nur<br />
»-azol«. Bei den Gyrasehemmern (»-oxacin«)<br />
fällt die Altsubstanz Nalidixinsäure<br />
aus der Reihe <strong>und</strong> bei den »Profenen« die<br />
Arzneistoffe Naproxen <strong>und</strong> Tiaprofensäure.<br />
Der INN Stanozolol lässt auf den ersten<br />
Blick einen Betablocker (»-olol«) erwarten,<br />
in Wirklichkeit handelt es sich aber<br />
um ein Steroidderivat mit anaboler Wirkung.<br />
Antibiotika mikrobiellen Ursprungs<br />
Zahlreiche Antibiotika werden aus Fermentationsbrühen<br />
von Mikroorganismen<br />
gewonnen. Einige Kennsilben der WHO<br />
geben Aufschluss über die Zugehörigkeit<br />
-azepam Benzodiazepine Diazepam, Nitrazepam<br />
-(az)osin Antihypertensiva vom Prazosin-Typ Terazosin, Alfuzosin<br />
-cain Lokalanästhetika Cocain, Procain<br />
-conazol Azol-Antimykotika Miconazol, Itraconazol<br />
-coxib Cyclooxygenase 2-Inhibitoren Celecoxib, Rofecoxib<br />
-dipin Calciumkanalblocker (Dihydropyridine) Amlodipin, Nifedipin<br />
-fibrat Lipidsenker vom Clofibrinsäure-Typ Bezafibrat, Clofibrat<br />
-olol b-Rezeptorenblocker Pindolol, Propranolol<br />
-olon Steroide (außer Prednisolon-Derivaten) Mesterolon, Tibolon<br />
-oxacin Gyrasehemmer Ciprofloxacin, Ofloxacin<br />
-(ox)icam Antiphlogistika vom Oxicam-Typ Meloxicam, Piroxicam<br />
-peridol Antipsychotika vom Butyrophenon-Typ Bromperidol, Haloperidol<br />
-pril ACE-Hemmer Captopril, Enalapril<br />
-profen Antiphlogistika vom Arylpropionsäure-Typ Ibuprofen, Ketoprofen<br />
-sartan Angiotensin II-Rezeptor-Antagonisten Losartan, Telmisartan<br />
-setron 5-HT 3 -Rezeptor-Antagonisten Ondansetron, Tropisetron<br />
-vastatin HMG CoA-Reduktase-Hemmer Pravastatin, Simvastatin<br />
-terol Bronchodilatatoren (Phenylethylamin-Typ) Clenbuterol, Fenoterol<br />
-tidin Histamin H 2 -Rezeptor-Antagonisten Cimetidin, Ranitidin<br />
-triptan 5-HT 1 -Rezeptor-Agonisten Sumatriptan, Rizatriptan<br />
Tabelle 3: Kennsilben von synthetisch-chemischen Wirkstoffklassen (Auswahl)<br />
Kennsilbe Antibiotika-Klasse Beispiele<br />
-cillin Penicilline Ampicillin, Amoxicillin<br />
-cyclin Tetracycline Chlortetracyclin, Doxycyclin<br />
-micin Antibiotika aus Micromonospora-Arten Gentamicin, Netilmicin<br />
-mycin Antibiotika aus Streptomyces-Arten Erythromycin, Streptomycin,<br />
Clarithromycin<br />
-rubicin antineoplastische Anthracyclin-Antibiotika Daunorubicin, Doxorubicin<br />
Tabelle 4: Kennsilben für Antibiotika mikrobiellen Ursprungs <strong>und</strong> partialsynthetische Abwandlungsprodukte<br />
Kennsilbe Wirkstoffklasse Beispiele<br />
-ase Enzyme allgemein Streptokinase, Urokinase<br />
-ermin Wachstumsfaktoren Becaplermin<br />
-kin Interleukine Aldesleukin<br />
-kinra Interleukin-Rezeptor-Antagonisten Anakinra<br />
-pressin vasokonstriktorische Oligopeptide Desmopressin, Vasopressin<br />
-relin Peptide, die die Freisetzung von Buserelin, Triptorelin<br />
Hypophysenhormonen stimulieren<br />
-relix Peptide, die die Hormonfreisetzung Cetrorelix<br />
hemmen<br />
-stim Kolonie stimulierende Faktoren Filgrastim, Lenograstim<br />
-mab monoklonale Antikörper Infliximab, Trastuzumab<br />
Tabelle 5: Kennsilben für Proteine, Enzyme <strong>und</strong> monoklonale Antikörper<br />
zu einer definierten chemischen Stoffklasse,<br />
zum Beispiel »-cyclin« für Tetracycline<br />
<strong>und</strong> »-rubicin« für antineoplastische Antibiotika<br />
vom Anthracyclin-Typ. Penicilline<br />
haben das gemeinsamen Suffix »-cillin«,<br />
während Cephalosporine durch das Präfix<br />
»Cef-« gekennzeichnet sind (Tabelle 4).<br />
Erwähnenswert ist ein kleiner, aber<br />
wesentlicher Unterschied: Während die<br />
zahlreichen aus Streptomyces-Arten isolierten<br />
Antibiotika auf »-mycin« enden<br />
(Beispiele: Streptomycin, Neomycin, Kanamycin<br />
