Stahlfaserbeton - Neue Bemessungsgrundlagen ... - Concrete
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<strong>Stahlfaserbeton</strong> - <strong>Neue</strong> <strong>Bemessungsgrundlagen</strong>: Leistungsklassen<br />
Von Paul Schwarz, <strong>Concrete</strong>-Industrial-Floors<br />
Heute wird häufig die Leistungsfähigkeit von <strong>Stahlfaserbeton</strong> durch die Stahlfasermenge ausgedrückt, was<br />
wegen unterschiedlicher Fasereigenschaften eine grobe und oft unzutreffende Darstellung ist. Sinnvoller ist<br />
die Angabe der Leistung in Form der äquivalenten Biegzugfestigkeit, wie beim Beton die Betongüte<br />
durch die Druckfestigkeit angegeben wird [1].<br />
Nach an der TU Braunschweig durchgeführten Untersuchungen sollte dabei nicht nur der Fasergehalt und<br />
die Betongüte, sondern auch die Faserart (Drahtfasern, Blechstreifen und Stahlspäne) und bei Drahtfasern<br />
darüber hinaus auch die Schlankheit der Einzelfaser (Faserlänge / Faserdurchmesser) berücksichtigt<br />
werden.<br />
Dafür sind Näherungsformeln entwickelt worden, die in einem neuen Merkblatt für <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />
berücksichtigt werden.<br />
<strong>Stahlfaserbeton</strong> (SFB) ist im Hinblick auf sein Trag- und Verformungsverhalten in den Bereichen zwischen<br />
unbewehrtem Beton und Stahlbeton einzuordnen. Im Gegensatz zu unbewehrtem Beton ist SFB<br />
wegen seines duktilen Verhaltens in der Lage, nach dem Auftreten von Rissen weitere Zugkräfte zu<br />
übertragen. Bei Beanspruchung durch Biegung oder Biegung und Normalkraft können bei entsprechender<br />
Leistungsfähigkeit des SFB die bei der Rissbildung freiwerdenden Zugkräfte aufgenommen werden. Diese<br />
Robustheit ergibt eine höhere Bausicherheit.<br />
Im Gegensatz zum Stahlbeton weist SFB eine dreidimensionale und feingliedrige Bewehrungsstruktur auf.<br />
Dadurch sind auch oberflächennahe Bereiche, wie Kanten und Ecken bewehrt und weniger empfindlich<br />
gegenüber mechanischen Einwirkungen<br />
<strong>Stahlfaserbeton</strong>-Leistungsfähigkeit<br />
Weil für die SFB-Leistungsfähigkeit die Zugkennwerte maßgebend sind, wird man seine Biegezugfestigkeit /<br />
Nachrissbiegezugfestigkeit durch besondere Versuche bestimmen. Der Deutsche Beton-Verein (DBV) hat<br />
zur Bemessung der SFB-Bauteile in den wichtigsten Anwendungsfällen (Tunnel- und Industriefußbodenbau)<br />
Merkblätter herausgegeben [1-3], in denen die SFB-Leistungsfähigkeit im gerissenen Bereich durch die<br />
sogenannte äquivalente Biegezugfestigkeit beschrieben wird. Damit lassen sich Stahlfasern zur Aufnahme<br />
der Tragfähigkeit berücksichtigen und SFB-Bauteile bemessen.<br />
Im Gegensatz dazu wird die SFB-Leistungsfähigkeit heute meist durch die verwendete Stahlfasermenge<br />
ausgedrückt, und zwar in Gewicht (kg / m 3 ) oder Volumen (%), wobei ein Volumen-% etwa 80 kg / m 3<br />
entspricht.<br />
Mindestfasergehalt und Mindestleistungsfähigkeit<br />
SFB soll sich durch eine Mindestmenge an Fasern von unbewehrtem Beton unterscheiden. Dafür werden 20<br />
kg / m 3 oder 0,25 Volumen-% genannt. Der Mindestfasergehalt zum gleichmäßigen Durchsetzen des<br />
Betons mit Drahtfasern läßt sich bestimmen, wobei die Schlankheit der Fasern berücksichtigt wird. Für<br />
SFB im Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen [4] beträgt die Mindestfasermenge 40 kg /<br />
m 3 . Hier wäre die Angabe einer Mindestleistungsfähigkeit sinnvoller, die von der Betongüte, der Faserart und<br />
–form beeinflußt wird.<br />
Die SFB-Leistungsfähigkeit sollte mindestens 1,0 N/mm 2 an äquivalenter Biegezugfestigkeit betragen, um<br />
eine Abgrenzung zum Normbeton sicherzustellen. Dies wirde im Zusammenhang mit einem<br />
Zulassungsverfahren 1998 vom Deutschen Institut für Bautechnik festgelegt.<br />
<strong>Neue</strong> Entwicklungen für die Bemessung<br />
Abhängigkeit von der Betongüte<br />
Die Untersuchung des Einflusses der Betongüte führte zu vier verschiedenen SFB-Leistungsklassen (Tabelle<br />
1). Die Berücksichtigung weiterer Einflüsse führte zu einer anderen Darstellungsart.
