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Der Angst vor dem Tod begegnen - tine-schreibt

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3. Historische Bewältigungsstrategien<br />

Dem <strong>vor</strong>angegangenen Kapitel lässt sich entnehmen, dass ohne die Gesellschaft anderer<br />

sterblicher Wesen die Entwicklung eines <strong>Tod</strong>esverständnisses wahrscheinlich nicht erfolgen<br />

kann. Zugleich ist es unmöglich, Teil einer Gesellschaft zu sein und <strong>dem</strong> <strong>Tod</strong> nicht in<br />

Form eines sterbenden Angehörigen oder Freundes zu <strong>begegnen</strong>. Durch diese Unentrinnbarkeit<br />

des <strong>Tod</strong>es des Anderen in sozialen Gefügen wird es zur Notwendigkeit für jede<br />

Gruppe, feste Rituale zu entwickeln, die den Umgang mit Sterbenden und Toten regeln,<br />

und Mythen zu entwerfen, die Antworten auf das Große Unbekannte geben, das der <strong>Tod</strong><br />

für den Menschen darstellt. Beides dient zum Schutz der Hinterbliebenen, die ihre eigene<br />

Sterblichkeit konfrontieren müssen, aber auch zur Sicherung der Stabilität und des Weiterbestehens<br />

der Gruppe. Ein häufiges Mittel hierzu ist die Phantasie eines 'Lebens nach<br />

<strong>dem</strong> <strong>Tod</strong>e', durch die dieser kein nicht-denkbares Nichts mehr darstellt, sondern einen<br />

genau so geregelten und überschaubaren Teil der menschlichen Existenz wie das Leben<br />

da<strong>vor</strong> (vgl. Krafft-Krivanec, 2003, S. 173f).<br />

Zu beachten ist hierbei, dass die Lebensführung des Individuums - <strong>vor</strong>nehmlich in moralischer<br />

Hinsicht - in den meisten <strong>Tod</strong>eskonzepten einen direkten Einfluss darauf hat, wie<br />

sich seine Existenz nach <strong>dem</strong> Ableben gestalten wird. <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> erstreckt sich somit ins<br />

Leben hinein und regelt im Extremfall von Geburt an jede Beziehung, jede Handlung;<br />

selbst Bedürfnisse und Gedanken können <strong>vor</strong> den Augen dessen, der über Himmel und<br />

Hölle bestimmt, nicht versteckt werden. <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong>, oder die <strong>Angst</strong> <strong>vor</strong> diesem, strukturiert<br />

letztendlich den Tag, die Woche und das Jahr, teilt den Menschen Aufgaben zu, und<br />

belohnt sie einzig mit der Gewissheit, dass er nicht Nicht ist, sondern beherrschbares<br />

Etwas. Dies gibt der Person oder Gruppe, die die Jenseits<strong>vor</strong>stellung entwirft und propagiert,<br />

große Macht über alle, die daran glauben. Glaubenssysteme, in die Jenseits<strong>vor</strong>stellungen<br />

eingebunden sind, können zum Schaden der Gläubigen oder Ungläubiger<br />

missbraucht werden; sie sind also trotz ihres Nutzens eine zweischneidige Angelegenheit<br />

(vgl. Ramachers, 2000, S. 17; Mischke, 2000, S. 84f).<br />

Für weite Teile des Abendlandes war bis ins 20. Jahrhundert hinein die christliche Vorstellung<br />

von <strong>Tod</strong>, Erlösung, Jenseits, Auferstehung und ewigem Leben durch die Gnade Gottes<br />

das Leitmotiv der <strong>Tod</strong>eskonzepte. In den folgenden Abschnitten soll ein Überblick über<br />

konkreten Ausformungen von Vorstellungen und Riten, sowie deren teils gegensätzliche<br />

Entwicklungen im Verlauf der Epochen gegeben werden. Bezug nimmt die Autorin dabei<br />

<strong>vor</strong> allem auf die historischen Untersuchungen von Philippe Ariès und Plinio Prioreschi.<br />

<strong>Der</strong> Darstellung angeschlossen ist eine Untersuchung der pädagogisch relevanten Aspekte<br />

und Bestandteile der einzelnen Bewältigungsstrategien.<br />

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