<strong>und</strong> Erythromycin), steht das Suffix<br />
»-micin« (in Gentamicin <strong>und</strong> Netilmicin)<br />
für Antibiotika aus Micromonospora-Arten.<br />
Diese Kennsilben sind unabhängig<br />
von der Zugehörigkeit zu chemischen<br />
Stoffklassen wie Makroliden oder Aminoglykosiden.<br />
Proteine <strong>und</strong> Antikörper<br />
Die Regeln zur Bildung von INN gelten<br />
nicht nur für niedermolekulare, sondern<br />
auch für hochmolekulare Wirkstoffe. In<br />
Tabelle 5 zeigt Beispiele für Kennsilben.<br />
Enzyme haben die allgemeine Kennsilbe<br />
»-ase«. Auf Gr<strong>und</strong> der steigenden<br />
Zahl unterschiedlicher Enzyme in der Therapie<br />
setzen sich jetzt spezifischere Kennsilben<br />
für Untergruppen durch, zum Beispiel<br />
»-plase« (bei Alteplase <strong>und</strong> Tenecteplase).<br />
Vor allem bei alten INN von Enzymen<br />
werden die Benennungsregeln nicht<br />
immer konsequent eingehalten. So fehlt<br />
bei Chymotrypsin <strong>und</strong> Bromelain das Suffix<br />
»-ase«.<br />
Interleukine enden auf »-kin« <strong>und</strong> die<br />
neu entwickelten Interleukin-Rezeptor-<br />
Antagonisten sinnigerweise auf »-kinra«.<br />
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45 / 2002<br />
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Monoklonale Antikörper werden in diversen<br />
Indikationsgebieten (Tumortherapie,<br />
chronische Entzündungen, Vermeidung<br />
von Abstoßungsreaktionen) (5) therapeutisch<br />
eingesetzt. Hier wurde die<br />
ursprüngliche allgemeine Kennsilbe<br />
»-mab« (für monoclonal antibody) durch<br />
weitere »Präfixe zum Suffix« noch wesentlich<br />
verfeinert. Die Regeln hierfür<br />
wurden als gesonderter Anhang zu den<br />
Richtlinien über »common stems« der<br />
WHO veröffentlicht (2). Der INN eines<br />
monoklonalen Antikörpers setzt sich danach<br />
aus vier Wortteilen zusammen (Abbildung<br />
1).<br />
Der INN beginnt mit einer vom Hersteller<br />
oder Vertreiber frei wählbaren Silbe<br />
oder Silbenkombination A. Dann folgen<br />
zwei oder drei Buchstaben (B), die die<br />
Krankheit oder das Zielgewebe im Körper<br />
definieren. Der jeweils in Klammern angegebene<br />
dritte Buchstabe kann weggelassen<br />
werden, wenn dies die Aussprache erleichtert.<br />
Es folgen ein oder zwei Buchstaben<br />
(C), die die Herkunft oder die Herstellungsmethode<br />
des Antikörpers beschreiben,<br />
<strong>und</strong> schließlich die allgemeine Kennsilbe<br />
»-mab«.<br />
Demzufolge ist Alemtuzumab ein humanisierter<br />
(»-zu-«) monoklonaler Antikörper<br />
(»-mab«) zur Tumortherapie (»-tu-«)<br />
<strong>und</strong> Infliximab ein chimärer (»-xi-«) monoklonaler<br />
Antikörper (»-mab«) mit immunmodulatorischer<br />
(»-li-«) Eigenschaft.<br />
Suffixe ohne große Aussagekraft<br />
Eine Reihe von kurzen Endsilben, die einfache<br />
funktionelle Gruppen anzeigen, findet<br />
man in zahlreichen, vor allem älteren<br />
INN. Sie gestatten keine eindeutige Zuordnung<br />
zu einer bestimmten pharmakologischen<br />
Wirkstoffklasse. So steht »-ol«<br />
allgemein für Alkohole oder Phenole (Beispiele:<br />
Dexpanthenol, Propofol), »-amin«<br />
für diverse Amine (wie Mepyramin),<br />
»-amid« für Carbonsäure-, Sulfonsäureoder<br />
Phosphorsäureamide (zum Beispiel<br />
in Procainamid, Flutamid, Sulfanilamid,<br />
Ifosfamid) <strong>und</strong> »-on« für Ketone (wie Methadon).<br />
Die Endung »-in« ist in der Naturstoffchemie<br />
den Alkaloiden vorbehalten (Beispiele:<br />
Morphin, Nicotin, Reserpin), taucht<br />
aber auch in zahlreichen INN synthetischer<br />
Wirkstoffe auf (zum Beispiel in<br />
Bromhexin, Cefazolin, Procain). Darüber<br />
hinaus sind diese kurzen Endsilben häufig<br />
