Faltblatt zur Ausstellung - Jena
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Veranstaltungen <strong>zur</strong> <strong>Ausstellung</strong><br />
24. August 2013, 15.00 Uhr<br />
„Eine Schar junger Männer und Frauen stürmt<br />
erobernd über die breite träge Masse<br />
Deutschlands“<br />
Christine Theml stellt den Band „Blütezeit der Romantik“<br />
von Ricarda Huch vor.<br />
1. September 2013, 15.00 Uhr<br />
„Geh allein weiter. Du kannst es.“<br />
Ricarda Huchs frühe Biografie<br />
Vortrag von Frau Katrin Lemke<br />
Alexandra Müller-Jontschewa: Poträt Ricarda Huch, 1989, Öl/Hartfaser, Kunstsammlung <strong>Jena</strong><br />
Ricarda Huch (1864 – 1947)<br />
In ihren „Jugenderinnerungen“ schrieb Ricarda Huch: „Ich<br />
war ein geborener Protestant mit einer Vorliebe für Revolutionen<br />
und Rebellionen, das Wort Rebell hatte einen Klangzauber<br />
für mich, an dem ich mich berauschte. Alles Spontane<br />
war mir sympathisch, alles Offizielle zuwider. ... Das Wort<br />
Freiheit war das Zauberwort, das mein Herz schrankenlos<br />
öffnete“.<br />
Noch vor wenigen Jahrzehnten galt Ricarda Huch als die<br />
bedeutendste deutsche Schriftstellerin des Jahrhunderts.<br />
Thomas Mann sah in ihr „die erste Frau Europas“. Insgesamt<br />
vier Mal, zuletzt 1946, wurde sie für den Literatur-Nobelpreis<br />
nominiert. Heute droht sie in Vergessenheit zu geraten. Dabei<br />
ist es neben den Werken Ricarda Huchs ihr Leben, von dem<br />
eine große Faszination ausgeht. Gegen Widerstände und<br />
Konventionen suchte sie eine selbstbestimmte schriftstellerische<br />
Existenz. Die 1933 unter Protest aus der Preußischen<br />
Akademie der Künste ausgetretene Ricarda Huch wurde in<br />
<strong>Jena</strong> wegen ihres Einsatzes für die Gleichheit der jüdischen<br />
Mitmenschen denunziert und hat es als eine der ganz wenigen<br />
prominenten Autoren geschafft, die innere Emigration<br />
während des Nationalsozialismus ohne falsche Kompromisse<br />
durchzustehen. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in<br />
<strong>Jena</strong> – und arbeitete für die Einsicht, „dass ein Volk sich nicht<br />
als ein Haufen von Privatleuten abseits von der Regierung<br />
stellen und sie schalten lassen kann, ohne sich dafür verantwortlich<br />
zu fühlen“.<br />
14. September 2013, Brunnenfest<br />
16.00 Uhr<br />
Romantisch soll die Liebe sein<br />
Eine Erzählung über Caroline Schlegel-Schelling<br />
Lesung mit der Autorin Erika Seidenbecher<br />
21.00 Uhr<br />
„Wiederentdeckung und Verlebendigung<br />
vergangener Menschen“<br />
Ricarda Huch und die <strong>Jena</strong>er Romantik<br />
Lesung mit Martin Stiebert<br />
21. September 2013, 15.00 Uhr<br />
Eine Geburtstagsfeier für Caroline Schlegel<br />
Lesung und Buchpräsentation mit Gisela Horn<br />
5. Oktober 2013, 15.00 Uhr<br />
Caroline Schlegel – ihre Briefe<br />
als Zeitbild und Seelenspiegel<br />
Lesung mit Martin Stiebert<br />
Führungen nach Absprache.<br />
Titelabbildungen:<br />
<strong>Jena</strong> von Süd-West, Christian Friedrich Quandt, um 1790<br />
Caroline Schlegel, Kopie des Gemäldes von Friedrich Tischbein<br />
(beide Abbildungen: Städtische Museen <strong>Jena</strong>)<br />
Ricarda Huch in <strong>Jena</strong>, 1944 (Bild: Literaturarchiv Marbach)
Caroline Schlegel und Ricarda Huch<br />
„Eine Schar junger Männer und Frauen stürmt erobernd über die<br />
breite träge Masse Deutschlands ..., mit übermütiger Verachtung<br />
die alte, morsche Kultur über den Haufen werfend“ – so sah<br />
Ricarda Huch die Frühromantiker. Die Dichterin, Philosophin und<br />
Historikerin Ricarda Huch gehörte zu den ersten, die Carolines<br />
Bedeutung erkannten. Mit ihrem zweibändigen kulturgeschichtlichen<br />
Werk über die Romantik, „Blütezeit der Romantik“ (1899)<br />
und „Ausbreitung und Verfall der Romantik“ (1902) ließ sie eine<br />