- 2 -
- 2 -<br />
Leistungs-<br />
Betongüte<br />
klasse B 25 B 35 B 45<br />
0 1,1 1,3 1,5<br />
1 1,6 1,9 2,3<br />
2 2,1 2,6 3,0<br />
3 2,6 3,2 3,8<br />
Tabelle 1: Leistungsklassen von <strong>Stahlfaserbeton</strong> in Abhängigkeit von der Betongüte<br />
– ausgedrückt in mittlerer äquivalenter Biegezugfestigkeit (N/mm 2 ).<br />
Abhängigkeit von der Faserart und –form<br />
Die SFB-Leistungsfähigkeit hängt auch von der Faserart und –form (Tabelle 2) ab, z.B. bei Drahtfasern noch<br />
von der Schlankheit der Fasern (Faserlänge / Faserdurchmesser).<br />
Art der<br />
Herstellung<br />
Ziehvorgang<br />
Länge<br />
mm<br />
Querschnitt<br />
mm 2<br />
15 bis 100 Kreis<br />
A = 0,25 bis 1,2<br />
spanabhebend<br />
15 bis 60 Sichel<br />
A = 0,2 bis 1,0<br />
stanzend 20 bis 60 Rechteck<br />
A = 0,2 bis 0,8<br />
schälend 40 bis 60 Segment<br />
A = 0,4 bis 0,8<br />
Form<br />
Bruchfestigkeit<br />
Längs- Oberfläche<br />
richtung<br />
N / mm 2<br />
gerade glatt<br />
1000 bis 1500<br />
gewellt geriffelt<br />
Endverformung<br />
gerade rauh 700 bis 1000<br />
Endverformung<br />
gerade glatt<br />
500 bis 1000<br />
gewellt geriffelt<br />
gerade glatt 500 bis 1000<br />
Tabelle 2: Einzelheiten über handelsübliche Stahlfasern für <strong>Stahlfaserbeton</strong> und Stahlfaserspritzbeton<br />
Deshalb hat die Firma Bekaert einen Näherungsansatz zum Bestimmen der äquivalenten Biegezugfestigkeit<br />
entwickelt. Das Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (IBMB) der TU Braunschweig führte<br />
Versuche [5, 6] mit zwölf verschiedenen Fasern durch, z.B. mit<br />
- Dramix-Fasern RC 65/60 BN; Stahldrahtfasern mit Schlankheit 65, 60 mm Länge, 1,09 mm Querschnitt,<br />
Haken an beiden Enden, Fasern in geklebten Streifen, Zugfestigkeit: 1000-1300 N/mm 2 .<br />
- Dramix-Fasern RL 45/50 BN; Stahlfasern mit Schlankheit 45, 50 mm Länge, 0,9 mm Querschnitt,<br />
Haken an beiden Enden, lose Einzelfasern, Zugfestigkeit 1000-1300 N/mm 2 .<br />
- Eurosteel-Fasern (Silidur); Stahldrahtfasern mit Schlankheit 50, 50 mm Länge, 1,0 mm Querschnitt,<br />
Zugfestigkeit 1100 N/mm 2 , wellenförmige Verankerung über die gesamte Faserlänge.<br />
- Twincone-Fasern 54 / 1,0; Stahldrahtfasern mit Schlankheit 54, 54 mm Länge, 1,0 mm Querschnitt,<br />
kegelförmige Endverankerungen.<br />
- Harex-Fasern SF 01-32; gefräste Fasern (Späne) mit 32 mm Länge und unregelmäßigem Querschnitt,<br />
500 N/mm 2 Streckgrenze.<br />
An den damit hergestellten Versuchskörpern (70/15/15 cm) aus SFB (Körnung 0/32, 320 kg<br />
CEM I 32,5 R, W/Z = 0,53) ermittelte man die äquivalente Biegezugfestigkeit teils nach dem DBV-Merkblatt<br />
für Tunnelbau und teils nach dem für Industriebau. Der Mittelwert der Grundgesamtheit betrug für die<br />
äquivalente Biegezugfestigkeit von SFB z.B. mit<br />
- 3 -
- 3 -<br />
- Dramix-Fasern RC 65/60-BN: 1,46 – 1,65 – 2,17 N/mm 2 bei 25, 35 und 45 kg/m 3 Fasergehalt.<br />