Abbildung 1: Schema zur Bildung der INN von monoklonalen Antikörpern<br />
auch als Teile längerer, klar definierter<br />
Kennsilben anzutreffen (»-ol« in »-olol«<br />
<strong>und</strong> »-prazol«, »-in« in »-statin« <strong>und</strong> »-relin«,<br />
»-amin« in »-pramin«).<br />
Dies zeigt schon, dass es nicht immer<br />
einfach ist, aus einem unbekannten INN<br />
sicher die Kennsilbe herauszulesen.<br />
Modifizierte INN<br />
Wie schon geschildert, soll sich der INN aus<br />
Gründen der Überschaubarkeit möglichst<br />
nur auf die wirksame Komponente beziehen.<br />
Bei Salzen, Derivaten oder Prodrugs<br />
wirksamer Substanzen wird der bestehende<br />
INN deshalb durch weitere Namensbestandteile<br />
ergänzt. Die Regeln hierfür sind<br />
in einer WHO-Schrift über »Names for radicals<br />
& groups« (4) niedergelegt.<br />
Während klassische INN aus einem einzigen<br />
Wort bestehen, können die daraus abgeleiteten<br />
»modifizierten INN« (INNM)<br />
durch Anhängen einer weiteren Kennsilbe<br />
ein einziges Wort sein,wie das Beispiel Haloperidoldecanoat<br />
zeigt. Es kann aber auch (je<br />
nach Schreibweise mit oder ohne Bindestrich)<br />
ein weiteres Wort, zum Beispiel der<br />
Name eines Gegenions, angehängt werden.<br />
Salze von Wirkstoffen<br />
Klassische Derivate von aziden oder basischen<br />
Wirkstoffen sind die entsprechenden<br />
Salze. So wird aus der Carbonsäure<br />
Ampicillin das Salz Ampicillin-Natrium<br />
<strong>und</strong> aus dem Amin Diphenhydramin das<br />
Salz Diphenhydramin-Hydrochlorid.<br />
Allerdings können die auf den ersten<br />
Blick auf Salze mit anorganischen Kationen<br />
oder Anionen hinweisenden Namensbestandteile<br />
mitunter in die Irre führen. So<br />
ist Chloroquinphosphat zwar ein Phosphorsäuresalz<br />
des Amins Chloroquin, das<br />
korrekt Chloroquin-bis(dihydrogenphosphat)<br />
heißen sollte; Dexamethason-21-<br />
phosphat-Dinatrium hingegen das Dinatriumsalz<br />
des an der C-21-Hydroxylgruppe<br />
mit Phosphorsäure veresterten Dexamethasons.<br />
Hier ist also der Phosphatrest kovalent<br />
an die Muttersubstanz geb<strong>und</strong>en!<br />
In analoger Weise ist Pilocarpinnitrat das<br />
Salz des Alkaloids mit Salpetersäure, während<br />
Glyceroltrinitrat <strong>und</strong> Penterythrityltetranitrat<br />
Ester mehrwertiger Alkohole<br />
mit Salpetersäure (Organonitrate) sind.<br />
Auch Natriumpicosulfat ist – anders<br />
als Atropinsulfat – kein Salz der Schwefelsäure,<br />
sondern ein Halbester der Schwefelsäure<br />
mit einem Phenol. Ähnlich verhält<br />
es sich beim »-metilsulfat« in Neostigmin-metilsulfat.<br />
Dieses ist das Anion<br />
des Halbesters der Schwefelsäure mit Methanol<br />
(CH 3 O-SO 3<br />
-) als Gegenion zur quartären<br />
Ammoniumverbindung. Es ist nicht<br />
zu verwechseln mit dem Methansulfonsäure-Anion<br />
»-mesilat«.<br />
Hinter Doxycyclin-hyclat verbirgt sich<br />
Doxycyclin x HCl x 1 ⁄2 EtOH x 1 ⁄2 H 2 O.<br />
In wenigen Fällen sind auch Salze azider<br />
organischer Wirkstoffe mit aliphatischen<br />
Aminen im Handel. Das Antimykotikum<br />
Ciclopirox-olamin ist ein Salz des<br />
aziden N-Hydroxypyridons Ciclopirox mit<br />
Ethanolamin; »Trometamole« sind Salze<br />
von Carbonsäuren (Dinoprost-Trometamol)<br />
oder Phosphonsäuren (Fosfomycin-<br />
Trometamol) mit Tris(hydroxymethyl)-<br />
aminomethan.<br />
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Kurzbezeichnung Gr<strong>und</strong>körper (Sulfonsäure) Beispiele<br />
-mesilat Methansulfonsäure Pergolid-mesilat, Bromocriptin-mesilat<br />
-besilat Benzolsulfonsäure Amlodipin-besilat, Atracurium-besilat<br />
-isetionat 2-Hydroxyethan-sulfonsäure Hexamidin-diisetionat<br />
Tabelle 6: Kurzformen für Sulfonat-Gruppen in modifizierten INN<br />
