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INFO 1/2002 - Institute for Theoretical Physics

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Aus-Bildung<br />

zwischen den Wünschen, Vorstellungen, Ideen vomMensch-<br />

Sein und den Möglichkeiten des je konkreten Lebens, zwischen<br />

dem Fremden und dem Eigenen, und den vielen<br />

Bezüglichkeiten dieser beiden Bereiche. Wie jede Übersetzung<br />

ist sie nie perfekt und immer verbesserungsfähig. Und<br />

wie jede Übersetzung legt sie auf beiden Seiten des Übersetzungsprozesses<br />

neue Schichten von Möglichkeiten frei.<br />

Von Schleiermacher können wir lernen, dass die Interpretation<br />

ein endlos sich drehenden „hermeneutischer Zirkel" ist,<br />

der nach neuen Wegen Ausschau hält, der aber gleichzeitig<br />

den bislang erworbenen Sinn als Richtschnur anerkennt.<br />

Bildung ist in diesem Sinne eine Art „Übersetzungszirkel".<br />

Hört die Übersetzung auf, endet die Verständlichkeit der<br />

Welt. Deswegen sind auch alle technischen Lösungen der<br />

derzeitigen Sinn-, Erziehungs- und Bildungsprobleme zurückzuweisen.<br />

Will Bildung an der Gestaltung der Welt<br />

teilhaben, kann die Übersetzung nicht als abgeschlossen<br />

und nicht mehr verhandlungsfähig betrachten werden. Eine<br />

demokratische „gebildete" Gesellschaft beugt sich letztlich<br />

der Ansicht, dass ihre Arbeit bei weitem noch nicht zu einem<br />

Ende gekommen ist, dass Werte immer miteinander konkurrieren,<br />

dass sich ihre Wertigkeiten ändern. Was heute als gut<br />

erscheint, muss es schon morgen, nicht mehr sein. Dazu<br />

bedarf es aber auch des Zukunftsvertrauens, der Handlungs-<br />

freude, der sozialen Verankerung der Menschen in überschaubaren,<br />

verlässlichen menschlichen Bezügen. Trotz der<br />

großen Verunsicherungen, der wachsenden Ohnmacht den<br />

gesellschaftlichen Zwängen gegenüber, dem bohrenden<br />

Gefühl der Bedrohung durch globale und exterritoriale Mächte,<br />

ist dieses Zutrauen lebensnotwendig. Damit wird es als<br />

Bildungsauftrag für die Universität- das klingt heute beinahe<br />

schon lebensfremd oder sentimental - auch für das 21.<br />

Jahrhundert wesentlich, um das Loch im Horizont nicht als<br />

Leerstelle in unseren Köpfen und Herzen wiederzufinden.<br />

Bildungspolitische Debatten, wie sie derzeit beinahe ausschließlich<br />

unter der Logik des Marktes geführt werden, sind<br />

immer auch ein heimliches Selbstgespräch darüber, wer wir<br />

sind und was aus uns werden soll. In einer lernenden Gesellschaft<br />

ist Bildung aber vielleicht der letzte große Selbstversuch,<br />

das soziale Temperament auf einer Skala zwischen<br />

Neugier und Apathie weit nach oben ausschlagen zu lassen.<br />

Dafür sind auch in der Universität die Weichen zu stellen.<br />

ao.Univ.-Prof.Dr. R. Egge r<br />

Institut für Erziehungs-und Bildungswissenschaften<br />

Universität Graz<br />

e-mail: rudolf.egger@uni-graz.a t<br />

Darf ich mich vorstellen - ich bin der neue Gärtner!!<br />

24<br />

BUKO <strong>INFO</strong><br />

1/<strong>2002</strong>

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