- Dramix-Fasern FL 45/50-BN: 0,95 – 1,49 – 2,33 N/mm 2 bei 30, 40 und 50 kg/m 3 Fasergehalt.<br />
- Eurosteel-Fasern: 0,78 N/mm 2 bei 30 kg/m 3 Fasergehalt.<br />
- Twincone-Fasern: 1,04 N/mm 2 bei 25 kg/m 3 Fasergehalt und<br />
- Harex-Fasern SF 01-32: 0,40 N/mm 2 bei 50 kg/m 3 Fasergehalt !!!<br />
Bei der Berechnung der äquivalenten Biegezugfestigkeit wird das Arbeitsvermögen des Betons und der<br />
Fasereinfluß bis zum Bruchzustand berücksichtigt.<br />
Mit Stahldrähten erreicht man mit wesentlich geringeren Fasermengen die Mindestleistungsfähigkeit von 1,0<br />
N/mm 2 als mit Stahlspänen oder Blechstreifen.<br />
Bei den Stahldrahtfasern hat die Schlankheit der einzelnen Drahtfasern (Faserlänge / Faserdurchmesser)<br />
einen großen Einfluß auf die Größe der äquivalenten Biegezugfestigkeit.<br />
Bei den Stahlfasern ist das Abschneiden der Stahlfaser von VULKAN-HAREX, die selbst bei einer Dosierung<br />
von mehr als 100 kg/m 3 den Mindestwert nicht erreicht, geradezu kathastrophal. Wir sehen uns durch die<br />
Ergebnisse der Untersuchung in unserer Auffassung bestärkt, Harex-Stahlfasern nicht einzusetzen.<br />
SFB-Leistungsklassen<br />
Abweichend von bisherigen Darstellungen werden nun die Bezeichnungen der Leistungsklassen direkt mit<br />
der Wertangabe der äquivalenten Biegezugfestigkeit verbunden (Tabelle 3).<br />
Leistungs-<br />
Fasergehalt in kg / m 3<br />
klasse<br />
Drahtfasern Blechstreifen Späne<br />
N/mm 2 l = 45 l = 65 l = 80 -- --<br />
1,0 30 20 15 60 80<br />
1,5 40 30 25 > 100 > 100<br />
2,0 50 40 30 > 100 > 100<br />
2,5 > 70 50 40 > 100 > 100<br />
3,0 > 85 60 50 > 100 > 100<br />
Tabelle 3: Leistungsklassen eines <strong>Stahlfaserbeton</strong>s der Betongüte B 25 in Abhängigkeit von Stahlfasergehalt, der Faserart und<br />
der Faserschlankheit λ (=Faserlänge / Faserdurchmesser).<br />
Damit werden Verwechslungen und die Angabe eines unterschiedlichen Wertes für jede Betongüte<br />
vermieden. Begonnen wird mit dem Mindestwert der äquivalenten Biegezugfestigkeit von 1,0 N/mm 2 und<br />
Schritte von 0,5 N/mm 2 empfohlen. Dann bedeutet die Angabe SFB 25 / 1,5 einen <strong>Stahlfaserbeton</strong> mit<br />
25 N/mm 2 Nenndruckfestigkeit (B25) und 1,5 N/mm 2 äquivalenter Biegezugfestigkeit.<br />
In Tabelle 3 sind für einen Beton B 25 die zum Erreichen der vorher genannten Leistungsklassen<br />
notwendigen Fasergehalte für Drahtfasern, Blechstreifen und Stahlspäne angegeben.<br />
Zum Erreichen höherer Leistungsklassen als 1,0 N/mm 2 sind bei Blechstreifen und Stahlspänen Mengen<br />
über 100 kg/m 3 einzusetzen, die jedoch nicht mehr einmischbar, geschweige denn zu verarbeiten sind.<br />
Auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit scheiden derartig hohe Dosierungen aus.<br />
Ausblick<br />
Im Rahmen der erwähnten Untersuchungen wurde von Teutsch [5] anhand einer Näherungsformel gezeigt,<br />