Sulfonate sind meist Salze<br />
Basische Wirkstoffe (primäre, sek<strong>und</strong>äre<br />
<strong>und</strong> tertiäre Amine, Stickstoff-Heterocyclen)<br />
zeichnen sich in der freien Form häufig<br />
durch mangelnde Lagerstabilität aus.<br />
Deutlich stabiler sind Salze der Amine.<br />
Neben den beschriebenen Salzen mit Mineralsäuren<br />
werden häufig auch Salze<br />
von Sulfonsäuren eingesetzt. Die Sulfonsäuren<br />
sind stark sauer (pKs-Werte etwa<br />
1 - 2) <strong>und</strong> bilden, im Gegensatz zu den<br />
deutlich schwächer aziden Carbonsäuren<br />
(pK s -Werte etwa 4 - 5), stabile Salze mit<br />
Aminen.<br />
Gebräuchliche Sulfonate (R-SO 3<br />
-) als<br />
Gegenionen zu protonierten Aminen sind<br />
in Tabelle 6 aufgeführt. Da deren systematische<br />
Namen wegen ihrer Länge mitunter<br />
recht unhandlich sind, wurden von<br />
der WHO auch für die gängigen Sulfonate<br />
definierte Kurzformen festgelegt.<br />
Im Gegensatz zu Nitraten <strong>und</strong> Phosphaten,<br />
bei denen die Namen durchaus<br />
die Möglichkeit beinhalten, dass es sich<br />
nicht um Salze von Aminen, sondern um<br />
Ester von Alkoholen oder Phenolen mit<br />
den anorganischen Säuren handelt, ist<br />
diese Unklarheit bei Sulfonaten nicht gegeben.<br />
Gr<strong>und</strong> dafür ist, dass aliphatische<br />
Sulfonsäureester (ähnlich wie die entsprechenden<br />
Alkylhalogenide) starke Alkylierungsmittel<br />
mit karzinogenem Potenzial<br />
sind (beispielsweise das alkylierende<br />
Zytostatikum Busulfan). Sulfonsäureester<br />
stellen deshalb als Arzneistoffe<br />
keine sinnvolle Strukturvariation dar.<br />
Die therapeutisch eingesetzten »Sulfonate«<br />
sind daher in aller Regel Salze von<br />
basischen Wirkstoffen mit Sulfonsäuren.<br />
Carbonsäure-Derivate<br />
Für die Derivatisierung bestehender<br />
Gr<strong>und</strong>körper mit Carbonsäuren gibt es<br />
mehrere Möglichkeiten:<br />
V Amidbildung mit einer Aminfunktion,<br />
V Salzbildung mit einem Amin,<br />
V Veresterung mit einer Alkohol- oder<br />
Phenolfunktion.<br />
Dies kann zu völlig neuen INN führen oder<br />
aber dazu, dass unter Hinzunahme des<br />
Namens der Carbonsäure ein »modifizierter<br />
INN« (INNM) gebildet wird. Gerade in<br />
den beiden letztgenannten Fällen ergibt<br />
sich das Problem, aus dem INNM abzuleiten,<br />
ob es sich bei der Verbindung um ein<br />
Carbonsäuresalz oder um einen Carbonsäureester<br />
handelt. Ein einfaches Beispiel<br />
soll dies erläutern: Ammoniumacetat ist<br />
das Ammoniumsalz der Essigsäure, während<br />
Ethylacetat der Ethylester der Essigsäure<br />
ist.<br />
Bei den therapeutisch verwendeten<br />
Derivaten von Monocarbonsäuren handelt<br />
es sich in den allermeisten Fällen um<br />
Ester von Wirkstoffen mit alkoholischer<br />
funktioneller Gruppe. Ausnahmen sind<br />
zum Beispiel Leuprorelinacetat <strong>und</strong> Goserelinacetat,<br />
beides Essigsäuresalze von<br />
als LHRH-Superagonisten eingesetzten<br />
Oligopeptiden, <strong>und</strong> Glatirameracetat, das<br />
Essigsäuresalz eines Polypeptids zur Behandlung<br />
der Multiplen Sklerose (6).<br />
Bei der Bildung der modifizierten INN<br />
von Monocarbonsäureestern wird meist<br />
der INN des Gr<strong>und</strong>körpers mit dem Trivialnamen<br />
des Acylrests als Suffix ergänzt. Eine<br />
Übersicht findet sich in Tabelle 7.<br />
Neben den Estern gesättigter aliphatischer<br />
Carbonsäuren kommen auch noch<br />
Ester der verzweigten Pivalinsäure (2,2,2-<br />
Trimethylessigsäure), die »Pivalate« (zum<br />
Kohlenstoffzahl Trivialname Beispiele<br />
Beispiel in Prednisolon-pivalat), <strong>und</strong> der<br />
Benzoesäure (in Metronidazol-benzoat,<br />
Estradiol-benzoat) vor.<br />
