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Gabriele Lockstaedt NEMESIS

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Sieben Bilder zur Passion Christi<br />

Sieben<br />

Am Anfang war die Sieben. Am siebten Tag vollendete Gott<br />

seine Schöpfung. Die Passionszeit umfasst sieben Wochen.<br />

Intuitiv hatte sich die Malerin <strong>Gabriele</strong> <strong>Lockstaedt</strong> auf die,<br />

für sie mystische Sieben in ihrem Gemäldezyklus zur Passion<br />

festgelegt. In der christlichen Zahlensymbolik bedeutet<br />

die Sieben die Totalität der göttlichen Schöpfung. Denn<br />

sie setzt sich zusammen aus Drei (=Gott) und Vier (=Welt).<br />

Sie ist die heilige Zahl der Bibel und ein Symbol von kosmischer<br />

Bedeutung. Die Kenntnisse in der Antike und im<br />

Mittelalter gingen von sieben Planeten aus, von Himmelskörpern<br />

des Sonnensystems, die nicht die Sonne umkreisen,<br />

sondern, so glaubte man damals, die feststehende Erde.<br />

Personifiziert wurden die Planeten durch antike Götter, die<br />

im Altertum als Tagesgottheiten gedeutet wurden. Diese<br />

Auffassung wird im romanischen Sprachraum noch heute<br />

durch die Bezeichnungen der sieben Wochentage deutlich.<br />

Auch der Regenbogen, Zeichen des Bundes Gottes nach der<br />

Sintflut mit allen Lebewesen auf der Erde (1. Mose 9.13),<br />

besteht aus sieben Farben. Er wird als ein Gnadenzeichen<br />

Gottes gedeutet.<br />

Keine Zahl vermag die Passion symbolisch derart widerzuspiegeln<br />

wie die Sieben, beinhaltet die Passion doch die<br />

gesamte Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt über<br />

den Sündenfall bis zum Opfertod Jesu Christi. Nicht zufällig<br />

umfasste auch der Kreuzweg, der als Sonderform des Passionszyklus’<br />

im 15. Jahrhundert entstand, einst sieben Stationen.<br />

Erst die barocke Erzählfreude und der Einfluss der<br />

franziskanischen Kreuzwegandachten ließen den Kreuzweg<br />

im Laufe des 17. Jahrhunderts auf die doppelte Bilderzahl<br />

anwachsen.<br />

erfunden. Die größte Bedeutung kam hier dem Mittelbild<br />

mit der Kreuzesdarstellung zu, die im Kontext des Christusmonogramms<br />

zugleich zu einem Symbol des Sieges<br />

(Lorbeerkranz anstatt Dornenkrone) und der Wiederauferstehung<br />

wurde (Abb. S. 2). Erst seit dem 12. Jahrhundert<br />

sollte vor allem nördlich der Alpen das Passionsthema die<br />

Gläubigen zunehmend zum Mitleiden animieren. Passion<br />

bedeutet Leiden, zugleich aber auch Leidenschaft und leidenschaftliche<br />

Hingabe.<br />

Ein Blick in die Geschichte der Kunst zeigt, dass es für die<br />

Verbildlichung der Passion, anders als für die Darstellung<br />

der Kreuzwegstationen, keinen festen Bilderkanon gibt. So<br />

hat sich im Laufe der Jahrhunderte weder für die Anzahl<br />

der Bilder, noch für Anfang und Ende der Geschichte eine<br />

feste Typologie herausgebildet. Die Malerin <strong>Gabriele</strong> <strong>Lockstaedt</strong><br />

bezeichnet ihren Passionszyklus mit „Nemesis“ und<br />

weist bereits mit dem Titel über die christliche Thematik<br />

hinaus. „Nemesis“ bedeutet im Griechischen „das Zuteilen<br />

des Gebührenden“. Nemesis heißt auch die antike Göttin<br />

der ausgleichenden Gerechtigkeit, die für Frevel und Übermut<br />

die gerechte Strafe zuteilt. Ganz aktuell und zeitnah<br />

bezieht sich die Künstlerin aber auch auf den Film „Nemesis“<br />

von Nicole Mosleh. In dem Paardrama mit Ulrich Mühe<br />

und Susanne Lothar werden die dunklen Seiten des Lebens<br />

in grandioser schauspielerischer Leistung vergegenwärtigt.<br />

Die so unterschiedlichen Assoziationen lassen bereits im<br />

Vorfeld erahnen, wie weit die Passionsbilder von <strong>Gabriele</strong><br />

<strong>Lockstaedt</strong> über die klassischen Passionsfolgen hinausgehen.<br />

Es sind keine textbegleitenden Illustrationen, sondern<br />

vielschichtige, eindringliche und kraftvolle Bilder, die Leiden<br />

und Leidenschaft, Ängste und Hoffnungen sowie Leben<br />

und Tod gleichermaßen beinhalten.<br />

Im Atelier, November 2012:<br />

Arbeit an den Bildern Membran und Novalis<br />

Passion und Nemesis<br />

Die Frage nach der Bilderfindung gehört mit zum Spannendsten,<br />

was die Geschichte der Kunst zu bieten vermag.<br />

Die ersten Bilder aus der Passion, der Leidensgeschichte<br />

Christi, wurden von der frühchristlichen Kunst des vierten<br />

Jahrhunderts für die sinnreiche Verzierung von Sarkophagen<br />

Endlichkeit versus Unendlichkeit –<br />

Leben versus Tod<br />

Die Malerin gibt mit der abstrakten Malerei und vieldeutigen<br />

Verknüpfung der einzelnen Bilder keine eindeutige<br />

Abfolge des siebenteiligen Zyklus’ vor. Vielmehr ist der<br />

Betrachter herausgefordert, seinen Blicken und Assoziatio-<br />

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