welchen Einfluß<br />
- die Fasermenge<br />
- die Faserart<br />
- die Schlankheit von Stahldrahtfasern und<br />
- die Betongüte<br />
auf die SFB-Leistungsfähigkeit haben.<br />
- 4 -
- 4 -<br />
Die Überprüfung dieses Ansatzes ergab eine gute Übereinstimmung mit den Versuchsergebnissen und<br />
wurde bei der Festsetzung der SFB-Leistungsklassen berücksichtigt.<br />
Derzeit werden die drei DFB-Merkblätter über SFB überarbeitet, wobei als neue Erkenntnis die SFB-<br />
Leistungsklassen aufgenommen werden.<br />
SFB sollte künftig in Leistungsklassen ausgeschrieben und angeboten werden – wie Beton, mit Angabe der<br />
Betongüte. Das führt zu einer besseren Baustoffausnutzung und ermöglicht eine sachgemäße Bemessung<br />
und Kalkulation.<br />
Anmerkung<br />
Die vorliegenden Ergebnisse haben gezeigt, daß <strong>Stahlfaserbeton</strong> im Industriebodenbau nur mit<br />
Einschränkungen als Alternative zu einer konventionell bewehrten Bodenplatte angesehen werden kann.<br />
Natürlich stellen sie auch ein im Sinn des Auftraggebers Bekaert im Bezug auf den Vergleich mit anderen<br />
Fasern schöngefärbtes Ergebnis dar.<br />
Insbesondere wird bei den Untersuchungen nicht die Verarbeitbarkeit der Stahlfasern berücksichtigt, und<br />
deren Neigung zu „Igelbildungen“ was insbesondere bei gepumptem Beton erheblichen Ärger verursachen<br />
kann. Auch die fatale Neigung von längeren Fasern, sich unerwünscht an der Oberfläche zu zeigen, wird<br />
verschwiegen.<br />
Aber die Tendenz stimmt – darauf kommt es an.<br />
Die Angaben der Faserhersteller über die technische Leistungsfähigkeit ihrer Produkte müssen<br />
allesamt kritisch gesehen werden, da sich jeder Hersteller mangels einheitlicher Bewertungsrichtlinien<br />
sein Produkt „schönrechnen“ kann.<br />
Überdies kann ab bestimmten Leistungsanforderungen an die Industriebodenplatte die Herstellung einer<br />
Stahlfaserbodenplatte wegen notwendiger, hoher Dosierungen unwirtschaftlich werden.<br />
Deshalb sollte bei der technischen Planung der Kosten- / Nutzen-Faktor künftig stärker beachtet und<br />
im Zweifelsfall einer konventionell bewehrten Industriebodenplatte der Vorzug gegeben werden.<br />
Literatur:<br />
[1] Technologie des <strong>Stahlfaserbeton</strong>s und Stahlfaserspritzbetons, DBV-Merkblatt 1996<br />
[2] <strong>Bemessungsgrundlagen</strong> für <strong>Stahlfaserbeton</strong> im Tunnelbau, DBV-Merkblatt 1996<br />
[3] Grundlagen zur Bemessung von Industriefußböden aus <strong>Stahlfaserbeton</strong>, DBV-Merkblatt 1996<br />
[4] Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, DafStb-Richtlinie 7/1996<br />
[5] M. Teutsch: Leistungsklassen des <strong>Stahlfaserbeton</strong>s, Heft 141/1998, TU Braunschweig, S. 73-82<br />
[6] H. Falkner / M. Teutsch: Leistungsklassen von <strong>Stahlfaserbeton</strong>, Heft 143/1999, TU Braunschweig.
Juni 2000