Anders gestaltet sich die Sache bei<br />
Derivaten mehrwertiger Carbonsäuren.<br />
Die Bernsteinsäure (Butandisäure) wird<br />
überwiegend zur Bildung von Estern eingesetzt<br />
(Ausnahme: das Salz Doxylaminhydrogensuccinat).<br />
So dienen Natriumsalze<br />
der Halbester der Bernsteinsäure<br />
(»Hemisuccinate«) dazu, sehr lipophile<br />
Wirkstoffe in eine wasserlösliche Form zu<br />
bringen, zum Beispiel Methylprednisolon-<br />
21-hemisuccinat-Natrium (Abbildung 2,<br />
unten). In vivo werden Hemisuccinate als<br />
klassische Prodrugs durch Esterasen unter<br />
Abspaltung von Bernsteinsäure wieder<br />
in die freie Muttersubstanz (Wirkform)<br />
überführt.<br />
Ein Beispiel für einen gemischten<br />
Ester der Bernsteinsäure ist Erythromycin-ethylsuccinat,<br />
in dem die Bernsteinsäure<br />
einerseits mit dem Antibiotikum<br />
Erythromycin, andererseits mit Ethanol<br />
verestert ist (Abbildung 2, oben). Im<br />
Gegensatz dazu ist Erythromycin-stearat<br />
ein Salz des Antibiotikums mit der Stearinsäure.<br />
Andere Di- <strong>und</strong> Tricarbonsäuren werden<br />
nur zur Salzbildung mit basischen<br />
Wirkstoffen eingesetzt. Auch hier domi-<br />
C 2 Acetat Cortison-acetat, Betamethason-acetat<br />
C 3 Propionat Betamethason-dipropionat, Beclometason-dipropionat<br />
C 4 Butyrat Clobetason-butyrat<br />
C 5 Valerat Betamethason-valerat, Estradiol-valerat<br />
C 6 Caproat Gestonoron-caproat, Prednisolon-caproat<br />
C 7 Enantat Fluphenazin-enantat, Testosteron-enantat<br />
C 8 Caprylat Natrium-caprylat, Cocoylcaprylocaprat<br />
C 10 Decanoat/Caprat Cocoylcaprylocaprat, Haloperidol-decanoat<br />
C 12 Dodecanoat/Laurat Sorbitan-monolaurat<br />
C 14 Myristat Isopropyl-myristat<br />
C 16 Palmitat Chloramphenicol-palmitat, Dexamethason-21-palmitat<br />
C 18 Stearat Macrogol-stearat, Erythromycin-stearat (Salz!!)<br />
Tabelle 7: Trivialnamen von unverzweigten aliphatischen Carbonsäuren in modifizierten INN, vor allem<br />
als Acylkomponenten von Estern<br />
Carbonsäure Trivialname des Salzes Beispiele<br />
Bernsteinsäure -(hydrogen)succinat Doxylamin-hydrogensuccinat,<br />
Sumatriptan-succinat<br />
Fumarsäure -(hydrogen)fumarat Clemastin-fumarat<br />
Maleinsäure -(hydrogen)maleat Brompheniramin-hydrogenmaleat,<br />
Domperidon-maleat<br />
Äpfelsäure -(hydrogen)malat Cleboprid-malat<br />
Weinsäure -(hydrogen)tartrat Ergotamin-tartrat, Cisaprid-tartrat,<br />
Dextromoramid-hydrogentartrat<br />
Citronensäure -[(di)hydrogen]citrat Clomifen-citrat, Fentanyl-citrat,<br />
Diethylcarbamazin-dihydrogencitrat<br />
Tabelle 8: Trivialnamen von Di- <strong>und</strong> Tricarbonsäuren in modifizierten INN von Arzneistoff-Salzen<br />
22 4294 Pharm. Ztg. · 147. Jahrgang · 7. November 2002
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TITEL<br />
45 / 2002<br />
Abbildung 2: Bernsteinsäureester:<br />
Strukturen<br />
von Erythromycin-ethylsuccinat<br />
(oben) <strong>und</strong> Methylprednisolon-21-hemisuccinat-Natrium<br />
(unten).<br />
Die Bernsteinsäure-<br />
Komponente ist jeweils<br />
farbig hervorgehoben.<br />
Erythromycin-ethylsuccinat<br />
Methylprednisolon-21-hemisuccinat<br />
<strong>und</strong> Weise gebildet. Da das Wortende mit<br />
dem Suffix »-cillin« belegt ist, werden bei<br />
Penicillinen Prodrugs durch ein neues Präfix<br />
charakterisiert. So steht »Piv-« bei dem<br />
Ampicillin-Prodrug Pivampicillin für die<br />
gleiche Derivatisierung wie das Suffix<br />
»-pivoxil« bei Cephalosporinen.<br />
Bei dem Reverse-Transkriptase-Inhibitor<br />
Tenofovir wird eine Phosphonsäuregruppe<br />
im Wirkstoff nach dem gleichen<br />
Prinzip in einen Phosphonsäure-Diester<br />
überführt <strong>und</strong> zusätzlich das Fumarsäuresalz<br />
gebildet (Tenofovir Disoproxil Fumarat,<br />