literarische Epoche lebendig werden, welche die zeitgenössische<br />
Germanistik sträflich vernachlässigt hatte.<br />
Am 2. September 2013 jährt sich der Geburtstag von Caroline<br />
Schlegel zum 250. Mal, der 150. Geburtstag von Ricarda Huch<br />
folgt am 18. Juli 2014. Die <strong>Ausstellung</strong> spürt den Gemeinsamkeiten,<br />
aber auch den historisch bedingten Unterschieden zweier<br />
starker Persönlichkeiten und ihrer Wirkung auf die Literatur nach.<br />
Die Hallenser Künstlerin Claudia Berg hat sich von den Briefen<br />
der Caroline Schlegel inspirieren lassen und ist in der Umgebung<br />
<strong>Jena</strong>s auf Spurensuche gegangen. Ihre Kaltnadelradierungen<br />
treten in einen Dialog mit den Aufzeichnungen der Caroline und<br />
ergänzen die <strong>Ausstellung</strong>.<br />
Caroline Schlegel (1763 – 1809)<br />
Friedrich Tischbein, Caroline<br />
Zeichnung, 1798<br />
(Romantikerhaus <strong>Jena</strong>)<br />
In einem Brief schrieb die achtzehnjährige Caroline, sie würde<br />
„weit lieber gar nicht heyrathen, und auf andre Art der Welt zu<br />
nutzen suchen.“ Dass Caroline, nach mehreren Irrwegen, eher<br />
aus Dankbarkeit als aus Liebe August Wilhelm Schlegel heiratete,<br />
ist einer der ganz wenigen Punkte, die ihr selbst ihre<br />
Verehrerin Ricarda Huch vorwirft, habe sie doch gerade noch<br />
„als Überwinderin ihrer Schwäche und der Not der Welt triumphiert“.<br />
Als Caroline 1796 mit August Wilhelm Schlegel nach <strong>Jena</strong> kam,<br />
hatte man schon allerlei über sie gehört: dass sie 1792 – ohne<br />
Mann! – mit ihrer kleinen Tochter nach Mainz ging, bei dem<br />
Weltumsegler Georg Forster lebte und mit dem dann, völlig<br />
revolutionsbesessen, bei den Jakobinern und der Mainzer Republik<br />
mitgemacht habe. An ihren Freund Meyer hatte Caroline<br />
1789 geschrieben:<br />
„Wir sind stolze Bettler,<br />
lieber Meyer, und ich<br />
kenne noch einige von<br />
der Art, laßen Sie uns<br />
lieber einmal eine Bande<br />
zusammen machen,<br />
einen geheimen Orden,<br />
der die Ordnung der<br />
Dinge umkehrt, und wie<br />
Claudia Berg, Zu Briefen Caroline Schlegels, Kaltnadelradierung, 2008<br />
die Illuminaten die Klugen an die Stelle der Thoren setzen<br />
wollten, so möchten denn die Reichen abtreten und die Armen<br />
die Welt regieren.“<br />
Auch wenn derart aufrührerische Gedanken mit der <strong>Jena</strong>er<br />
Wirklichkeit nicht viel zu tun hatten, so konzentrierte sich im<br />
ausgehenden 18. Jahrhundert in der Universitätsstadt eine<br />
fortschrittliche Intelligenz, die wesentlich zu dem Ruf <strong>Jena</strong>s<br />
als einer Republik freier Gelehrter beitrug. Auch Frauen konnten<br />
erstmals aus dem Schatten ihrer berühmten Väter und<br />
Männer treten. Neben den jüdischen Salons in Berlin stellten<br />
die Kreise der Klassiker und Frühromantiker in Weimar und<br />
<strong>Jena</strong> Zirkel dar, deren intellektuelles Klima Frauen erlaubte,<br />
Ansprüche auf Gleichheit, Bildung und individuelles Glück<br />
auch für ihr Geschlecht einzulösen.<br />
Die Frauen des frühromantischen Kreises Dorothea Veit,<br />
Caroline Schlegel und Sophie Mereau waren nicht nur hoch<br />
gebildet, sondern wegen ihrer unkonventionellen Lebensführung<br />
auch berühmt-berüchtigt. Caroline – von Schiller als<br />
Dame Luzifer bezeichnet – wurde zu einer Art Göttin von<br />
<strong>Jena</strong>, weil sie an der Seite August Wilhelm Schlegels den<br />
frühromantischen Feuergeistern ein gastliches Zentrum schuf.<br />
Zugleich teilte sie deren Feuer und wurde <strong>zur</strong> aktiven Zeugin<br />
jenes revolutionären Versuchs, miteinander eine freie, intelligente<br />
und herzliche Lebensgemeinschaft zu bilden.<br />
Ricarda Huch in <strong>Jena</strong>, 1944 (Bild: Literaturarchiv Marbach)<br />
Anonymous, Freiheitsbaum, Rheinland 1792/93