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Achim Detmers, Calvin und die Juden als PDF - reformiert-info.de

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wie in <strong>de</strong>r Forschung vielfach geschehen – <strong>Calvin</strong>s Aussagen über das biblische Israel<br />

mit <strong>de</strong>nen über das zeitgenössische <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong>tum zu verwechseln. Dazu ein Beispiel:<br />

<strong>Calvin</strong> schrieb 1539 in seiner Institutio folgen<strong>de</strong>s: »Die Täufer schil<strong>de</strong>rn uns<br />

<strong>die</strong> <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong> [=Iudaeos] nämlich <strong>als</strong> <strong>de</strong>rmaßen fleischlich, dass sie mehr <strong>de</strong>m Vieh gleichen<br />

<strong>als</strong> <strong>de</strong>n Menschen. Sie erklären nämlich, <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong> geschlossen<br />

wor<strong>de</strong>n sei, gehe nicht über das zeitliche Leben hinaus, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verheißungen,<br />

<strong>die</strong> ihnen zuteil gewor<strong>de</strong>n wären, bezögen sich bloß auf gegenwärtige <strong>und</strong><br />

leibliche Güter. Was wür<strong>de</strong>, wenn sich <strong>die</strong>se Lehre durchsetzte, an<strong>de</strong>res übrigbleiben,<br />

<strong>als</strong> dass das jüdische Volk eine Zeitlang durch Gottes Wohltat gesättigt<br />

wor<strong>de</strong>n sei – ebenso wie man eine Sauher<strong>de</strong> im Koben mästet – , um dann schließlich<br />

im ewigen Ver<strong>de</strong>rben zugr<strong>und</strong>e zu gehen?« (OS V, 314,6-13).<br />

Auf <strong>de</strong>n ersten Blick könnte es scheinen, <strong>als</strong> ob sich <strong>Calvin</strong> hier über <strong>die</strong> abwerten<strong>de</strong><br />

Beurteilung <strong>de</strong>s (zeitgenössischen) <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong>tums durch <strong>die</strong> Täufer äußerte. Tatsächlich<br />

aber ging es <strong>Calvin</strong> um <strong>de</strong>n B<strong>und</strong> mit <strong>de</strong>m alttestamentlichen Israel. Schon Zwingli<br />

<strong>und</strong> Bucer hatten gegenüber <strong>de</strong>n Täufern <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>rtaufe durch <strong>de</strong>n Hinweis auf <strong>die</strong><br />

alttestamentliche Kin<strong>de</strong>rbeschneidung zu rechtfertigen gesucht; dazu entwickelten<br />

sie <strong>die</strong> Lehre von <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Alten <strong>und</strong> Neuen B<strong>und</strong>es. <strong>Calvin</strong> griff <strong>die</strong>se Lehre<br />

auf <strong>und</strong> formulierte 1539 <strong>de</strong>n Gr<strong>und</strong>satz: »Der B<strong>und</strong> mit allen Vätern unterschei<strong>de</strong>t<br />

sich von <strong>de</strong>m unsrigen so wenig in <strong>de</strong>r Substanz <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Sache selbst, dass er ganz<br />

<strong>und</strong> gar ein <strong>und</strong> <strong>de</strong>rselbe ist; doch <strong>die</strong> [äußere] Verwaltung än<strong>de</strong>rt sich.« (CR 29 CO<br />

I, 80,40f.).<br />

<strong>Calvin</strong> ging es <strong>als</strong>o keineswegs um eine Verteidigung <strong>de</strong>s <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong>tums, son<strong>de</strong>rn um<br />

eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit täuferischen Gruppen, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n alttestamentlichen B<strong>und</strong><br />

abwerteten. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang sah sich <strong>Calvin</strong> auch gezwungen – um <strong>de</strong>r<br />

Kontinuität <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>es willen – das bleiben<strong>de</strong> ›natürliche‹ Vorrecht <strong>de</strong>r <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong> zu<br />

konstatieren: »Da sich <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>, <strong>de</strong>r mit Abraham geschlossen wur<strong>de</strong>, auf seinen<br />

Samen bezieht, ist Christus zum Heil <strong>de</strong>s jüdischen Volkes gekommen, um das vom<br />

Vater einmal gegebene Versprechen zu erfüllen <strong>und</strong> einzulösen. Ist daran nicht zu<br />

ersehen, dass sich <strong>die</strong> Verheißung <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>es nach <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s Paulus auch nach<br />

<strong>de</strong>r Auferstehung Christi nicht nur sinnbildlich, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m Wortlaut nach an <strong>de</strong>m<br />

fleischlichen Samen Abrahams erfüllen muss?« (Inst. IV, 16,15).<br />

Nur in<strong>de</strong>m <strong>Calvin</strong> auf <strong>die</strong>se Weise Gottes Treue im B<strong>und</strong> mit <strong>de</strong>m jüdischen Volk<br />

hervorhob, konnte er theologisch an <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>es festhalten. Und <strong>die</strong>s war<br />

auch <strong>de</strong>r vorrangige Zweck seiner Ausführungen. Eine ›Rehabilitation‹ <strong>de</strong>s <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong>tums<br />

hatte <strong>Calvin</strong> nicht im Sinn. Die Einheit <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>es be<strong>de</strong>utete für ihn keineswegs,<br />

das gesamte <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong>tum weiterhin <strong>als</strong> erwählt zu betrachten. Vielmehr betonte<br />

er <strong>die</strong> Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>m jüdischem Volk <strong>als</strong> Ganzem (»tota Iudaeorum<br />

natione«) <strong>und</strong> einzelnen <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong> (»singulis hominibus«). Dies ermögliche es ihm, <strong>die</strong><br />

wi<strong>de</strong>rsprüchlichen paulinischen Aussagen zur Verwerfung <strong>und</strong> bleiben<strong>de</strong>n Erwählung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Ju<strong>de</strong>n</strong> miteinan<strong>de</strong>r zu vereinbaren: »Dass es so zu verstehen ist, ergibt sich

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