noch kürzer: Tenofovir DF) (9). Im<br />
Körper werden beide Doppelestergruppen<br />
dieses Prodrugs gespalten (Abbildung<br />
4).<br />
Die Doppelester-Prodrugs haben im<br />
Idealfall das gleiche pharmakodynamische<br />
Profil wie die Muttersubstanz, allerdings<br />
eine deutlich andere Pharmakokinetik.<br />
Deshalb ist es schwer nachvollziehbar,<br />
warum die Rote Liste im »Verzeichnis<br />
chemischer Kurzbezeichnungen von<br />
Wirkstoffen« die modifizierten INN glatt<br />
ignoriert <strong>und</strong> Ester-Prodrugs kommentarlos<br />
unter der Muttersubstanz auflistet.<br />
nieren Trivialnamen als Suffixe zur Bildung<br />
von INNM (Tabelle 8). Maleat (Salz<br />
der Maleinsäure) sollte nicht mit Malat<br />
(Salz der Äpfelsäure) verwechselt werden.<br />
Je nachdem, ob eine Dicarbonsäure mit<br />
einem Amin im Verhältnis 1 : 1 oder 1 : 2<br />
umgesetzt wurde, werden die Salze als<br />
»-hydrogensuccinat« (wie Doxylaminhydrogensuccinat)<br />
oder als »-succinat«<br />
(wie Metoprolol-succinat) bezeichnet.<br />
Allerdings wird diese Regel selbst in den<br />
Arzneibüchern nicht konsequent eingehalten.<br />
In zahlreichen Fumaraten, Maleaten<br />
<strong>und</strong> Tartraten, in denen die Dicarbonsäuren<br />
mit nur einem Äquivalent des Amins<br />
ins Salz überführt sind, sollten die Anionen<br />
korrekterweise den Wortbestandteil<br />
»-hydrogen-« enthalten, weil ja noch<br />
eine der beiden Carboxylgruppen <strong>und</strong>issoziiert<br />
vorliegt.<br />
Doppelester-Prodrugs<br />
Ein Spezialfall der Derivatisierung von<br />
Wirkstoffen mit Carbonsäurefunktion<br />
sind die Doppelester-Prodrugs. Durch die<br />
Veresterung der polaren Carboxylgruppe<br />
will man die Lipophilie der Wirkstoffe <strong>und</strong><br />
damit die Resorptionsquote nach oraler<br />
Einnahme erhöhen. Auch diese Prodrugs<br />
werden nach der Resorption durch Esterasen<br />
rasch <strong>und</strong> quantitativ wieder zu den<br />
pharmakologisch aktiven Muttersubstanzen<br />
hydrolysiert. Dieses Prinzip wird vor<br />
allem bei Oralcephalosporinen genutzt<br />
<strong>und</strong> ist in (7) ausführlich beschrieben.<br />
Kurz gefasst handelt es sich um spezielle<br />
Ester der Carbonsäurefunktionen<br />
der Wirkstoffe, die in vivo deutlich leichter<br />
wieder zur Wirkform hydrolysiert werden<br />
können als einfache Alkylester. Nach den<br />
Vorgaben der WHO wird, um den Bezug<br />
zur wirksamen Komponente zu wahren,<br />
an den INN der Muttersubstanz ein definierter<br />
»radical name« angehängt (Abbildung<br />
3). Wegen der langen systematischen<br />
Namen der neu eingeführten Estergruppen<br />
werden auch hier kurze griffige<br />
Suffixe verwendet. Diese enden meist auf<br />
»-xil« oder »-xetil« <strong>und</strong> charakterisieren<br />
eindeutig die jeweils zwei variablen Reste<br />
R 1 <strong>und</strong> R 2 der Gruppe. So wird zum Beispiel<br />
aus der freien Carbonsäure<br />
Cefuroxim das<br />
Prodrug Cefuroximaxetil<br />
(manchmal auch Cefuroxim-Axetil<br />
geschrieben)<br />
<strong>und</strong> aus dem Angiotensinrezeptor-Antagonisten<br />
Candesartan<br />
das Candesartan-Cilexetil<br />
(8).<br />
Anders als bei den<br />
Cephalosporinen,bei denen<br />
die für die Prodrugs<br />
typischen Kennsilben<br />
hinten an den INN angehängt<br />
werden (die<br />
Zugehörigkeit zu den<br />
Cephalosporinen ist ja<br />
durch das Präfix »Cef-«<br />
definiert), werden die<br />
modifizierten INN der<br />
analogen Doppelester-<br />
Prodrugs von Penicillinen<br />
in umgekehrter Art<br />
Zwei Variationen in einem Suffix<br />
Der zusätzliche Namensteil in modifizierten<br />
INN charakterisiert meist eine einzelne<br />
Strukturmodifikation (Salz, Ester). Tritt<br />
die gleiche Derivatisierung doppelt im<br />
