ursprung, zwiespalt und einheit der seele - Gustav Hans Graber ...
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höchste Stufe bedeutet höchster Moment des gestörten<br />
Gleichgewichts, dieser aber ist mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung des<br />
Gleichgewichts einer <strong>und</strong> <strong>der</strong>selbe23.« SCHELLING führt weiter aus, daß<br />
nach einem notwendigen <strong>und</strong> allgemeinen Naturgesetz die<br />
entgegengesetzten Tätigkeiten sich kombinieren müssen <strong>und</strong> das<br />
Produkt ein gemeinschaftliches sei. Das Individuum erscheine so als<br />
Mittel, die Gattung als Zweck <strong>der</strong> Natur.<br />
Wir haben hier ein typisches Beispiel für die systematische Darstellung<br />
des polaren Charakters <strong>der</strong> Natur, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Bisexualität abgeleitet<br />
wird. Erklärungsversuche für die Tatsache <strong>der</strong> Gegensätzlichkeit <strong>der</strong><br />
Kräfte in <strong>der</strong> Natur finden wir sowohl in den naturwissenschaftlichen als<br />
auch in den philosophischen Systemen häufig, ja, wir können sie sogar<br />
bis zurück in die Mythologien hinein verfolgen. Ich erwähne nur die<br />
bekannte Mythe, die PLATO in seinem Gastmahl den ARISTOPHANES<br />
aussprechen läßt: Zeus durchschneidet den zwei geschlechtlichen<br />
Menschen, weil er ihm zu mächtig ist, <strong>und</strong> so sucht je<strong>der</strong> Teil ewig nur<br />
sein Gegenstück, um wie<strong>der</strong> mit ihm zusammenzuwachsen.<br />
Die Mythe gibt allerdings nur eine Erklärung für die Erscheinung <strong>der</strong><br />
Polarität beim Menschen. Bei ihm ist die Differenzierung <strong>der</strong><br />
Geschlechter <strong>und</strong> damit die Individualisierung am weitesten<br />
vorgeschritten. Sein ganzes Wesen ist bipolar. Es ist denkbar, daß,<br />
teleologisch (zweckmäßig) betrachtet, das Denken <strong>und</strong> damit das<br />
Bewußtsein als <strong>der</strong> höchste Ausdruck dieser Individualisierung seinen<br />
Ursprung in <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> Antithese (Gegensatz) fand, mit welchem<br />
ersten Denkprinzip das Chaos des Erlebens überschaubar wurde. Das<br />
Aufstellen von Gegensätzen <strong>und</strong> das Bedürfnis ihrer Überwindung<br />
scheint überhaupt ein, wenn nicht das Charakteristikum unseres<br />
Denkens zu sein, <strong>und</strong> es ist äußerst interessant, den Entwicklungen <strong>der</strong><br />
Antagonismen (Gegensätze), angefangen von den ersten<br />
mythologischen Versuchen <strong>der</strong> Welterkenntnis bis hinauf in die<br />
wertvollen Systeme <strong>der</strong> Philosophie, nachzugehen, wie dies z. B. Karl<br />
GROOS versucht hat.<br />
Von einem Lösungsversuch unseres Problems <strong>der</strong> Bipolarität des<br />
Menschen in phylogenetischer Betrachtung muß aber, weil aus dem<br />
Rahmen unserer Arbeit fallend, abgesehen werden.<br />
Neben den Ableitungen <strong>der</strong> Polarität aus <strong>der</strong> Bisexualität finden wir in<br />
den Wissenschaften die atomistischen (vom Atom abgeleitet)<br />
Erklärungsversuche, angefangen von LEUKIPP, DEMOKRIT bis EPIKUR,<br />
LUKREz <strong>und</strong> GASSENDI, die eine quantitative Verschiedenheit <strong>der</strong><br />
Atome vertraten. Die Atome sind danach selbst bewegt, wirken aber