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Die Geschichte der Bergeller Festtagstracht

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<strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Bergeller</strong> <strong>Festtagstracht</strong><br />

Mehr als nur Zierde: die <strong>Bergeller</strong> Tracht<br />

<strong>Die</strong> heutige <strong>Bergeller</strong>-Tracht ist eine Synthese von all jenen <strong>Bergeller</strong>Trachten, welche im<br />

Jahre 1875 aus Anlass <strong>der</strong> Uraufführung <strong>der</strong> «Stria» (die Hexe) in den Truhen <strong>der</strong> Grossund<br />

Urgrossmütter aufgefunden wurden. <strong>Die</strong> Darstellerinnen dieser 1875 von Giovanni<br />

Maurizio verfassten und durch ihn inszenierten «nationalen <strong>Bergeller</strong> Tragikomödie» trugen<br />

eben diese Klei<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> Wie<strong>der</strong>aufführungen (1930, 1952 und später) ermöglichten eine<br />

Auslese. <strong>Die</strong> dazu verwendeten, sich nur in den Farben, aber im Schnitt kaum<br />

unterscheidenden Trachten bestanden aus einer Wollweste in kräftiger Farbe und aus einem<br />

darüber zu tragenden dunklen Mie<strong>der</strong>, das den Übergang zum Jupes bildete. <strong>Die</strong>ser reichte<br />

oft bis zum Fussknöchel. Im Mie<strong>der</strong> war die «pezza» o<strong>der</strong> «paluotta» (Brusteinsatz)<br />

eingesetzt, aus Blumen-Damast o<strong>der</strong> aus Wolle, welche mit Seide bestickt war. Es wurde<br />

aber auch ein hellfarbiger fast an den Süden erinnern<strong>der</strong> Schulter-Schal getragen. Das<br />

traditionelle, dreispitzige «capadüsli» diente als Kopfbedekkung; es war aber ohne<br />

Verzierungen.<br />

Als 1969 die <strong>Bergeller</strong> Frauen zu einer Versammlung in <strong>der</strong> «Ciäsa Granda» einberufen<br />

wurden, beschlossen sie, einige Regeln zu befolgen. Damit schuf man die Voraussetzungen<br />

für eine einheitliche <strong>Bergeller</strong>-Tracht, aber stets darauf bedacht, eine allgemein gültige<br />

«Uniformierung» auszuschliessen. Man bestimmte aber vielmehr ein Festtags-Kleid, welches<br />

<strong>der</strong> Trägerin die Möglichkeit zur vollen Entfaltung ihrer persönlichen Note einräumt, unter<br />

Beachtung <strong>der</strong> ihnen auch durch die für die Tracht zuständige Dachorganisation in Chur<br />

empfohlenen Bestimmungen. In den ihnen von <strong>der</strong> Kantons-Bibliothek zur Verfügung<br />

gestellten alten Geschichtsbüchern fanden sie kurze Hinweise, welche darüber Aufschluss<br />

geben, wie sich ihre Vorgängerinnen in den letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten bekleideten. Darin werden<br />

immer wie<strong>der</strong> dunkle Stoffe, Ärmel in an<strong>der</strong>en Farben und helle Klein-Schäle erwähnt. In <strong>der</strong><br />

Broschüre «Heimatleben» fanden sie eine Abbildung einer authentischen <strong>Bergeller</strong>in in ihrer<br />

Tracht. <strong>Die</strong> 1899 zum Gedenken an die Calvenschlacht gedruckte Festschrift enthält<br />

ebenfalls eine solche Abbildung, aber vielleicht weniger authentisch. Nach etlichen<br />

Diskussionen wurden folgende Richtlinien vereinbart:<br />

Für die Weste wird die Farbe dunkel fraise rigoros vorgeschrieben; unter dieser wird eine<br />

weissleinene Bluse mit Kragen im Bauernstil getragen. Mie<strong>der</strong> und Jupes können dagegen<br />

schwarz, blau o<strong>der</strong> dunkelbraun sein. Im Mie<strong>der</strong> wird die sogenannte «pezza» (Brusteinsatz)<br />

eingesetzt, mit reichlicher Handstickerei versehen. <strong>Die</strong> Stickerei kann aus Kränzchen von<br />

Wiesenblumen bestehen o<strong>der</strong> aus den für die Engadiner-Tracht typischen Motiven: die<br />

Nelke, die Tulpe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Granatapfel. In dieser Stickerei ist die rote Farbe vorherrschend<br />

und harmoniert mit <strong>der</strong> roten Farbe <strong>der</strong> Ärmel. Ausschnitt- und Manchetten <strong>der</strong> roten Weste<br />

sind mit Goldspitzen geschmückt. <strong>Die</strong> etwas streng wirkende dunkle Farbe <strong>der</strong> Tracht wird<br />

mit diesen Farbschattierungen aufgelockert. <strong>Die</strong> Schürze ist farbig o<strong>der</strong> schwarz; einfach und<br />

unbestickt. Der Schal ist elfenbeinfarbig, aus Seide und bestickt. Wie schon im Jahre 1875<br />

trägt die <strong>Bergeller</strong>in das «capadüsli» als Kopfbedekkung. Es besteht aus einem graziösen<br />

Häubchen; hinten leicht erhöht und vorne zugespitzt. Es erinnert an Frauenfiguren <strong>der</strong><br />

italienischen Renaissance. Der Kopfschmuck wird mit einer grossen Stecknadel befestigt; sie<br />

ist mit einer Tulpe o<strong>der</strong> mit einem Granatapfel in silberner Filigranarbeit geschmückt. Granat<br />

und Bernstein waren stets die von den <strong>Bergeller</strong> Vorfahrerinnen bevorzugten<br />

Schmuckstücke. In jedem Haus findet man mindestens ein antikes Exemplar von diesem<br />

Arm- o<strong>der</strong> Halsgeschmeide.


Viele <strong>Bergeller</strong>innen - junge o<strong>der</strong> weniger junge - haben den für ihre Tracht benötigten Stoff<br />

eigenhändig gewoben. Sie tragen dieses Ehrenkleid mit berechtigtem Stolz. Hochzeiten und<br />

Taufen, aber auch folkloristische - o<strong>der</strong> patriotische Fest-Veranstaltungen bieten ihnen<br />

willkommene Gelegenheit dazu. Das Bewusstsein, dass dieses Kleid die <strong>Bergeller</strong>in nicht<br />

vereinheitlichen, son<strong>der</strong>n voneinan<strong>der</strong> unterscheiden und auszeichnen will, ist viel wichtiger<br />

als die zur Schau getragenen Juwelen; bedeutsamer als die mehr o<strong>der</strong> weniger reichhaltigen<br />

Stickereien an <strong>der</strong> «pezza» o<strong>der</strong> am Schal. Es allein, dieses Wissen also, führt zur<br />

Erkenntnis, dass die Tracht eine gefühlsstarke Verbundenheit mit dem Heimattal<br />

symbolisiert. So greift die <strong>Bergeller</strong>in ehrfurchtvoll zur Tracht, um ihre tiefempfundene Liebe<br />

zu ihrem so geschätzten Flecken Erde zu bekunden.<br />

Ein Bericht von Elda Simonett-Giovanoli, Bivio

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