Molekül auf, lässt sich dies einfach durch<br />
das Infix »-di-« ausdrücken (zum Beispiel<br />
Betamethason-dipropionat).<br />
Zwei verschiedene Veränderungen<br />
des Gr<strong>und</strong>körpers werden mitunter mit<br />
einem einzigen zusätzlichen Suffix definiert.<br />
So ist zum Beispiel bei Hydrocortison-buteprat<br />
der Gr<strong>und</strong>körper einmal mit<br />
Buttersäure <strong>und</strong> einmal mit Propionsäure<br />
verestert, bei Hydrocortison-aceponat<br />
Typ I: a-Acyloxyalkylester<br />
-axetil R1 = CH 3 R2 = CH 3<br />
-hexetil R1 = CH 3 R2 = Cyclohexyl<br />
-pivoxil R1 = H R2 = tert.-Butyl<br />
-pentexil R1 = CH 3 R2 = tert. Butyl<br />
Typ II: a-Alkoxycarbonyloxyalkylester<br />
-proxetil R 1 = CH 3 R 2 = Isopropyl<br />
Abbildung 3: Kennsilben für Doppelester-Prodrugs<br />
24 4296 Pharm. Ztg. · 147. Jahrgang · 7. November 2002
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TITEL<br />
45 / 2002<br />
Tenofovir DF<br />
Abbildung 4: Tenofovir Disoproxil <strong>und</strong> Tenofovir<br />
Die Autoren<br />
Franz Bracher studierte<br />
Pharmazie in München (Approbation<br />
1983) <strong>und</strong> wurde<br />
1986 in München im Fach<br />
Pharmazeutische <strong>Chemie</strong><br />
promoviert. Anschließend<br />
war er als Postdoktorand an<br />
der Universität Genf <strong>und</strong> hat sich<br />
1991 in Marburg habilitiert. Von 1992<br />
bis 1997 war er Professor für Pharmazeutische<br />
<strong>Chemie</strong> an der TU<br />
Braunschweig, seit 1997 hat er einen<br />
Lehrstuhl für Pharmazie an der LMU<br />
München inne. Er ist Fachapotheker<br />
für Pharmazeutische Analytik, Mitglied<br />
der Delegiertenversammlung<br />
<strong>und</strong> des Ausschusses für Aus- <strong>und</strong><br />
Fortbildung der Bayerischen Landesapothekerkammer,<br />
Mitglied der Arzneibuchkommission<br />
<strong>und</strong> Mitherausgeber<br />
des Arzneibuchkommentars.<br />
Frank Dombeck studierte<br />
Pharmazie an der TU Braunschweig<br />
<strong>und</strong> erhielt 1996<br />
die Approbation. Er ist<br />
Fachapotheker für Pharmazeutische<br />
Analytik <strong>und</strong> wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter<br />
in der Arbeitsgruppe von Professor<br />
Bracher an der LMU München. Er<br />
steht kurz vor dem Abschluss seiner<br />
Promotion auf dem Gebiet der Naturstoffchemie.<br />
Tenofovir<br />
einmal mit Essigsäure (»Acetat«) <strong>und</strong> einmal<br />
mit Propionsäure. In Erythromycinstinoprat<br />
ist das Antibiotikum am Aminozucker<br />
mit Propionsäure verestert (Propionat)<br />
<strong>und</strong> zusätzlich mit N-Acetylcystein<br />
ins Salz überführt. Bei Triamcinolonhexacetonid<br />
ist der Steroidgr<strong>und</strong>körper<br />
einerseits mit 3,3-Dimethylbuttersäure<br />
(C 6 -Säure, deshalb »-hex-«) verestert, andererseits<br />
die Diolgruppe mit Aceton zu<br />
einem cyclischen Acetal (»-acetonid«)<br />
umgesetzt.<br />
Kleiner Anhang zu modifizierten INN<br />
Abschließend sollen kurz einige Namensbestandteile<br />
vorgestellt werden, die zwar<br />
nicht in der offiziellen Liste der Kennsilben<br />
für INN aufgeführt sind, aber doch<br />
nützlich sind, um die Verwandtschaft zwischen<br />
zwei Wirkstoffen abzuleiten.<br />
Das Präfix »Dex(tro)-« vor einem bestehenden<br />
INN zeigt, dass es sich um das<br />
rechtsdrehende Enantiomer eines chiralen<br />
Arzneistoffs handelt (Ibuprofen <strong>und</strong><br />
Dexibuprofen; Propoxyphen <strong>und</strong> Dextropropoxyphen).<br />
Entsprechend charakterisiert<br />
»Lev(o)-« die linksdrehenden Enantiomeren<br />
(Ofloxacin <strong>und</strong> Levofloxacin;<br />
Methadon <strong>und</strong> Levomethadon). Die gelegentlich<br />
anzutreffende Schreibweise<br />
