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Abschied von Wachstum und Fortschritt - Technikgeschichte der ...

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Patrick Kupper: Umweltbewegung <strong>und</strong> Atomenergie ETH Zürich / <strong>Technikgeschichte</strong> / Preprint 2 / Seite 40<br />

thermischer Kraftwerke. Der SBN hat in erster Linie durch Vermittlung <strong>von</strong> Unterlagen<br />

beim Kampf gegen diese Quelle gefährlicher Luftverunreinigung mitgeholfen.“ 162<br />

Die Propaganda für die Atomenergie<br />

Die Ansprache Bächtolds an <strong>der</strong> Generalversammlung 1964 signalisierte gleichsam den Beginn<br />

einer neuen Phase in <strong>der</strong> Energiepolitik des SBN: die externe Meinungsäusserung löste<br />

die interne Meinungsbildung ab. Präsident Bächtold entfaltete in <strong>der</strong> zweiten Jahreshälfte<br />

<strong>von</strong> 1964 <strong>und</strong> 1965 eine rege Öffentlichlichkeitsarbeit: In Reden, Vorträgen <strong>und</strong> Artikeln orientierte<br />

er „über den neuesten technischen Stand <strong>der</strong> Atomnutzung <strong>und</strong> warnte vor den Folgen<br />

<strong>der</strong> Luftverunreinigung durch thermische Kraftwerke“. Im „Schweizer Naturschutz“<br />

erschienen im selben Zeitraum sechs jeweils mehrseitige Artikel, die gr<strong>und</strong>sätzlich zur<br />

schweizerischen Energiepolitik Stellung nahmen. Der Vorstand liess sich in diesen Monaten<br />

nur noch einmal, im Februar 1965, über die „Tendenzen <strong>der</strong> Energiebeschaffung“ informieren.<br />

163<br />

Im August 1965 trat dann die Sektion Schaffhausen an den Naturschutzrat heran <strong>und</strong> for<strong>der</strong>te,<br />

eine öffentliche Stellungnahme zum „Kraftwerkproblem“ zu erarbeiten. Wasserkraftwerke,<br />

die „zu den grössten Problemen des Naturschutzes“ führten seien „bis jetzt (…) notwendiges<br />

Übel zur Beschaffung <strong>der</strong> elektrischen Energie“ gewesen. In <strong>der</strong> Bedrängnis „kommt<br />

die Atomenergie zu Hilfe“: Durch die Möglichkeit, elektrische Energie aus Atomkraft zu<br />

gewinnen, könne auf weitere Wasserkraftwerke verzichtet werden. Dadurch sei für den SBN<br />

eine günstige Situation entstanden, um die „noch natürlichen Gewässer“ zu verteidigen. Das<br />

Atomkraftwerk <strong>der</strong> NOK werde Strom zu 2,8 Rp./kWh liefern <strong>und</strong> sei daher ein „Verbündeter<br />

mit wirtschaftlich schwerwiegenden Argumenten“, den es einzusetzen gelte. Man müsse<br />

einerseits die öffentliche Meinung beeinflussen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits gegen konkrete Wasserkraftprojekte<br />

vorgehen. Unterstützung erhielt <strong>der</strong> Schaffhauser Antrag durch den Zürcher<br />

Geographieprofessor Emil Egli: Es sei „höchste Zeit, <strong>der</strong> Bevölkerung klarzumachen, dass<br />

das Zeitalter <strong>der</strong> 'weissen Kohle' überw<strong>und</strong>en ist.“ Der Rat beschloss daraufhin, erstens bei<br />

<strong>der</strong> Regierung des Kantons Aargau <strong>und</strong> beim B<strong>und</strong>esrat auf eine Einstellung <strong>der</strong> Bautätigkeiten<br />

am Kraftwerk Koblenz-Kadelburg hinzuwirken, <strong>und</strong> zweitens den Vorstand mit <strong>der</strong><br />

Ausarbeitung einer öffentlichen Stellungnahme zu beauftragen. 164<br />

Diese Diskussion illustriert, wie eng die Propaganda <strong>der</strong> Naturschützer für die zukünftige<br />

Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie mit ihrer Opposition gegen den Bau <strong>von</strong> Wasserkraftwerken verknüpft<br />

war. Insbeson<strong>der</strong>e die vom SBN bekämpften Projekte Koblenz-Kadelburg <strong>und</strong> Neubannwil<br />

<strong>und</strong> Flumenthal waren 1965 in eine entscheidende Phase getreten. 165<br />

Die Formulierung <strong>der</strong> Stellungnahme fiel dem Vorstand nicht leicht, insbeson<strong>der</strong>e wollte<br />

man einer Fehlinterpretation vorbeugen. Inzwischen war er nämlich zur Einsicht gelangt,<br />

dass thermische Kraftwerke durch ihre Luftverschmutzung „ohne Zweifel dem Naturschutz<br />

grösseren Schaden [bringen] als hydraulische Kraftwerke.“ 166 Am 11. Dezember 1965 ging<br />

die Ausarbeitung <strong>der</strong> Stellungnahme für die letzte R<strong>und</strong>e zurück in den Naturschutzrat. In<br />

<strong>der</strong> Diskussion erachtete Bächtold die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit einer Gruppe <strong>von</strong> Leuten,<br />

„die gegen die Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie Sturm läuft“, als notwendig <strong>und</strong> wies darauf hin,<br />

dass gr<strong>und</strong>sätzlich bei Atomkraftwerken wie bei thermischen Kraftwerken die Verschmut-<br />

162 Jahresbericht 1964, SN, 2/1965, S. 54.<br />

163 Jahresbericht 1965, SN, 2/1966, S. 50. ArSBN, B 1.1, ProV 56/1, 9/10.2.1965, S.4. Der inhaltlichen Analyse <strong>der</strong><br />

Zeitschriftenartikel ist <strong>der</strong> Abschn. 4.2 gewidmet.<br />

164 ArSBN, B 1.2, Akte 83/65: Brief Min<strong>der</strong> an den Naturschutzrat vom 8.8.1965; B 6, ProN 56/3, 28.8.1965, S. 11-<br />

14. An <strong>der</strong> Sitzung erwog man gar, einen Gegenbericht zum zweiten „Zehn-Werke-Bericht“ vom 5. Mai 1965<br />

zu verfassen.<br />

165 Zu den Oppositionen in den 60er Jahren gegen Wasserkraftprojekte siehe Sken<strong>der</strong>ovic 1992, S. 92-118.<br />

166 ArSBN, B1.1, ProV 56/4, 15.9.1965, S. 6f.

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