l-Methadon bezeichnet ebenfalls Levomethadon;<br />
sie ist nicht zu verwechseln<br />
mit der Konfigurationsbezeichnung (L)<br />
nach Fischer!<br />
Das Präfix »Es-« bei Esomeprazol sagt<br />
aus, dass es sich um das reine (S)-Enantiomer<br />
von Omeprazol handelt.<br />
Das Präfix »Nor-« steht allgemein für<br />
das niedrigere Homologe einer organischen<br />
Verbindung, wenn beispielsweise<br />
bei einem Amin eine N-Methylgruppe<br />
durch ein <strong>Was</strong>serstoffatom ersetzt ist<br />
(Adrenalin <strong>und</strong> Noradrenalin). Bei den<br />
Gestagenen Norgestrel <strong>und</strong> Norethisteron<br />
zeigt das Präfix das Fehlen der Methylgruppe<br />
an C-19 des Steroidgr<strong>und</strong>körpers an.Das<br />
Präfix »Des-« zeigt allgemein an, dass ein<br />
(nicht näher definierter) Teil des Moleküls<br />
der Muttersubstanz fehlt. Bei Desloratadin<br />
ist es die Carbethoxygruppe von Loratadin,<br />
bei Desipramin eine der N-Methylgruppen<br />
von Imipramin.<br />
Schließlich noch eine Anmerkung<br />
zum Kristallwassergehalt von Wirkstoffen.<br />
Ein Hydrat (oder auch Monohydrat)<br />
enthält ein Äquivalent Kristallwasser, ein<br />
Dihydrat entsprechend zwei. Hemihydrate<br />
enthalten 0,5 Äquivalente, Sesquihydrate<br />
1,5 Äquivalente <strong>Was</strong>ser.<br />
Ein erster Schritt<br />
Die Zahl der im Handel befindlichen <strong>und</strong><br />
neu eingeführten Wirkstoffe ist selbst für<br />
Fachleute kaum noch zu überschauen.<br />
Das INN-System hilft dabei, schon aus<br />
dem <strong>internationale</strong>n <strong>Freinamen</strong> eines<br />
Wirkstoffs erste Informationen zur Zugehörigkeit<br />
zu einer bestimmten pharmakologischen<br />
Klasse abzuleiten. Diese Übersicht<br />
soll dazu beitragen, dieses Benennungssystem<br />
besser zu überblicken, um<br />
so seine unbestrittenen Vorteile nutzen<br />
zu können. Die klare Einordnung in eine<br />
bestimmte Wirkstoffklasse ist natürlich<br />
nur ein erster Schritt hin zu einer kompetenten<br />
Beratung bei der Arzneimittelabgabe.<br />
/<br />
Literatur<br />
(1) Eine Übersicht über Publikationen der WHO zu<br />
Pharmazeutika findet sich im Internet unter<br />
www.who.int/dsa/cat98/phar8.htm<br />
(2) WHO-Schrift, The use of common stems in the<br />
selection of International Nonproprietary Names<br />
(INN) for pharmaceutical substances.<br />
Genf 2001.<br />
(3) Negwer, M., Internationale Kurzbezeichnungen<br />
für pharmazeutisch verwendete Substanzen.<br />
34. Liste vorgeschlagener Bezeichnungen.<br />
Pharm. Ind. 37, Nr. 11 (1975) 854.<br />
(4) WHO-Schrift: International Nonproprietary<br />
Names (INN) for pharmaceutical substances.<br />
Names for radicals & groups. Genf 2000.<br />
(5) Eberhard-Metzger, C., Monoklonale Antikörper:<br />
Die Rückkehr der Zauberkugeln. Spektrum<br />
der Wissenschaft Heft 9 (2002) 64.<br />
(6) Peruche, B., Schulz, M., Glatirameracetat zur<br />
Behandlung der Multiplen Sklerose. Pharm.<br />
Ztg. 147, Nr. 34 (2002) 3278.<br />
(7) Bracher, F., Neuheiten bei Beta-Lactam-Antibiotika:<br />
Prodrugs <strong>und</strong> Dual-Action-Antibiotika.<br />
Pharm. Ztg. 138, Nr. 21 (1993) 1609.<br />
(8) Altmannsberger, S. H. G., et al., Wirkung der<br />
AT1-Rezeptorantagonisten. Pharm. Uns. Zeit 30,<br />
Nr. 4 (2001) 296.<br />
(9) Czajka, S.,Tenofovir. Aktiver in ruhenden Zellen.<br />
Pharm. Ztg. 146, Nr. 48 (2001) 4197.<br />
Anschrift der Verfasser<br />
Professor Dr. Franz Bracher <strong>und</strong><br />
Frank Dombeck, Department für<br />
Pharmazie – Zentrum für Pharmaforschung,<br />
Ludwig-Maximilians-<br />
Universität München, Butenandtstraße<br />
5 - 13, 81377 München<br />
E-Mail: Franz.Bracher@cup.unimuenchen.de<br />
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